Monday, September 28, 2020

Hormonchaos in den Köpfen - Franca Parianen ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Franca Parianen (@FParianen) vorstellen zu dürfen! Franca ist Neurowissenschaftlerin und Autorin. Zuletzt erforschte sie am Helmholtz Institut der Utrecht University soziale Kognition und den Einfluss, den Oxytocin und Testosteron darauf haben. Vorher ging es am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften um unsere Fähigkeiten, uns in andere einzufühlen und zu -denken und darum, wie die beiden Fähigkeiten zusammengehen. Lange vor den Neurowissenschaften hat sie in Münster und Utrecht mal Public Administration studiert, sich dann aber ziemlich schnell von der Hirnforschung zum Research Master Neuroscience and Cognition nach Utrecht locken lassen. Der war aufregend und informativ und beinhaltete diverse Praktika unter anderem an der Jacobs University in Bremen, zum Thema "lebenslange Neuroplastizität". Seit 2014 ist die Wahlberlinerin als Science-Slammerin aktiv und slamt u.a. auf medizinischen Kongressen, in Theatern und auf Messen. 2016 erschien ihr erstes Buch "Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage" beim Rowohlt Verlag. Anfang 2020 (und passend zum Lockdown) dann das nächste: "Hormongesteuert heißt immerhin selbstbestimmt". 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Wie alle Neurowissenschaftler:innen: Ich habe Oliver Sacks gelesen und dann hat mich das Thema nie losgelassen. Obwohl ich zwischendrin mal versucht habe Politik zu studieren.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Als Mensch mit Entscheidungsschwierigkeiten liebe ich vernetzte Themen mit vielen Berührungspunkten. Hirnforschung ist an sich schon die Schnittstelle von Natur- und Geisteswissenschaften - eine Naturwissenschaft, die einen direkten Einfluss darauf hat, wie wir leben und entscheiden - besonders, wenn es um die sozialen Neurowissenschaften geht (da lohnt sich dann auch das Politikstudium). Das Thema Hirn und Hormon ist in gewisser Weise die Schnittstelle der Schnittstelle. Der Ort wo Körper und Geist aufeinander treffen und in Wechselwirkung miteinander tanzen (oder sich auf die Füße treten).

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Am Max-Planck Institut in Leipzig ging es vor allem darum, was passiert wenn zwei Gehirne aufeinander treffen. Wie verstehen wir anderer Leute Gedanken und Gefühle, und wo ist da der Unterschied? In Utrecht kamen dann die Hormone zur Fragestellung dazu: Wie beeinflussen Testosteron und Oxytocin unsere soziale Kompetenz; die Art, wie wir auf Erwachsene und Kinder reagieren? Am aufregendsten fand ich dabei immer die neuen Erkenntnisse darüber, wie die Epigenetik früh im Leben unser Hormonsystem formt und wie wir als Eltern so nicht nur ihre Gene sondern auch unsere Erfahrungen weitergeben.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Weil wir ohnehin ständig über Hormone reden! Über Schlaf und Stress und Kindererziehung, über Verhütung, Sex und Gender, oder darüber, wie viel Testosteron man haben sollte, um eine Land zu regieren. Blöderweise missverstehen wir die Hormone dabei ständig, machen uns ständig Sorgen darüber, was Hormone mit uns machen (von Stress bis Schwangerschaft), aber selten darüber, was wir mit ihnen anstellen (über Störstoffe und Co). Wenn es um Hormone geht, hängt die Theorie der Praxis immer ganz schön hinterher. Die Wissenschaft schreckt gern zurück vor lauten politischen Diskussionen, was aber nur zur Folge hat, dass sie noch lauter und uninformierter werden und irgendwann nur noch so wimmeln von Glücks- und Kuschelhormonen, "Testosteronboostern" und, in den dunkelsten Ecken, wirren Verschwörungstheorien über Soyboys und schwule Frösche. Denn natürlich sind Hormone viel zu spannend, um nicht darüber zu reden. Das ganze Hormon-Gebiet ist voller Vorurteile, Mythen und Mysterien und es ist höchste Zeit im Schrank unseres Hormon-Weltwissens aufzuräumen, sodass uns die ganzen Fehlinformationen nicht jedes Mal entgegen stürzen, wenn wir nach einer Erkenntnis suchen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Im Master habe ich mit Science Slams angefangen und das hat mich auch nie losgelassen. Mittlerweile schreibe ich Bücher und gebe Vorträge zu sozialen Neurowissenschaften (mit oder ohne Hormone).

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Schwimmen mit Musik auf den Ohren. Oder Hörbücher. Wir haben die Technologie! Eine Weile unterzutauchen ist wunderbar entspannend und außerdem die Art, wie ich die meisten Programmierprobleme gelöst habe.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ich wohne seit einem Jahr in Berlin und immer noch sehr froh, einfach das Stadtgefühl zu genießen. Irgendwo zu sein, wo interessante Leute an einem vorbei laufen und in Cafés sitzen. Der perfekte freie Tag ist nicht geplant und ich kann mich einfach treiben lassen (wahlweise im Meer).

Bitte begrüßt Franca ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, September 20, 2020

Arztgespräch, Patientengespräch - Isabella Buck ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Isabella Buck (@isabellabuck_) vorstellen! Isabella studierte angewandte Sprachwissenschaft, Germanistik und Medienwissenschaft in Bonn und Münster. Seit 2018 promoviert sie aus einer linguistisch-gesprächsanalytischen Perspektive zur Kommunikation auf der Palliativstation. Für ihre Dissertation erhob sie auf einer süddeutschen Palliativstation über 800 Gespräche zwischen Ärzt*innen/Pfleger*innen und Patient*innen. Auf dieser Grundlage stellt sie einen Vergleich zwischen pflegerischem und ärztlichem Sprechen mit Patient*innen an und untersucht in diesem Rahmen beispielsweise, welche Strategien Pflegekräfte und welche Strategien Ärzt*innen einsetzen, um die Bedürfnisse der Patient*innen in Erfahrung zu bringen. Isabella ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Nach dem Abi wollte ich eigentlich unbedingt ‚was mit Medien‘ machen (am liebsten beim Radio) und habe dementsprechend angefangen, in Bonn Medienwissenschaft und Germanistik zu studieren. In der Schule fand ich den Grammatikunterricht eher nervig, aber im ersten Semester hatte ich das Glück, im linguistischen Einführungsseminar eine sehr engagierte und motivierte Dozentin zu haben, die in mir eine große Begeisterung für die Linguistik entfachte. Ab dem zweiten Semester war ‚was mit Medien‘ passé und ich wusste, dass ich mich fortan nur noch der Linguistik widmen und nach meinem Studium unbedingt promovieren möchte. Für den Master wechselte ich dann nach Münster, wo ich Angewandte Sprachwissenschaft studierte und schließlich auch mit der Promotion begann.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Am Ende meines Masters, als ich bereits eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin angeboten bekommen hatte, stellte sich natürlich die Frage, zu welchem Thema ich promovieren möchte. Meine Chefin erzählte mir damals, dass sie ein Projekt zur Kommunikation auf der Palliativstation beantragen möchte und ich in diesem Bereich dann promovieren könnte. Das Projekt kam in der geplanten Form leider nie zustande, aber für mich war ein Dissertationsthema geboren. Dass ich an diesem Thema trotz der fehlenden Einbettung in ein größeres Projekt, wie zu Beginn geplant, festgehalten habe, lag u.a. daran, dass ich mich auch unabhängig von meiner Promotion für die Thematik zu interessieren begann. Ich machte in der Folge die Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin und hoffe, mit meiner Forschungsarbeit vielleicht ein wenig mehr zu einer ‚guten‘ Kommunikation mit Palliativpatient*innen beitragen zu können.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
In meiner Dissertation vergleiche ich das pflegerische und das ärztliche Sprechen mit Patient*innen auf der Palliativstation. Hierfür habe ich insgesamt 614 Pflege-Patient*in- und 250 Ärzt*in-Patient*in-Gespräche aufgenommen (Audioaufnahmen). Das sind insgesamt 103 Stunden Gesprächsmaterial und eigentlich viel zu viel Material für eine qualitativ ausgerichtete Arbeit … Die methodische Grundlage für meine Analyse bildet die linguistische Gesprächsanalyse, deren Wurzeln in der Soziologie liegen. Die große Frage, die jede gesprächsanalytische Arbeit umtreibt, ist die Frage nach dem WIE: Wie interagieren Menschen miteinander? Wie schaffen sie es dabei, ein geordnetes Gespräch zu erzeugen? In meiner Arbeit betrachte ich im Speziellen, welche sprachlich-interaktiven Praktiken Pfleger*innen und Ärzt*innen in ihren Gesprächen mit Patient*innen einsetzen. Dafür habe ich mir vier thematische Komponenten ausgesucht: Sprechen über Medikamente, Sprechen über Schmerzen, Sprechen über psychosoziales Krankheitserleben und Sprechen über Sterben und Tod.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Auch wenn fast alle Menschen eines Tages gerne zu Hause sterben wollen, sieht die Realität doch leider anders aus, da die meisten im Krankenhaus versterben. Ich möchte mit meiner Arbeit zumindest einen kleinen Teil dazu beitragen, dass die pflegerische und ärztliche Kommunikation mit sterbenden Menschen in der Endphase ihres Lebens so ist, dass sie die palliativ betreuten Personen nicht noch zusätzlich belastet, sondern dass diese sich so gut wie möglich aufgehoben und begleitet fühlen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich bin ehrenamtlich als Sterbebegleiterin bei einem ambulanten Hospizdienst in Münster tätig. Das bedeutet, dass ich Menschen, die palliativ begleitet werden, zu Hause besuche und Zeit mit ihnen verbringe. Je nach Zustand der zu begleitenden Personen gehe ich mit ihnen spazieren, lese ihnen vor, unterhalte mich mit ihnen oder sitze einfach schweigend an ihrem Bett. Einmal im Monat gibt es einen Gruppenabend, bei dem sich die Ehrenamtlichen austauschen, und mehrmals im Jahr wird auch eine externe Supervision angeboten.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Nichts Besonderes, ich pflege eher die ‚durchschnittlichen‘ Hobbies. Ich koche gerne und würde auch gerne wesentlich öfter backen, aber zu zweit dauert es immer so lange, bis ein Kuchen aufgegessen ist ;-) Seit Kurzem habe ich das Tanzen (Standardtanz) für mich entdeckt.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ausschlafen muss nicht unbedingt sein (ich bin definitiv eine Lerche!), Frühstück auf dem Balkon, lesen (querbeet), Musik hören, ein Cafébesuch, über den Markt bummeln, eine kleine Radtour ins Grüne, backen und kochen, Dokus schauen. Insgesamt eine gute Mischung aus Stadt und Land.

Bitte begrüßt Isabella ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, September 13, 2020

Ich oder du? Rebecca Böhme ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Rebecca Böhme (@rebeccaboehme) vorstellen zu dürfen! Rebecca ist Assistenzprofessorin am Center for Social and Affective Neuroscience (CSAN) an der Universität Linköping. Sie hat in Heidelberg Biologie studiert und an der International Max-Planck-Research School in Tübingen ihren Master in Neuro- und Verhaltenswissenschaften gemacht. Im Anschluss verschlug es sie nach Berlin, wo sie 2015 an der Charité zum Thema Belohnungslernmechanismen bei Schizophreniepatienten und Huntington-Patienten promovierte. Im Boehme Lab in Linköping forscht sie heute an der Erfahrung des "Selbst", Interozeption und sozialer Interaktion in psychiatrischen Populationen wie bspw. Schizophreniepatienten.

 

© Thor Balkhed, Universität Linköping

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Wissenschaft hat mich schon immer interessiert, eigentlich Querbeet Chemie, Physik, Biologie. Schon als Kind habe ich als „Experiment“ irgendwelche Sachen gemischt, um zu sehen, was passiert. Dahinter steht auch eine große Liebe zur und Faszination durch die Natur.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Dass ich nun in der Neurowissenschaft forsche, kommt wohl von meinem Interesse an den großen philosophischen Fragen: Was ist der Mensch? Was ist das Bewusstsein? Was ist das Selbst? Ob man diese wirklich befriedigend mit Neuroforschung beantworten kann, bezweifle ich inzwischen allerdings.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Momentan arbeite ich an Projekten zur Selbstwahrnehmung: Wie nehmen wir unseren eigenen Körper wahr? Wie unterscheiden wir zwischen „Ich“ und „die Anderen“? Wie trägt die körperliche Selbstwahrnehmung zu diesem hochkomplexen Erleben von „Ich selbst“ bei? Ich nähere mich diesen Fragen vom Bereich der zwischenmenschlichen Berührung – denn diese Berührung ist etwas, bei der ich immer mich selbst und den anderen spüren. Dafür nutze ich verschiedene Methodiken, allen voran bildgebende Verfahren wie fMRT.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wie wichtig zwischenmenschliche Berührung für uns alle ist, ist vielen nicht bewusst. Vielleicht ändert sich das gerade aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen. Ich denke, es ist wichtig, zu vermitteln, welche Rolle Berührung nicht nur für die Selbst-Wahrnehmung, sondern auch für unser Wohlergehen und unser soziales Miteinander spielt – und dass über das Thema Berührung insgesamt mehr gesprochen und reflektiert wird.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich schreibe liebend gern und habe bisher zwei populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht („Human Touch“ und „Resilienz“, beide bei C.H.Beck Verlag, 2019). Weitere sind in Arbeit :) !

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Schreiben, wie gesagt, ansonsten liebe ich Natur, draußen sein, was im Garten machen, Zeit mit meiner Familie und meinen Tieren zu verbringen – und wenn dann noch Zeit bleibt, Yoga und gute Literatur lesen.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
All die Dinge tun, die ich unter Hobbies aufgezählt habe, und dazu noch eine Tasse guten Kaffee trinken und blauer Himmel.

Bitte begrüßt Rebecca ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, September 6, 2020

Ein gepflegtes Gesundheitssystem - Martina Hasseler ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Martina Hasseler (@HasselerMartina) vorstellen! Martina ist Gesundheits-, Pflege-, und Rehabilitationswissenschaftlerin. Nach einer Ausbildung zur Pflegefachperson studierte sie an der Universität Osnabrück Pflegewissenschaften und promovierte zum Thema postpartale Pflege. 2015 habilitierte sie sich an der Universität Oldenburg. Heute forscht und lehrt sie an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und an der Universität Oldenburg.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Über den zweiten Bildungsweg. Ich habe zuerst eine Ausbildung zur Pflegefachperson absolviert (schon viele, viele Jahre her) und dann nach der Ausbildung das Abitur nachgeholt und studiert. Da mir bereits vor der Ausbildung klar war, dass ich eigentlich studieren möchte, habe ich dieses Ziel auch sehr schnell nach meiner Ausbildung verfolgt, gleichwohl ich für meinen Lebensunterhalt zunächst im hohen Stundenumfang als Pflegefachpersonen arbeiten musste. Dieser Aufwand reduzierte sich erst, als ich im 4. Semester ein Stipendium erhielt, das mich doch stark entlastete. Ich wusste aber bereits im 1. Semester, dass mich wissenschaftliches Arbeiten und Denken sehr fasziniert, so dass ich gerne die Möglichkeit des Schreibens einer Doktorarbeit nach Abschluss meines Studiums wahrgenommen habe. Für die Doktorarbeit erhielt ich auch ein Stipendium, was es mir ermöglichte, diese dann in einem angemessenen Zeitrahmen auch zu beenden. Ja, im Grunde hat sich mit dem Studium für mich das Feld der Wissenschaft eröffnet, auch wenn der Weg nicht so gerade in diese führte. Aber der Vorteil ist, dass die diversen Praxiserfahrungen aus den unterschiedlichen Bereichen in einer angewandten Wissenschaft wie die, in der ich arbeite, außerordentlich hilfreich sind. 



Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Im Grunde bin ich mein aktuelles Feld durch meine Berufsausbildung geraten. Insbesondere die Pflegewissenschaft ist in Deutschland immer noch wenig entwickelt, aber die Fragestellungen sind immens bzw. die Forschungsdesiderate als außerordentlich groß zu bezeichnen. Eine qualitativ hochwertige gesundheitliche und pflegerische Versorgung, die auch noch bedarfsgerecht ist und die Autonomie, Selbständigkeit, Würde und Gesundheit der Menschen erhält, ist im Grunde das Ideal, das mich in der Wissenschaft hält. Des Weiteren gibt es m.E. kein Arbeitsgebiet, in dem es so gut möglich ist, die Freiheit von Forschung und Lehre und damit auch die eigene Autonomie und Unabhängigkeit so gut wie möglich umzusetzen. 



Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Als Professorin bin ich in Lehre und Forschung tätig. Ich bin der starken Auffassung, dass ich in der Lehre nur dann sehr gut sein kann, wenn ich auch forsche. Ich nehme aber auch die Lehre sehr ernst und bereite meine Lehre jedes Semester immer neu auf und bin immer auf der Suche nach neuen interessanten Lehrmethoden. Mein Ziel erscheint vermutlich etwas anachronistisch: ich möchte nicht, dass die Studierenden meine ppt auswendig lernen, sondern ich möchte erreichen, dass die Studierenden die Kompetenzen erreichen, wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse kritisch zu reflektieren, anzuwenden und neue Ergebnisse zu entwickeln. Das Gesundheits- und Pflegewesen benötigt keine Akademiker:innen, die sich den toxischen Hierarchien ergeben, sondern die diese zugunsten einer guten Patienten-/Pflegebedürftigenversorgung gestalten. Neben der Lehre führe ich zahlreiche Forschungsprojekte durch, versuche zu publizieren, halte Vorträge, reiche neue Anträge ein, netzwerke, versuche auch politisch wirksam zu sein und übe Aufgaben in der Selbstverwaltung der Hochschule durch.
Ich möchte betonen, dass ich ein tolles Team habe. Die Mitarbeitenden in meinen Projekten gestalten mit ihren tollen Ideen und großem Einsatz die Projekte und Gestaltung der Ergebnisse mit. Wissenschaft und Forschung ist immer auch eine Teamarbeit und kann meines Erachtens nicht alleine erreicht werden. 

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Es ist im Sinne der Öffentlichkeit, eine qualitativ hohe gesundheitliche und pflegerische Versorgung zu erhalten. Es gibt vielfältige Gründe, warum diese in Deutschland nicht erreicht wird. Derzeit geben wir uns der Illusion hin, dass wir die erste Covid-19-Welle in Deutschland wegen unseres Gesundheitssystems einigermaßen gut überstanden haben. Die Wahrheit ist aber, uns dies gelungen ist, weil wir uns einen deutschlandweiten Lock-Down geleistet haben. Wir haben weder die längste Lebenserwartung, noch die besten Gesundheitsoutcomes in Europa. Die Gründe liegen in der Gestaltung der Gesundheitsversorgung. Wir haben in Deutschland ein ICD-getriggertes Gesundheitssystem, das eine bedarfsgerechte und interdisziplinäre Gesundheitsversorgung verhindert. Die Forschungsprojekte, an denen ich arbeite, ergänzen das Wissen um die Rahmenbedingungen guter Gesundheits- und Pflegeversorgung. Sie erweitern den Blick auf die Bedingungen, wie gute Gesundheits- und Pflegeversorgung sowie Qualität im System zu erhalten ist. Sie zeigen auch, dass wir eine bedarfsgerechte Gesundheits- und Pflegeversorgung nur mit berufsgruppen- und sektorenübergreifenden und mit neuen Denkansätzen erhalten können. 



Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Im Moment bin ich sehr stark mit Lehre und Forschung beschäftigt. Ich übe noch das Amt der Prodekanin aus, habe das Amt der Beauftragten für Internationales übernommen und lehre auch als Privatdozentin an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Neben meiner Arbeit habe ich ja noch eine Familie, so dass meine Zeit mehr als ausgefüllt ist. 



Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Mmh, ich habe in meinen Alter noch mit Kickboxen in diesem Jahr angefangen. Ich bin natürlich weit von sehr gut entfernt, trotzdem macht es unglaublich viel Spaß und ist herausfordernd. Des Weiteren habe ich mir ein Kajak und ein Stand-Up-Paddle-Board zugelegt, da ich eine hohe Wasseraffinität habe und die Zeit auf dem Wasser sehr genieße. Dann habe ich noch einen Hund, mit dem sehr viel Spaß macht rauszugehen. Er ist ein Border Collie, der eine unglaubliche Fähigkeit hat auf Menschen zuzugehen. 



Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ein idealer freier Tag beginnt mit drei Bechern Kaffee (ohne Milch und Zucker), Zeitung lesen und geht dann über in eine Outdoor-Aktivität. Der Tag endet dann mit einem Grillen auf der Terrasse mit netten Freunden, die meinen Humor verstehen.


Bitte begrüßt Martina ganz herzlich bei Real Scientists DE!