Es ist uns eine außerordentliche Freude, euch unsere neue Kuratorin Stephanie Kainrath (@OptoVaris) vorzustellen. Stephanie ist Doktorandin am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) in Klosterneuburg bei Wien. Stephanies Forschungsbereich ist ebenso jung wie spannend: in der Optogenetik wird Licht eingesetzt, um Zellen zu beeinflussen - ein Wissenschaftsgebiet, das Physik, Biologie und Medizin miteinander kombiniert. Wir sind sehr gespannt auf den Einblick, den uns Stephanie diese Woche in diesen Bereich bieten wird.
Hier ist Stephanie in ihren eigenen Worten:
Ich
war eigentlich schon als Kind begeisterte „Forscherin“. Das ist
sicherlich unter Anderem meiner Großmutter zu verdanken, mit der ich in
meiner Kindheit
sehr viel Zeit verbracht habe, und die mir geduldig all meine Fragen zu
Pflanzen und Tieren in Garten und Wald beantwortete. Und wenn sie das
mal nicht konnte, dann haben wir gemeinsam in Lexika und Sachbüchern
nachgeschlagen. Damals begann meine große Faszination
für Insekten, vor Allem Schmetterlinge, deren Raupen ich gesammelt und
aufgezogen habe, um die Metamorphose zu beobachten. Dieser Prozess hat
mich jahrelang zutiefst fasziniert und ich habe als Kind dann versucht,
herauszufinden wie das überhaupt funktioniert,
lange bevor ich überhaupt wusste, was Zellen und Moleküle sind.
Erklärungen durch Erwachsene und diverse Schul- und Sachbücher empfand
ich als höchst unbefriedigend, weil sie immer zu vage, zu oberflächlich
blieben. Im Laufe der Zeit hat sich so aber jedenfalls
immer mehr herauskristallisiert, dass ich einfach wissen will „wie“
Dinge funktionieren, und zwar in einem sehr, sehr kleinen Maßstab.
Dennoch – oder vielleicht auch deswegen - hab ich nach der Matura (Abi)
zuerst begonnen, Physik zu studieren. Vielleicht auch
nicht ganz unbeeinflusst durch meine Lieblings-Buchserie „His Dark
Materials“ von Philip Pullman. Aber nach einem Jahr Physikstudium in
Wien habe ich gemerkt, dass es doch nicht das richtige für mich ist –
langfristig bereitete es mir zu viel philosophisches
Kopfzerbrechen und lange schlaflose Nächte, mich mit den unendlichen
Weiten des Universums oder der so unfassbar kleinen Welt der
Quantenphysik zu beschäftigen. Daher habe ich mich einem kleinen, aber
nicht subatomar-winzigen Aspekt der Naturwissenschaften
zugewandt – der Molekularbiologie, und mein Studium gewechselt. Für
mich war sofort klar, wenn ich etwas „biologisches“ mache, dann was in
Richtung Medizin, speziell Krebsforschung hat mich interessiert, da ich
einige Erkrankungen in meinem Umfeld und meiner
Familie miterlebt habe und diese Krankheit besser verstehen wollte.
Mittlerweile bin ich PhD Student und habe somit erfolgreich meine
Lieblingsbeschäftigungen – Fragen stellen, Neues lernen, kreativ sein
und Probleme lösen – zu meinem momentanen Beruf gemacht.
Im
Studium habe ich sämtliche Zellsignalwege leidenschaftlich gehasst, da
es nur um stupides Auswendiglernen von Abbildungen und Abkürzungen ging
(ich
sage nur MAP-Kinase-Kinase-Kinase und ähnlich großartige Namen). Ich
wollte am Liebsten möglichst wenig damit zu tun haben, aber es kommt ja
meistens anders als man denkt. 2014 entdeckte ich ein spannendes Paper,
wo Forscher einen Zellsignalweg so verändert
haben, dass man ihn mit Licht kontrollieren konnte. Säugetierzellen die
auf Licht reagieren, so wie man es sonst nur von Pflanzen oder
Bakterien kennt? Prozesse die bei Krebs eine Rolle spielen, wie Wachstum
und Migration, mit Licht zu steuern und erforschen?
Das ganze Prinzip hat mich zutiefst fasziniert. Und durch Zufall
entdeckte ich zwei Wochen später eine Ausschreibung für eine
Masterstelle für ein Kollaborationsprojekt genau jener zwei Gruppen, von
denen das Paper stammte. Also habe ich mein Glück versucht,
mich beworben und bin schließlich in der Arbeitsgruppe „Synthetische
Physiologie“ am IST Austria gelandet.
Beim
Einlesen in die Literatur zu meinem Thema bemerkte ich sofort, dass es -
wenig überraschend - viel einfacher ist, sich all die Signalwege zu
merken,
wenn man auch die Hintergründe und Zusammenhänge dazu hat. Dazu hat im
Studium in den Vorlesungen die Zeit nicht gereicht, und auch Lehrbücher
waren meist nur unbefriedigende Zusammenfassungen und nicht in der Lage
ein „Bigger Picture“ zu vermitteln. Erst
durch Eintauchen in die Primärliteratur konnte ich wirklich
wertschätzen, wie faszinierend und komplex die Kommunikation zwischen
und innerhalb von Zellen ist. Gleichzeitig beschäftigte ich mich mit
Fragen aus der Physik – eben der Optik, und den Wechselwirkungen
zwischen Licht und biologischen Systemen. Und so hat mich der Zufall
genau da hin geführt, wo ich am Besten aufgehoben bin: eine
Schnittstelle zwischen Physik, Molekularbiologie und Medizin, jener drei
Bereiche die mich eigentlich immer schon am Meisten interessiert
haben.
Einer
der Aspekte an meiner Arbeit im Allgemeinen und meinem Arbeitsplatz im
speziellen, den ich am allermeisten schätze, ist die Freiheit, einfach
nur
„ich“ zu sein und keine Vorschriften über mein Aussehen oder meine
Kleidung gemacht zu bekommen. Ich habe seit ein paar Jahren immer wieder
mal eher ausgefallene Haarfarben, die sogar ein bisschen zu meinem
Erkennungsmerkmal geworden sind. Aber dazu gibt es
eine eigene Geschichte, die ich im Laufe der Woche noch erzählen will :-)
Ich
beschäftige mich mit der Entwicklung und Anwendung von Methoden,
Zellsignale durch Licht zu manipulieren, um sie besser zu verstehen.
Optogenetik
bedeutet im Prinzip, dass man mit Gentechnik bestimmte Komponenten in
Zellen umbaut oder ersetzt, so dass diese fortan auf sichtbares Licht
reagieren. Der große Vorteil von Licht ist, dass man es mit hoher
zeitlicher und räumlicher Präzision anwenden kann
– man denke dabei an einen Laserpointer, den man durch einen Knopfdruck
ein- oder ausschalten, und sehr präzise auf ein Ziel richten kann, und
stelle sich nun vor, dass man so zum Beispiel in einem komplexen Gewebe
nur eine einzelne Zelle für einen kurzen
Moment aktiviert, und den Effekt auf die umliegenden Zellen beobachtet.
Mit konventionellen (pharmakologischen) Methoden ist das nicht möglich.
In den Neurowissenschaften kann man so zum Beispiel einzelne
Nervenzellen so umbauen, dass man sie mit Licht aktivieren
oder inhibieren kann, was unter Anderem dabei hilft die Aufgaben
bestimmter Areale im Gehirn zu erforschen, und wie diese miteinander
vernetzt sind. Der Bereich der Optogenetik, in den meine Arbeit fällt, wird manchmal mit dem Zusatz „Non-neuronal“ bezeichnet,
um sich von diesem großen (und bekannteren) Feld abzugrenzen. Wir
beschäftigen uns nicht mit der Kommunikation zwischen Nervenzellen,
sondern allen möglichen anderen Zelltypen, oder aber auch innerhalb der
Zelle selbst.
Besonders
interessant ist das natürlich unter dem Aspekt dass Krebszellen
grundsätzlich dieselben Signalwege wie gesunde Zellen verwenden.
Degenerative
Erkrankungen resultieren auch oft aus einem Ungleichgewicht zwischen
verschiedenen Zellsignalen. Zu verstehen, wie diese komplexen
Kommunikationsnetzwerke zwischen Zellen und ihrer Umwelt, und innerhalb
der Zelle selbst, funktionieren, kann uns also auch dabei
helfen die molekularen Ursachen von Krankheiten besser zu verstehen und
neue Therapieansätze zu finden. Ein kürzlich abgeschlossenes Projekt
dass ich während meines Masterpraktikums begonnen habe, habe ich hier in einem Interview noch ein wenig genauer erklärt.
Kurz
gesagt: Meine Arbeit ist in einem sehr neuen, hochaktuellen
Forschungsfeld, das unheimlich viele interessante und interdisziplinäre
Berührungspunkte
hat, und gleichzeitig einen guten Einblick in die Grundlagen der
Zellbiologie bietet. Genau das hoffe ich während meiner Zeit als Kurator
für Real Scientists DE auf Twitter auch zu vermitteln :-) Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass die Leute verstehen, was im
Forschungsalltag ganz allgemein so
vor sich geht. Ich merke das vor Allem bei der Kommunikation mit meiner
Familie und Bekannten, die fast ausschließlich aus
nicht-wissenschaftlichen, nicht-medizinischen Berufen kommen. Abgesehen
davon, dass es für sie schwer vorstellbar ist, was ich im Alltag
so mache, ist es manchmal auch schwer zu verstehen „warum“. Wobei ich
ja durch meinen Bezug zur Krebsforschung (Buzzword!) auch da ein
bisschen einen Vorteil habe. Aber mein Feld hat ja auch Berührungspunkte
mit Entwicklungsbiologie und anderen Disziplinen
der Grundlagenforschung. Und all diese Arbeit, deren „Sinn“ oder „Ziel“
oft nicht so direkt ersichtlich ist, wird ja Großteils von
Steuergeldern finanziert. Mir ist es enorm wichtig, dass die Leute
verstehen, warum wir diese Arbeit machen und warum sie wichtig
ist, und dass wir nicht einfach in unserem „Elfenbeinturm“ Steuergeld
verbrennen.
Was
Wissenschaftskommunikation betrifft, beschäftige ich mich mal hier, mal
da, mit verschiedenen Ansätzen, Formaten und Medien. Zum Beispiel habe
ich
vor zwei Jahren beim von Florian Freistätter (Astrodicticum Simplex) ausgerufenen
Scienceblogs-Schreibwettbewerb mitgemacht (Link). Letztes Jahr habe ich mich zum ersten Mal an
Wissenschaftskommunikation mit Kindern versucht, als ich beim
„Sommercampus“ vor Kindern im Volkschulalter als „Rolemodel in Science“
dienen durfte. Wir haben am Institut auch so eine interne,
interdisziplinäre
Seminarreihe, bei der ich letzten Herbst mein Projekt vor einem
gemischten Publikum vorgestellt habe und versucht habe, es auch
Nicht-Biologen verständlich zu machen. Und zuletzt habe ich eben meinen
Twitter-Account gestartet, um wieder ein bisschen aktiver
Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Einen Blog zu starten und
regelmäßig zu schreiben ist eine Idee, die mir immer wieder mal im Kopf
herum spukt. Mein persönliches Ziel in dieser Woche ist es auch
definitiv, ein bisschen Feedback einzuholen was an meiner
Arbeit und meinem Feld die Leute (vor Allem Nicht-Wissenschaftler)
interessieren könnte, und worüber ich vielleicht in Zukunft in so einem
Format schreiben könnte. Die größte Herausforderung für mich ist dabei,
dass mein Studium fast komplett auf Englisch
war, und ich auch im Arbeitsalltag nur Englisch spreche.
Wissenschaftskommunikation auf Deutsch ist daher nochmal eine eigene
Hürde für mich, aber ich freue mich auf die Herausforderung!
An
unserem Institut habe ich dieses Jahr das „Young Scientist Symposium“
mitorganisiert. Da wir ein Multi-Disziplinäres Institut sind (derzeit
sind Computerwissenschaften,
Mathematik, Physik, Neurowissenschaften und Biologie hier vertreten),
stehen wir dabei jedes Jahr vor der interessanten Herausforderung, zunächst ein Thema zu finden, das alle Disziplinen anspricht, und dann
Sprecher zu finden, die nicht nur zum Thema passen, sondern im Idealfall auch ihre Forschungsinhalte so vermitteln können,
dass die Leute aus den anderen Feldern es auch verstehen. Es war eine
spannende Erfahrung, das Symposium auf die Beine zu stellen! Da ich mich
auch hobbymäßig mit Graphic Design beschäftige,
übernehme ich auch gerne das Posterdesign für derartige Veranstaltungen
hier am Campus, zuletzt für ein Charity Konzert.
Ich
erfülle ein sehr österreichisches Klischee, indem ich wahnsinnig gerne
Wintersport betreibe - ich liebe Skifahren, Snowboarden und Eislaufen.
Seit
letztem Herbst habe ich nun auch wieder angefangen zu rudern (nachdem
ich vor 10 Jahren Verletzungsbedingt aufgehört hatte). Eine wirklich
tolle Sportart, die durch ihren Rhythmus und Eleganz des
Bewegungsablaufes besticht. Mir hilft es besser als jeder andere
Sport, einfach mal „abzuschalten“ und den Kopf von Sorgen und Alltag
freizubekommen, gerade weil man sich sehr auf Technik, Körperhaltung und
Rhythmus konzentrieren muss. Und im Gegensatz zu Laufen oder Radfahren
ist es auch bei wirklich heißen Temperaturen
am Wasser durchaus erträglich. Momentan versuchen wir im Verein eine
Damen-8er Mannschaft aufzustellen, und ich versuche mindestens 2, besser
3 mal wöchentlich beim Training zu sein.
Sonstige
Freizeitbeschäftigungen, denen ich gerne nachgehe, sind lesen oder
zocken, auf Konzerte gehen, oder mich selbst kreativ austoben, durch
zeichnen,
schreiben oder schneidern/nähen (oder mir die Haare bunt färben, haha).
Auch meine Pflanzen sehe ich als ein Hobby an – sie sind für mich ein
bisschen ein „Haustier-Ersatz“.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus?
Je
nach Tagesverfassung bin ich manchmal so erledigt dass ich froh bin
wenn ich ausschlafen kann, und auf dem Sofa oder vor dem PC den ganzen
Tag vergammeln
kann - ich kann durchaus mal einen Tag lang „Nichts“ (sinnvolles)
machen und bin sehr glücklich damit. An anderen Tagen habe ich den Drang, unheimlich produktiv zu sein – dann stehe ich früh auf, gehe Rudern,
Laufen oder Radfahren, brunche auf meinem Balkon,
verbringe den Nachmittag mit irgendeinem meiner zahlreichen anderen
Hobbies und Abends unternehme ich etwas mit Freunden oder Familie, oder
verbringe einfach nur einen gemütlichen Abend mit meinem Freund.
Bitte heißt Stephanie ganz herzlich bei Real Scientist DE willkommen!