Sunday, November 24, 2024

Jugendhilfe erforschen - Menno Baumann ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unseren neuen Kurator Menno Baumann! Menno  (@mennobaumann.bsky.social) ist Professor für Intensivpädagogik in Teilzeit, seine Forschungsschwerpunkte sind riskante Fallverläufe in der Jugendhilfe und interdisziplinäre Gewaltforschung. Mit der anderen Hälfte ist er  in der pädagogischen Praxis als Diagnostiker, Sachverständiger und Berater in unterschiedlichsten Kontexten der Jugendhilfe, des Schulsystems, des Familienrechts und ganz manchmal auch der Politik tätig.





Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Nach einer berufsbegleitenden Promotion (damals 100% als Sonderpädagoge) an der Universität Hannover zum Thema Schnittstellen von Erziehungswissenschaften und Hirnforschung im Kontext der Emotionsforschung (war mit dem Thema nach dem Studium einfach noch nicht durch) eröffnete man mir die Chance auf eine halbe Stelle an der Uni Oldenburg – mit Option der Habilitation. Dort durfte ich selbstständig zwei Forschungsprojekte leiten und dann bin ich halt nie wieder davon weggekommen (von der pädagogischen Praxis aber auch nicht)


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Als Pädagoge habe ich mich immer für die Kinder und Jugendlichen interessiert, die auf Grund der Schwere ihrer Verhaltensproblematiken von allen anderen fallen gelassen wurden. Insofern waren die Bereiche Intensivpädagogik und Gewaltforschung einfach gesetzt (ich kann ja nichts anderes) und durch die Verquickung von Theorie/ Forschung und praktischer Arbeit gibt es in Deutschland zu diesem Feld auch nicht so viele ausgewiesene Expert*innen, die beides kennen und können. Insofern war ein Wechsel der Arbeitsschwerpunkt nie ein Thema.



Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Ich lehre im berufsbegleitenden Master-Studiengang „Soziale Arbeit, Schwerpunkt Kinder- und Jugendhilfe“ an der Fliedner. Ich finde gerade im sozialen Bereich berufsbegleitende Studiengänge großartig, da man da sehr kritische Studierende hat, die gleichzeitig echte Fragen mitbringen und ein hohes Engagement investieren. Auf Grund meiner Habilitation und meines Status als PrivDoz an der Uni Oldenburg habe ich auch die Möglichkeit, sehr engagierten jungen Kolleg*innen zu begleiten und sie bis zur Promotion zu fördern. Deshalb bin ich auch Promotionsbeauftragter der Hochschule. Und ich Forsche in verschiedenen Projekten, wobei aktuell zwei Projekte im Fokus stehen: 


  • Child-to-Parent Violence – ein in der Praxis sehr weit verbreitetes Phänomen, dass in Mitteleuropa kaum in der Forschung vorkommt
  • Troublesome Youth Groups in Germany – Auch das Thema Jugend-(Straßen-)Gewalt, welches in den Medien viel politisiert wird und mit Fake News durchzogen ist, kann man natürlich mit Forschungsmethodik (in diesem Feld nutzen wir Netzwerktheorien als Grundlage) auch echt erschließen und daraus Präventions- und Interventionsstrategien entwickeln.


In meiner praktischen Arbeit unterstütze ich Familiengerichte und Jugendämter durch Diagnostik und  Moderation bei der Suche nach geeigneten Lösungen für Kinder und Jugendliche, die durch sehr schwerwiegende Formen verstörenden Verhaltens durch die Maschen fallen oder die sehr schwere Straftaten begangen haben (ja, gerade Kinder U14, die Tötungsdelikte oder schwere Sexualverbrechen begehen, sind sehr schwierig zu moderieren und somit bin ich diesbezüglich im gesamte deutschsprachigen Raum Mitteleuropas tätig). Ich unterstütze gemeinsam mit zwei Kolleginnen Jugendhilfeträger in der Entwicklung, Konzeptionierung und  Implementierung von Hilfen für junge Menschen und ihre Familien, die es sehr schwer haben. Auch Elternberatung gehört in dieses Feld. Und ich biete Fort- und Weiterbildungen sowie Fachvorträge für Praktiker*innen an.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Kinder und Jugendliche mit herausforderndem Verhalten, schweren Formen der Kriminalität, sowie das Thema Gewalt insgesamt – ausgehend von jungen Menschen aber auch familiäre Gewalt in allen ihren Facetten – sind gesellschaftsrelevante Themen, die uns alle betreffen. Auch sind diese Themen schon seit eh und je politisiert, mit Fake News durchzogen und durch populistische Maßnahmen, die wissenschaftlich betrachte irgendwo zwischen Kontraproduktiv und Bullshit anzusiedeln sind, durchzogen. Gerade bei wachsender Wissenschaftsfeindlichkeit und erstarkendem Rechtspopulismus bis tief ins konservative politische Lager hinein bräuchten wir viel mehr Wissen und öffentliche Aufmerksamkeit auf die Forschung in diesem Bereich. Darüber hinaus kann meine praktische Arbeit Hoffnung machen.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ok, habe ich jetzt alles gerade schon beschrieben =))


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich spiele fürchterlich erfolglos Tischtennis (aktuell 3. Kreisklasse). Etwas besser aufgestellt bin ich als Musiker. Ich spiele (für einen Hobby-Klampfer) recht passabel Akustik-Gitarre (Fingerstyle), komponiere ein wenig und singe in verschiedensten Musikprojekten in der tiefen Lage den Bass.



Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Super viel Zeit für das Frühstück mit meiner Frau, danach ein wenig Musik, dann zum späten Abend selber was leckeres Kochen und danach mit meiner Jüngsten ins Eishockey-Stadion (Alternativ mit so vielen Familienmitgliedern wie möglich Karten spielen).


Bitte begrüßt Menno ganz herzlich auf dem Kanal!


 

Sunday, November 17, 2024

Mensch-Maschine-Kommunikation - Mario Donick ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unseren neuen Kurator Mario Donick! Mario (@mariodonick.bsky.social) ist Freier Autor und Kommunikationswissenschaftler, seine  Arbeitsschwerpunkte sind Mensch-Maschine-Kommunikation, Technikvertrauen, Phänomenologie & Computerspiel, Flugsimulation. Aktuell arbeitet er an einer annotierten Sammlung von DDR-Computerspielen. Zurzeit ist er außerdem (WS 2024/25) Lehrbeauftragter an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Studiengang Language and Communication in Organizations (LCO). 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe 2001-2007 Germanistik und Geschichte studiert, weil mich das interessiert hat. Die damaligen Dozent*innen haben mich sehr motiviert, meine eigenen Interessen einzubringen. Damals hat mich vor allem Internetkommunikation interessiert - Chats, Multi User Dungeons (die rein textbasierten Vorläufer von heutigen Online-Rollenspielen) und auch die ersten Blogs (die damals noch Internet-Tagebücher hießen).
Da mir das Spaß gemacht hat und ich gefragt wurde, habe ich nach dem Magister eine Doktorarbeit angehängt. Die habe ich in Kommunikationswissenschaft gemacht, wobei das in Rostock damals noch eine etwas ungewöhnliche Mischung aus Linguistik und Kommunikationssoziologie war, mit einer starken Anknüpfung an Luhmann'sche Systemtheorie. Ich untersuchte, was Menschen tun, wenn sie bei der Nutzung von Computern auf Probleme stoßen. Daran habe ich ca. 2010-2014 gearbeitet, die Verteidigung war Anfang 2015.
In all der Zeit war ich parallel in befristeten Verträgen als wissenschaftlicher Mitarbeiter in interdisziplinären Projekten tätig. Außerdem habe ich Lehrveranstaltungen durchgeführt. Gerade letzteres hat mir immer viel Spaß gemacht, weil ich da selbst viel gelernt habe.
Nach der Verteidigung der Arbeit habe ich die Uni aber verlassen, weil ich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz schon vorher als enorm stressig empfunden habe und ehrlich gesagt keine Lust hatte, alle paar Monate umziehen zu müssen oder in manchmal an Machtkämpfe erinnernde Projektkonstellationen geworfen zu sein.
Ich habe mir also einen "normalen" Teilzeitjob für Miete und Krankenkasse gesucht und nach ca. zwei Jahren angefangen, parallel als freier Autor zu arbeiten. Dadurch bin ich aber doch wieder näher an die akademische Welt gerückt. Geisteswissenschaften brauchen glücklicherweise keine umfangreiche Laborausstattung, d.h. ich kann auch freiberuflich zu bestimmten Themen arbeiten (siehe Frage 7).

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?!
Die Antwort auf das "Warum" klingt jetzt komisch, aber: Es macht mir Spaß.
Durch die Absicherung durch meinen unbefristeten Teilzeitjob habe ich den Vorteil, mir keine großen Sorgen um die nächsten Monate machen zu müssen. Und durch die parallele Freiberuflichkeit bin ich von den ganzen Nebenschauplätzen befreit, mit denen man sonst seine Arbeitszeit an einer Hochschule verbringt.
Allerdings habe ich mich auch schon öfter gefragt, wie sinnvoll das alles ist. Ich habe keine Büro-Kolleg*innen, mit denen ich mal spontan an der Kaffeemaschine über Ideen oder Methoden reden kann. Tagungen sind nur in eingeschränktem Umfang möglich - dafür muss ich meinen normalen Urlaub nehmen (was nicht immer rechtzeitig geht oder auch mal abgelehnt wird) und muss es privat bezahlen (was auch oft nicht möglich ist). Die Corona-Zeit mit den Online-Tagungen war da tatsächlich ein Weg, wieder öfter teilzunehmen. Glücklicherweise gibt es auch jetzt noch gestreamte Tagungen.
Jedenfalls heißt das, ich bin nicht mehr so intensiv eingebunden in die akademische Welt wie ich es früher während der Promotion war. Die Gefahr ist dann, dass man im eigenen Saft schmort. Und dass man gerade bei aktuellen Themen (die auch Aufmerksamkeit generieren) nicht so schnell arbeiten kann, wie es nötig wäre, um relevant zu sein. Aber glücklicherweise gibt es auch Themen, die etwas zeitloser sind 🙂

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Es gibt zwei große Bereiche, die man abgrenzen könnte (auch wenn sie sich dann doch überschneiden):
I. Ich interessiere mich nach wie vor für den Umgang von Menschen mit den Problemen ihrer technischen Welt - sowohl was die tatsächliche Nutzungssituation angeht, als auch weitergehende Kontexte. Es ist z.B. unglaublich spannend, wie sich das alles vom "Web 1.0" über das "Web 2.0" zu den heutigen Social Media-Systemen und dem "KI"-Hype entwickelt hat.
Mich interessiert da, ob ich das überhaupt noch mit den kommunikationswissenschaftlichen Analysemethoden meiner Doktorarbeit fassen kann, oder ob heute etwas (KI?) wirklich fundamental anders ist.
Außerdem habe ich den Blickwinkel etwas geändert. In der Doktorarbeit hatte ich linguistische und systemtheoretische Zugängen, mit denen ich damals von außen auf Computernutzung geblickt habe. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich eher mit phänomenologischen Zugängen, die die subjektive Wahrnehmung der Menschen in den Blick nehmen.
II. Daneben habe ich mich schon früher für die Game Studies interessiert (zu dem Thema hat ja vor ein paar Wochen schon Rudolf Inderst viel in eurem Account gepostet) und bin da in den letzten zwei, drei Jahren wieder aktiver geworden.
Konkret widme ich mich gerade
(1) dem Aufbau eines annotierten Archivs von DDR-Computerspielen (ja, die gab es, und nicht nur "Hase und Wolf" 😉 )
(2) einem Buchprojekt, in dem ich das weite Feld der Weltraum-Computerspiele ein wenig kulturkritisch auseinandernehme - wie solche Spiele einerseits die Faszination und Ehrfurcht vor der Natur, dem Weltall, der Weite aufgreifen und teilweise auch auslösen, wie sie aber andererseits oft mit sehr kapitalistischen, bis hin zu libertären, Spielmechaniken und Narrativen ausgestattet sind.
Aber wie gesagt, beide Bereiche (I und II) überschneiden sich.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wir leben umgeben von Computern, und oft sind es heute die Unternehmen, die darüber die Deutungshoheit setzen wollen. Aber wie sich das Leben in dieser Welt für uns als einzelne Personen anfühlt; wie wir freiwillige und unfreiwillige Nutzungssituationen wahrnehmen; oder wie wir damit umgehen, dazu kann auch die Geisteswissenschaft einiges beitragen. Das gilt sowohl für "seriöse" Anwendungssoftware als auch für Computerspiele.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich schreibe auch viel zu Flugsimulation, und ab und zu für das Spielemagazin GameStar.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich programmiere gerne auf einem emulierten DDR-Computer, den ich als Kind selbst hatte (KC 85/3), Computerspiele, die nie fertig werden.
Außerdem habe ich von 2006-2018 das roguelike-Rollenspiel "LambdaRogue" veröffentlicht, das man kostenlos bei itch.iorunterladen kann.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)
Ausschlafen ohne Wecker, dann Kaffee trinken und Zeitung lesen, ein bisschen spazieren gehen und sonst entspannt rumhängen mit einem Buch, Film, Spiel oder Musik.
Bitte begrüßt Mario ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, November 10, 2024

Antibiotikaresistenz in der Tiermedizin - Christina Hölzel ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unsere neue Kuratorin Christina Susanne Hölzel! Christina (@christinahoelzel.bsky.social) studierte von 1995 bis 2001 Veterinärmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Anschließend forschte sie von 2002 bis 2013 am Lehrstuhl für Tierhygiene der Technischen Universität München und habilitierte sich dort im Jahr 2015, dem Fachmentorat gehörte unter anderem Lothar Wieler an. Von 2013 bis 2017 war sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Privatdozentin und Leiterin der mikrobiologischen Abteilung am Lehrstuhl für Hygiene und Technologie der Milch tätig.
Seit 2017 ist Hölzel Professorin für Tiergesundheit und Tierhygiene an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.




Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Zunächst mal sehr zufällig. In der Tiermedizin promoviert man „sowieso“, wenn nichts dagegenspricht. Ich stand also nach dem dritten Staatsexamen im Schlachthof am Fließband und holte mit dem Eislöffel Hirngewebe aus einem toten Rind, als mich ein Kommilitone auf eine Promotionsmöglichkeit ansprach: Weiterbildungsmöglichkeit (Fachtierarzt) für Mikrobiologie, spannendes Thema, freundliche Arbeitsgruppe, reguläre Stelle (50%). Ich hatte ein konkurrierendes Stipendienangebot aus Hannover, aber in Bayern einen Vater, der rund um die Uhr auf Pflege angewiesen war. Dann brach sich meine Mutter die Schulter, und mir wurde klar, dass ich gebraucht werde. So blieb ich in Bayern – und nur deshalb auch in der Wissenschaft. Mein Chef, Johann Bauer, war mir einerseits ein großes Vorbild, besonders beindruckten mich sein hoher Anspruch an sich selbst und seine ausgeprägte Integrität. Andererseits hatte er eine Arbeitsgruppe geschaffen, in der man primär kooperierte, nicht konkurrierte. Bis heute prägt das meine Zielvorstellung von Arbeit in der Wissenschaft.

Erzähle uns was über deine Arbeit!
Ich arbeite in der Mikrobiologie, mein Forschungsschwerpunkt ist Antibiotikaresistenz. Schon mein Großcousin ist Mikrobiologe an der LMU, es gab also ein Rollenmodell. Klassische Mikrobiologie, wie man sie im Studium lernt(e), hat außerdem etwas von einem „Who‘s-done-it“-Krimi – das fand ich spannend. Nicht zuletzt wollte ich immer eine Tätigkeit mit gesellschaftlicher Relevanz ausüben, und da kam mir Forschung zu Antibiotikaresistenz relevanter vor als Kleintiermedizin. Zudem arbeite ich gern interdisziplinär, deshalb fühlte ich mich an einer Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät von Anfang an wohl.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Welche? Dem Gefühl nach habe ich viele Jobs zugleich. Lehre, Lehrkoordination, Gremienarbeit – ich bin Diversitätsbeauftragte meiner Fakultät und engagiere mich auch in der Gleichstellungsarbeit, außerdem in Grundsatz- und Hochschulrechtsfragen –, Betreuung, Begutachtung, Mentoring, Hochschulpolitik – und in Lichtmomenten auch Forschung. Meistens fällt „forschen“ mit „betreuen“ zusammen – ich stehe nur noch sehr selten selbst im Labor. Betreuen macht mir deshalb am meisten Spaß, es verbindet lauter Dinge, die ich sehr gerne tue: Forschungsfragen (mit)konzipieren, den Forschungsfortschritt sortieren und Puzzlesteine zusammenfügen, zwischenmenschliche Interaktion, an Sprache feilen, sich einsetzen für andere – mal aktiver, mal „nur“ fördernd begleitend.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Auf der sachinhaltlichen Ebene ist das einfach zu erklären, denn sie tut es ohnehin: Menschen haben Angst vor antibiotikaresistenten Keimen, Menschen sorgen sich um das Wohlergehen von Tieren, Menschen möchten gesunde Lebensmittel essen, ohne von Brechdurchfall heimgesucht zu werden. Auf der hochschulpolitischen Ebene ist es viel schwieriger, denn Menschen außerhalb der Wissenschaft interessieren sich wenig für Wissenschaftspolitik. Dabei bildet „die Wissenschaft“ in Deutschland – mindestens an den Hochschulen, in der Einheit von Forschung und Lehre – den Großteil unserer zukünftigen Fachkräfte aus, kann Fake-News fundiert begegnen und komplexe Probleme angehen und prägt in alledem ganz wesentlich unser gesellschaftliches Zusammenleben. Nicht zuletzt auch über die Erfahrungen, die wir unseren Studierenden mitgeben: Geschlagene Kinder werden manchmal schlagende Eltern, und Studierende, die einem machtmissbräuchlichen Umfeld ausgesetzt sind, können leicht zu Vorgesetzten werden, die selbst ihre Macht missbrauchen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Das leitet sich oben schon ein: Ich engagiere mich in mehreren Organisationen, die Hochschulstrukturen zum Besseren verändern wollen: Im Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft (NgAWiss), im Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft (MaWi) und insbesondere im kürzlich gegründeten professoralen Netzwerk Nachhaltige Wissenschaft (NNW), zu dessen Sprecher*innen ich gehöre, und in dem wir uns für grundlegende Reformen im Wissenschaftssystem einsetzen. 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
In meiner Bluesky-Bio steht „Vokalmusik“, einfacher können wir es „Singen“ nennen, zeit meines Lebens und in unterschiedlichsten Konstellationen. Angefangen vom Kinderchor kam ich über den örtlichen Kirchenchor, in den mich meine Oma mitnahm, zu einer Gospelgruppe, geleitet von Wolfgang Hingerl (unerreicht musikalische Menschen, mit denen ich 25 Jahre teilte und die vor allem meine Kindheit und Jugend sehr erhellten!). Früh folgten dann diverse Oratorienchöre (mein Herzenschor: der Paul-Gerhardt-Chor München unter der Leitung von Ilse Krüger), a-capella-Ensembles, Quartette und Frauenchöre. Außerdem mag ich besonders, was mit Natur, Ausdauer und stetiger Fortbewegung zu tun hat: Streckenwandern, Langstreckenreiten. 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)
Ich gehe mit einem nahen Freund in die Berge.

Bitte begrüßt Christina ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, November 3, 2024

Was Trash TV mit dem Mittelalter zu tun hat - Juliane Bienert ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unsere neue Kuratorin

Juliane Bienert! Juliane (@julianebienert.de) ist Literaturwissenschaftlerin, promoviert seit 2021 in der Germanistischen Mediävistik und arbeitet freiberuflich im Bereich Wissenschaftskommunikation. Außerdem ist sie Host des Podcasts „Sachgrundaktivismus“, in dem sie Themen rund ums Promovieren und das deutsche Wissenschaftssystem allein und mit Gäst*innen aus Forschung, Lehre und WissKomm diskutiert.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Angefangen hat alles damit, dass ich mich für eine Stelle als Wissenschaftliche Hilfskraft beworben habe. Mich hat interessiert, wie vor allem Lehre hinter den Kulissen funktioniert und ich hatte das Gefühl, dass ich mehr über mein Fach wissen möchte als mein eigentliches Studium mir bieten kann. Über eine Promotion habe ich an diesem Punkt nur vage nachgedacht, aber mit den ersten Forschungsseminaren und Tagungen hat sich immer mehr das Gefühl in mir breit gemacht, dass ich meinen Platz gefunden habe. In der Gemeinschaft der Forschenden habe ich mich sehr wohl und vor allem verstanden gefühlt, die Arbeit mit Studierenden war für mich schon als Hilfskraft sehr bereichernd und als es auf das Ende des Masters zuging, war es gar keine Frage mehr, OB ich promoviere, sondern nur, wann es losgeht.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Die Mediävistik und ich hatten einen schwierigen Start. Die Ruhr-Uni Bochum wirbt damit, dass man dort „das ganze Fach“ Germanistik studieren kann und obwohl ich vor meinem Studium noch nicht wusste, was das heißt, war mir klar, dass ich alle Aspekte dieses Faches kennenlernen möchte. Im Grundkurs habe ich mich dann wiederum für diesen anfänglichen Enthusiasmus verflucht, denn die mittelhochdeutsche Grammatik zu lernen, war für mich eine große Herausforderung. Ich kann mit Stolz behaupten, die Schlechteste im Kurs gewesen zu sein und jedes Mal, wenn es ans Vorlesen ging, habe ich versucht, mich möglichst klein zu machen. Dass ich die Klausur bestanden habe, war für mich wie ein Wunder. Der Wendepunkt kam mit meinem ersten Lektüreseminar in der Mediävistik. Ich habe verstanden, dass Mediävistik nicht nur aus Übersetzen besteht und dass ich dieser „fremden Sprache“ doch viel mehr abgewinnen kann, als ich gedacht habe. Die Aventiuren von Artus und seiner Tafelrunde haben mich sofort begeistert, weshalb sie auch zentraler Bestandteil meiner Dissertation sind. 

Erzähle uns was über deine Arbeit! 
Seit 2021 promoviere ich in der Germanistischen Mediävistik – das heißt, ich beschäftige mich mit der Literatur und Kultur des deutschsprachigen Mittelalters (ca. 500-1500 n. Chr., wobei ich mich meist im Hochmittelalter um 1200 bewege). Die beiden Säulen meiner Forschung sind verbindliche Sprechakte (Versprechen/Eid/Schwur etc.) und Geschlechterrollen. Ich stelle die Frage, inwiefern verbindliche Sprechakte innerhalb von Figurendialogen das Potenzial besitzen, bestehende Geschlechterrollen aufzubrechen, zu verändern oder ganz neu zu konstruieren.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Die Mediävistik gilt gemeinhin als Fach, das 2024 kaum noch Relevanz besitzt. Wenn ich auf Familienfeiern von meiner Promotion erzähle, dann wissen die wenigsten Personen damit etwas anzufangen. Ich mache ihnen keinen Vorwurf, denn wenn ich beispielsweise an meine Schulzeit zurückdenke (studiert haben in meiner Familie nur wenige), dann kommt das Mittelalter weder im Geschichts- und schon gar nicht im Deutschunterricht vor. Das ist aus meiner Sicht sehr schade, denn im Studium habe ich verstanden, dass die vermeintlich „düstere“ Epoche erstens gar nicht so „düster“ gewesen ist, wie es uns von zahlreichen Dokus suggeriert wird und viele der Ideen und gesellschaftlichen Konzepte des Mittelalters bis heute weiterbestehen. Wenn Ed Sheeran, Bruno Mars oder Adel Tawil über die Liebe singen oder in Romance Romanen bedenklich gewalttätige Männer ihre On-Off-Beziehungen mit Geschenken zu kitten versuchen, dann würden die Dichter des Mittelalters nur gelangweilt mit den Augen rollen. Auch Trash TV Formate wie „Die Bachelorette“ oder „Germanys Next Topmodel“ haben mehr mit dem Mittelalter zu tun, als wir glauben. Mehr erzähle ich euch gerne in meiner Woche hier. 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Neben meinem Podcast „Sachgrundaktivismus“, den ich seit Januar 2024 betreibe, arbeite ich seit Juli freiberuflich. Hauptbestandteil meiner Arbeit ist die Bewerbungsberatung, das heißt, ich begleite Absolvent*innen und Promovierende (vorwiegend aus den Geisteswissenschaften) von der Stellensuche bis zum Bewerbungsgespräch. Ich helfe ihnen dabei, die versteckten Botschaften aus den Anzeigentexten herauszufiltern, das Verhandeln zu meistern und ihnen auch bei der Entscheidung für oder gegen eine akademische Laufbahn zur Seite zu stehen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Neben meinem Podcast „Sachgrundaktivismus“, den ich seit Januar 2024 betreibe, arbeite ich seit Juli freiberuflich. Hauptbestandteil meiner Arbeit ist die Bewerbungsberatung, das heißt, ich begleite Absolvent*innen und Promovierende (vorwiegend aus den Geisteswissenschaften) von der Stellensuche bis zum Bewerbungsgespräch. Ich helfe ihnen dabei, die versteckten Botschaften aus den Anzeigentexten herauszufiltern, das Verhandeln zu meistern und ihnen auch bei der Entscheidung für oder gegen eine akademische Laufbahn zur Seite zu stehen.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Im Oktober habe ich offiziell das Laufen wieder begonnen. Nach einer längeren Krankheitsphase trainiere ich nun für einen Halbmarathon – mein vordergründiges Ziel ist aber, gesund zu bleiben und Spaß dabei zu haben. Ein toller Nebeneffekt: ich bekomme den Kopf frei und komme gerade in den dunkleren Monaten an etwas Serotonin.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)
Momentan habe ich tatsächlich auf dem Papier mehr „freie Tage“, als man auf Basis meiner verschiedenen Tätigkeiten vielleicht denken würde. Das heißt aber leider nicht, dass sich die vielen To Dos und ja, auch die Sorgen und der Stress damit verdrängen lassen. Ein idealer freier Tag ist also einer, den ich bestenfalls nicht alleine verbringe, sondern mit Freund*innen oder Familie, damit ich nicht über das nachdenke, was alles noch erledigt werden muss oder sollte. Was wir dann tun, ist relativ egal: vom Spazierengehen übers Filmeschauen bis zum Minigolfspielen ist mir alles sehr recht.

Bitte begrüßt Juliane ganz herzlich auf dem Kanal!