Sunday, August 27, 2023

Wie wir Schmerzen wahrnehmen - Helena Hartmann ist wieder bei Real Scientists DE!




Diese Woche freuen wir uns erneut auf unsere Kuratorin Helena Hartmann! Helena (@helenahhartmann) ist Postdoktorandin in den Klinischen Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Essen. Sie hat in Wien studiert und promoviert und war in dieser Zeit für ein Jahr am Netherlands Institute for Neuroscience in Amsterdam. In ihrer Forschung untersucht sie, wie wir Schmerz wahrnehmen, bei uns selber und bei anderen. Sie interessiert, was bei Schmerzwahrnehmung im Gehirn passiert und inwiefern eigene Erwartungen diese Schmerzwahrnehmung beeinflussen können.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich habe meinen Master in Klinischer und Biologischer Psychologie in Wien gemacht und wollte eigentlich direkt danach in Richtung Praxis, also Psychotherapie-Ausbildung, gehen. Durch mehrere Praktika im wissenschaftlichen Bereich und meiner sehr neurowissenschaftlich ausgerichteten Masterarbeit (wo ich soziale Fähigkeiten bei Personen mit Autismus untersucht habe) ist mir aber aufgefallen, wie spannend Forschung eigentlich ist, und auch, wie viel wir noch nicht darüber wissen, wie eigene Emotionen und Emotionen anderer im Gehirn verarbeitet werden. Und das Ganze im Bereich Schmerz erforschen? - sign me up!


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Mich hat zuerst sehr fasziniert, mit wie viel Planung und Präzision man an Forschung herangehen sollte, um sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen zu können. Gerade die Kombination von Psychologie mit Methoden aus der Neurowissenschaft hat mich sehr gereizt, da man dadurch sowohl subjektive als auch objektive Maße bekommt und seine Forschungsfragen von mehreren Seiten fundiert beleuchten kann. Innerhalb meiner Arbeit habe ich auch das Feld Open Science für mich entdeckt und es mir zum Ziel gemacht, gute und transparente Wissenschaft zu produzieren. Zuletzt hat auch das Team der SCAN-Unit, an der ich arbeite, einen großen Beitrag geleistet, mich in der Wissenschaft zu halten. Ich finde es toll, wie verschiedene Forscher*innen sich gegenseitig unterstützen können und voneinander profitieren können, um Wissen voranzutreiben. Mein neues Lab in Essen ist da ähnlich – wir sind sogar noch interdisziplinärer unterwegs, was ich besonders spannend finde.


Erzähle eins was über deine Arbeit!

Ich interessiere mich dafür wie wir Schmerzen wahrnehmen, bei uns selbst oder bei anderen Personen. Was passiert dabei im Gehirn? In meiner Doktorarbeit interessiert mich konkret, welche Rolle unser eigenes Schmerzerleben hat, wenn es darum geht, den Schmerz Anderer zu bewerten. Was passiert, wenn wir selber weniger Schmerz spüren, z.B. durch ein Schmerzmittel? Verändert sich dann auch, wie wir Schmerz in unserer Umgebung wahrnehmen? Und was macht das mit unserem Hilfeverhalten? In meinem Postdoc fokussiere ich nun noch mehr auf die Rolle von Erwartungen bei Schmerzwahrnehmungen. Inwiefern können positive oder negative Erwartungen an eine Behandlung oder Therapie den Erfolg dieser beeinflussen?


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Es gibt so viele tolle Erkenntnisse, die durch die Wissenschaft produziert werden, die aber keiner außerhalb der Wissenschaft wirklich mitbekommt! Deswegen finde ich Wissenschaftskommunikation so wichtig – ich wünsche mir, dass jeden Tag „Tag der offenen Tür“ der Wissenschaft ist, und jeder, der sich dafür interessiert, auch versteht, was wir den ganzen Tag tun! Gerade mein Forschungsfeld, also Schmerzwahrnehmung, Empathie für den Schmerz anderer Personen und prosoziales Verhalten, finde ich sehr relevant für jeden einzelnen, da es etwas ist, was wir sehr oft erleben. Wir kommen täglich mit anderen Menschen in Kontakt und verarbeiten was um uns herum geschieht, ob in einer Partnerschaft oder im Supermarkt an der Kasse.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich bin bei uns im Arbeitsbereich für Wissenschaftskommunikation zuständig, betreue also sehr viele Social Media Accounts und die Website unseres Sonderforschungsbereichs (https://treatment-expectation.de/entdecken-mitmachen). Dort kreieren wir im Team auch gerne neue Inhalte für Interessierte und PatientInnen zum Thema Behandlungserwartungen. Seit Neustem versuche ich, meine Forschung Kindern zu erklären, z.B. in der In Mind Zeitschrift (https://kids.frontiersin.org/articles/10.3389/frym.2023.853490) und über die Junioruni Essen. Zudem gebe ich regelmäßig Workshops in der Volkshochschule Wien.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich habe im Januar 2023 mein eigenes Wissenschaftskommunikationsprojekt gestartet. Dort erkläre ich wissenschaftliche Studien anhand von Science Fiction Kurzgeschichten. Wenn ihr also gerne lest und gleichzeitig etwas über Wissenschaft lernen wollt, schaut mal vorbei:https://helenahartmann.com/scienceandfiction/. Ich gebe im Oktober 2023 auch einen Online Workshop, wie man selber Kurzgeschichten schreiben kann: https://www.vhs.at/de/k/287659344

Wenn ich nicht gerade schreibe, dann fotografiere ich wie wild (https://www.instagram.com/hellicopter90/), mache Yoga und sortiere wahnsinnig gerne alles Mögliche in meiner Wohnung (z.B. meine Bücher nach Farbe)! Ordnung ist mein ganzes Leben ;)


Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Früh aufwachen, aber den Vormittag mit einem spannenden Buch, Croissant und vielen Tassen schwarzem Tee auf meiner Terrasse verbringen. Yoga oder einen Online-Sportkurs machen. Ein Eis essen gehen und durch die Stadt bummeln, um noch nicht gesehene Ecken mit meiner Kamera zu entdecken oder bei Regen gemütlich zu Hause bleiben. Am Abend gutes Essen kochen (am Liebsten Pasta) und ein (virtueller) Spieleabend mit Freund*innen.


Bitte begrüßt Helena ganz herzlich zurück auf dem Kanal!

Sunday, August 20, 2023

Chronische Erkrankungen im Beruf - Sasha Cook ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Sasha Cook bei Real Scientists DE! Sasha (@AR_SashaCook) ist seit 2021 Assistant Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der University of Amsterdam. Sie hat in Chemnitz studiert und promoviert und war anschließend für zwei Jahre an der VU Amsterdam. Sie forscht zum Thema Gesundheitsdiversität am Arbeitsplatz und untersucht, wie sich chronische Gesundheitsprobleme und Arbeitstätigkeit gegenseitig beeinflussen. 


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe an der Technischen Universität Chemnitz Psychologie studiert (B.Sc und M.Sc). Während meines Studiums habe durchgehend als HiWi gearbeitet, anfangs hauptsächlich als Übersetzerin. In meinem Master war ich dann als Tutorin und HiWi an der Arbeitsgruppe Organisations- und Wirtschaftspsychologe, und dort auch mehr und mehr in die Forschungsarbeit dort integriert. Durch meine Praktika hatte ich ein paar andere Berufsfelder (unter anderem Psychotherapie) ausprobiert und relativ schnell für mich ausgeschlossen. Ich denke, dass mir am Ende die Wissenschaft einfach am meisten Spaß gemacht hat und ich dann einfach wusste, dass ich gerne promovieren möchte. Ich habe dann nach meinem Masterabschluss in der Professur, in der ich vorher als HiWi war, erst eine Schwangerschaftsvertretung übernommen und mich dann auf eine Promotionsstelle beworben. Seitdem habe ich, ehrlich gesagt, keine Sekunde an meiner Berufswahl gezweifelt, auch wenn es natürlich Hoch- und Tiefphasen gab. Nach der Promotion wollte ich Deutschland erstmal verlassen und habe erst an der VU Amsterdam als Assistant Professor angefangen, bevor ich dann an die University of Amsterdam (UvA) gewechselt bin.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Meine Dissertation war eigentlich zu einem anderen Thema, nämlich Führungswahrnehmung und -verhalten in Teams. Während meiner Diss-Zeit bin ich dann aufgrund schon länger bestehender neurologischer Probleme im Krankenhaus gelandet und habe die Diagnose Multiple Sklerose (MS) erhalten. Das hat meinen ganzen Fokus dann auf das Thema chronische Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz und im Berufsleben gerichtet. Parallel zur Dissertation und habe ich dann angefangen mich in das Thema einzulesen und mit der Hilfe von engagierten Studierenden die ersten Daten dazu zu erheben. Am Anfang hat es mich vor allem interessiert, was Arbeitnehmer*innen mit Autoimmunerkrankungen bei ihrer Berufstätigkeit unterstützt. Erstens muss man ja irgendwo anfangen und Autoimmunerkrankungen lagen für mich auf der Hand: MS ist eine Autoimmunerkrankung (research is me-search), mein Vater hatte Diabetes Typ I und meine Mutter arbeitet als Diabetesberaterin. Stück für Stück habe ich dann meinen Fokus und die Themen erweitert und sehe mich jetzt als Forscherin zum Thema Gesundheitsdiversität am Arbeitsplatz.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Mein Job besteht aus 45% Forschung und 55% Lehre. Meine Lehre (Arbeit & Gesundheit, Sport- und Leistungspsychologie) findet vor allem im Spätsommer (September-Oktober) und im Frühling/Sommer statt (Mai-Juli). In den Monaten ohne Lehre betreue ich dann Masterarbeiten und kann mich auf die Forschung konzentrieren. Die Lehrezeit ist sehr stark geplant, wohingegen meine Forschungszeit mir sehr viel mehr Freiheit gibt. Ich suche mir meine Forschungsthemen und -projekte selbst aus, recherchiere, lese, plane Studien und schreibe Paper. Meine Studien sind hauptsächlich Feldstudien, bei denen ich die Zusammenhänge zwischen Aspekten der Berufstätigkeit und Aspekten einer chronischen Erkrankung untersuche. Meine Teilnehmenden sind deshalb fast immer Personen mit chronischen Erkrankungen, die berufstätig sind. Momentan untersuche ich z.B. das Thema Menstruationsschmerzen und Endometriose im Berufsleben. Durch die Forschung ergeben sich immer wieder tolle Kontakte, z.B. zur Deutschen Endometriosegesellschaft, welche sich auch politisch für Arbeitnehmer*innen mit Endometriose einsetzt und deren Reichweite uns bei der Anwerbung von Studienteilnehmenden eine riesige Hilfe war.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Okay das könnte jetzt etwas länger werden: Laut Eurostat haben in Europa ungefähr ein Drittel aller Personen im berufstätigen Alter mindestens ein chronisches Gesundheitsproblem. Mit der Zunahme von Autoimmunerkrankungen und dem demografischen Wandel ist die Tendenz steigend. Fast jeder kennt jemanden in seinem/ihren Bekanntenkreis mit einer chronischen physischen oder psychischen Erkrankung. Trotzdem wird das Thema Erkrankung oft als Nischenthema betrachtet. Es gibt unfassbar viele Studien und einige sehr gute Theorien zu Gesundheit am Arbeitsplatz. Aber viele davon gehen entweder explizit oder implizit davon aus, dass Menschen „relativ gesund“ sind, wenn sie anfangen zu arbeiten. Es gibt aber eine sehr große Diversität in Bezug auf den persönlichen Gesundheitsstatus, die meiner Meinung nach berücksichtigt werden muss. Passiert das nicht, forschen wir im Bereich Gesundheit am Arbeitsplatz eventuell an den Mitarbeitenden vorbei, die spezifische Unterstützung nötig haben. Diese Unterstützung fängt oft im Kleinen an: Ich erzähle bei Vorträgen gerne die Anekdote von einem Angestellten mit Typ 1 Diabetes, dessen Wunsch am Arbeitsplatz war, dass er beim Mittagessen nicht gestört werden wollte, weil er vorher Insulin gespritzt hat. So etwas findet man eben nur raus, wenn man Personen mit chronischen Erkrankungen fragt. Ignoriert man das Thema, nimmt man in Kauf, dass viele Personen mit chronischen Erkrankungen in Frührente gehen. Das hat wirtschaftliche Folgen und ist auch in Zeiten des Fachkräftemangels sehr ungünstig. Für mich persönlich aber noch viel wichtiger ist es, dass viele Menschen mit chronischen Erkrankungen gerne arbeiten wollen. Neben der finanziellen Absicherung ist Berufstätigkeit für Menschen mit chronischen Erkrankungen auch verbunden mit höherer Lebenszufriedenheit und höherem Selbstwertgefühl. Auch wenn ich die wirtschaftlichen Argumente immer mit nennen muss, finde ich diesen Punkt eigentlich noch relevanter. 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Nicht wirklich. 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich backe unglaublich gerne, ich glaube mein gröβter Stolz waren bisher zwei Hochzeitstorten für Freunde. Leider brauche ich unbedingt eine neue Küche und mein aktueller Backofen geht etwas frei mit dem Konzept „Temperatureinstellung“ um. Ich habe auch ungefähr 50 Zimmerpflanzen (grob geschätzt, hab nie genau gezählt) und einen Garten in dem ich Blumen und Gemüse anpflanze. Jetzt im Sommer werde ich gerade zur weirden Zucchinilady, die jedem Zucchini anbietet der nicht schnell genug wegläuft. Ansonsten hab ich mal irgendwelche Hobbyphasen in denen ich mich total für eine Tätigkeit begeistere, und eine Weile lang nur das mache. In der Corona-Zeit hatte ich groβe Freude daran Wackelpuddingkreationen zu erfinden und Slow-Motion Videos davon zu machen wie ich sie wackeln lasse. Ach und bevor ich es vergesse…braucht jemand hier Zucchini?

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)
“Den” perfekten freien Tag gibt es nicht, es kommt ganz darauf an, wie viel Energie ich habe und wie sozial ich mich fühle. Ich kann einen tollen freien Tag damit verbringen nur zu Lesen, zu kochen, Serien zu schauen, oder in meinem Garten rumzuwerkeln. Wenn ich mich aktiver und/oder sozialer fühle, dann fahre ich mit dem Rad in die Innenstadt von Amsterdam und gehe mit Freunden und meinem Partner in eines der fantastischen Restaurants hier oder miete ein Boot und schippere durch die Grachten.

Bitte begrüßt Sasha ganz herzlich auf dem Kanal!

Sunday, August 13, 2023

Die Wissenschaft der Sprache - Stefan Hartmann ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unseren neuen Kurator Stefan Hartmann! Stefan (@hartmast) ist seit 2020 Juniorprofessor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er hat in Mainz studiert und promoviert und war anschließend in Hamburg und Bamberg als Postdoc tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Sprachwandel, frühkindlicher Spracherwerb und die Frage, wie Sprache evolutionär entstanden ist.



Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ursprünglich habe ich Germanistik auf Lehramt studiert, aber dann festgestellt, dass mir die wissenschaftliche Welt doch deutlich mehr liegt. Nach dem Studium hat sich die Gelegenheit zu einer Promotion geboten, wenn auch zunächst ohne Finanzierungsmöglichkeit - nach etwa einem Dutzend erfolgloser Bewerbungen auf Stellen und Stipendien habe ich dann erfreulicherweise ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung erhalten. Anschließend war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter zunächst in Mainz, dann in Hamburg und Bamberg tätig, bis ich dann 2020 meine aktuelle Juniorprofessur antreten konnte.


Erzähle eins entwas von deiner Arbeit!

In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit verschiedenen Fragestellungen, die mit Sprache zu tun haben - um sie zu untersuchen, verwende ich vor allem sogenannte korpuslinguistische Methoden, d.h. ich werte authentische Daten, vor allem Texte, in der Regel quantitativ aus und schaue, welche Schlussfolgerungen sich aus den Mustern ziehen lassen, die man dabei beobachten kann. Darüber hinaus habe ich aber auch schon mit experimentellen Methoden und Fragebogenstudien gearbeitet. In der Lehre bringe ich ebenfalls häufig empirische Methoden ein, unterrichte aber auch Einführungsveranstaltungen, in denen es unter anderem darum geht, hartnäckige Vorurteile darüber, wie Sprache funktioniert, zu widerlegen und die Studierenden dazu anzuhalten, ganz neu über Sprache nachzudenken.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Ich habe meine Abschlussarbeit eigentlich in einem ganz anderen Gebiet der Germanistik geschrieben, nämlich in der älteren deutschen Literatur. Das hat zwar viel Spaß gemacht, aber beim Schreiben habe ich gemerkt, dass ich die eher naturwissenschaftlich geprägte Herangehensweise der Sprachwissenschaft spannender finde als literaturwissenschaftliches Arbeiten. Hinzu kam, dass ich ein Promotionsangebot aus der Sprachwissenschaft hatte - letztendlich bin ich also auf Umwegen und aus teilweise eher opportunistischen Gründen in meinem aktuellen Feld gelandet. Das hat sich aber als richtige Entscheidung herausgestellt, denn ich könnte mir wenig vorstellen, was mir mehr Spaß macht.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Es gibt wenig, was unser soziales Leben und unseren Alltag so prägt wie Sprache, und viele Fragen, die bei weitem nicht nur für die Sprachwissenschaft relevant sind, ranken sich um Sprache(n): Warum gibt es keine andere Spezies, die über ein auch nur annähernd so komplexes Kommunikationssystem verfügt? Wie genau funktioniert dieses komplexe Kommunikationssystem? Wie kommen Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen zustande? Wie hängen Sprache und Denken zusammen? - Welche Rolle Sprache in unserem Alltag spielt, zeigt sich auch daran, dass Debatten über Sprache oft sehr emotional und erhitzt geführt werden - man denke an die Debatte übers Gendern, die seit Jahren medial geführt wird und bei der sich scheinbar unversöhnliche Positionen gegenüberstehen.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Während ich das schreibe, organisiere ich gerade eine große Konferenz, worüber ich in meinen Tweets natürlich auch berichten werde. Das ist auch der Grund, warum diese Vorstellung etwas kürzer ausfällt, als es sonst vermutlich der Fall gewesen wäre :)


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Gelegentlich mache ich bei Science Slams mit, aber nicht wirklich oft genug, um das als Hobby zu bezeichnen... Ansonsten interessiere ich mich für Literatur (ein bisschen) und Film (ein bisschen mehr), also nichts allzu Ausgefallenes...


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Eigentlich bräuchte ich zwei: einen ganz ohne Termine und ohne Pläne und einen, den ich mit guten Freunden verbringe. Letzteres ist aber auch auf den meisten Konferenzen der Fall, die ich besuche (oder organisiere), insofern bin ich in der sehr erfreulichen Situation, dass Arbeit und Freizeit für mich fließend ineinander übergehen.


Bitte begrüßt Stefan ganz herzlich auf dem Kanal!

Saturday, August 5, 2023

Gut informiert: Politische Bildung in urbanen Räumen - Sabrina Kirschner ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Sabrina Kirschner (@sabrinakir84) bei Real Scientists DE! Sabrina ist Rheinländerin, zum Studium hat es sie – abgesehen von kurzen Ausflügen ins sonnige Spanien –  nach Aachen und Düsseldorf verschlagen. An der RWTH Aachen – ja, dort kann man tatsächlich nicht nur Maschinenbau studieren – hat sie ihr Studium mit dem Staatsexamen und einem Diplom abgeschlossen und währenddessen auch erste Schulluft geschnuppert. Sabrina hat einige Zeit als Lehrerin für Geschichte, Spanisch und Gesellschaftslehre gearbeitet, ehe es sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der (Zeit)Geschichte an die Universität der Bundeswehr in München verschlagen hat. Dort forschte sie im Rahmen eines DFG-Projekts zur Entdeckung urbaner Umwelt als Feld von Entwicklungspolitik. Seit Januar 2021 arbeitet sie am Institut für Demokratiepädagogik im (ost)belgischen Eupen und befasst sich dort mit verschiedenen Aspekten der politischen (Medien)Bildung. Zudem koordinierte sie seit Januar 2021 das Speak Up! Bündnis und leitet seit Juni 2022 die aus dem ostbelgischen Bündnis hervorgegangene gleichnamige interdisziplinäre und internationale Vernetzungsstelle.


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Auf Umwegen! Eigentlich wollte ich schon in der Grundschule Lehrerin werden, weil ich dachte, dass das ein toller Beruf sein würde. Folgerichtig habe ich dann auch das Berufsorientierungspraktikum in der Oberstufe in einer Grundschule absolviert und wusste dann, dass Lehrerin ein spannender Beruf ist, ich allerdings lieber mit älteren Schüler*innen arbeiten wollte. Im Laufe der Schulzeit hatte sich der Berufswunsch gefestigt, und so habe ich dann ein klassisches Lehramtsstudium für Gymnasien und Gesamtschulen absolviert.

Zwar hatte ich nach dem Studium die Möglichkeit zu promovieren, allerdings habe ich mir das als #firstgen nicht wirklich zugetraut und daher erst einmal auf die Schule gesetzt. Nach und nach habe ich allerdings gemerkt, dass es mir sehr viel Spaß macht, Wissen zu vermitteln und weiterzugeben, der Fokus im System Schule aber zunehmend weniger darauf lag. Für mich stand dann fest, dass ich zurück an die Universität wollte.

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort? 

Schon während des Studiums konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich mich lieber mit Geschichte oder Spanisch beschäftigte, ich mochte meine beiden Studien- bzw. Unterrichtsfächer nämlich gleich gerne. Als sich dann die Möglichkeit ergab, im Rahmen eines Projekts zu promovieren, das sich mit der Geschichte der Urbanisierung in Mittel- bzw. Südamerika beschäftigt, habe ich mich besonders gefreut. Als dann die Projektlaufzeit vorüber, die Dissertation aufgrund der Quellenberge noch nicht fertig war, hatte ich mich dann auf verschiedene Stellen im In- und Ausland beworben und fand dann in Belgien eine neue berufliche Heimat...


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Mittlerweile arbeite ich Institut für Demokratiepädagogik im belgischen Eupen, das als An-Institut an die dortige Hochschule angegliedert ist. Dort geht es allerdings nicht so sehr um (Grundlagen)Forschung, sondern um die Anwendung von Forschung und ihren Ergebnissen. Besonders spannend finde ich, dass das Institut für Demokratiepädagogik auch Aufgaben übernimmt, die in Deutschland die Landeszentralen für politische Bildung innehaben. Mit einigen der deutschen Landeszentralen und vergleichbaren Institutionen aus der Großregion arbeiten wir auch zusammen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist dabei ganz wichtig. Das gilt auch für meine Tätigkeit im Rahmen der Vernetzungsstelle Speak Up!, die ich aufgebaut habe und mittlerweile leite. Bei Speak Up! geht es darum, Menschen und Institutionen miteinander ins Gespräch zu bringen bzw. zu vernetzen, die beruflich oder ehrenamtlich sich mit Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen von Fake News und Hate Speech befassen.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Was die Arbeit in Belgien betrifft, so liegt das klar auf der Hand: Durch die Arbeit im Bereich der politischen Bildung am IDP und im Rahmen von Speak Up! möchten wir Menschen dazu befähigen, in aktuellen gesellschafts-politischen Debatten gut informiert Stellung zu beziehen. Das können einerseits Themen, wie die Gefährdung der demokratischen Errungenschaften sein, andererseits aber auch Themen, die in das Speak Up! Spektrum fallen, Fake News, Hate Speech oder auch (strukturelle) Diskriminierung und Gewalt bzw. Übergriffe, Themen, die auch für viele #IchbinHanna s an den Universitäten akut sind, wie jüngst die Diskussionen um Machtmissbrauch und Übergriffe bei Twitter gezeigt haben.

Für Fake News halten auch viele das, was ich in meiner Dissertation erforsche: Umweltprobleme! In der Arbeit untersuche ich die Entdeckung urbaner Umwelt als Feld von Entwicklungspolitik und schaue mir dabei einerseits an, wie die Umweltpolitik auf die Agenda der internationalen Organisationen kam und anderseits, wie entwicklungspolitische Vorhaben initiiert und umgesetzt wurden. Das mache ich in zwei Fallstudien, einer zur Luftverschmutzung in Mexico City und einer zur Gewässerverschmutzung in São Paulo, die zeitmäßig ungefähr um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts ansetzen.

Auch wenn viele Menschen Umwelt erst seit den Fridays for Future Demos auf dem Schirm haben, zeige ich meiner Arbeit, dass Umwelt sehr wohl schon vor rund 50 Jahren ein Thema war über das öffentlichkeitswirksam debattiert wurde – so bei der berühmten Konferenz in Stockholm 1972 –, auch wenn zwischenzeitlich die Euphorie abebbte.

Leider waren auch die Projekte, die ich untersuche, nicht sonderlich erfolgreich, die Luftqualität in Mexico City ist immer noch stark verbesserungswürdig und bei meiner Forschungsreise nach São Paulo fiel mir nach meiner Ankunft gleich auf, dass auch die innerstädtischen Flüsse immer noch ziemlich dreckig sind… Im Grunde genommen sind es also immer noch Probleme, die damals wie heute aktuell sind.

(Groß)Städte haben immer noch mit vielen Infrastrukturellen Problemen zu kämpfen, und auch wenn wir heute in Deutschland natürlich kaum Probleme mit der Wasserver- und Abwasserentsorgung haben, so gibt es doch immer wieder urbane Herausforderungen, die in unseren Fokus rücken, wie z. B. die Wohnungsnot bzw. der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in vielen Städten, der Mangel an Ärzt*innen und Defizite im Gesundheitsbereich oder eben im Bildungsbereich, wo es zu wenige Lehrpersonen an den Schulen oder Betreuungsplätze in den Kindergärten gibt…

 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Eigentlich nicht, aber mit der Dissertation und der Arbeit am IDP bzw. im Rahmen der Vernetzungsstelle Speak Up! habe ich eigentlich auch schon genug zu tun… Wobei: in den letzten Jahren durfte ich gemeinsam mit einer anderen Ehrenamtlichen das Histowichteln für Open History e.V. organisieren, quasi eine internationale Wichtelaktion für Menschen, die sich für Geschichte interessieren.

 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Eigentlich nicht… In der Freizeit mag ich es gerne etwas ruhiger, lese gerne gute Bücher oder mag es zu fotografieren, was man auch auf meinem Instagram-Account sieht. Vor Corona war ich etwas aktiver, bin gerne zum Aqua-Fitness gegangen, aber durch Corona- und Energiekrise gibt es bei mir kaum noch Angebote.

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Da kann ich mich vielen der Kurator*innen anschließen. Ausschlafen steht da ganz oben auf der Prioritätenliste, auch wenn in meinem derzeitigen Job der Wecker natürlich später klingelt als zu der Zeit, als ich als Lehrerin gearbeitet habe. Danach kann gerne ein langes Frühstück oder ein Brunch folgen, gerne dann auch im Café mit Freund*innen.

Ebenfalls eine gute Idee an freien Tagen sind Spaziergänge, während meiner Münchner Zeit fand ich es ganz toll, dass sowohl viele Seen als auch Berge in der unmittelbaren Umgebung waren. Alternativ finde ich auch ein bisschen Wellness oder Me-Time ganz schön, das lässt sich auch ganz gut mit dem Lesen von nicht-fachbezogenen Büchern verbinden. Abends steht dann ein entspanntes Essen an, gerne mit Freund*innen.

Bitte begrüßt Sabrina ganz herzlich auf unserem Kanal!