Sunday, January 26, 2020

Von Proteinen, die Bienen dienen - Anja Buttstedt ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir freuen uns ganz außerordentlich, euch diese Woche Dr. Anja Buttstedt (@bienenanja) vorzustellen. Anja studierte Biologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 2011 promovierte sie im Institut für Biochemie und Biotechnologie über die Fibrillenbildung von Proteinen. Von 2012 bis 2013 ging sie für ihren ersten Postdoc an die Universität für Landwirtschaft und Veterinärmedizin nach Cluj-Napoca, Rumänien. Dort fand sie zu den Honigbienen. Wieder zurück in Halle an der Martin-Luther-Universität, diesmal im Institut für Zoologie, war sie von 2013 - 2017 Mitarbeiterin im DFG-Projekt “Die Rolle der major royal jelly Proteine für die Kastendeterminierung der Honigbiene Apis mellifera”. Seit November 2017 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dresden (@tudresden_de) am Center for Molecular Bioengineering (B CUBE) (@BCUBE_TUDresden). Dort beschäftigt sie sich mit der Evolution und den vielseitigen Funktionen der major royal jelly Proteine, die nicht nur in Honigbienen, sondern auch in anderen Hautflüglern (andere Bienen, Wespen, Ameisen, Pflanzenwespen,… ) vorkommen.



Abgesehen davon  haben wir Anja natürlich unsere üblichen Fragen gestellt. Und das haben wir dabei gelernt:


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Meine Interessen sind ärgerlich vielfältig und so hatte ich am Ende meiner Schulzeit die verschiedensten Ideen, was ich denn beruflich so machen könnte. Ich wollte einen Beruf ergreifen, der möglichst vielfältig ist, und so stand die Wissenschaft und hier die Biologie recht weit oben auf meiner Berufswunschliste. Letztendlich dafür entschieden Biologie zu studieren, habe ich mich aufgrund meines Chemielehrers. Dieser meinte nämlich, dass ich viel zu schlecht in Chemie wäre und die Sache mit dem Biologiestudium sollte ich doch lieber lassen. Da dachte ich mir “Jetzt erst recht!” und habe angefangen Biologie zu studieren. Als unser Professor in anorganische Chemie dann als erstes sagte “Wer von ihnen hatte denn Chemie-Leistungskurs in der Schule? Aha! Vergessen sie gleich mal, was sie da gelernt haben, das meiste davon ist sowieso falsch.” musste ich sehr grinsen und habe dann meine Chemie-Vordiplomsprüfung mit Bestnote abgelegt.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin in meinem ersten Postdoc eher zufällig zu meinem aktuellen Feld gekommen. Ich war auf der Suche nach einer Stelle und dann ergab sich zwischen mir und einem Professor für Bienengenetik folgendes (stark vereinfachtes) Gespräch. Professor: “Und, was hast du in deiner Doktorarbeit gemacht?” Ich: “Ich habe hauptsächlich Proteine gereinigt, gefaltet und hinsichtlich ihrer Funktion untersucht.” Professor: “Aha. Bienen haben ja auch Proteine.” Ich (grinsend): “Ja, davon gehe ich aus.” Professor: “Und sogar sehr interessante. Also es gibt Proteine im Futter von Honigbienen, die in dieser Form nur bei den Honigbienen so vorkommen und niemand weiß was die machen.” Ich: “Warum reinigt ihr die dann nicht einfach auf und guckt mal nach?” Professor: “Ach das kannst du?” Und genau so bin ich bei den major royal jelly Proteinen gelandet und beschäftige mich, weil es ein in vieler Hinsicht unglaublich interessantes Thema ist, immer noch damit. Vor allem fasziniert mich die Vielseitigkeit: Ich bin im Labor, beschäftige mich dort mit sehr diversen Methoden; gehe auf Sammlungsexpeditionen und kläre auch auf über Honig- und Wildbienen.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Wie bereits erwähnt, gibt es die Proteine der major royal jelly Familie nur in Hautflüglern (Bienen, Wespen, Ameisen, Pflanzenwespen), aber weder in anderen Insekten (Fliegen, Käfer, Schmetterlinge, usw…), geschweige denn außerhalb der Insekten. Während die meisten Hautflügler nur eine Kopie eines major royal jelly Gens besitzen, hat sich dieses Gen in einigen Arten, z. B. in der sozialen Honigbiene Apis mellifera (9 Kopien) und der parasitischen Juwelwespe Nasonia vitripennis (10 Kopien), multipliziert. Es ist bisher völlig unklar, warum diese Genvervielfältigung in einigen Arten passiert, in anderen Arten aber nicht. Auch konnte bisher kein Zusammenhang zwischen vielen major royal jelly Genen und einer bestimmten Verhaltens- oder Lebensweise der betreffenden Arten hergestellt werden. Ich versuche nun herauszufinden, in welchen Arten überhaupt Vervielfältigungen gefunden werden, wie konserviert die Gene sind und welche Funktionen die Proteine haben. Für die Funktionsaufklärung konzentriert sich meine Forschung bisher auf die Honigbiene. Hier konnten wir unter anderem zeigen, dass eines der major royal jelly Proteine für die Aufzucht neuer Königinnen notwendig ist. Und zwar kleben Honigbienen die Königinnenlarven mit diesem Protein einfach in ihren nach unten geöffneten Königinnenzellen fest. Mehr dazu erfahrt ihr hier: 

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Na weil es einfach mal super spannend ist! ☺ Zudem ist das Thema Bienensterben mittlerweile in aller Munde. Also habe ich es mir unter anderem mit zur Aufgabe gemacht, die Öffentlichkeit zum Bienensterben zu informieren und auch viele Fehlinformationen aus der Welt zu schaffen. So geht es beim Bienensterben eben eigentlich gerade nicht um die Honigbiene, sondern hauptsächlich um die mehr als 500 anderen Bienenarten, die in Deutschland heimisch sind. Mehr dazu erfahrt ihr dann auf Twitter. (Dazu kommt noch, dass es sich um ein allgemeines Insektensterben handelt. Da wir Menschen aber diese interessante Eigenschaft haben Lebewesen in nützlich und schön sowie unnütz und hässlich einzuteilen, eignen sich die Honigbienen halt besonders gut, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Würde man über Mücken reden, dann wären die meisten Menschen doch eher desinteressiert bzw. würden sich über weniger Mücken wahrscheinlich sogar freuen.)

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Siehe vorherige Frage. Es liegt mir auch sehr am Herzen den Mythos der freundlichen und guten Honigbiene etwas geradezurücken. So habe ich im Oktober letzten Jahres mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Solvejg Nitzke (@NitzkeSolvejg) [Anm. d. Red.: Solveig hat letztes Jahr im Juni den Real Scientists DE Account geleitet!] eine Abendveranstaltung im Deutschen-Hygienemuseum Dresden (@DHMDresden) zum Thema “Die dunkle Seite des Bienenstaats” organisiert.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Einen idealen freien Tag gibt es bei mir nicht. Das kommt auf die Gesamtsituation an und variiert zwischen “Ich möchte einfach nur hier liegen und lesen.” und “Lass uns mal schnell auf den Berg da wandern, da können wir schön runtergucken.”.

Bitte heißt Anja ganz herzlich bei Real Scientists DE willkommen!


Sunday, January 19, 2020

Wolken sind toll! Wiebke Frey ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir freuen uns heute sehr, euch Wiebke Frey (@wiebiwetter) vorzustellen, die ihr auf Twitter auch unter ihrem Projekt-Account @STEP_msca finden könnt. Wiebke ist Meteorologin und Wissenschaftlerin am Leibniz Institut für Troposphärenforschung (TROPOS).
Das Klima ist zur Zeit wahrscheinlich die wichtigste und brisanteste Reibungsstelle zwischen Forschung und Gesellschaft und wir freuen uns sehr über die Gelegenheit, von Wiebkes Arbeit und Leben als Meterologin und Forscherin zu hören. Natürlich haben wir sie auch gleich mit unseren üblichen Fragen überhäuft:


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Puh, das ist 'einfach so passiert'! Am Ende der Schulzeit wollte ich "was mit Physik" machen, aber keine reine Physik. Da kam der Tipp von meinem Schwager, doch Meteorologie zu studieren. Nach dem Diplom wollte ich gerne noch einen Doktor machen, dann gerne als PostDoc ins Ausland. Und schon war's passiert! 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Wolken sind toll, und/oder Wolken sind toll! (Abgesehen davon sind Wolken auch spannende und interessante Gebilde und genaugenommen wissen wir viel weniger über Wolken als man im Allgemeinen manchmal so denkt...)

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
In meinem Projekt erforsche ich Mischprozesse, die am Rand der Wolken passieren, also das Mischen von wolkiger mit wolkenfreier Luft. Warum? Weil der Prozess bisher schlecht verstanden ist und eine der großen Unsicherheitsquellen in z.B. Klimamodellen ist. Für meine Forschung benutze ich eine Mischung aus Messungen im Labor (wir haben einen turbulenten Windkanal) und numerische Modelle (numerische Strömungsdynamik und Wettervorhersagemodel). Und vergleiche meine Ergebnisse mit Messdaten einer Feldkampagne (also Messungen aus der 'richtigen' Atmosphäre).

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wir leben (und atmen) alle in der Atmosphäre, und ein wenig Verständnis für die Welt um uns herum und in der wir leben hat noch nie geschadet, oder? Oft wollen die Leute wissen, ob es wolkig ist/wird - ok, vielleicht mehr ob es regnet... Und bevor es regnet, brauchen wir erstmal eine (Regen-) Wolke. Und wenn es wieder heißt: "Es war aber Regen vorhergesagt!" (und im Ort 10km weiter hat es auch geregnet...) vermute ich, es würden sich viele Meteorologen freuen, wenn die Allgemeinheit versteht, dass Regen mit am Schwersten vorherzusagen ist!
Außerdem: Die Öffentlichkeit bezahlt meine Arbeit!

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich bin Associate Editor eines Fachjournals. Die "Wissenschaftler-Währung" sind ja quasi publizierte Artikel. Nicht nur der ganze Begutachtungsprozess läuft dabei über Freiwillige ab, auch die Editoren sind es freiwillig. Als Editor bekommt man einen guten Einblick in die Forschung anderer Wissenschaftler, merkt auch, wie schwer es für "die andere Seite" ist, wenn man einen Artikel einreicht und welche Prozesse so Journal-seitig alle ablaufen. Wichtig und gut finde ich, dass der Journal, für den ich arbeite, open access ist, d.h. jeder, der möchte, kann alle Artikel dort frei lesen, ohne dafür zu bezahlen!

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich spiele Floorball, nähe mir tolle Sachen (wenn Zeit dafür ist...), wir haben einen Schrebergarten (wohnen ja schließlich in Leipzig!), viel Zeit bleibt gerade nicht, mein größtes "Hobby" ist wohl mein Sohn

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ausschlafen! (ok, realistisch in 10 Jahren wieder vielleicht, da ist ein Kleinkind im Haus...) Lecker Frühstück (ohne Frühstück will mich keiner länger als nötig ertragen...) mit Kaffee. Vielleicht ein wenig im Garten wursteln und dann in der Sonne liegen (und Beeren von den Sträuchern naschen). Kind bespaßen  Was Leckeres essen und zum Ausklang einen Spieleabend mit Freunden!

Bitte begrüßt Wiebke ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, January 12, 2020

Verhalten, Versuchung, Verlangen - Nils Kroemer ist jetzt bei Real Scientists DE!

Es ist uns eine große Freude, euch unseren neuen Kurator Nils Kroemer (@cornu_copiae) vorzustellen. Nils ist Nachwuchsgruppenleiter an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der
Eberhard Karls Universität im schönen Tübingen. Zuvor studierte Nils Psychologie an der TU Chemnitz und promovierte in der Fachrichtung Psychologie der TU Dresden. Er wurde u.a. 2014 mit dem Werner-Straub-Preis für seine herausragende Promotion von der TU Dresden ausgezeichnet und erhielt 2017 eine Förderung zum Aufbau einer IZKF Nachwuchsgruppe von der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen. 2018 erhielt er einen Publons Peer Review Reward für sein außergewöhnliches Engagement als Gutachter wissenschaftlicher Arbeiten. Seit 2019 ist er Editor bei Appetite und Scientific Reports.

Wir haben es uns natürlich nicht nehmen lassen, Nils unsere üblichen Fragen zu stellen:
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe mich schon immer für die Lösung von komplizierten Problemen aller Art interessiert. Die Wissenschaft schien da nur konsequent, denn an offenen Fragen großer Relevanz mangelt es nicht. Außerdem wollte ich gern einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leisten und das sah ich am ehesten in der Wissenschaft gegeben.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Inhaltlich war ich nie stark festgelegt, denn ich kann mich für viele Themen begeistern, besonders wenn sie relevante Fragen für unser Leben aufwerfen. An Psychologie hat mich die Arbeit mit Daten schon immer am meisten gereizt und so bin ich für die Promotion in die neurowissenschaftliche Richtung gegangen, da ich mir tiefere Einblicke in die Steuerung von Verhalten versprochen habe. Im Rahmen der Promotion habe ich mich anschließend mit dem Thema Verlangen, gerade in Verbindung mit Abhängigkeitserkrankungen, beschäftigt. Weshalb es uns bis heute nicht gelingt, das Verlangen für bestimmte Dinge wie kalorienreiches Essen so gezielt zu beeinflussen, dass es Menschen wieder willentlich kontrollieren können, treibt mich noch genauso um wie am ersten Tag.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Ich sehe die zentrale Aufgabe unserer Arbeit darin, dass wir es ermöglichen müssen, zielgerichtetes Verhalten wiederherzustellen, wenn bspw. der Umgang mit bestimmten "Versuchungen" zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen führt. Dafür setzen wir eine ganze Palette von Methoden und Datenebenen ein. Einerseits versuchen wir, Verhalten mechanistisch zu verstehen und nutzen dafür statistische und computationale Modelle. Andererseits versuchen wir, die biologische Grundlage der Mechanismen von Verhaltenssteuerung besser zu verstehen und nutzen dafür Bildgebung wie funktionelle Magnetresonanz-Tomographie oder Positronen-Emissions-Tomographie, Hirnstimulation oder pharmakologische Interventionen. Die größte Herausforderung liegt in der sinnvollen Kombination dieser verschiendenen Ebenen und Methoden, um aus der Dynamik von Verhalten tatsächlich auf grundlegende Prozesse schließen zu können.

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Wir haben das Privileg, dass sich jeder unter unseren Forschungsthemen "Motivation, Handlungen und Verlangen" etwas vorstellen kann. Außerdem kennt jeder andere Personen, die von bestimmten Störungen in ihrer Motivation oder Handlungssteuerung betroffen sind. Motivationale Symptome kennzeichnen viele psychische Erkrankungen und sind oft besonders schwer nachhaltig und effektiv zu behandeln obwohl sie häufig einen hohen Leidensdruck erzeugen. Unsere Arbeit in der translationalen Psychiatrie soll eine Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendbarkeit darstellen und somit dabei helfen den Erkenntnisfortschritt der kognitiven Neurowissenschaften in die Praxis zu übersetzen. Manchmal können falsche Annahmen aber auch einen Balast für Verhaltensänderungen darstellen. Deswegen müssen wir aktiv kommunizieren, was wissenschaftlich gesichert ist und was nicht.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich habe mehrere Jahre die Raucherambulanz der TU Dresden geleitet und selbst Rauchfrei-Seminare gehalten. Inzwischen nimmt mich das Leiten meiner Nachwuchsgruppe und mein kleiner Sohn vollständig ein.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Auch außerhalb der Arbeit kann ich mich für Belohnungen wie gutes Essen (zu kochen) und sportliche Aktivitäten begeistern. Aktuell bleibt auf der Zielgerade zur Habil allerdings nicht so viel Zeit übrig.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?

Gute Frage, das verändert sich häufig. Manchmal habe ich gern einfach nichts zu tun und genieße den Luxus tatsächlich freie Zeit zu haben. Manchmal packt es mich und ich will raus und mir etwas Anschauen. Aktuell versuche ich meine freie Zeit möglichst viel mit meinem kleinen Sohn zu verbringen. Er sorgt auch dafür, dass es nicht langweilig wird.

Bitte begrüßt Nils ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, January 5, 2020

Schlaf, Gedächtnis und Registered Reports — Juli Tkotz ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir freuen uns ganz außerordentlich, Juli Tkotz (@einGlasRotwein) als neue Kuratorin begrüßen zu dürfen. Juli ist Doktorandin im Bereich Psychologie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, im Department Klinische Psycholgie in der Arbeitsgruppe Psychologie und Neurobiologie von Schlaf und Gedächtnis. Neben ihrem deutschsprachigen Twitter-Account tweetet sie auch auf Englisch über Statistik, das Statistik-Programm R und noch andere Dinge unter @juli_tkotz.

Natürlich haben wir Juli gleich mit unseren üblichen Fragen überhäuft, mit dem folgenden Ergebnis:

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich wollte eigentlich irgendwas mit Design oder Kunst machen. In der Schule hatte ich aber das Glück, dass Psychologie als Unterrichtsfach angeboten wurde (sogar als Abiturfach!) - da habe ich Blut für Naturwissenschaften geleckt und wollte Psychologie auf Lehramt studieren. Quasi bei der Vergabe des Abiturzeugnisses riet mir meine Direktorin (und Psychologielehrerin) aber zu einem Vollstudium. Begründung: Wenn ich danach ins Lehramt will, kann ich mir die Kurse anrechnen lassen. Umgekehrt aber nicht. Das hat mich überzeugt und es war die richtige Entscheidung - danke, Frau Peters! Bereits im ersten Semester hat mich die Physiologie- und Neurovorlesung so begeistert (danke, Tobi!), dass ich mir eine Hilfskraftstelle im Labor gesucht habe und Forschungspraktika gemacht habe. Von da an stand der Weg in die Forschung fest.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Mein Feld hat verschiedene Aspekte: Die Psychologie gefällt mir, weil sie verschiedene Naturwissenschaften vereint: Biologie, Mathe, manchmal auch etwas Chemie und Physik. Die neurowissenschaftliche Sparte hat mir mit ihrem biologischen Schwerpunkt immer besonders gefallen - und wer findet das Gehirn denn nicht spannend?!
Meine Doktorandenstelle dreht sich nun um Schlaf und Gedächtnis. Besonders Schlaf finde ich - wie die meisten Menschen - extrem interessant, aber ganz unter uns: Nach diesem spezifischen Thema hatte ich in der Bewerbungsphase gar nicht gesucht. Was ich wollte war eine Stelle mit netten Leuten und Neuro-Schwerpunkt, wo ich meine Programmierfähigkeiten einsetzen kann, wo ich mit komplexen Datenstrukturen arbeiten kann und wo Wissenschaftskommunikation unterstützt wird. Das habe ich in meiner jetzigen Arbeitsgruppe gefunden - also bin ich jetzt Schlafforscherin.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich bin erst seit September 2019 Doktorandin. In einer beinahe ebenso frischen Arbeitsgruppe. Das bedeutet, dass ich mich gerade am Ende der Planungsphase meines ersten Experiments befinde, in dem es um den Einfluss von Schlaf aufs Gedächtnis geht. Wir wollen das Projekt als sogenannten Registered Report durchführen, bei dem man das wissenschaftliche Pferd ein wenig von hinten aufzäumt: Ich schreibe ERST das Paper mit Einleitung und genauem Experimentalplan. Dann reiche ich es bei einem Journal ein - und wenn das mit meinem Plan zufrieden ist, darf ich Daten erheben und erhalte das Versprechen, dass meine Ergebnisse später veröffentlicht werden. Auch dann, wenn "nichts rauskommt". Das ist super, weil es gegen den "Publication Bias" hilft, also das Problem, dass die Literatur dadurch verzerrt ist, dass "positive" Ergebnisse bevorzugt veröffentlicht werden. Der persönliche "Nachteil" für mich ist, dass ich als frische Doktorandin schon mein Manuskript schreiben muss, was andere mit deutlich mehr Erfahrung gegen Ende ihrer Promotion tun.
Mehr dazu in meinen Tweets, aber die Quintessenz ist: Gerade plane ich mein Experiment und die Datenanalyse, wühle mich durch die Literatur und schreibe mein Manuskript - das demnächst auch eingereicht werden soll.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Meiner Erfahrung nach interessieren sich Leute sowieso für Schlaf und Gedächtnis - beides betrifft schließlich jeden. Um das Thema Schlaf ranken sich auch viele Mythen wie z.B. bestimmte Schlafrhythmen, die besonders effizient sein sollen. Manche "Ratschläge" sind nicht nur wirkungslos, sondern sogar schädlich - allein deswegen finde ich es wichtig, da in den Dialog zu treten.
Zuletzt hoffe ich, dass auch das Handwerk rund um "Open Science" (z.B. die erwähnten Registered Reports) interessant ist, denn aktuell findet ein Umbruch in der Forschung statt, der im Idealfall auch dazu führt, dass Nicht-Wissenschaftler mehr mit Wissenschaft in Berührung kommen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Als "ein Glas Rotwein" habe ich schon während des Studiums begonnen, über Wissenschaft zu schreiben (auf meinem Blog einglasrotwein.de, Facebook und Instagram) und Science Slams zu halten. Durch die neue Stelle ist es dort ein wenig stiller geworden, aber die Sache mit der Wissenschaftskommunikation läuft eigentlich immer mit. Aktuell zum Beispiel in Form der Real-Scientist-Kuration :-)

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Von allem ein bisschen. Ich bin manchmal als Singersongwriter unterwegs, zeichne gerne, gehe laufen und ins Fitnessstudio und reite Western. Programmieren mit der Sprache R ist ein Hobby, das sich aus der Wissenschaft in den Alltag geschlichen hat.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ich bin eher eine Lärche und stehe gerne früh auf. Dann muss Kaffee her! Und Bewegung: Wandern, Klettern, Sport - irgendwas in die Richtung. Eine nerdy Unternehmung wie ein Museumsbesuch oder Science Slam sind super, aber ich bin auch mit Serien gucken oder einem Controller in der Hand zufrieden. Wichtig auch: Was Leckeres Kochen oder backen!

Bitte begrüßt Juli ganz herzlich bei Real Scientists DE!