Sunday, March 28, 2021

Gossip Girl im 19. Jahrhundert - Katrin Horn ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Katrin Horn (@archivalgossip) vorstellen zu dürfen! Katrin ist akademische Rätin am Lehrstuhl für Anglophone Literaturen und Kulturen der Universität Bayreuth. Sie studierte Theater- und Medienwissenschaft, Anglistik und Amerikanistik an der LMU München und FAU Erlangen-Nürnberg, und promovierte 2015 im Fachbereich Amerikanistik ebenfalls an der FAU. Im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojektes war Katrin Gastwissenschaftlerin am German Historical Institute und dem John W. Kluge Center der Library of Congress, beides in Washington, DC. Seit 2017 hat sie mehrere Bücher zum Thema Popkultur veröffentlicht. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf der amerikanischen Literatur und Kultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Eher zufällig, wenn ich ehrlich bin. Ich habe Theater- und Medienwissenschaft im Hauptfach und Amerikanistik im Nebenfach studiert. Geplant war dann eine Karriere im Bereich Kulturmanagement. Das war der Bereich, in dem ich mich während des Studiums hauptsächlich engagiert habe. Ich habe unter anderem Filmfestivals in Erlangen und Nürnberg mit-organisiert und nach dem Studium ein Praktikum in New York bei einem Filmverleih absolviert. Die Promotion war einerseits dem Interesse am Thema und dem Betreuungsangebot einer Professorin geschuldet, und andererseits als zusätzliche Qualifikation für einen Beruf im Kulturmanagement gedacht. Im Laufe der Promotion haben sich meine Interessen dann jedoch zunehmend verschoben, Lehre und Forschung wurden immer attraktiver. Dann konnte ich noch relativ nahtlos die Finanzierung meines PostDoc-Projektes einwerben und damit war die Entscheidung für die Wissenschaft dann endgültig gefallen.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden und/oder was hält dich dort?

Für die Amerikanistik habe ich mich wegen der Vielfalt der Themen, Theorien und Methoden entschieden. So waren bereits im Studium Kurse mit dem Schwerpunkt Gender und Queer Studies in diesem Fachbereich leichter zu finden als in meinem Hauptfach, den Medienwissenschaften. Gleichzeitig war es in der Amerikanistik kein Problem, den Fokus auf Medien statt auf Literatur zu legen. Zudem fühlte und fühle ich mich im disziplinären Kontext der Kulturwissenschaften besonders wohl, weil mein hauptsächliches wissenschaftliches Interesse der Analyse des Verhältnisses meiner Forschungsgegenstände zu gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen bzw. Diskursen gilt.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit.

Meiner Arbeit ist derzeit „dreigleisig“. Einerseits natürlich Lehre und Selbstverwaltung am Lehrstuhl. In der Lehre versuche ich möglichst viele Formate und Kontexte abzudecken. In diesem Semester biete ich zum Beispiel ein Proseminar zur Harlem Renaissance an und eines zu „The Queer 90s“. Im letzten Sommer hat das Hauptseminar zu Nostalgie und Utopie in den USA besonders viel Spaß gemacht. Daneben betreue ich die Arbeit einer Doktorandin und studentischer Hilfskräfte im Rahmen meines DFG-Projektes. Und drittens ist da noch die Arbeit an meiner Qualifikationsschrift, also dem zweiten Buch. DFG-Projekt und Habilitation widmen sich dem Thema „Tratsch in der Kultur und Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts“. Tratsch ist für mich deswegen spannend, weil es eine kollektive Form des Wissens darstellt, das sich zudem notwendigerweise immer an der Grenze von Privatheit und Öffentlichkeit entwickelt. Dadurch eröffnet Tratsch inhaltlich wie strukturell eine spannenden Blick auf unterschiedliche Entwicklungen und Texte. Das auslaufende 19. Jahrhundert ist als Beobachtungszeitpunkt für mich besonders wichtig und interessant, weil sich hier viel anbahnt, was unser Leben auch heute noch prägt: es kommt die Idee eines „Rechts auf Privatheit“ auf, gleichzeitig entwickeln sich moderne Vorstellungen von celebrity und Sexualität sowie die Klatschpresse. In diesem Zusammenhang steht im DFG-Projekt derzeit die Arbeit an der digitalen Sammlung archivalgossip.com/collection im Vordergrund. Dort sammeln wir Archivmaterial (Briefe, Zeitschriftenartikel etc), das für unsere Forschung relevant ist und bieten Nutzer*innen Visualisierungen von zeitlichen Abläufen und Beziehungen. Für Oktober planen wir zudem eine Konferenz mit dem Titel Speculative Endeavours. Cultures of Knowledge and Capital in the Nineteenth Century. Wir hatten sie vom letzten auf dieses Jahr verschoben. Auf Grund der aktuellen Lage erarbeiten wir nun aber ein digitales Konzept für die Veranstaltung.

Für mich selbst steht im April die nächste Konferenz an. Ich werde auf der Jahrestagung der British American Studies Association zusammen mit einer britischen Kollegin ein Panel zu „Transatlantic Women’s Letter Writing of the 19th and early 20th Century“ organisieren. Mein eigener Vortrag wird sich dem Schriftwechsel zwischen Charlotte Cushman, der bekanntesten US-amerikanischen Schauspielerin des 19. Jahrhunderts (der bislang auch das meiste Material auf der Website gewidmet), und dem Herausgeber*innen-Ehepaar James T. und Annie Fields widmen. Dabei möchte ich sowohl einen kurzen Einblick in meine Arbeit mit handschriftlichen Archivmaterial und dessen Digitalisierung gewähren, als auch die Verquickung von professioneller und privater Korrespondenz und die Verhandlung von Cushmans Beziehung mit Frauen in den Briefen analysieren.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren? 

Weil es für viel einen neuen Blick auf das 19. Jahrhundert eröffnen wird und ihnen unerwartete, ungewöhnliche und einfach sehr spannende historische Figuren näherbringen wird: Charlotte Cushman, die erste international bekannte Schauspielerin der USA und die Frauen – Schriftstellerinnen, Bildhauerinnen – mit den sie ihr Leben verbrachte; eine afro-amerikanische Friseurin, Eliza Potter, die noch vorm Ende der Sklaverei in den USA nicht nur ein Vermögen machte, sondern auch noch ein skandalöses Buch über ihre reiche Kundschaft schrieb; das erste Tratsch-Magazin der USA und die New Yorker High Society, die sich in ihren Seiten tummelte; die erste Pulitzer-Preisträgerin, Edith Wharton, und ihre literarischen Analysen unterschiedlicher sozialer Schichten.
Meine Arbeit gibt zudem einen Einblick in die historische Entwicklung des Verständnisses von Sexualität und Geschlecht – gerade in unserer aktuellen Zeit, in der „diversity“ oft heiß diskutiert wird, lohnt es sich, sich noch einmal vor Augen zu führen, dass Vieles, was uns heute „natürlich“ erscheint, historisch gewachsen und kulturell spezifisch ist. Zuletzt sind die Thesen zur Definition von Tratsch und dessen Abgrenzung von anderen Wissens- und Kommunikationsformen (zum Beispiel vom Gerücht) auch für zeitgenössische Phänomene aussagekräftig ist, auch wenn meine Forschung hauptsächlich im 19. Jahrhundert angesiedelt ist. Ein Nebenprojekt, das ich im Rahmen eines DFG-Netzwerkes verfolge, widmet sich zum Beispiel celebrity gossip und der Entwicklung des closet, auch der Frage wie digitale Kontexte Wissen anders vermitteln / suggerieren. Es gibt also viele Anknüpfungspunkte.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

An der Uni bin ich noch Mittelbauvertreterin unterschiedlicher Gremien rund ums Thema Chancengleichheit und Diversität. Zu Hause bin ich Mutter dreier Kids (1, 3 und 5 Jahre alt) – das reicht mir derzeit an Aufgaben.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Hobbies ist vielleicht etwas hochgegriffen, aber ich backe sehr gerne. Zudem habe ich Spaß am Heimwerken und Gärtnern – das war und ist erfreulicherweise Alles recht Lockdown-tauglich. Wenn die Kids etwas mobiler sind, freue ich mich auf Wander- und Städtetouren.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?  

Ich hätte am Vorabend Teig für Bagels vorbereitet, die ich dann fürs Frühstück mit den Kids formen und backen würde. Wir hätten Freund*innen zu Besuch, die bei uns übernachtet haben. Nach einem langen Frühstück würden wir alle zusammen einen Ausflug machen. Bayreuth hat in der näheren Umgebung sehr schöne Parkanlagen und Wildgehege zu bieten – da ließe sich also leicht etwas finden. Nach einem entspannten Tag mit viel Sonnenschein und viel Bewegung, würden die Kids alle gut einschlafen und wir würden den Tag mit leckeren Cocktails auf der Terrasse ausklingen lassen.

Alternativ wären wir zusammen mit der Familie meines Bruders im gemeinsamen Nordsee-Inselurlaub. Sonnenschein und Bewegung wären gleich – angereichert mit Meeresrauschen, Dünenwanderung und viel leckerem Fisch zum Abendessen.


Bitte begrüßt Katrin ganz herzlich bei Real Scientists DE!