Bitte begrüßt unsere neue Kuratorin Christina Wurst! Christina (@christinawurst.bsky.social) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Tübingenam Lehrstuhl für Berufliche und Betriebliche Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Lehrkräfte-Fortbildungs-Forschung.Außerdem ist sie Lehrerin für Englisch und Biologie. In ihrer kulturwissenschaftlichen Dissertation hat sie sich mit Fan-Konflikten auf sozialen Medien befasst und wie diese radikale Ideologien verbreiten können.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Mir hat mein Lehramts-Studium (damals ja noch Staatsexamen) Biologie/Englisch so viel Spaß gemacht, dass ich noch einen M.A. in Amerikanistik dran gehängt habe. Dann fand ich es sehr schade, dass der Weg dort zu Ende sein sollte und habe mich entschlossen zu promovieren, um weiter zu spannenden Themen dazulernen zu dürfen.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden und/oder was hält dich da?
Bei mir muss man etwas unterscheiden zwischen meiner Promotionsforschung und meiner beruflichen Forschung, das sind nämlich (etwas ungewöhnlicherweise) 2 Paar Schuhe: Ich war nicht auf einer Promotionsstelle sondern einer (thematisch unabhängigen) Projekt-Stelle während meiner Promotion angestellt.
Für meine Promotion in der amerikanischen Kulturwissenschaft habe ich mich mit Fankulturen beschäftigt – dafür hat mich natürlich zu großen Teilen meine eigene Vergangenheit in Fankulturen inspiriert. In diesem Feld bin ich jetzt aber nicht mehr tätig.
Für das Feld meiner berufliche Forschung habe ich mich gar nicht aktiv entschieden, es war mehr eine Fügung glücklicher Zufälle: Meine erste Projektstelle war ausgeschrieben und dringend zu besetzen, als ich gerade auf Jobsuche war, und es hat thematisch einfach gut gepasst, als Lehrerin in die Lehrkräfte-Forschung zu gehen.
Was mich hier hält ist zum einen das sehr abwechslungsreiche Tätigkeitsfeld, zum anderen aber auch der Wunsch, aktiv einen (kleinen) Beitrag zur Verbesserung der Bildungslandschaft leisten zu können.
Erzähl uns etwas über deine Arbeit!
Fangen wir mal zunächst mit meiner Promotions-Forschung an:
Hierfür habe ich mich 6 Jahre lang durch Social Media-Posts (Twitter/X, YouTube, Tumblr) gekämpft und eine „Diskurs-Analyse ideologischer Konflikte im Anti-Fan Aktivismus anhand einer Star Wars-Fallstudie“ durchgeführt. Klingt kompliziert — hat sich aber letztendlich um so Fragen gedreht wie: Wer redet auf Social Media darüber, dass Star Wars sich ändern muss, weil es einem nicht gefällt? Wie reden die Menschen darüber und wie versuchen sie dadurch auch politisch Einfluss auf andere zu nehmen? Welche politischen Kontexte verschärfen solche Diskurse oder werden durch diese verschärft?
In a nutshell kann man unter anderem festhalten: In den letzten Jahren wurde es zunehmend normalisiert, sich auch als professionelle politische Figur anti-fan aktivistisch zu äußern, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Außerdem pflegen viele populäre Anti-Fans einen rechts-populistischen Stil, der versucht, ein reaktionäres Weltbild zu normalisieren.
Zu meiner Berufsforschung:
Begonnen habe ich mit der Entwicklung, Implementierung und Evaluation einer Fortbildung zum lernwirksamen Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Eine Haupt-Frage war: Wie könnte eine effektive Fortbildung aussehen, in der sich die Teilnehmenden weder nur seicht berieseln lassen, noch genervt von „zu theoretischen“ Inhalten sind?
Aktuell beschäftigt uns die Frage, welche Rolle dabei Video-Vignetten spielen können. Bald kommt auch noch das Aufgabenfeld dazu, wie die effektive Implementation von KI im Bildungssystem gelingen kann.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für eure Forschung/Arbeit interessieren?
Also für Fankulturen und auch spezifisch Anti-Fan Aktivismus sollte man sich interessieren, weil sie mittlerweile einen großen Einfluss auf die Mainstream-Kultur haben – man schaue sich nur mal an, wie Donald Trump sich letztens mit Lichtschwert auf X als „savior of the galaxy“ inszenierte.Aktuelle politische Diskurse, insbesondere in den USA – aber natürlich schwappen deren „Kulturkrieg“-Debatten auch zu uns rüber –, sind mittlerweile so stark mit intertextuellen Bezügen auf Pop- und Fankultur verflochten, dass vieles keinen Sinn macht, wenn man sich nicht auch mit den Subkulturen befasst, in denen viele Argumente wie „Wokeness zerstört Hollywood“ ihren Anfang nahmen.
Für Forschung dazu, wie man Lehrkräfte zielführend zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht befähigen kann, braucht es glaube ich gar keine große Begründung: Nur gut weitergebildete Lehrkräfte, die guten Unterricht (mit Hilfe aller ihnen zur Verfügung stehenden, auch digitalen, Mitteln) machen, können Kinder auf die (zu großem Teil von digitalen Themen geprägte) Zukunft vorbereiten.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich habe immer wieder interessante zusätzliche Tätigkeiten – zum einen oft als Workshop-Referentin, wo ich mit Erwachsenen und Kindern ebenso zu digitalen Tools wie Twine bis zu wichtigen Themen der „digitalen Welt“ wie Fake News arbeite. Zwischendurch habe ich auch eLearning-Materialien entwickelt, die man u.a. von den digitalen Lernwelten über die Eduspaces erwerben kann und interviewe für die DiLeWe auch interessante Gäste aus dem Bereich der Biologie-Didaktik.
Nebenbei bin ich auch an der Goethe-Universität Frankfurt seit Jahren Lehrbeauftragte und arbeite mit Studierenden daran, wie man Fankulturen ins Klassenzimmer bringen kann.
Aktuell nimmt den größten Teil meiner Zeit neben der Forschung ein, dass ich wieder mit geringem Deputat an einerSchule tätig bin. Das ist zwar stressig, aber auch sehr schön, weil man einfach nochmal einen ganz anderen Blick auf die Forschung bekommt, aber auch nochmal mehr vor Augen hat, was einen anspornt: die Schule, die Kolleg*innen, die Schüler*innen. Für all die ist es wichtig, dass was in Fortbildungen geschieht, effektiv ist und, dass wir wissen, was Fortbildungen, die nachhaltig die Berufspraxis (zum hoffentlich Positiven) verändern, ausmacht.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich male und fotografiere gerne (Wer meinen Social Media-Accounts folgt, bleibt davon auch nicht verschont). Ansonsten waren meine große Leidenschaft eigentlich die Pferde. Das Thema musste aber während der Promotion hinten an stehen, da mir einfach nicht mehr genug Zeit neben der Arbeit und Forschung blieb. Pferdetraining spielte aber sicherlich eine große Rolle dabei, meine Begeisterung für das Forschungsfeld der Pädagogik zu wecken, da ich schon früh anfing, alles mögliche über Trainingspsychologie zu lesen – was letztlich in vielen Bereichen auch nicht viel anderes ist als Lernpsychologie. Modernes Training basiert bei Weitem nicht mehr nur auf operanter Konditionierung. Am meisten geprägt haben mich und mein Training sicherlich Blog-Beiträge zur Self Determination Theory von Deci & Ryan. Es ist beeindruckend, was man erreichen kann, wenn man sich einfach nur fragt: Wie kann ich meinem Lernenden das Gefühl geben, kompetent zu sein und freie Entscheidungen treffen zu dürfen, obwohl man selbst eigentlich ein bestimmtes Lernziel vor Augen hat und die Fäden im Hintergrund zieht?
Wie sieht für dich ein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Hoffentlich bald wieder: Auf dem Pferderücken (oder zu Fuß daneben) durch die Natur streifen. Aber aktuell genieße ich auch Fotografie-Ausflüge mit meiner besseren Hälfte. Im Moment jagen wir vor allem Orchideen.
Bitte begrüßt Christina ganz herzlich auf dem Kanal!