Monday, October 27, 2025

Zwischen Mensch und Tier - Alexandrina Guran ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Alexandrina Guran. Alexandrina (rinaguran.bsky.social) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Medical School Hamburg und ist zudem Senior Research Fellow an der Uni Wien. Als Psychologin erforscht sie die Interaktion zwischen Menschen und Tieren.




Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe als Kind meinen Kinderarzt gefragt, wieso Männer Brustwarzen haben, wenn sie doch keine Milch geben (können sie übrigens manchmal auch). Ich glaube, ich wollte schon immer wissen wieso wir so sind wie wir sind.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Nach dem Abi wollte ich eigentlich Klavierlehrerin werden. Dafür hatte ich aber zu viel Lampenfieber. Ich habe mich letztlich für Psychologie entschieden weil es für mich eine spannende Mischung aus Naturwissenschaft und Lebens- bzw. Geisteswissenschaft war (und immer noch ist!). Es ist wunderbar interdisziplinär. Ich wollte nie Therapeutin werden, aber immer das Verhalten von Tieren und Menschen verstehen.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich habe echt Glück gehabt und bin aktuell unbefristet an einer Hochschule in Deutschland tätig. Ich versuche, in der Lehre Studierende für Forschung zu begeistern, kann meiner eigenen Forschung zu sozialen Interaktionen zwischen verschiedenen Spezies nachgehen, aber betreue auch die Labore der Psychologie. Durch das Labormanagement fühle ich mich immer produktiv, auch wenn es mal in der Forschung nicht so läuft, wie man es sich wünscht.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Ich beschäftige mich mit Interaktionen zwischen Menschen und Tieren. Tiere sind nicht nur einfach spannend, sondern sie gehören auch heute oft noch fest in unser Leben. Ohne die Domestizierung von Tieren würde unsere Gesellschaft sicher sehr anders aussehen, und wenn wir für Tiere keinen angemessenen Lebensraum schaffen und erhalten, geht es auch uns schnell schlechter. Ich finde, es ist immer von Vorteilwenn man sich bewusst Gedanken darüber macht, wie man zu den anderen Lebewesen dieses Planeten steht.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich betreibe einen WissKomm Blog auf Substackhttps://everythingisdata.substack.com/. Außerdem bin ich im Tierschutz aktiv. 
In meiner Freizeit kümmere ich mich auch viel um meine Mutter, die sehr schlimm an Parkinson leidet. Wenn ich mehr Zeit hätte würde ich mich gerne für die Belange von Menschen einsetzen, die chronisch krank sind, und für diejenigen die sich alleine um Angehörige kümmern müssen: Alleinerziehende Eltern, Minderjährige, die sich gezwungen sehen, Pflegeaufgaben zu übernehmen, Menschen ohne soziales Netz, die sich um kranke Angehörige kümmern. Diese werden in unserer Gesellschaft zu oft übersehen.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Lesen, Kreatives Schreiben und Musik. Außerdem sammle ich gerne Fossilien und Steine.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? 
Früh aufstehen, im Wald wandern. Dann ins Café gehen um dort zu lesen und zu schreiben. Abends was für meine Freunde kochen und viel lachen.

Bitte begrüßt Alexandrina ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, October 19, 2025

Schwarze Löcher, Satelliten und Sternexplosionen! Victoria Grinberg ist jetzt bei Real Scientists DE!

Portraitphoto von Victoria Grinberg
Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Victoria Grinberg (@vicgrinberg.mastodon.social.ap.brid.gy)! Victoria Grinberg studierte an der LMU München und promovierte in Bamberg und Erlangen zur Langzeitvariabilität von Doppelsternsystemen mit schwarzen Löchern. Nach Forschungsaufenthalten am MIT in Cambridge und an der Uni Tübingen arbeitet sie derzeit bei der Europäische Weltraumorganisation ESA. Victoria Grinberg setzt sich für die Popularisierung der Astrophysik und die Sichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft ein: 2020 startete sie die Twitter-Aktion #astrophysikerinnen. 2022 wurde ihr der renommierte Röntgen-Preis zuerkannt.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich habe als Jugendliche zu viele Science Fiction Bücher gelesen, die mich dazu gebracht haben, mich für Astronomie und Kosmologie zu interessieren und somit Physik zu studieren. Dann habe ich nette Leute kennen gelernt, mit denen es Spaß gemacht hat zu arbeiten. Und auf erste Praktika folgten Diplom- und dann Doktorarbeit. Mir machte es tatsächlich immer einfach Spaß, in diesem Bereich zu arbeiten, sowohl von der reinen Wissenschaft als auch von der menschlichen Seite her.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Schwarze Löcher und massereiche Sterne, also Vorläufer von schwarzen Löchern, sind einfach super spannend. Wobei ich am Anfang meines Studiums fest davon ausgegangen bin, dass ich theoretische Kosmologie machen werde. Dann habe ich aber meinen künftigen Doktorvater kennengelernt, durch ihn und seine Lebenspartnerin in Röntgenastronomie reingeschnuppert und nie wieder davon losgekommen. Halten tun mich in dem Feld aber tatsächlich die Menschen: meine Kollegen, meine Gruppe, die Postdocs, die ich für die ESA betreue, das Gefühl, etwas nützliches für die gesamte Astrophysik-Community zu machen und unser Gesamtwissen über das Universum zu erweitern.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Im Alltag verbringe ich die meiste Zeit tatsächlich mit Dokumenten, Strategieentwicklung oder Management. Nicht ganz das, was sich Leute unter "Wissenschaft" vorstellen, aber das, was die Wissenschaft ermöglichen und am Laufen hält. Die Hälfte meiner Zeit bin ich für das Research Fellowship in Space Science zuständig, das Postdoktorand:innen Programm der ESA. Ich betreue also 25 Wissenschaftler:innen, die noch eher am Anfang ihrer Karriere stehen, und zwar aus den verschiedensten Bereichen - manchmal ist die Forschung nah an meiner, manchmal arbeiten sie eher an den Eismonden des Jupiter. Die andere Hälfte meiner Zeit bin ich für unsere Strategie für Beobachtungen mit verschiedenen Observatorien zuständig. Und in meiner Wissenschaftszeit mache ich meine Forschung - ich habe eine kleine über ganz Europe verteilte Arbeitsgruppe oder arbeite lokal mit Kolleg:innen zusammen. Da lese ich Veröffentlichungen anderer Leute, entwickle Ideen, schreibe Beobachtungsanträge, analysiere Daten, die ich dann hoffentlich bekommen, und schreibe die Ergebnisse dann in Form von Papern auf - wobei ich mittlerweile auch viel andere Leute dabei betreue, das alles zu tun.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Ich mache weltraumbasierte Astronomie - wie cool ist das denn? Schwarze Löcher, Satelliten, Weltraum, Sternexplosionen, Einsteins Theorien testen, an die Grenzen unseres menschlichen Verständnisses vom Universum gehen ... Natürlich könnte ich jetzt drüber erzählen, dass aus der astronomischen Forschung und besonders aus der weltraumbasierten Forschung viele Technologien entstanden sind, die sonst vermutlich nicht entwickelt worden wären und die total nützlich sind. Stimmt auch. Aber ich glaube tatsächlich, dass unsere Welt besser zu verstehen, ein tief menschliches Bedürfnis ist. Genauso wie Kunst zu machen. Grundlagenforschung ist also einfach ein Wert an sich und genau deswegen sollten Leute sich dafür interessieren.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich zeichne recht gerne - oft thematisch passend zu meinem Arbeitsfeld - und habe einige Wissenschaftsillustationen veröffentlicht. Und am 20. Oktober kommt mein erstes Sachbuch beim KOSMOS-Verlag raus: "Schwarze Löcher - Schwere Kost, leicht verdaulich." Ich bin also jetzt wohl offizielle eine Autorin.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich habe viel zu viele Bücher (ich lese eine wilde Mischung aus Science Fiction, Klassikern und Gegenwartsliteratur). Ich koche sehr gerne und meistens viel zu viel. Ich gehe gerne wandern und bouldern. Wobei das Bouldern mein "habe ein Hobby, in dem due grottenschlecht bist"-Hobby ist. Ich spiele gerne Brett- und Gesellschaftsspiele mit Freunden (gerade am meisten Harmonies mit meinem Partner).

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Nicht zu früh aufstehen, eine kurze, aber schöne Wanderung (am besten irgendwo an einem Tobel entlang), Zeit mich mit einem guten Buch hinzusetzen und ein gutes Abendessen, vorzugsweise mit Freunden. Oder, falls es draußen regnet, ein Spieleabend mit Brett und Gesellschaftsspielen.


Bitte begrüßt Victoria ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, October 12, 2025

Mit Metascience das Wissenschaftssystem und Wissenschaftsprozesse verbessern! Raphael Merz ist jetzt bei Real Scientists DE!

Raphael Merz hält einen Vortrag
Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Raphael Merz (@raphaelmerz.bsky.social)! Raphael ist aktuell seit Oktober PhD student an der Technischen Universität von Eindhoven in den Niederlanden. Davor hat er in Bochum zuerst Psychologie im Bachelor und dann Psychologie und Kognitive Neurowissenschaften im Master studiert, wo er sich mehr und mehr auf die Themen Statistik und Metawissenschaften spezialisiert habe. Was das genau ist und wie er diesen Weg im PhD weitergeht, erfahrt ihr diese Woche auf Bluesky!

 

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Im Studium habe ich früh gemerkt, dass ich Forschung generell spannend finde. Das fing an mit den ersten praktischen Seminaren, wo wir selbst unter Anleitung forschen durften und ging dann in Praktika und Auslandsaufenthalten weiter. Besonders prägend für mich war ein Praktikum bei der Sozialpsychologie in Bochum, das ich der Pandemie geschuldet online im Jahr 2021 absolviert habe. Dort habe ich mit meinem damaligen Supervisor ein metawissenschaftliches Projekt entwickelt, in dem wir die Prävalenz einer spezifischen Fehlinterpretation von Statistiken über verschiedene Jahre und akademische Zeitschriften untersucht haben. Dieses Projekt hat mich nun bis zur kürzlich abgeschlossenen Masterarbeit begleitet und Teile davon greife ich auch im PhD auf.

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Mein Weg zu Metascience begann zwar recht früh, aber lange dachte ich tatsächlich, dass ich später in den Neurowissenschaften promovieren wollen würde. Das hat sich dann mit dem Beginn meines Masters und meiner zunehmenden Auseinandersetzung mit der Replikationskrise und ihrer Aufarbeitung geändert. Deshalb verwarf ich meine ursprüngliche Idee zu einer Masterarbeit über räumliche Repräsentationen im Hippocampus und entwickelte meine nun abgeschlossene Masterarbeit (mehr dazu in einem Thread auf BlueSky!). Bei einem Konferenzbesuch Anfang 2023 in Eindhoven konnte ich dann meinen jetzigen PhD Supervisor als Masterarbeitsbetreuer gewinnen. Nach einem Forschungsaufenthalt bei ihm Anfang dieses Jahres, um an der Masterarbeit zu arbeiten, bewarb ich mich schließlich erfolgreich auf meine aktuelle Stelle.

 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Zu meiner bisherigen Arbeit kann ich tatsächlich noch gar nicht so viel erzählen, weil ich ja erst im Oktober mit der Stelle gestartet bin. Was ich aber schon sagen kann: (1) Die halbe Stunde, die ich damit verbracht habe, verschiedene Blogposts über eine gute E-Mail-Postfach-Struktur zu lesen, war sehr sinnvoll investiert. (2) Der Fun-Fact, dass ich an meinem ersten Tag bereits eine E-Mail im Postfach hatte, dass meine Urlaubstage bald verfallen würden, war bisher immer ein guter Icebreaker in diversen Kennlerngesprächen. (3) Ich kann nur empfehlen, Stehschreibtische so früh wie möglich als solche zu benutzen, um eine Routine zu entwickeln und andere zu inspirieren, das ebenfalls zu tun!

 

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

MetaScience beschäftigt sich mit einem breiten Spektrum an Forschungsfragen, die am Ende das Ziel haben, das Wissenschaftssystem oder den Wissenschaftsprozess zu verbessern. Wir arbeiten also daran, dass Forschende einen noch besseren Job machen, neue Medikamente oder Therapien zu entwickeln, robustere Theorien oder bessere Vorhersagen zu formulieren und schließlich fundiertere Schlussfolgerungen zu ziehen.

Gerade heute, in Zeiten, in denen schnell von „Fake News“ oder der „Tatsache“, dass es „die Wissenschaft“ ja gar nicht gebe, gesprochen wird, sehe ich eine große Notwendigkeit, Wissenschaft gut zu erklären. MetaScience hat hier aus meiner Sicht eine besondere Verantwortung: Wir zeigen zwar oft auf, was im Wissenschaftssystem noch nicht optimal läuft, aber ebenso wichtig ist es, dass wir auch laut werden, um uns gegen unfundierte Kritik an Forschung und Forschenden zu wehren.

 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Schon seit letztem September bin ich Teil des Boards für die „Platform for Young Meta-Scientists“ (PYMS), wo wir versuchen, junge Wissenschaftler:innen, die an metawissenschaftlichen Themen arbeiten, international zusammenzubringen. Oft ist es bei dem Thema nämlich so, dass viele „Young Metascientists“ in eher kleinen Teams an einzelnen Unis arbeiten. Deshalb organisieren wir bei PYMS beispielsweise online Journal Clubs, um über spannende Paper zu diskutieren, treffen uns halbjährig auf einem Symposium, wo wir einander unsere Forschung präsentieren oder tauschen uns einfach so auf unserem Discord Server aus.

 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Dungeons & Dragons! Ich weiß, dass ich damit das Nerd-Klischee sehr bediene, aber es ist einfach toll! Ich habe D&D das erste Mal während meines Auslandspraktikums in Toronto vor zwei Jahren gespielt und mir zurück in Deutschland direkt diverse Bücher, Würfel und sonstiges Zubehör bestellt. Seitdem bin ich selbst für verschiedene Gruppen Spielleiter und freue mich enorm, bald auch hier in Eindhoven einer der vielen Gruppen im Department beizutreten!

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

An meinem idealen freien Tag habe ich davor wichtige ToDos abgeschlossen, sodass ich wirklich entspannen kann. Ich kann so lange schlafen, wie ich möchte und nehme mir die Zeit für ein schönes Frühstück (vermutlich eher Brunch)! Der Rest des Tages ist dann nicht zu voll: am besten mit irgendeiner Verabredung mit Freunden oder meiner Familie. Dazwischen aber immer genug Zeit, dass man sich nicht hetzen muss! Abends schaue ich dann gerne einen Film oder spiele ein Brettspiel mit meiner Freundin.

 

Bitte begrüßt Raphael ganz herzlich bei Real Scientists DE!

 

Sunday, October 5, 2025

Die Geschichte medizinethischer Kodizes und klinische Ethikberatung! Matthis Krischel ist jetzt bei Real Scientists DE!

Porträtbild Matthis Krischel
Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Matthis Krischel (@matthiskrischel.bsky.social)! Matthis ist Medizinhistoriker und -ethiker und arbeitet an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Nach einem Studium der Wissenschaftsgeschichte wurde er an der Universität Ulm mit einer Arbeit zur Medizin im Nationalsozialismus promoviert. Nach Stellen in Aachen und Göttingen ist er seit 2016 in Düsseldorf tätig, wo er seit 2023 auch Privatdozent ist. In seiner Forschung schaut er aus historischer und ethischer Perspektive auf die Entwicklung von Medizin und Lebenswissenschaften vom 19. Jahrhundert bis heute.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Nach einem Auslandsjahr während des Studiums an der University of Oklahoma hat man mir angeboten, dort einen Master in Wissenschaftsgeschichte abzuschließen, inklusive eines Jobs als Tutor und eines Stipendiums. Das Angebot habe ich gerne angenommen. Zurück in Deutschland habe ich mich auf Doktorandenstellen beworben, weil ich Lust auf Forschung und Lehre hatte. Nach der Promotion bekam ich dann eine Stelle in der Wissenschaft und bin ihr bis heute treu geblieben.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Studiert habe ich Wissenschaftsgeschichte. Meine Doktorandenstelle war in einem Forschungsprojekt zur Geschichte der Evolution und Klassifikation in Biologie, Sprachwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte und angesiedelt an einem Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Nach einigen Jahren habe ich meine Doktorarbeit dann doch nicht in dem Projekt, sondern zur Medizin im Nationalsozialismus geschrieben, ein Thema, das mich bis heute umtreibt. In Deutschland müssen alle Medizin- (und seit einigen Jahren auch Zahnmedizin-)studierenden Kurse im Querschnittsbereich Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin belegen. Zunächst über die Lehre habe ich dann auch die Medizinethik kennengelernt. Seitdem forsche ich auch zur Geschichte medizinethischer Kodizes und engagiere mich seit 2017 in der klinischen Ethikberatung.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Meine Arbeit besteht aus den drei Bereichen Forschung, Lehre und Service. In der Forschung beschäftigen mich v.a. die Geschichte der Medizin und der Lebenswissenschaften vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, darunter die Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus, ihre Erinnerungskultur und ihre ethischen Implikationen bis heute sowie die Geschichte der Humangenetik, der Urologie, Venerologie und Sexualwissenschaft und der Zahnmedizin. Seit der Dekriminalisierung der Suizidassistenz vor einigen Jahren beobachte ich auch deren Entwicklung in Deutschland. Aktuell leite ich (als einer von drei PIs) ein Forschungsprojekt zur Großen Ausstellung für Gesundheitspflege, Soziale Fürsorge und Leibesübungen (Düsseldorf, 1926), der größten Ausstellung der Weimarer Republik. Die zentrale Fragestellung ist, ob die Art, auf welche dort Gesundheitsaufklärung betrieben wurde, als demokratisch verstanden werden kann.

 

In der Lehre bin ich vor allem an der Medizinischen Fakultät aktiv. Ich unterrichte Geschichte der Medizin und Medizinethik für Studierende der Human- und Zahnmedizin sowie in Masterstudiengängen für Translational Neuroscience und Public Health. Ab und zu unterrichte ich auch Seminare am Institut für Geschichtswissenschaften. Dabei fällt mir auf, wie unterschiedlich Medizin- und Geschichtsstudierende ticken – und mit beiden macht die Arbeit Spaß! Zu meinen Lieblingsformaten in der Lehre gehören Exkursionen. Mit studentischen Gruppen war ich schon in Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien und England unterwegs.

 

Zu Service gehört zum einen Gremienarbeit, z.B. in Unterrichtskommissionen, aber auch die Mitarbeit bei der Überarbeitung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM 2.0) und in Fachgesellschaften. Auch das Begutachten von Zeitschriftenartikeln und Projektanträgen (Peer Review) ist Teil meiner Arbeit. Weil ich selbst in begutachteten Zeitschriften veröffentliche und Drittmittelanträge schreibe, ist es nur fair, auch mal als Gutachter zur Verfügung zu stehen.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Medizin und Lebenswissenschaften gehen uns alle an. Das geht von der Verteilung von Ressourcen im Gesundheitssystem (mehr Geld für Prävention oder für die Behandlung akuter Erkrankungen?) über die Abwägung zwischen Solidarität und Eigenverantwortung (und gerechter Verteilung der Lasten) in der Covid-Pandemie bis zur Frage, warum zu bestimmten Zeiten Phänomene als Krankheiten gelten oder nicht (Homosexualität, Transsexualität, ADHS, Long Covid, …). Als Forscher im Querschnittsbereich Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin helfe ich der interessierten Öffentlichkeit zu verstehen, warum Medizin und Wissenschaft so funktionieren, wie sie es gerade tun. Und ich helfe Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen dabei zu erkennen, dass ihre Arbeit nicht naturgegeben so ist, sondern auch von vielen externen Faktoren abhängig und historisch, kulturell und sozial wandelbar ist.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Zum einen bin ich als klinischer Ethikberater am Universitätsklinikum Düsseldorf tätig. Dort kann das Personal der Klinik, aber auch Patient:innen und Angehörige, eine Ethikberatung anfordern. Dann moderiere ich ein etwa einstündiges Gespräch, in dem wir versuchen, die ethische Dimension des Problems herauszuarbeiten und zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

Daneben bin ich auch als Independent Ethics Advisor für ein EU-Projekt tätig. Dort werden u.a. qualitative Interviews mit Menschen geführt und ich berate die Forschenden dazu, wie die Teilnehmer:innen an der Forschung aufgeklärt werden sollen. Außerdem biete ich Forschungsethik-Trainings für die Doktorand:innen und Postdocs in den Teilprojekten an.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich gehe sehr gerne in Museen (am liebsten für moderne Kunst, auch wenn ich nicht ganz viel davon verstehe) und ins Theater (am liebsten ins Berliner Ensemble). Wenn ich am Wochenende Zeit habe, koche ich gerne.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

In Ruhe Kaffee trinken, ein bisschen Bewegung an der frischen Luft (am idealen Tag wäre das Schwimmen im Meer), Zeit zum Lesen, nette Menschen um mich haben.

Bitte begrüßt Matthis ganz herzlich bei Real Scientists DE!