Sunday, June 30, 2024

Über Ungleichheit und Diskriminierung in der Bildung! Sebastian E. Wenz ist jetzt bei Real Scientists DE!

 

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Sebastian E. Wenz (@sewenz.bsky.social)! Sebastian ist Senior Researcher bei GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, wo er seit 2015 im Team Training arbeitet. Aktuell ist er wissenschaftlicher Koordinator des GESIS Spring Seminar und der GESIS Summer School in Survey Methodology. Vor seiner Zeit bei GESIS arbeitete Sebastian mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am LIfBi -- Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, am Nationalen Bildungspanel (NEPS) und in seinem eigenen BMBF-finanzierten Drittmittelprojekt "Diskriminierung im Bildungswesen: Mikromechanismen und Makrodeterminanten". Seine Dissertation zu "Discrimination in Education" an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ist open-access in der GESIS Schriftenreihe erschienen. Von 2003 bis 2009 studierte er Sozialwissenschaften (Soziologie, Sozialpsychologie, Methoden/Statistik, Pädagogische Psychologie) auf Diplom an der Universität Mannheim und der Indiana University Bloomington (USA).

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Schon recht früh im Studium in Mannheim ist mir klar geworden, dass ich mich sehr für eine wissenschaftliche Karrieren interessiere. Als meine damalige Partnerin und heutige Ehefrau von ihrem damaligen Chef gefragt wurde, ob sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin mit ihm nach Bamberg an das neue Projekt „Nationales Bildungspanel (NEPS)“ kommen würde und sie das zusagte, habe ich mich auch dort beworben. Ich wurde eingestellt und seitdem war für mich klar, dass ich in der Wissenschaft bleiben möchte, auch wenn ich immer mal wieder über Alternativen nachgedacht habe, weil der dauerhafte Verbleib in der Wissenschaft bekanntermaßen alles andere als sicher ist.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Ich forsche zu Fragen, die mich schon zu Schulzeiten interessiert haben und im Studium in Mannheim sowohl in der Soziologie als auch in der Sozialpsychologie ausführlich behandelt wurden: Bildung, Ungleichheit und Diskriminierung. Im Studium in Mannheim sind dann noch methodische Fragen dazugekommen -- Fragen, die man sich vor einem Studium einer empirischen Wissenschaft wohl eher selten stellt. All das finde ich super spannend und es ist ein wichtiger Grund, warum ich weiter als Wissenschaftler arbeiten möchte. Dass ich das auch gerne weiter auf meiner aktuellen Stelle bei GESIS machen möchte, liegt daran, dass ich dort recht autonom über meine Forschungsthemen entscheiden kann. Dazu kommt, dass ich die Dienstleistung, die ich für das Institut zu erbringen habe, ebenfalls gerne mache und für sehr sinnvoll halte: Das Kuratieren und Organisieren von Weiterbildungsveranstaltungen im Bereich der Methoden der empirischen Sozialwissenschaften.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Als Senior Researcher bei GESIS im Team Training habe ich sowohl Dienstleistungen („Service“) für das Institut zu erbringen als auch zu forschen („Research“). Als Dienstleistung für GESIS kuratiere und organisiere ich in erster Linie zwei Formate bei GESIS Training, nämlich das GESIS Spring Seminar und die GESIS Summer School in Survey Methodology. Als „Scientific Coordinator“ bin ich im Wesentlichen für das Programm, also die Kurse und Kursinhalte sowie die Auswahl der Dozent*innen verantwortlich. Unterstützt werde ich hierbei von großartigen Kolleginnen, die als „Administrative Coordinator“ den Großteil der administrativen und organisatorischen Arbeit übernehmen. Ansonsten greifen wir uns alle – die wissenschaftlichen Koordinator*innen und die administrativen Koordinator*innen – bei ganz vielen Dingen immer wieder gegenseitig unter die Arme.

Was die Forschung angeht, bin ich recht frei in der Wahl der Themen und Forschungsfragen, die ich bearbeite. Das ist wirklich schön und gehört sicher zu den Privilegien, die ich als Senior Researcher auf dieser Stelle habe. Tatsächlich ist es aber auch so, dass die Themen, die mich interessieren, sehr gut zum Institut und dessen Leitbild und Forschungsprofil passen. Zur Forschung gehört es, das wissen ja die meisten Leser*innen hier, dass man die eigene Forschung auch publiziert und auf Konferenzen vorstellt.

Ansonsten mache ich im Rahmen meiner Arbeit Dinge, die von allen Wissenschaftler*innen erwartet werden – üblicherweise ohne dafür bezahlt zu werden und meist ohne dass es unmittelbar als Forschungsoutput zählt. Dazu gehören z.B. das Schreiben von Gutachten für Zeitschriften und Konferenzen („Reviews“) und seit einiger Zeit auch immer mehr Wissenschaftskommunikation, wenn auch nach wie vor in niedrigem Niveau.



Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Was die Forschung angeht, scheint mir das nicht weiter erklärungsbedürftig: Bildung, Ungleichheit und Diskriminierung sind ausweichlich ihrer medialen Präsenz und gesellschaftlichen und politischen Bedeutung so relevante Themen, dass man Forschung und Kommunikation darüber wohl nicht weiter begründen muss. Was den Service – also die Organisation von Weiterbildungen im Bereich Methoden und Statistik – angeht, schätze ich auch, dass die meisten Menschen schnell einsehen können, dass es sehr sinnvoll ausgegebene Steuergelder sind, wenn damit Wissenschaftler*innen fort- und weitergebildet werden, damit sie in ihrer Forschung die dafür am besten geeigneten Methoden richtig anzuwenden wissen.

Selbstverständlich weiß ich aber auch – auch aus erster Hand – dass es eine nicht ganz so kleine Minderheit von Menschen in Deutschland (und wohl überall auf der Welt) gibt, die sowohl die Forschung zu den oben genannten Themen als auch (Weiterbildung zu) Methoden und Statistik für rausgeschmissenes Geld hält.



Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Davon gibt es, glaube ich, zwei Versionen: Mit Kindern wäre das wohl ein Familienausflug mit dem Rad bei schönem Wetter und durchgehend guter Laune bei Mama, Papa und den beiden Kindern (kein Streit, kein Gequengel). Ohne Kinder (die wären bei Oma und Opa, damit kein Babysitter bezahlt werden muss 😉 ) könnte das ein Tag sein, an dem meine Frau und ich – ebenfalls bei schönem Wetter und mit dem Rad oder reibungslos funktionierendem ÖPNV – zu zweit unterwegs sind, vielleicht ein Konzert besuchen oder ins Kino gehen, dann sehr gut essen und als Absacker einen Drink in einer erstklassigen Bar nehmen.



Bitte begrüßt Sebastian ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, June 23, 2024

Freiberuflich in der Hochschuldidaktik unterwegs - Cornelia Kenneweg ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir begrüßen diese Woche Cornelia Kenneweg bei Real Scientists DE! Cornelia  (@ckenneweg.bsky.social)ist  arbeitet seit 2011 freiberuflich als  Trainerin, Beraterin und Coach für Hochschuldidaktik und Lehrentwicklung. Studiert hat sie Südslavistik, Geschichte und Philosophie in Leipzig, 2007 wurde sie mit einer Arbeit zu Städten als Erinnerungsräumen an der MLU Halle-Wittenberg promoviert und hat dann zunächst als Postdoc an einem außeruniversitären Forschungsinstitut wieder in Leipzig gearbeitet. 2014 hat sie berufsbegleitend einen Master of Higher Education an der Uni Hamburg abgeschlossen.


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Mir hat Lernen wohl schon immer Freude gemacht und meine bildungsbürgerlich geprägte Familie hat akademische Interessen sehr gefördert. Was länger gedauert hat: in Bezug auf Wissenschaft am richtigen Ort zu landen.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Zunächst habe ich einen ziemlich geradlinigen ersten akademischen Werdegang durchlaufen: Studium (Südslavistik, Geschichte und Philosophie), Promotion, Postdoc an einem außeruniversitären Forschungsinstitut. Dann ließen mich die schwierigen Aussichten in meinem Fach und die Freude an der Lehre, die ich schon im Studium als Tutorin und später in Lehraufträgen an mehreren Unis erlebt hatte, nach Möglichkeiten suchen mich im Bereich Hochschullehre weiter zu qualifizieren. Damals, vor inzwischen etwa 15 Jahren, gab es in Sachsen noch kein hochschuldidaktisches Zertifikatsprogramm. Ich wurde stattdessen an der Universität Hamburg fündig und habe berufsbegleitend einen Master of Higher Education abgeschlossen, dem ich viel neues Wissen, neue Erfahrungen und vor allem ein Netzwerk an ähnlich interessierten Menschen verdanke. Während ich also noch einmal studierte, kam dann eins zum anderen: auf der einen Seite wuchs mein Interesse für Hochschuldidaktik durch den Master und durch weitere Weiterbildung.  Ich entdeckte für mich neue Zugänge zum Lernen, zu Wissenschaft und zur Entwicklung von Menschen an Hochschulen. Auf der anderen Seite lief meine Stelle aus, ein Antrag und ein paar Bewerbungen scheiterten. Und so habe ich nach einer Übergangsphase vor über zehn Jahren den Sprung in die Freiberuflichkeit gewagt.  

Warum ich die Hochschuldidaktik als Beruf und die Freiberuflichkeit als Form gewählt habe, hat mehr Gründe als ich hier aufzählen kann. Es gefällt mir selbst dauernd und intensiv lernen zu dürfen und mit wissenschaftlich denkenden und arbeitenden Menschen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen in Kontakt zu sein. Als freie Hochschuldidaktikerin bekomme ich Einblicke in ganz verschiedene Fächer, Lehrentwicklungsprozesse und Hochschultypen. An der Freiberuflichkeit gefällt mir, dass ich mir eine gewisse Unabhängigkeit leisten kann, auch wenn ich natürlich darauf angewiesen bin, dass mein Angebot auf Interesse stößt.  Obwohl auch in der Hochschuldidaktik nicht alles eitel Sonnenschein ist, bringe ich wohl auch eine Portion Idealismus mit, im Sinne einer Hoffnung zu guten Bedingungen in Studium und Lehre für alle Beteiligten beitragen zu können.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Als freie Hochschuldidaktikerin werde ich in der Regel von hochschuldidaktischen Einrichtungen an Hochschulen beauftragt, seltener auch von anderen Institutionen oder von Einzelpersonen.  Oft werde ich angefragt Workshops in hochschuldidaktischen Zertifikatsprogrammen zu leiten, die online oder vor Ort stattfinden und zwischen wenigen Stunden bis mehrere Tage, verteilt über mehrere Monate, umfassen können. Das ist aber nur ein Teil meiner Arbeit, vielleicht der Teil, unter dem sich die meisten etwas vorstellen können. Ein wachsender Teil meiner Arbeit besteht darin, in unterschiedlichen Rollen Lehrentwicklungsprozesse zu unterstützen: Mal bringe ich didaktische Expertise als Input in Projekttreffen ein, mal coache ich einzelne Lehrende, die neue Aufgaben übernehmen oder Module bzw. Studiengänge überarbeiten, mal moderiere ich Austausch über Lehre in unterschiedlichen Formaten. Meine Aufgabe sehe ich vor allem darin Reflexion über Lehre zu ermöglichen, um so angemessene Entscheidungen zur Lehrgestaltung, im besten Fall unter Beteiligung von Studierenden, zu befördern. Im Arbeitsalltag bedeutet das Workshops, Veranstaltungen und Beratungsgespräche vor- und nachzubereiten, Vorgespräche und Auswertungsgespräche zu führen, die Aufträge zu verwalten, mich über Entwicklungen durch Lektüre, Tagungsbesuche und Netzwerkarbeit auf dem Laufenden zu halten und selbst weiterzubilden. Zwischen all dem versuche ich noch Zeit zu reservieren, um an eigenen Themenschwerpunkten zu arbeiten und mich ehrenamtlich in Fachgesellschaft und Initiativen einzubringen.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Die Frage lässt sich wohl auf mindestens zwei Ebenen beantworten: alle, die studieren, studiert haben, lehren oder gelehrt haben, könnten sich dafür interessieren, wie ihre Erfahrungen mit Hochschullehre zu einer professionellen und wissenschaftlichen Perspektive darauf passen. Hochschuldidaktische Fragen haben zudem durchaus gesellschaftliche Relevanz, weil Bedingungen und Gestaltung von Studium und Lehre ja auch über Bildungs- und Zukunftschancen mitentscheiden.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Bisher konnte ich mit dem Konzept Hobby immer wenig anfangen. Nach mehreren Nordseereisen und anderen Ausflügen in die Natur, wächst meine Sammlung an Büchern zu Vogelbestimmung und Vogelbeobachtung. Seit ich mir dann ein Fernglas zum Geburtstag gewünscht habe, kann ich nicht mehr leugnen, dass da wohl ein schönes Hobby im Entstehen ist.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Das kommt darauf an, ob dieser freie Tag eine Alltagspause oder ein Urlaubstag ist. Hier in Leipzig beginnt ein idealer freier Tag mit Ausschlafen und einem späten Frühstück. Es gibt Zeit für Lektüre, vielleicht auf meinem Balkon. Ich gehe mit meinem Patenkind ein Eis essen und treffe Freund*innen auf ein Glas Wein oder besuche mit ihnen ein Konzert.Im Urlaub verbringe ich meinen idealen freien Tag auf einer Nordseeinsel, genieße es allein zu sein und entscheide spontan, worauf ich Lust habe. Bestimmt habe ich Lust auf längere Spaziergänge am Strand oder auf dem Deich und freue mich dabei den einen oder anderen Vogel zu beobachten (s.o.)

Bitte begrüßt Cornelia ganz herzlich zurück auf dem Kanal!


Sunday, June 16, 2024

Erzählen vs. Wissen: Vergleichende Literaturwissenschaften - Solvejg Nitzke ist zurück bei Real Scientists DE!

Wir begrüßen diese Woche Solvejg Nitzke zurück bei Real Scientists DE! Solvejg  (@nitzkesolvejg.bsky.social) ist habilitierte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und vertritt derzeit den Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Damit kehrt sie nach Stationen in Charlottesville, Wien und Dresden zurück an den Ort, wo sie Germanistik und Komparatistik studiert und mit einer Arbeit über das Tunguska-Ereignis (Die Produktion der Katastrophe) promoviert hat. Solvejg interessiert sich für die prekäre Beziehung von Erzählen und Wissen, weswegen sie neben Katastrophen, Science Fiction und Verschwörungserzählungen auch Klima und Ökologien erforscht. Im Oktober erscheint ihr Portrait „Farne“ in der Naturkunden-Reihe bei Matthes und Seitz und 2025 erscheint dann auch ihr Buch zur Kulturpoetik der Bäume. Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation gehören für Solvejg zusammen, weshalb sie in vielen Formaten mitwirkt, die Wechselbeziehungen zwischen Universität und Öffentlichkeit stärken.



Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Was ich letztes Mal (http://realscientistsde.blogspot.com/2019/06/komparatistik-solvejg-nitzke-ist-jetzt.html) geschrieben hab, stimmt noch genauso. Ich saß in der ersten Vorlesung in Bochum und seitdem hat mein Kopf nicht aufgehört Ideen herauszublubbern. Die durfte ich immer äußern, ausarbeiten und weiterspinnen – ein großes Glück, denn so eine wertschätzende und fordernde Umgebung muss man erstmal finden. Es gab also irgendwann die Frage, ob ich mir nicht vorstellen könnte zu promovieren und seitdem, bin ich drin. Spätestens seit ich das erste Mal unterrichtet habe, war es ganz um mich geschehen. Ich hab zwar immer den ein oder anderen Plan B in der Tasche, aber im Grunde bin ich genau da, wo ich sein will: in einem bewegten Raum zwischen Schreibtisch und Seminarraum. Dass ich da „gelandet“ bin, würde ich aber mittlerweile nicht mehr so sagen, eher hineingewachsen. Jede Hausarbeit, jeder Schritt hin zum selbstständigen Arbeiten, eine Menge Ermunterung und Unterstützung, aber auch mein eigener Ehrgeiz haben immer gesagt: da geht noch was. Und so lange ich die Frage „muss es diesen Text echt auch noch geben?“ mit Ja beantworten kann und sich Studies finden, die mit mir über Texte herumnerden möchten, fällt mir auch nicht ein, woanders hinzugehen.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Was mich an der literatur- und kulturwissenschaftlichen Ökologieforschung reizt, ist, dass es ein Feld mit porösen Grenzen ist. Ich muss mich ständig mit Wissen beschäftigen, dessen Zustandekommen ich nicht automatisch verstehe. Sprich: ich lese botanische Texte aus verschiedenen historischen Kontexten und Literatur aus allen möglichen Bereichen, gucke Filme, spiele Spiele und muss mich nicht auf eine Expertise beschränken. Meine Aufgabe ist es eher zu verknüpfen und Wege durch das Dickicht (pun intended) zu finden. So bleibt alles, was ich mache in Bewegung und ich kann zwischen close readings von Gedichten zur Kulturkritik an Popscience wechseln. Da gibt es nicht nur immer etwas zu finden, sondern auch immer etwas zu erzählen. Perfekt für mich!


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Seit April vertrete ich die Professur für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bochum. Das ist nicht nur der nächste „Karriereschritt“, sondern bedeutet einen ganz anderen Arbeitsrhythmus für mich. Einerseits, weil ich auf einen Schlag vier Lehrveranstaltungen unterrichte (eine davon als Vorlesung) und andererseits, weil ich dafür quer durch die Republik pendle. Meine Arbeit besteht also im Moment vor allem aus Lehre, was ein absolutes Vergnügen ist und ich freu mich schon darauf, mehr davon zu erzählen, wie ich gemeinsam mit den Studierenden Seminare gestalte, welche Formen des Austauschs wir pflegen und was meine Ziele dabei sind. Thematisch kann ich aus dem Vollen schöpfen und unterrichte dieses Semester Baumpoetiken, Metamorphosen, Gestörte Gesellschaftsentwürfe und Ökologisches Erzählen. Im Wintersemester wird es dann spooky! Dazu kommen die Veröffentlichung meiner Habilitation (als lesbares Buch – eine Herausforderung!) und Konferenzen etc. Das tolle an der derzeitigen Stelle ist also, dass ich das Professorinnensein sozusagen ausprobieren kann und dadurch die Chance hab, mir sehr genau darüber klar zu werden, was ich im „Ernstfall“ mit der Aufgabe anfangen wollen würde.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Es gibt drei Antworten auf diese Frage: 1. Ich hab es mit superspannenden Dingen zu tun – was Bäume und Pflanzen überhaupt können, was Menschen sich darüber dachten und denken und was da alles noch kommen kann ist einfach total faszinierend und für viele ganz neu, weil Pflanzen ganz selten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. 2. Dass das häufiger wird, liegt nicht zuletzt daran, dass wir uns in einer dramatischen Multikrise befinden. Hier hilft meine kultur- und literaturwissenschaftliche Herangehensweise, nicht nur Aufmerksamkeit zu erzeugen, sondern auch ganz dringend nötige Perspektivwechsel vorzunehmen. Vor allem hinsichtlich der Position von Menschen als Strippenzieher. 3. Der rote Faden meiner Arbeit besteht darin, zu fragen, wie verschiedene Wissensweisen zu ihrem Recht kommen, ohne das vermeintliche „Alternativen“ selbst zu unterdrückenden Formen und Exklusionsinstrumenten werden. Das gute alte kritische Denken, aber auch die Offenheit für verschiedene Weisen und Kulturen sich mit Nicht-Menschen aber auch untereinander in Beziehung zusetzen ist eine der zentralen Fähigkeiten unserer Zeit und ich arbeite mit allem, was ich kann und habe, dafür, diese Fähigkeiten zu erhalten und zu vertiefen.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Auch daran hat sich nicht viel geändert, seit ich zum letzten Mal für Real_Sci schreiben durfte. Meine Tochter und meine Familie überhaupt sind die erste Priorität und da kommen dann tolle Aufgaben, wie Cheerleading für das Bronze Schwimmabzeichen oder die Organisation von allen möglichen Verabredungen oder Kinderschminken beim Schulfest dazu. Ansonsten mache ich, wo ich kann, WissKomm. Z.B. habe ich gerade dem Straßenmagazin Hinz und Kunzt Hamburg ein Interview über „Heimat“ gegeben und für die Ausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ einen Essay geschrieben. Mein größter Stolz ist ein kleines Buch über Farne, das im Oktober bei Matthes und Seitz erscheinen wird. Das hat in den letzten zwei Jahren viel Raum eingenommen.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Das Häkeln ist mein ständiger Begleiter, nicht mehr so sehr als Hobby, sondern als Hirnsortierer. Aber tatsächlich sind Hobbies ein Sehnsuchtsthema von mir. Um mich in der Bewerbungsphase, in der ich gerade bin, zu motivieren, denke ich nicht nur dran, was ich auf einer Professur alles tun könnte, sondern ich stelle mir (ein bisschen heimlich) vor, wie schön es wäre, wieder in einem Chor zu singen oder ein Instrument zu lernen oder aufzufrischen. Im Moment muss ich eher aufpassen, dass ich es überhaupt zum Sport schaffe, das ist eher Instanthaltung als Hobby, aber das wird wieder!


Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Auf jeden Fall muss ich am idealen Tag in keinem Zug sitzen. Wenn es noch besser sein soll, dann hätte ich an dem Tag Zeit, mit meiner Tochter wandern zu gehen oder ins Museum oder Kino, irgendwo herumzuliegen und einen Krimi zu lesen (für den Urlaub liegt hier schon ein Stapel, auf den ich mich schon sehr freue) und am liebsten würde ich noch kochen und mit meiner Familie oder Freunden zusammen so lange quatschen, bis alle von selbst müde werden. Am nächsten Tag klingelt kein Wecker!


Bitte begrüßt Solvejg ganz herzlich zurück auf dem Kanal!


Sunday, June 9, 2024

Offenere Infrastrukturen für Forschung und Kulturgüter! Lambert Heller ist jetzt bei Real Scientists DE!

 

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Lambert Heller (@biblionik.bsky.social)! Lambert ist Bibliothekar. Er leitet das Open Science Lab an der TIB, dem Leibniz Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften. Er hat viele Drittmittel- und Auftragsprojekte (mit-)entwickelt, u.a. NFDI4Culture, Projekte zur digitalen Erinnerungskultur wie WikiRemembrance, den Hackathon Coding da Vinci Niedersachsen, offene Lehrbuchprojekte und mehr.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich hatte das Glück in einem Akademiker-Haushalt in einem reichen Land mitten in Europa aufzuwachsen. Bei meinen Eltern standen viele Bücher im Regal, es wurde Zeitung gelesen, und ich hatte Lego-Bausteine in allen damals erhältlichen Formen und Farben.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Als typischer Vertreter der Generation X hatte ich das Gefühl, bei der Internet-Revolution live dabei gewesen zu sein. Mich hatte früh der Aspekt interessiert, selbst Dinge ausprobieren zu können, aber auch unbedingt verstehen zu müssen, wie das da draußen alles funktioniert, und letztlich dann auch, was dieses Internet mit Forschung und Kultur macht. (Spoiler Alert: Die Frage muss man immer wieder neu beantworten, weil sich das gefühlt jedes Jahr ändert.)


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Realistisch betrachtet: Ich versuche potenzielle Drittmittel- und Auftraggeber von Projektideen zu überzeugen. 

Etwas idealistischer, aber immer noch nah dran: Ich versuche rauszufinden, wie wir im kleinen Maßstab zu offeneren Infrastrukturen für Forschung und Kulturgütern beitragen können, und wie wir dabei auf bestehende, bewährte Infrastrukturen (Bibliotheken!, aber inzwischen auch ganz stark: Open-Source- und Open-Data-Ökosysteme) aufbauen.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Eine digitale Welt, in der man das gesamte Wissen UND das gesamte kulturelle Erbe der Menschheit in strukturierter Form online hat - das könnte so schön sein, wer wollte das nicht? Und wir kommen dem insofern näher, dass Forschungsergebnisse immerhin zunehmend nicht mehr hinter Paywalls versteckt werden. ("Open Access".) Aber wir können und sollten an dieser Stelle nicht stehen bleiben! Die Infrastruktur, die alles offen und verfügbar hält, muss gemeinschaftlich gepflegt werden, und verträgt sich leider nur schlecht mit dem anzeigengetriebenen Geschäftsmodellen der Datenindustrie. (Sie verträgt sich übrigens auch schlecht der Arbeitswelt der Forschenden in Deutschland, hallo an alle "Ich bin Hannah" und "Ich bin Reyhan" da draußen.) Gerade im kleinen Maßstab, z.B. bei clever entwickelten digitalen akademischen Lehrbüchern, wird jedoch erkennbar, wie cool eine Online-Welt sein könnte, die wir offen und partizipativ gestalten.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Es kann sein, dass ich gerade ein bisschen stolz darauf bin, als Advisor der ISCC Foundation diese ein paar Jahre dabei begleitet zu haben, aus dem ISCC einen ISO-Standard zu machen. Die Welt braucht dringend einen robusten, offenen und reproduzierbaren Standard für Content Identification, sie weiß es (manchmal) nur noch nicht!


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich stapfe barfuß durchs Wattenmeer von Cuxhaven zur Insel Neuwerk, wenn die Ebbe mich lässt.


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Ausschlafen, Frühstücken und Zeitung lesen, Saunabesuch, Essen gehen, Netflix gucken.



Bitte begrüßt Lambert ganz herzlich bei Real Scientists DE!