Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Verena Krebs (@krebsverena.bsky.social)!
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Über den direkten Umweg: Eigentlich wollte ich Journalistin werden. Ich habe in Konstanz Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften studiert, mit Nebenfach Geschichte, und währenddessen in verschiedenen Redaktionen gearbeitet. Bis ich irgendwann gemerkt habe: Für die Art von tiefgehender Recherche, die ich machen wollte, gibt es im tagesaktuellen Journalismus immer weniger Platz. Aber in den Geschichtswissenschaften! Und dann bin ich irgendwie … hängen geblieben. Als Bildungsaufsteigerin, die als erste in ihrer Familie ein Gymnasium besuchen durfte, erscheint mir das alles bis heute manchmal ein wenig surreal.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Nach dem Bachelor habe ich in England und Deutschland Geschichtswissenschaft mit dem Schwerpunkt Mittelalter studiert – und mich dann in ein Thema verbissen: In einem Seminar zu den Kreuzzügen aus nicht-europäischer Perspektive bin ich auf ein Buch des äthiopischen Historikers Taddesse Tamrat über das christliche Äthiopien im Spätmittelalter gestoßen. In einem Kapitel beschreibt er Gesandte, die ab 1402 im Auftrag der äthiopischen Könige verschiedene Höfe in Europa besuchten. Ich war irritiert: Ist das nicht genau die andere Richtung, als es die gängige Schulversion vom Zeitalter der europäischen Entdeckungen nahelegt? Ich jedenfalls hatte noch nie etwas von diesen sehr frühen afrikanischen Gesandtschaften nach Rom, Venedig oder Valencia gehört – schon gar nicht Jahrzehnte vor den portugiesischen Expeditionen und ‚Entdeckungsfahrten‘ nach Afrika.
Aber ich hatte Glück: Viele der Quellen, in denen diese Gesandtschaften auftauchen, waren in Sprachen, die ich bereits lesen konnte: Latein, Italienisch, Katalanisch, Portugiesisch, Französisch, sogar Deutsch. Also habe ich meine MA-Arbeit dazu geschrieben – und schnell gemerkt, dass es auf dem Gebiet noch einige Forschungslücken zu schließen und gängige Annahmen kritisch zu hinterfragen gab. Viele Quellen — Schriftquellen in mehreren Sprachen, Ikonen, Buchmalereien und archäologische Überreste — waren lange in der Mediävistik wie auch Afrikanistik außen vor gelassen worden. Und sie widersprachen nicht nur dem, was ich über das Mittelalter und Afrika gemeinhin zu wissen glaubte, sondern auch lange etablierten Forschungsmeinungen. So wurde aus der Masterarbeit eine Dissertation, dann ein Buch, dann noch eins – und schließlich eine Professur.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich arbeite zu den diplomatischen, kulturellen und materiellen Verflechtungen zwischen dem christlichen Hochland des Horns von Afrika – insbesondere dem christlichen Königreich der Dynastie der Salomoniden – und Europa im Spätmittelalter. Meine Arbeit bewegt sich zwischen Diplomatie-, Kultur- und Politikgeschichte, Kunstgeschichte, Quellenkritik und Wissenschaftsgeschichte – und versucht, vermeintlich Randständiges ins Zentrum zu rücken. Ein Teil davon ist auch die Auseinandersetzung mit kolonialen Forschungstraditionen und deren Auswirkungen bis heute.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Weil sie zeigt, dass Geschichte (in meinem Fall afrikanische Geschichte) nicht einfach „so war“, sondern „so erzählt wurde“. Jede Erzählung ist immer das Produkt einer bestimmten Zeit, oft unter bestimmten ideologischen Vorzeichen, und häufig mit langfristiger Wirkung bis in die Gegenwart. Wer denkt, im „Mittelalter“ — oder genauer: in den Jahrhunderten zwischen ca. 500 und 1500 — gebe es für alles südlich der Sahara kaum Quellen oder etwas zu erzählen, wird durch meine Forschung vielleicht ins Staunen geraten. Meine Perspektive — vom Hochland des Horns von Afrika auf die spätmittelalterliche Welt zwischen Europa, Asien und Afrika blickend — stellt viele vertraute Vorstellungen von Königtum, Macht und Kulturkontakten gründlich auf den Kopf.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen
Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich bin stellvertretende Direktorin des Zentrums für Mittelmeerstudien in Bochum und organisiere gemeinsam mit Kolleg:innen aus Äthiopien und Eritrea eine Online-Vortragsreihe zur Geschichte des mittelalterlichen Horns von Afrika. Außerdem habe ich in den letzten zehn Jahren mit Kolleg:innen aus Afrika, Europa und Nordamerika Panels zur afrikanischen Geschichte auf internationalen Mittelaltertagungen ausgerichtet.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich koche sehr gern, gehe mit unserem Labrador auf lange Streifzüge durch die Grünflächen des Ruhrgebiets — und bin früher viel gejoggt und habe Thai-Boxen gemacht, bis mir die Knie einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur
Menschen)?
Draußen sein. Zeit mit meinem Mann und Hund, idealerweise
auch mit der Familie im ländlichen Hessen. Kein Handy, keine E-Mails, keine
Deadlines — ein Tag, an dem nichts muss.
Bitte begrüßt Verena ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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