Sunday, September 28, 2025

Die Außen- und Sicherheitspolitik der USA und die Zeitenwende in Deutschland! Georg Löfflmann ist jetzt bei Real Scientists DE!

Porträtfoto von Georg Löfflmann

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Georg Löfflmann (@gloefflmann.bsky.social Georg ist Lecturer für US-Außenpolitik im Department of Politics and International Relations (DPIR) an der Queen Mary University of London. Zuvor war er Assistant Professor für War Studies und US-Außenpolitik am Department of Politics and International Studies (PAIS) der University of Warwick. Davor absolvierte er ein dreijähriges Early Career Fellowship (2018–2021), gefördert durch die Leverhulme Trust, mit einem Forschungsprojekt zur Verknüpfung von Sicherheitsdiskursen und populistischer Rhetorik in den Vereinigten Staaten unter der Präsidentschaft Donald Trumps. Weitere akademische Stationen umfassen seine Tätigkeit als Research Fellow im von Nick Vaughan-Williams geleiteten Projekt Everyday Narratives of European Border Security and Insecurity (2016–2018) sowie ein einjähriges PAIS Teaching Fellowship in amerikanischer Politik und US-Außenpolitik (2015–2016). Zwischen 2011 und 2014 absolvierte er sein Promotionsstudium an der University of Warwick. Vor seiner Promotion studierte er Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Potsdam sowie Sozialwissenschaften und Geschichte an der Universität Erfurt.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 

Ich habe 2011 meinen PhD an der Warwick University begonnen und 2015 promoviert. Ich war dann in Großbritannien ab 2015 auf mehreren Post-Doc Verträgen angestellt als Teaching Fellow, Research Fellow, und Early Career Fellow, dann 2021-2023 Assistant Professor in Warwick, und seit 2023 bin ich Lecturer of US Foreign Policy im Department of Politics and International Relations an der Queen Mary. 


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Meine Forschung ist angesiedelt an der Schnittstelle zwischen den Internationalen Beziehungen (IB) und der kritischen Sicherheitsforschung (Critical Security Studies CSS), wobei ich auch Felder wie politische Kommunikation, politische Psychologie, oder Critical Geopolitics in meine Arbeit einbinde. Mich interessiert, wie bestimmte Diskurse und Narrative von nationaler Identität und Sicherheit in der politischen und öffentlichen Sphäre bestimmend werden, politische Handlungsmöglichkeiten eröffnen oder begrenzen, sowie Widerstand gegen bestehende Hegemonien hervorrufen. Empirisch liegt ein besonderer Fokus meiner Forschung auf der Außen- und Sicherheitspolitik der USA.  Ich finde meine Arbeit abwechslungsreich, intellektuell herausfordernd und auch wichtig, einfach weil Sicherheit von so fundamentaler Bedeutung ist, - politisch, sozial, international -, aber gleichzeitig Sicherheit eben auch immer unterschiedlich empfunden, konstruiert und behandelt wird, das macht dieses Thema so dynamisch und einfach unheimlich spanend.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Meine aktuelles Forschungsprojekt untersucht die Zusammensetzung populistischer Sicherheitsnarrative, sowie deren Auswirkungen auf Wählermobilisierung und die Legitimation von Politik in den Vereinigten Staaten unter den Präsidentschaften Donald Trumps. Meine zuletzt erscheinende Monographie bei Routledge, The Politics of Antagonism, führt in diesem Zusammenhang den analytischen Begriff eines populistischen Sicherheitsimaginariums ein. Das Buch leistet einen Beitrag zur Erforschung von Populismus in den IB, indem es die kritische Analyse von nationalen Identitätsdiskursen und Sicherheitsnarrativen mit emotionalen Appellen und psychologischen Wirkmechanismen verbindet, die auf bestimmte Wählergruppen und deren kulturelle Einstellungen, soziale Orientierung und politische Werte abzielen. Die kritische Analyse von politischer Kommunikation unter der Trump-Regierung untersucht, wie Schuldzuweisungen, kollektiver Narzissmus und ein affektives Repertoire aus Angst, Verunsicherung, Demütigung, Ressentiment und Nostalgie zur Wählermobilisierung und zur politischen Legitimation eingesetzt wurden, etwa einer ‚America First Strategie‘ in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik.

Ein zweites Forschungsprojekt befasst sich mit der narrativen Konstruktion und der praktischen Wirkung der Zeitenwende in Deutschland, dem strategischen Kurswechsel in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik als Reaktion auf den russisch-ukrainischen Krieg – insbesondere im Hinblick auf seine Bedeutung für die transatlantischen Beziehungen und der Veränderung der strategischen Kultur in Deutschland. Hier arbeite ich eng mit meinem Kollegen Malte Riemann an der Universität Leiden in den Niederlanden zusammen. Zuletzt ist von uns ein gemeinsamer Artikel im European Journal of International Security erschienen, wo wir die These aufstellen, dass es bei der Zeitenwende nicht nur um die nationale Sicherheit und verteidigungspolitische Planungen geht, sondern auch um die Neubestimmung der ‚temporalen Sicherheit‘ in Deutschland,  also welche historischen Narrative noch Gültigkeit besitzen für die Bestimmung unserer nationalen Identität und Sicherheit, und welche nicht mehr, z.B. ‚Ostpolitik‘, ‚Wandel durch Handel‘, oder die ‚Friedendividende‘ nach dem Ende des Kalten Kriegs.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Ich glaube man versteht Politik in der Gegenwart nicht ohne die politische Macht von Emotionen und Narrativen zu erfassen. Das reicht vom Brexit bis zur Wiederwahl Donald Trumps bis hin zum globalen Aufstieg des Rechtspopulismus, inklusive der AfD in Deutschland, und dem Krieg in der Ukraine. Narrative und Emotionen mobilisieren Öffentlichkeiten, sie legitimeren Politik, und sie ermöglichen den Einsatz von militärischer Gewalt. Genau diese Narrative stehen im Zentrum meiner Forschung.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich bin Beisitzer der Forschungsgruppe US-Außenpolitik der British International Studies Association (BISA), die regelmäßig Workshops und Konferenzen organisiert, insbesondere auch für PhD-Studenten und Postdocs. Diese Gruppe mitzuleiten ist eine sehr erfüllende Aufgabe, weil man hier die Chance hat gerade jüngeren KollegInnen zu helfen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen.    

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich koche leidenschaftlich gerne und poste die Resultate auch regelmäßig auf Bluesky. Sollte es mit der wissenschaftlichen Karriere nichts werden, werde ich auf Food-Blogger umsatteln!


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Ausschlafen, einen gemütlichen Kaffee trinken, ein bisschen Nachrichten lesen. Dann raus aus London, irgendwo in East Anglia oder Sussex an der Küste spazieren gehen, und abends noch in einen schönen Pub.

Bitte begrüßt Georg ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, September 21, 2025

Gesellschaftliche Konfliktlinien in der Mobilität! Andrea Amri-Henkel ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Andrea Amri-Henkel (@amri-henkel.bsky.social)! Andrea ist Nachhaltigkeitswissenschaftlerin am Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme (IZES) in Saarbrücken. Sie studierte Regionalstudien Lateinamerika und VWL (B.A.) an der Universität zu Köln sowie Nachhaltigkeitswissenschaften (M.Sc.) an der Leuphana Universität Lüneburg, wo sie im Bereich Nachhaltigkeitspolitik promovierte. Ihre Forschung verbindet Nachhaltigkeitswissenschaft, kritische Theorie und Geschlechterforschung mit einem Schwerpunkt auf nachhaltiger Mobilität. In Reallaboren untersucht sie, wie gesellschaftliche Macht- und Ungleichheitsverhältnisse das Mobilitätssystem prägen – und wie gerechtere, zukunftsfähige Alternativen entwickelt werden können.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Während meiner Masterarbeit wurde ich von meiner späteren Doktormutter, Prof. Dr. Sabine Hofmeister, in ein geplantes Forschungsprojekt eingebunden. Da sich der Projektstart – wie so oft in der Wissenschaft – verzögerte, nutzte ich die Zeit, um meine Dissertation vorzubereiten und mich auf Stipendien zu bewerben. So konnte ich direkt nach Abschluss des Projektes nahtlos in die Promotion starten. Das Stipendium ermöglichte mir, Forschung und Familienleben (inzwischen mit Kindern) zu verbinden. Es war also auch ein Stück Glück, besonders da ich als „First Generationer“ eine wissenschaftliche Karriere ohne Unterstützung meines Umfeldes vermutlich nicht in Erwägung gezogen hätte. Heute habe ich die einmalige Möglichkeit, genau an den Themen zu arbeiten, die meine Leidenschaft sind – ein Privileg, für das ich sehr dankbar bin.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin über meine Masterarbeit in den Themenbereich gesellschaftliche Natur- und Geschlechterverhältnisse eingestiegen. Soziale Ungleichheiten und ihre Ursachen, etwa in der politischen Ökonomie, beschäftigen mich schon seit meiner Jugend. In meiner Promotion konnte ich dieses Forschungsprogramm im Feld der Nachhaltigkeitspolitik vertiefen. Seit meiner Tätigkeit am IZES liegt mein Schwerpunkt verstärkt auf Mobilität – einem Feld, in dem gesellschaftliche Konfliktlinien derzeit besonders sichtbar werden: von alltäglichen Verteilungsfragen, z.B. um Parkraum bis hin zu autoritären Bestrebungen und Desinformation. Kritische, gesellschaftsbezogene Forschung ist hier besonders relevant, weil sie die Voraussetzungen für eine gerechte Mobilitätswende schaffen kann. Zudem ist die klassische Mobilitätsplanung stark auf Erwerbsarbeit fokussiert. Eine intersektionale Genderperspektive eröffnet die Möglichkeit, Ungleichheiten zu adressieren und Gruppen stärker in den Blick zu nehmen, die bisher marginalisiert sind – etwa Sorgearbeit Leistende, ärmere Gruppen, Kinder oder mobilitätseingeschränkte Personen.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
In meiner Dissertation habe ich Bundestagsdebatten zur Energiewende diskursanalytisch untersucht und gezeigt, wie politische Auseinandersetzungen um Nachhaltigkeit von hegemonialen Diskursen sowie von Abwertungs- und Ungleichheitsstrukturen geprägt sind. Statt sozialer oder ökologischer Fragen dominieren häufig technologische und ökonomische Steuerungslogiken innerhalb idealisierter marktwirtschaftlicher Strukturen.

Im gerade abgeschlossenen BMWK-geförderten Projekt SUZANNA haben wir erarbeitet, wie Suffizienzstrategien so kommuniziert werden können, dass unterschiedliche soziale Voraussetzungen berücksichtigt und Verantwortlichkeiten nicht individualisiert werden. Seit Anfang des Jahres ist unser BMFTR-gefördertes Projekt Saarmila gestartet, in dem wir untersuchen, wie Mobilität im Saarland gerechter gestaltet werden kann – etwa durch On-Demand-Angebote, eine stärkere Berücksichtigung der Mobilitätsbedürfnisse von Kindern, die Entlastung Sorgearbeit Leistender und eine teilhabeorientierte Planungskommunikation.

Übergreifend interessiert mich, wie sich diskurstheoretische, Gender- und Nachhaltigkeitsperspektiven verbinden lassen, um Abwertungsstrukturen in Transformationsprozessen sichtbar zu machen – und Impulse für gerechtere Zukünfte zu geben.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Mobilität betrifft alle – Kinder, die eigenständig Wege zur Schule oder Kita zurücklegen, ebenso wie Kinder, die gebracht werden; ältere Menschen, die ihre Mobilität selbst gestalten, ebenso wie diejenigen, die begleitet werden. Sie betrifft Pendelwege zur Arbeit, Einkäufe, Erledigungen und Freizeitgestaltung. Ungerechte Mobilitätssysteme wirken sich unmittelbar auf den Alltag aus. Meine Forschung zeigt, wie Mobilität gerechter und nachhaltiger gestaltet werden kann – und warum dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ja, ich engagiere mich im Koordinationsteam von Scientists for Future Saarland und als Sprecherin in der AG GENAU*T, einer Arbeitsgruppe der Fachgesellschaft Geschlechterstudien, in der der Zusammenhang von sozial-ökologischer Transformation und Geschlecht im Fokus steht. Feminismus, soziale Ungleichheit, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind meine Herzensthemen – beruflich wie privat.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich gehe gerne spazieren und treffe mich mit Freund*innen – am liebsten bei gutem Essen im Restaurant, ganz ohne Selbstkochen! Außerdem genieße ich die Zeit mit meinen Kindern – das ist für mich der beste Ausgleich, wofür ich sehr dankbar bin.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Zunächst einmal lange schlafen, dann ein ausgiebiges und leckeres Frühstück. Den Rest des Tages draußen mit den Kindern verbringen – zum Beispiel bei einem Ausflug oder einer Wanderung – und den Tag schließlich mit Kochen und gutem Essen mit Freund*innen oder Familie ausklingen lassen.



Bitte begrüßt Andrea ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, September 14, 2025

Politische Ideologien, Radikalisierungsprozesse und Diskursverschiebungen! Felix Schilk ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Felix Schilk (@stillapossibility.bsky.social)! Felix ist Soziologe und forscht zu politischen Ideologien, Radikalisierungsprozessen und Diskursverschiebungen. Nach Studium und Promotion an der Technischen Universität Dresden ist er an die Universität Tübingen gegangen. Dort hat er europäische Initiativen untersucht, die zur Prävention von Verschwörungstheorien und Desinformation arbeiten. Das aktuelle Forschungsprojekt „Rechte Immersion und engagierte Öffentlichkeiten“ fragt danach, wie Rechtsextremismus auf subtile Weise an alltägliche Lebenspraktiken anknüpft und warum er für Menschen attraktiv ist.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Während des Feedbackgesprächs zu meiner Diplomarbeit hat mich mein damaliger Betreuer auf eine Stelle hingewiesen, die er gerade ausgeschrieben hatte. Zwar hatte ich immer mal in Erwägung gezogen, irgendwann zu promovieren, wollte aber nach dem Studium eigentlich erst noch einmal länger nach Serbien gehen, um dort die Sprache zu lernen und mir ein Promotionsthema im Bereich der Erinnerungspolitik zu überlegen. Dann habe ich die auf zwei Jahre befristete Qualifizierungsstelle am Institut bekommen, bin thematisch näher an meiner Diplomarbeit geblieben und habe die Zeit vor allem genutzt, um mich auf ein Promotionsstipendium zu bewerben. Das hat geklappt, und seitdem bin ich dabei.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Ich bin in einer sächsischen Mittelstadt aufgewachsen, und dort haben mich Rechtsextremismus und vor allem seine Verharmlosung durch die Lokal- und Landespolitik schon sehr früh geprägt. Nach dem Abi habe ich meinen Zivildienst als FSJ bei einem zivilgesellschaftlichen Verein absolviert, der politische Bildungsarbeit an Schulen anbietet zu Themen wie Rassismus, Diskriminierung, rechte Codes & Styles, Antisemitismus oder Verschwörungstheorien. Aus dieser Arbeit sind über die Jahre gute Netzwerke entstanden, die mich motiviert haben, mein Wissen zu den Themenfeldern zu vertiefen und dieses Wissen weiterzugeben. Mein aktuelles Feld ist da insofern dankbar, als man viele Möglichkeiten hat, die eigene Expertise außerhalb der Universität einzubringen. Mittlerweile würde ich mich auch gern mal wieder mit völlig anderen Themenfeldern beschäftigen; gleichzeitig sehe ich aber auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Ich erforsche Rechtsextremismus und alles, was damit zusammenhängt. In meiner Dissertation habe ich mir Krisennarrative angeschaut. Das sind Muster, die unabhängig vom konkreten Thema immer wieder in Erzählungen und Texten auftauchen. Mein Eindruck war, dass rechte Texte unglaublich redundant sind; und ich habe versucht, das irgendwie sinnvoll konzeptuell zu fassen. Seitdem erschließe ich mir das rechte Denken in erster Linie über diese Narrative. Das funktioniert bisher ganz gut, macht das Thema aber auch etwas langweilig.

Im aktuellen Forschungsprojekt „Rechte Immersion und engagierte Öffentlichkeiten“ geht es nun darum, wie Menschen in ihrem Lebensalltag eigentlich zu rechtsextremer Ideologie kommen: Was bietet sie ihnen? Wieso ist sie attraktiv? Wie knüpft sie an lebens- und alltagspraktische Probleme an? Wir bezeichnen das als „Immersion“ und meinen damit ein allmähliches Eintauchen in die Welt des Rechtsextremismus. Eine spannende Frage ist dabei, ab wann der eigentlich beginnt. Wie überzeugt muss man tatsächlich sein? Geht es um Ideologie und Glauben? Um Verhalten und Praktiken? Um Codes oder andere identitätsstiftende Aspekte? Um die Zugehörigkeit zu bestimmten Subkulturen und Szenen? Um Initiation und Rituale? Um Macht und Selbstwirksamkeit? Ich habe darauf keine einfache Antwort: Politische Einstellungen und Identitäten sind sehr unterschiedlich und können ganz unterschiedliche Funktionen für Personen haben, auch wenn wir im Alltag oft versuchen, sie auf einen einfachen und eindeutigen Begriff zu bringen. Oft haben Menschen aber mehrere Glaubens- und Deutungssysteme, die sie in verschiedenen Lebenssituationen nutzen, und nicht immer glauben Menschen auch zu 100 Prozent genau das, was sie sagen. Diese Ambivalenz von Denksystemen, Verhaltensweisen und Rhetoriken finde ich spannend.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Mein Eindruck ist, dass Teile der Öffentlichkeit und vor allem die Politik noch immer sehr ratlos sind, wie man souverän auf rechtsextreme Diskurse reagieren kann und mit der extremen Rechten umgehen sollte. Immer wieder werden dabei die gleichen Fehler gemacht. Dabei ist das alles überhaupt nicht neu, weder die Themen noch die Strategien noch die Dynamiken der gesellschaftlichen Diskursverschiebung und Relativierung. Man muss sich nur die Geschichte der extremen Rechten sorgfältig anschauen, auch mal in andere Länder gucken und dann erschließen sich viele Gemeinsamkeiten. Jetzt gibt es sicher keine Patentrezepte, aber wir wissen eigentlich schon sehr genau, welche Umgangsweisen kontraproduktiv sind und nicht funktionieren werden. Trotzdem dreht sich die gesellschaftliche Debatte seit Jahrzehnten immer wieder im Kreis und diese Erkenntnisse dringen nicht wirklich durch.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich habe seit dem Studium für viele Träger der politischen Bildung Workshops und Seminare durchgeführt und mache das auch jetzt immer noch gern, genauso wie Vorträge außerhalb des Unikosmos. In der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, bin ich noch in einem Verein engagiert, mit dem wir u.a. Veranstaltungen wie Vorträge und Lesungen organisieren. Und ab und an schreibe ich auch mal journalistische Texte. Aufgrund der viel kürzeren Deadlines fühle ich mich dabei zwar meistens sehr unter Druck gesetzt, aber am Ende macht mir das Schreiben viel mehr Spaß als bei wissenschaftlichen Genres – vor allem auch, weil man deutlich schneller ein Ergebnis in der Hand hat.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich reise gern und oft, habe ein besonderes Faible für sozialistische und brutalistische Architektur und jugoslawische Spomeniks (es gibt da diese tolle Datenbank: https://www.spomenikdatabase.org/), und mache Sport, den man gut allein und draußen unternehmen kann (sowas wie Radfahren, Schwimmen, Laufen). Mittlerweile würde ich auch gern mal wieder neuere Computerspiele zocken, aber dafür braucht es erst mal neue Hardware. Bis dahin bleibt es alle paar Wochen bei einer Runde Dota 2 oder Civilization mit Freunden.

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Nicht zu früh aufstehen, dann mit dem Rad in Richtung einer Stadt fahren, die ich nicht kenne, zwischendurch in ein Gewässer springen und am Abend irgendwo gut & günstig essen gehen.



Bitte begrüßt Felix ganz herzlich bei Real Scientists DE!

 

Sunday, September 7, 2025

Das Zusammenspiel von Körper und Gehirn - Daniel Kluger ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Daniel Kluger. Daniel (danlikesbrains.bsky.social) forscht zur sogenannten Atem-Hirn-Kopplung. Als Leiter der Arbeitsgruppe „Brain, Body, and Behaviour“ am Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Universität Münster verbindet der Psychologe damit Grundlagenforschung mit klinischer Relevanz: Er zeigt beispielsweise, wie bei Angststörungen oder Epilepsie die Kopplung von Atmung und Gehirn eine Schlüsselrolle spielt. Im Körper gibt es viele rhythmische Prozesse wie die Atmung oder den Herzschlag. Sie erfüllen nicht nur überlebenswichtige Funktionen, sondern beeinflussen auch die neuronale Verarbeitung im Gehirn und steuern so das menschliche Verhalten. Im vergangenen Jahr erhielt er für seinen innovativen Forschungsansatz einen „ERC Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrats.


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 

Ich wollte eigentlich Psychotherapeut werden und habe deshalb angefangen, Psychologie zu studieren. Die 'Neuro-Fächer' hielt ich für Nebenschauplätze - bis ich in der ersten Vorlesung Biologische Psychologie saß und von der Entwicklung des Gehirns im Mutterleib hörte und restlos begeistert war. Ab diesem Moment war klar: Ich mache Hirnforschung.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden und/oder was hält dich da?

Als aktuelles Feld würde ich die Hirnforschung im Kontext von 'body and brain' verstehen, also dem Zusammenspiel von Hirnaktivität und anderen physiologischen Vorgängen/Rhythmen im Rest des Körpers. Angefangen darin zu arbeiten habe ich, weil es so viele unbeachtete und offene Fragen gab - geblieben bin ich, weil auch nach vielen Jahren die Fragen nicht weniger und vor allem nicht weniger spannend geworden sind. 


Erzähl uns etwas über deine Arbeit!

In meiner Gruppe versuchen wir zu verstehen, wie das Gehirn andere körperliche Vorgänge wie Atmung, Herzschlag und Rhythmen des Magens nicht nur überwacht, sondern vielleicht sogar gezielt einsetzt, um in bestimmten Situationen Körper und Gehirn als Einheit in einen möglichst idealen Zustand zu bringen. Das schauen wir uns nicht nur in typischen Kontrollproband*innen an, sondern forschen auch an diesen brain-body-Beiträgen zu verschiedenen Krankheitsbildern und Störungen sowie generellem Wohlbefinden, z.B. im Bereich 'female health'. Dazu nutzen wir elektrophysiologische Methoden wie das recht bekannte EEG, aber auch das sehr seltene MEG, also die sogenannte 'Magnetenzephalographie', mit der wir winzige Magnetfelder im Gehirn auf die Milisekunde genau messen können. 



Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für eure Forschung/Arbeit interessieren?

Ich glaube, dass es ein großes öffentliches Interesse daran gibt, 'das Gehirn zu verstehen' - was auch immer das im Einzelnen genau heißt. Wenn es uns nicht nur als Gruppe, sondern als Forschungsfeld gelänge, das extrem komplexe Zusammenspiel von Gehirn und Körper besser zu verstehen, birgt das viele Möglichkeiten, dieses Wissen nutzbar zu machen. Wir könnten die Entstehung und Aufrechterhaltung verschiedener Störungen erklären und dann gezielt daran arbeiten, diese Erkenntnisse in die Entwicklung verbesserter Therapiemöglichkeiten zu integrieren. Ganz verrückt wird es mit gerade erst aufkommender Technik 'mobiler MEGs', die sog. OPM-Technik - hier können die einzelnen Sensoren komplett frei positioniert werden, also zB auch auf dem Bauch einer werdenden Mutter. Einige Arbeitsgruppen forschen daher gerade daran, Hirnaktivität des Fötus im Bauch der Mutter messbar zu machen. Hier sind wir daran interessiert, wie neuronale und physiologische Vorgänge im Fötus von denen der Mutter beeinflusst oder sogar gesteuert werden. Wer das nicht interessant findet, wird sich von mir nicht überzeugen lassen ;)


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Beruflich ehrlicherweise nicht, glaube ich. Ich organisiere mit Anderen gemeinsam hin und wieder kleinere Konferenzen (WAVES 2024 in Salerno zB oder CuttingGardens 2024 in Münster) und verwalte ansonsten die deutschlandweite Mailing List für alle, die mit MEG arbeiten. 



Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich mache schon viel und lange Musik und bin so oft ich kann draußen unterwegs - Bergsteigen, Wandern, Kayak fahren. Alles was ich brauche in einen Rucksack packen und aus allem raus sein. In den Rucksack gehört dann auch meine Kamera, mit der ich seit über 20 Jahren unterwegs bin. 


Wie sieht für dich ein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Irgendwo im noch schlafenden Wald mit Blick auf den See, der Espressokocher blubbert leise auf kleiner Flamme, und es gibt nichts, das ich heute tun muss. Gerne mit ausgesuchter Begleitung; Berge sind auch gut. 


Bitte begrüßt Daniel ganz herzlich auf dem Kanal!