Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Foto: Jörg Farys/www.dieprojektoren.de |
Schon als Kind habe ich alles, was mir untergekommen ist, zerlegt, untersucht, neu zusammengesetzt, unter Strom gesetzt oder angezündet. Für meinen Opa war ich immer der "Professor". Dass es letztlich die Physik geworden ist, habe ich zum einem Teil einem sehr engagierten Lehrer in der Oberstufe zu verdanken - und zum anderen meiner Unentschlossenheit. Ich wusste nicht, was ich mit meinen vielen Interessen anstellen sollte, und habe irgendwo gehört, mit Physik könne man später alles machen.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Während der Diplomarbeit habe ich gemerkt, wie mir die Spezialisierung auf ein kleines Gebiet der Physik - in meinem Fall war es die Untersuchung von Proben mit Röntgenstrahlung - zunehmend Probleme machte. Ich wollte mir nicht den Rest meiner akademischen Karriere an sehr spezifischen Fragestellungen in einem kleinen Bereich die Zähne ausbeißen. Ich konnte mit Theorie nie sonderlich viel anfangen und habe das Rechnen auch bei meinen Veröffentlichungen wo möglich anderen überlassen, die mehr Spaß daran hatten und das besser konnten. In dieser Hinsicht bin ich das bastelnde Kind geblieben, das sich schnell für etwas begeistern und stunden- oder tagelang damit im Zimmer einschließen konnte, sich danach aber mit aller Energie auf etwas anderes stürzen wollte.
Deswegen habe ich dann nach meiner Diplomarbeit und einigen Monaten, die ich weiter in meiner Arbeitsgruppe angestellt war und experimentiert und Daten ausgewertet habe, keine Doktorarbeit mehr angestrebt. Danach war ich beinahe ein Jahr lang auf der Suche nach einer Aufgabe, die mich erfüllt - und habe den Wissenschaftsjournalismus entdeckt. Beim Redakteur gehört es quasi zur Arbeitsbeschreibung, sich einige Tage oder Wochen intensiv mit einer bestimmten Fragestellung auseinanderzusetzen, und anschließend (gern auch parallel) ein völlig anderes Feld zu beackern. Nichts perfekt zu verstehen - aber von allem genug, um sich gut zurechtzufinden und die Verbindung zu den anderen Dingen zu erkennen.
Dazu kommt der präzise, zugleich oft spielerische oder künstlerische Umgang mit Sprache, den ich immer geliebt habe. Ich hatte das Glück, bei Spektrum eine Praktikumsstelle zu bekommen, und das noch größere Glück, dort bleiben zu dürfen. Inzwischen seit acht Jahren ohne Unterbrechung oder ernsthaften Zweifeln daran, dass das für mich der beste Job überhaupt ist.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Auf meinem Schreibtisch liegen meist mehrere unterschiedliche Artikel aus diversen Fachgebieten in verschiedenen Stadien vor der Veröffentlichung. Ich bin in der Heftredaktion von Spektrum, das heißt, ich arbeite eigentlich ständig an dem jeweils nächsten Magazin, das monatlich erscheint.
Wie meine übrigen Kolleginnen und Kollegen verantworte ich in jedem Heft ein oder zwei "Hauptartikel", das sind längere Manuskripte zu großen Themen aus der Forschung, die wir sprachlich und inhaltlich bearbeiten und die (sofern es keine Übernahmen, also Übersetzungen von unserem US-Muttermagazin Scientific American sind) mit den Autorinnen und Autoren abgestimmt werden müssen. Bei uns im Heft schreiben nämlich eher weniger Journalisten, die zwar gut erzählen können, sich aber in ein Thema erst einarbeiten müssen, sondern die Leute aus der Forschung selbst, die sich am besten damit auskennen, aber oft nicht viel Erfahrung damit haben, wie man Texte so gestaltet, dass die Inhalte auch für Leute jenseits des Forschungsgebiets interessant werden. Das heißt, wir in der Redaktion übernehmen gewissermaßen viel vom journalistischen Teil. Dann bauen wir die Texte gemeinsam um, wobei wir aus der Redaktion uns entsprechend ins Thema einarbeiten müssen, um nichts Wichtiges zu übersehen.
Das ist ein langer und oft sehr intensiver Prozess. Am Anfang steht die Suche nach einem spannenden Thema, dann die nach geeigneten Menschen aus der Forschung, die darüber für uns schreiben möchten, schließlich die Arbeit am Manuskript und am Layout - das alles dauert locker ein halbes Jahr. Die Hauptartikel, die ich bearbeite, sind meist aus allen möglichen physikalischen Bereichen, aber manchmal fallen mir in der Redaktionskonferenz auch völlig andere Themen zu, von der Biologie bis zur Soziologie. Zusätzlich zu den Hauptartikeln betreuen wir kleinere Rubriken oder kürzere Meldungen, bei mir ist das beispielsweise jeden Monat die Kolumne "Schlichting!" über Phänomene der Alltagsphysik.
Gleichzeitig zur Arbeit am nächsten Heft, für das die Artikel bereits feststehen, müssen wir Themen für die Hefte der Monate danach finden, das heißt, ich schaue regelmäßig in neue Veröffentlichungen in den diversen Fachmagazinen, verfolge (nicht zuletzt über meine im Lauf der Jahre liebevoll zusammengestellte Timeline auf Twitter) gesellschaftliche und innerwissenschaftliche Debatten und informiere mich via Blogs, Nachrichtenseiten, Konferenzen und weitere Quellen über das, was gerade wichtig ist oder werden könnte. Ein wesentlicher Teil meines Jobs ist also, mich darüber zu informieren, was mich ohnehin interessiert - traumhaft!
Zusätzlich bin ich Stellvertreter unseres Redaktionsleiters. Wenn er im Urlaub ist - wie gerade in der Woche, in der ich den Account übernehme -, gehen über meinen Schreibtisch nicht nur meine eigenen Artikel, sondern zur Kontrolle auch die aller Kolleginnen und Kollegen: Wo ließe sich etwas noch klarer formulieren, wo verstehe ich etwas noch nicht richtig, wo wäre eine andere Überschrift oder ein anderes Bild vielleicht besser? Mehr Augen sehen mehr, und darum gucken in der Redaktion auf jeden Artikel viele Menschen mehrmals drauf.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wir versuchen, den Menschen klarzumachen, wie faszinierend das ganze Spektrum der Wissenschaft ist und sie über das, was gerade wichtig ist, auf dem Laufenden zu halten. Ich glaube, meine Arbeit dann gut gemacht zu haben, wenn die Leute ein tieferes Verständnis auch für die Zusammenhänge und hoffentlich sogar eine Liebe zur Wissenschaft entwickeln. Wenn sowohl ein Artikel bei denen gut ankommt, die ihn lesen, als auch die stolz darauf sein können, die ihn verfasst haben. Eigentlich soll die Öffentlichkeit meine Arbeit gar nicht direkt bemerken, sondern die Forschung unserer Autorinnen und Autoren würdigen, die ich in meiner Hintergrundarbeit lediglich versuche, besser herauszuputzen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Wenn ich erzähle, wo ich arbeite, ist die erste Frage oft: "Und, woran schreibst du gerade?" Dabei ist das die Ausnahme - ich bin ja eher so etwas wie ein Ghostwriter. Deswegen hat es für mich immer noch den Charakter einer willkommenen Zusatzaufgabe, wenn ich mal selbst einen Artikel schreibe, weil ich mich für ein Thema besonders begeistere. Ansonsten reizen mich Dinge, wo ich mal etwas jenseits der Arbeit an Texten ausprobieren kann: gelegentliche Moderationen von Veranstaltungen, Vorträge, Workshops (mein Highlight bisher war es, vor ein paar Jahren einige Male mehrere Tage lang mit Kindern Wissenschaftsjournalismus zu üben, vom Recherchieren bis zum Schreiben). Bei Spektrum beschäftigen wir uns außerdem seit längerer Zeit mit Videos und versuchen uns inzwischen auch auf dem Spielfeld der Podcasts, und freue mich immer, wenn ich hier etwas beitragen kann, vom Filmchen bis zum Plaudern über neue Artikel. Als Privatprojekt jenseits des Verlags, aber natürlich mit einigen inhaltlichen Verbindungen zu unserer Arbeit, produziere ich mit meinem Kollegen Lars Fischer inzwischen seit sechs Jahren in unregelmäßigen Abständen die Videoserie "Wir werden alle sterben" auf seinem YouTube-Kanal.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Es gibt Vieles, was ich in meiner Freizeit genieße, nur ist nichts davon wirklich außergewöhnlich: Sport, menschenleere Natur, flauschige Katzen, laute Livemusik (Metal!), Whisky, diverse Bastelarbeiten und Kochversuche, bei denen ich wieder ein wenig das experimentierende Kind werde. Über mein recht einfaches Leben wird es aber voraussichtlich weder Buch noch Film noch Vierminüter im Frühstücksfernsehen geben. Aber ich mag es sehr.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ein ausgiebiges Frühstück, dann ein, zwei Stunden Herumlümmeln im Internet mit einer Katze in Kraulreichweite, dann Sport - entweder ein Lauf durch den Wald oder Krafttraining mit anschließender Sauna -, ein leckeres Abendessen, und weil ich mir einen idealen Tag wünschen kann spielen heute zufällig Iron Maiden im Club um die Ecke.
Bitte begrüßt Mike ganz herzlich bei Real Scientists DE!
Hi Mike...
ReplyDeleteSchön zu lesen, dass du deinen Weg zielstrebig gehst.
Besten gruß aus alten Myo-Zeiten.
Maik