Diese Woche freuen wir uns auf unseren neuen Kurator Menno Baumann! Menno (@mennobaumann.bsky.social) ist Professor für Intensivpädagogik in Teilzeit, seine Forschungsschwerpunkte sind riskante Fallverläufe in der Jugendhilfe und interdisziplinäre Gewaltforschung. Mit der anderen Hälfte ist er in der pädagogischen Praxis als Diagnostiker, Sachverständiger und Berater in unterschiedlichsten Kontexten der Jugendhilfe, des Schulsystems, des Familienrechts und ganz manchmal auch der Politik tätig.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Nach einer berufsbegleitenden Promotion (damals 100% als Sonderpädagoge) an der Universität Hannover zum Thema Schnittstellen von Erziehungswissenschaften und Hirnforschung im Kontext der Emotionsforschung (war mit dem Thema nach dem Studium einfach noch nicht durch) eröffnete man mir die Chance auf eine halbe Stelle an der Uni Oldenburg – mit Option der Habilitation. Dort durfte ich selbstständig zwei Forschungsprojekte leiten und dann bin ich halt nie wieder davon weggekommen (von der pädagogischen Praxis aber auch nicht)
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Als Pädagoge habe ich mich immer für die Kinder und Jugendlichen interessiert, die auf Grund der Schwere ihrer Verhaltensproblematiken von allen anderen fallen gelassen wurden. Insofern waren die Bereiche Intensivpädagogik und Gewaltforschung einfach gesetzt (ich kann ja nichts anderes) und durch die Verquickung von Theorie/ Forschung und praktischer Arbeit gibt es in Deutschland zu diesem Feld auch nicht so viele ausgewiesene Expert*innen, die beides kennen und können. Insofern war ein Wechsel der Arbeitsschwerpunkt nie ein Thema.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich lehre im berufsbegleitenden Master-Studiengang „Soziale Arbeit, Schwerpunkt Kinder- und Jugendhilfe“ an der Fliedner. Ich finde gerade im sozialen Bereich berufsbegleitende Studiengänge großartig, da man da sehr kritische Studierende hat, die gleichzeitig echte Fragen mitbringen und ein hohes Engagement investieren. Auf Grund meiner Habilitation und meines Status als PrivDoz an der Uni Oldenburg habe ich auch die Möglichkeit, sehr engagierten jungen Kolleg*innen zu begleiten und sie bis zur Promotion zu fördern. Deshalb bin ich auch Promotionsbeauftragter der Hochschule. Und ich Forsche in verschiedenen Projekten, wobei aktuell zwei Projekte im Fokus stehen:
- Child-to-Parent Violence – ein in der Praxis sehr weit verbreitetes Phänomen, dass in Mitteleuropa kaum in der Forschung vorkommt
- Troublesome Youth Groups in Germany – Auch das Thema Jugend-(Straßen-)Gewalt, welches in den Medien viel politisiert wird und mit Fake News durchzogen ist, kann man natürlich mit Forschungsmethodik (in diesem Feld nutzen wir Netzwerktheorien als Grundlage) auch echt erschließen und daraus Präventions- und Interventionsstrategien entwickeln.
In meiner praktischen Arbeit unterstütze ich Familiengerichte und Jugendämter durch Diagnostik und Moderation bei der Suche nach geeigneten Lösungen für Kinder und Jugendliche, die durch sehr schwerwiegende Formen verstörenden Verhaltens durch die Maschen fallen oder die sehr schwere Straftaten begangen haben (ja, gerade Kinder U14, die Tötungsdelikte oder schwere Sexualverbrechen begehen, sind sehr schwierig zu moderieren und somit bin ich diesbezüglich im gesamte deutschsprachigen Raum Mitteleuropas tätig). Ich unterstütze gemeinsam mit zwei Kolleginnen Jugendhilfeträger in der Entwicklung, Konzeptionierung und Implementierung von Hilfen für junge Menschen und ihre Familien, die es sehr schwer haben. Auch Elternberatung gehört in dieses Feld. Und ich biete Fort- und Weiterbildungen sowie Fachvorträge für Praktiker*innen an.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Kinder und Jugendliche mit herausforderndem Verhalten, schweren Formen der Kriminalität, sowie das Thema Gewalt insgesamt – ausgehend von jungen Menschen aber auch familiäre Gewalt in allen ihren Facetten – sind gesellschaftsrelevante Themen, die uns alle betreffen. Auch sind diese Themen schon seit eh und je politisiert, mit Fake News durchzogen und durch populistische Maßnahmen, die wissenschaftlich betrachte irgendwo zwischen Kontraproduktiv und Bullshit anzusiedeln sind, durchzogen. Gerade bei wachsender Wissenschaftsfeindlichkeit und erstarkendem Rechtspopulismus bis tief ins konservative politische Lager hinein bräuchten wir viel mehr Wissen und öffentliche Aufmerksamkeit auf die Forschung in diesem Bereich. Darüber hinaus kann meine praktische Arbeit Hoffnung machen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ok, habe ich jetzt alles gerade schon beschrieben =))
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich spiele fürchterlich erfolglos Tischtennis (aktuell 3. Kreisklasse). Etwas besser aufgestellt bin ich als Musiker. Ich spiele (für einen Hobby-Klampfer) recht passabel Akustik-Gitarre (Fingerstyle), komponiere ein wenig und singe in verschiedensten Musikprojekten in der tiefen Lage den Bass.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)
Super viel Zeit für das Frühstück mit meiner Frau, danach ein wenig Musik, dann zum späten Abend selber was leckeres Kochen und danach mit meiner Jüngsten ins Eishockey-Stadion (Alternativ mit so vielen Familienmitgliedern wie möglich Karten spielen).
Bitte begrüßt Menno ganz herzlich auf dem Kanal!