Sunday, April 25, 2021

Dinosaurierzähne und Kaffeeklatsch - Franziska Sattler ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch Franziska Sattler (@ohyeahfranzi & @WisskommKaffee) als unsere neue Kuratorin vorstellen zu dürfen! Franziska ist Wirbeltierpaläontologin und Evolutionsbiologie Absolventin der Freien Universität Berlin. So lange sie sich erinnern kann, hatte Franziska eine Leidenschaft für Wissenschaftskommunikation, Lehre und internationale Beziehungen in der Hochschulbildung. Sie ist bei Formaten wie Pint of Science und Soapbox Science in Deutschland tätig und hat nun auch die Rolle der Kommunikatorin bei Science Borealis Canada übernommen. Franziska forscht an Dinosaurierzähnen und arbeitete bis vor kurzem am Tyrannosaurus-rex-Zahnersatz am Museum für Naturkunde Berlin, wo sie heute als Wissenschaftskommunikatorin mit ihrem eigenen Bildungsformat "Kaffeeklatsch mit Wissenschaft" arbeitet.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 

Ich glaube, da muss ich meinem Opa für danken. Er hat sich selbst immer schon sehr für die Welt, Sprachen und Forschung interessiert. Ich hatte schon als kleines Kind eher Dinosaurierfiguren zum Spielen anstatt Puppen. Mit meinen Eltern bin ich schon immer viel gereist, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Ich glaube ich war insgesamt acht Mal in Ägypten und wollte eigentlich Ägyptologie oder Altertumswissenschaften studieren. Die Paläontologie war immer meine erste Liebe, aber ich war in Physik und Chemie in der Schule nie sonderlich gut und hatte große Angst, das Geowissenschaftenstudium nicht zu schaffen. Anstatt gleich nach dem Abitur zu studieren, bin ich dann doch lieber erst einmal nach London gezogen um “richtige” Berufserfahrung zu bekommen. Dort war ich für ungefähr vierzehn Monate, was dazu geführt hat, dass ich die Bewerbungsfrist für das Bachelorstudium verpasst habe. Ich wollte jedoch keine weitere Zeit verlieren und habe mich für ein Praktikum am Museum für Naturkunde Berlin (MfN Berlin) beworben. Damals ging das noch relativ einfach. Ich hatte keinerlei Erfahrung in der Forschung oder der Arbeit an einem Museum. Ich wurde aber trotzdem akzeptiert, was glaube ich auch daran lag, dass sich zur der Zeit (2009) vor allem Jungen und Männer dort beworben haben und ich somit meiner Betreuerin gleich positiv aufgefallen bin. Und was soll ich sagen, seit 2009 bin ich eigentlich immer wieder am MfN Berlin, denn ich bin tatsächlich Wirbeltierpaläontologin geworden. Ich liebe die Forschung, bin aber momentan viel mehr in die Kommunikation involviert.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
 

Ich habe schon ziemlich früh im Studium mit der Wissenschaftskommunikation begonnen. Während des Bachelorstudiums (Geowissenschaften) habe ich ja wie erwähnt im Museum für Naturkunde Berlin gearbeitet. Dort bin ich also eigentlich schon on und off seit Januar 2009 angestellt und hatte wohl jede Stelle und jeden Vertrag, den es da so zu holen gibt. Alles von Praktikantin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin, bis hin zu Bürgerwissenschaftlerin und Grabungsarbeiterin. Das alles kommt auch immer mit einer eigenen Art von Wissenschaftskommunikation. Das Museum ist so gut vernetzt, dass man dem Thema eigentlich auch nicht entkommen kann, selbst wenn man wollte. Jedoch hat mir die Mitarbeit bei der Langen Nacht der Wissenschaften den ersten Einblick gegeben. So richtig selbst aktiv wurde ich 2016 bei Pint of Science Germany, wo ich seitdem auch einige Jahre die Berlin Koordinatorin war. Wissenschaft und Bier passt immer gut zusammen. Dort wurde auch eine Projektleiterin des zukünftigen Experimentierfeld für Partizipation und Offene Wissenschaft am MfN Berlin auf mich aufmerksam. Ich sage „zukünftig“, weil es das damals noch gar nicht gab. 

Dem Museum hat wohl gefallen, wie ich Pint of Science leite und organisiere, was dazu geführt hat, dass mir mein eigenes Format angeboten wurde. Ich habe lange gegrübelt was mir wirklich Freude bereitet und was auch die Besucherinnen und Besucher toll finden können, und so bin ich auf „Kaffeeklatsch mit Wissenschaft“ gekommen. Einmal im Monat, meistens der erste Sonntag, findet mein Programm statt. Ich lade mir interessante Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein, trinke mit ihnen Kaffee und sitze in einer richtig spannenden Kaffeerunde mit ihnen und den Besuchern zusammen. Einfach toll, dass das tatsächlich mein Job ist!

Ich liebe es zu sehen, wie begeistert das Publikum ist, wie überrascht, was es alles an toller Forschung gibt und wie viel Wissen alle bereits oft selbst schon mitbringen.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit! 

Bei meinem Wissenschafts-Format “Kaffeeklatsch mit Wissenschaft” (engl. Science Communication Café) am Museum für Naturkunde Berlin ermögliche ich Besuchenden und Zuschauenden seit August 2019 in entspannten Gruppen ein Thema zu besprechen und Fragen zu stellen, ohne sich eingeschüchtert zu fühlen. Denn das Konzept kombiniert etwas, das viele Deutsche ihr ganzes Leben lang kennen: sonntags mit der Familie zusammensitzen, Kaffee zu trinken, Kuchen zu essen und über das Leben, die Woche und aktuelle Ereignisse diskutieren mit Wissenschaft, die für viele ein unbekanntes Terrain ist. Einige unserer Gäste fragen zum Beispiel: "Was machen Wissenschaftler*innen eigentlich den ganzen Tag?“ oder sie stellen sich Forschende als unnahbar und distanziert vor. Mir ist es unglaublich wichtig, meine Gäste so zu zeigen, wie sie sind und dabei auch einfach mal über das Alltägliche zu plaudern. Die Forschung steht dabei natürlich immer im Mittelpunkt. Aber es geht mir auch darum, die menschliche Seite der Wissenschaft herauszustellen. Es findet Kommunikation auf Augenhöhe statt. Dabei sind auch Kontroversen und Differenziertheit oft Bestandteil unserer Gespräche. Das Vertrauen in die Wissenschaft und vor allem Wissenschaftler*innen soll somit gestärkt werden.

Zusammen Kaffee zu trinken macht den Charme von „Kaffeeklatsch mit Wissenschaft“ aus, fühlt sich familiär an und sorgt dafür, dass unsere Besucher*innen immer wiederkommen. Dass das Format aufgrund der Corona-Pandemie vorerst digitalisiert wurde, hat der Gemütlichkeit aber keinen Abbruch getan. Ich treffe mich mit meinen Gesprächspartner*innen meist bereits vor dem Event – entweder in einem Café oder zurzeit auch online, damit wir uns schon mal kennenlernen können. Mir ist es wichtig, den Besucher*innen das Gefühl zu geben, dass die zwei Menschen, denen sie zuschauen, sich schon lange kennen.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

„Wissen verpflichtet auch zu seiner Vermittlung“, hat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek gesagt. Dem stimme ich 100-prozentig zu. Außerdem ist das Interesse an Wissenschaft seitens der Öffentlichkeit absolut vorhanden. Laut „Wissenschaftsbarometer“ der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ interessieren sich mehr als 70 Prozent der Deutschen für wissenschaftliche Themen und rund zwei Drittel der Befragten sprechen Wissenschaft und Forschung auch in Zeiten der Corona-Pandemie ihr Vertrauen aus. Von Forschenden wird immer mehr verlangt, dass sie nach außen kommunizieren. Schließlich wird die große Vielfalt an Forschung auch durch die Steuern unserer Bürger*innen ermöglicht, daher sollte die Forschung für die Öffentlichkeit transparenter und zugänglicher gemacht werden. Der Austausch zwischen Forschenden und der Gesellschaft sollte in sämtlichen Wissenschaftsbereichen alltäglich werden.  

Ich weiß jedoch auch, dass es oft Berührungsängste mit der Wissenschaft geben kann, aus meiner eigenen Familie - in der ich die erste Wissenschaftlerin bin. Meine Eltern haben mich immer unterstützt und ich bin ihnen unendlich dankbar dafür. Ich weiß jedoch auch, dass ihnen häufig nicht klar war, was ich so mache. Manchmal haben sie mir gesagt, dass sie Wissenschaft einfach nicht verstehen können und dass man dafür wohl sehr schlau sein muss. Diese Einstellung scheint weit verbreitet zu sein. Das stimmt natürlich nicht. Deshalb ist es mir so wichtig, die Allgemeinheit und Forschende zu einem Dialog auf Augenhöhe zusammenzubringen. Mit guter Wissenschaftskommunikation können Wissenschaftler*innen schon Grundschulkindern ihren Forschungsbereich verständlich erklären.

Für meine Events lade ich mir auch vor allem Wissenschaftlerinnen gern ein, um ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit zu erhöhen - beispielsweise die Neurobiologin Dr. Vira Iefremova und Psychologinnen wie Doktorandin Helena Hartmann und Dr. Anna Henschel. Ganz toll fand ich auch Dr. Florencia Yannelli und Marta Alirangues Núñez, zwei Ökologinnen. Frauen eine Plattform zu bieten, um als weibliche Vorbilder dienen zu können, liegt mir sehr am Herzen. Die Vielfalt der Stadt spiegelt sich in den verschiedenen Forschungsinstituten wider, die sich auf eine Vielzahl von Bereichen konzentrieren. Trotz alledem sind weniger als ein Drittel der Professoren in Berlin Frauen. Ich weiß aus erster Hand, wie wichtig es sein kann weibliche Vorbilder zu haben. In meinem Fachbereich, der Wirbeltierpaläontologie, gibt es jetzt immer mehr junge Frauen, das war jedoch nicht unbedingt so, als ich damals damit angefangen habe. Glücklicherweise hatte ich bereits vor meinem Studium (und währenddessen) ganz tolle Mentorinnen - soviel Glück hat jedoch nicht jede.

Wenn ich durch „Kaffeeklatsch mit Wissenschaft“ einen Beitrag dazu leisten kann, dass unsere Besucher*innen mit neuem Wissen und einem revidierten Bild von Wissenschaftler*innen das Event verlassen, dann bin ich zufrieden und dankbar.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten? 

Ich habe das Glück, dass ich in vielen verschiedenen Wissenschaftskommunikationsprojekten mitarbeiten kann. Pint of Science Germany (PoS) zum Beispiel. Pint of Science ist ein internationales Festival, das einige der brillantesten Forschenden in eure lokale Kneipe bringt, um ihre neuesten Forschungsergebnisse und Erkenntnisse mit euch zu diskutieren. Dort hat man die Chance, die Wissenschaftsverantwortlichen der Zukunft kennenzulernen (und ein Bier mit ihnen zu trinken). Es macht unheimlich viel Spaß und ich bin bereits seit 2016 in Berlin dabei. Ich habe dort selbst schon als Sprecherin teilgenommen, bin aber ansonsten Teil unseres Organisationsteams. Unsere Events finden weltweit im Mai statt.

Zusätzlich bin ich seit Anfang 2020 mit großer Begeisterung Teils des Soapbox Science Berlin Teams. Soapbox Science ist eine neuartige Plattform für die Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung von Frauen und nicht-binären Forschenden sowie der Wissenschaft, die sie betreiben. Unsere Veranstaltungen verwandeln öffentliche Bereiche in eine Arena für öffentliches Lernen und wissenschaftliche Debatten. Sie folgen dem Format der Speaker's Corner im Londoner Hyde Park, die historisch gesehen ein Schauplatz für öffentliche Debatten ist. Es gibt keine PowerPoint-Folien, kein Amphitheater - nur bemerkenswerte Wissenschaftlerinnen, die ihren neuesten Entdeckungen präsentieren und eure Fragen beantworten.

In unserem Video erfahrt ihr mehr über unsere bevorstehenden und vergangenen Veranstaltungen. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie eine Veranstaltung aussieht.
Meine Aufgaben beinhalten das Organisieren unserer Events, Pressearbeit und Korrespondenz mit unseren Sponsoren. Einmal pro Jahr bieten wir auch einen Workshop für die Wissenschaftskommunikation an - das macht mir immer riesigen Spaß. Ganz normale, einseitige Vorträge sind eher nichts für mich.

Momentan plane ich meinen Umzug nach Kanada und bereite mich bereits aktiv darauf vor, in dem ich ehrenamtlich bei Science Borealis im Outreach-Team mitarbeite. Science Borealis bietet Plattformen und Schulungen an, um Wissenschaftskommunikatoren dabei zu helfen, Geschichten über die kanadische Wissenschaft zu teilen.

Außerdem bin ich Berlin City Brain City-Botschafterin (Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie) - ich habe irgendwie überall meine Hände drin.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Wenn ich nicht über Themen twittere, die mir wichtig sind, bin ich höchstwahrscheinlich damit beschäftigt, mein nächstes Reiseabenteuer zu planen, mit meiner Kamera Freunde zu fotografieren oder irgendwo in einem Café ein Buch zu lesen. Außerdem habe ich während meines Studiums in Montana, USA, das Wandern für mich entdeckt.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?

Wenn ich mir wirklich aussuchen darf, wie ich den Tag verbringen kann, dann vielleicht einfach ganz entspannt, ohne Pläne. Ich plane immer meine ganze Woche komplett durch, also einfach mal nichts tun und ausschlafen wäre wunderbar. Kaffee im Bett, etwas Schönes lesen und dann vielleicht im Wald spazieren gehen klingt für mich einfach toll.

Bitte begrüßt Franziska ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, April 18, 2021

Wie wir online miteinander kommunizieren - Konstanze Marx ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Konstanze Marx (@KonstanzeMarx) vorstellen! Konstanze hat in Jena Germanistik, Phonetik, Medienwissenschaft und Pädagogik studiert und im Anschluss zur kognitiven Textverstehenstheorie promoviert. Nach einem Ausflug in die freie Wirtschaft zog es sie zurück in die Wissenschaft, diesmal an die TU Berlin, wo sie sich 2017 mit einer Arbeit zum Diskursphänomen Cybermobbing habilitierte. Seit 2019 hat sie den Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft an der Uni Greifswald inne. Ihre Forschung verbindet die drei Arbeitsbereiche Pragmatik, Angewandte Linguistik und Psycholinguistik. 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Im zweiten Anlauf sozusagen. Ich bin nach meiner Promotion in die freie Wirtschaft gegangen, weil ich nicht an einen wissenschaftlichen Karriereweg geglaubt habe, ich habe zwei Jahre als Projektmanagerin gearbeitet und mich dabei beobachtet, wie ich immer neue sprachwissenschaftliche Forschungsfragen hatte, denen ich lieber nachgehen würde. Für eine dreijährige WiMi-Stelle habe ich dann den unbefristeten Vertrag gekündigt.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Die Entscheidung fiel irgendwann in der zehnten Klasse, kurz nach meinem Austauschjahr in den USA. Ich bin allerdings bei meiner Einschreibung an der FSU Jena davon ausgegangen, dass ich Mediävistin werde. Deshalb habe ich mich auch direkt ab dem ersten Semester in entsprechende Vorlesungen gesetzt und zunächst nichts verstanden. Gegen Ende meines Grundstudiums wurde die Professur für Germanistische Sprachwissenschaft mit der Kognitionslinguistin Monika Schwarz-Friesel besetzt, die aus meiner Sicht hochrelevante Lehrveranstaltungen anbot, zu Sprachroduktion und -rezeption und Sprache in den Medien, zu Sprache und Emotionen usw. Sie bot mir recht schnell eine Stelle als studentische Hilfskraft an und ich hatte so Gelegenheit, immer tiefer in das Fach einzutauchen. Die Kombination aus linguistischen und psychologischen, aber auch soziologischen Fragestellungen ist für mich ideal.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich bin seit dem Sommersemester 2019 Lehrstuhlinhaberin für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Greifswald. Seit April 2020 bin ich Geschäftsführerin des Instituts für Deutsche Philologie und seit April 2021 Prorektorin für Kommunikationskultur, Personalentwicklung und Gleichstellung.
Ich wurde mit einer neurolinguistischen Arbeit zum Textverstehen an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert und mit einer Arbeit zum Diskursphänomen Cybermobbing an der Technischen Universität Berlin habilitiert. Im Anschluss arbeitete ich als Professorin für die Linguistik des Deutschen an der Abteilung Pragmatik des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache Mannheim und an der Universität Mannheim. Meine Schwerpunkte liegen in der Internetlinguistik, der Diskurs- und Textlinguistik, der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Sprache-Kognition-Emotion, der Genderlinguistik und der medienlinguistischen Prävention. Ich bin Preisträgerin des 25-Frauen-Awards von Edition F und Forschungspartnerin des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache Mannheim.
Meine Forschung verbindet die drei Arbeitsbereiche Pragmatik (insbesondere mit den Teildisziplinen Erwerb und Didaktik, Interaktions- und Diskurslinguistik), Angewandte Linguistik (mit den Teildisziplinen Internetlinguistik, medienlinguistische Prävention, Soziolinguistik, Sprachkritik, Digitale Ethnographie und Ethik) und Psycholinguistik (mit besonderem Schwerpunkt auf dem Zusammenwirken von Sprache, Emotion und Kognition).
Dabei werden drei zentrale Leitfragen bearbeitet:

  1. Wie interagieren Menschen unter spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen sprachlich miteinander, was trägt dabei zum gegenseitigen Verstehen bei, was führt zu Konflikten und welche Rückschlüsse über menschliche Kommunikation, Kognition und gesellschaftliches Zusammenleben lassen sich daraus ziehen?
  2. Mit welchen linguistischen Methoden können diese Fragestellungen untersucht werden und welche ethischen Herausforderungen ergeben sich daraus?
  3. Wie positioniert sich die Linguistik im medialen Wandel?

Den oben genannten Fragen wende ich mich in den folgenden vier Themenfeldern zu:

  • Digitale Interaktion
  • Methoden der Internetlinguistik und Ethik
  • Wissenschaft und Öffentlichkeit sowie
  • Digitalisierung der Lehrmethoden in Schule und Universität

Insgesamt richte ich mich aus an Herausforderungen und Folgen des Digitalen Wandels für die linguistische Disziplin und deren Vermittlung. Entsprechend werden semantisch-pragmatische, kognitive, interaktionsorientierte, methodologische und ethische Perspektiven auf Sprache und Kommunikation im Internet-Zeitalter und Methoden des Erkenntnistransfers in die Gesellschaft fokussiert.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Sprache ist unser wichtigstes Kommunikationsmittel. Die Angewandte Sprachwissenschaft interessiert sich insbesondere für Sprache im konkreten Gebrauch, das betrifft uns einfach. Wie interagieren wir? Wie sichern wir ab, dass wir uns verstehen? Wie drücken wir Gefühle aus? Das sind Fragen, die uns in unserem Alltag herausfordern. Wie sie als kommunikative Aufgaben bewältigt werden, kann uns Aufschluss über uns Menschen und unser Zusammenleben in einer Gesellschaft geben.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich würde gern in der Woche über meinen ganz aktuellen Aufgabenbereich twittern, der zwei Ämter inkludiert. Ich bin Geschäftsführerin des Instituts für Deutsche Sprache an der Universität Greifswald, aber seit dem 1.4. auch Prorektorin für Kommunikationskultur, Personalentwicklung und Gleichstellung. Privat bin ich Elternsprecherin.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich mag diese Frage, ich wünschte, ich hätte mehr Zeit zum Malen und für Ausdauersport.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Das wären Tage in Bewegung, möglichst zu Fuß oder auf dem Rad immer entlang der Küste, und da reicht schon der  Greifswalder Bodden.

Bitte begrüßt Konstanze ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, April 11, 2021

In Ton, Bild, und Comic - Véronique Sina ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Véronique Sina (@vesin9) vorstellen zu dürfen! Véronique arbeitet und forscht als Postdoc im Bereich Filmwissenschaft/Mediendramaturgie am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zuvor war sie als Akademische Mitarbeiterin an den medienwissenschaftlichen Instituten der Universität zu Köln, der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Ruhr-Universität Bochum tätig. An der Ruhr-Universität Bochum hat sie am Institut für Medienwissenschaft mit einer Arbeit zu Comic – Film – Gender. Zur (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm (transcript 2016) promoviert. Derzeit verfolgt sie ein Habilitationsprojekt zur diskursiven Konstruktion geschlechtlich codierter kultureller jüdischer Identität(en) in (audio-)visuellen Medien. Von 2017 bis 2019 war sie als Postdoc am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“ assoziiert. Aktuell ist sie an der Siegener Forschungsstelle „Queery/ing Popular Culture“ sowie am SELMA STERN ZENTRUM für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg assoziiert. Zudem ist sie Mitglied im DFG-Netzwerk „Gender, Medien und Affekt“. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen: Gender und Queer Studies, Visual Studies, Medienästhetik, Holocaust Studies, Jewish Cultural Studies, Comic‐, Intersektionalitäts- und Intermedialitätsforschung. Sie ist Mitbegründerin und Sprecherin der AG Comicforschung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) sowie Mit-Herausgeberin der interdisziplinären Publikationsreihe „COMICSTUDIEN“, die im de Gruyter Verlag erscheint. Homepage: www.veronique-sina.de

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

In der Wissenschaft bin ich über einen Umweg gelandet. Eigentlich wollte ich mal PR machen und da es keine klassische Ausbildung zur Pressesprecherin gibt, hieß es damals „studiere am besten Journalistik, Kommunikationswissenschaft, etwas mit Sprachen oder Medien“. Medien haben mich schon immer interessiert, daher habe ich mich an der Ruhr-Universität Bochum auf einen Studienplatz im Fach Film- und Fernsehwissenschaft beworben, den ich dann auch erhalten habe. Als ich nach dem ersten Studienjahr vom Magister in den damals neu eingeführten Bachelor-Studiengang „Medienwissenschaft“ gewechselt bin, ist noch mein zweites Fach Amerikanistik/Anglistik dazu gekommen, damit hatte ich dann auch die Sprachen abgedeckt. Da meine Mutter Französin ist und ich zweisprachig aufgewachsen bin, haben mich alle immer gefragt, warum ich mich nicht für Romanistik als zweites Fach entschieden habe. Für mich war das logisch: Französisch kann ich schon, da studiere ich doch lieber eine Sprache, die ich noch nicht so sicher beherrsche. Damals war mir natürlich nicht klar, dass Romanistik bzw. Amerikanistik/Anglistik mehr bedeutet als „nur“ die Sprache zu sprechen… Ich habe meine Wahl jedoch nie bereut, sondern die Kombination der beiden Disziplinen hat für mich immer sehr viel Sinn gemacht! Beide Fächer – Medienwissenschaft und Amerikanistik/Anglistik – habe ich auch im Master studiert. Während des Masters habe ich gemerkt, wie gerne ich wissenschaftlich arbeite und irgendwann dachte ich mir, vielleicht mache ich ja schon längst das, was ich beruflich machen möchte: kritisch über Medien nachdenken, ihre Inhalte analysieren und Funktionsweisen offenlegen. In der letzten Phase meines Masterstudiums packte mich der Ehrgeiz und ich habe mit mir selbst den Deal gemacht, dass ich promoviere, falls die Abschlussarbeit besser als 2,0 wird – und so war es dann auch! Über Jobchancen in der Geisteswissenschaft habe ich mir damals – sehr naiverweise – keine Gedanken gemacht. Vielmehr wollte ich erstmal schauen, ob ich es überhaupt schaffe zu promovieren und ein Buch zu schreiben. Die harte Realität hat mich während der Promotionszeit eingeholt. Zum Glück konnte ich mich über wissenschaftliche Hilfskraftstellen, Lehraufträge und Promotionsstipendien finanzieren, bis es dann (zum Ende meiner Promotionszeit) mit der ersten Anstellung als Wissenschaftliche Mitarbeiterin geklappt hat.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin ein großer Fan der Medienwissenschaft! Was ich besonders mag, ist die Vielfalt der Zugänge, Fragestellungen und Gegenstände, mit denen ich mich als Medienwissenschaftlerin auseinandersetze. Die Analyse unterschiedlicher Medien, ihrer Produktions- und Rezeptionslogiken sowie ihrer technischen Rahmenbedingungen, institutionellen Verankerungen, historische Traditionslinien und intermedialen Relationen stehen dabei genauso auf der Tagesordnung wie die Kombination verschiedener interdisziplinärer Ansätze. In meiner Forschung beschäftige ich mich beispielsweise mit unterschiedlichen Medien wie Comic, Film und Fernsehen und beleuchte meine Gegenstände aus einer hegemonie- und machtkritischen, gender- und queer-theoretischen Perspektive. Gleichzeitig beschäftige ich mich mit Fragen der Jewish Studies, der Medienästhetik, Holocaust- und Antisemitismusforschung sowie der visuellen Kultur. In der Medienwissenschaft ist das alles möglich und das fasziniert und begeistert mich sehr!

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Seit November 2020 bin ich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Filmwissenschaft/Mediendramaturgie am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig. Meine Hauptaufgaben liegen in der Forschung und Lehre. Pro Semester unterrichte ich zwei Lehrveranstaltungen.  Im Sommersemester 2021 leite ich etwa einen von drei parallelen Lektürekursen zur Einführung in die Kulturanalyse und unterrichte zudem ein Seminar zur medialen Figur der Hexe aus queer-feministischer Perspektive. Das alles findet momentan natürlich digital statt. Neben der Lehre und meinen Aufgaben am Institut forsche ich im Rahmen meines Habilitationsprojektes „Queering Jewishness – Jewish Queerness“ zu geschlechtlich codierten jüdischen Identitäten in audiovisuellen Medien. Darüber hinaus engagiere ich mich in verschiedenen Netzwerken und Institutionen. Gemeinsam mit Kolleg_innen der Universität Siegen veranstalte ich im Sommersemester außerdem eine interdisziplinäre Online-Vortragsreihe rund um das Thema Queer Studies und populäre Medienkulturen, auf die ich mich schon sehr freue.

Ganz aktuell bin ich überdies an der Organisation und Durchführung einer interdisziplinären Tagung beteiligt, die von der Volkswagen-Stiftung gefördert wird und im Oktober 2021 zum Thema "Race, Class, Gender & Beyond – Intersektionale Ansätze der Comicforschung" stattfinden wird, auch darauf freue ich mich schon sehr. Schließlich versuche ich meine bisherigen Erfahrungen, die ich in der (Medien-)Wissenschaft sammeln konnte, so oft und gut wie möglich mit Kolleg_innen zu teilen und weiterzugeben. Daher freut es mich besonders, dass ich bereits verschiedene Dissertationsprojekte, z.B. im Rahmen von Mentoringprogrammen, begleiten durfte bzw. betreuen darf.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
In dem Buch "Die Realität der Massenmedien" von Niklas Luhmann findet sich folgender Satz, der die Wichtigkeit und gesellschaftliche Relevanz von Medien - und damit auch der Medienwissenschaft - ziemlich gut auf den Punkt bringt: "Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien". Im Kontext meiner medienwissenschaftlichen Forschungs- und Lehrtätigkeit setze ich mich als Medienwissenschaftlerin gezielt mit gender- und queer-theoretischen Themen auseinander. Ebenso greife ich Aspekte der Antisemitismus- und Holocaustforschung, der Dis/ability-, Postcolonial- und Age Studies im Rahmen meiner Arbeit auf und mache so auf gesellschaftliche Normierungs- und Ausschlussmechanismen aufmerksam. Neben der Vermittlung in Forschung und Lehre gestalte ich regelmäßig Konferenzen, Workshops, Podiumsdiskussionen, Vortragsreihen, Screenings und Ausstellungen, die gesellschaftspolitische Aspekte von Heterogenität und Vielfalt thematisieren und sie für eine interessierte Öffentlichkeit zugänglich machen. Mit solchen Veranstaltungen möchte ich meiner Verantwortung als Wissenschaftlerin nachkommen, wichtige Perspektiven meines Forschungsthemas einer breiteren Zielgruppe zu vermitteln. Denn wenn die entsprechenden Diskurse den so genannten ‚Elfenbeinturm‘ nicht verlassen, können sie nur begrenzt zu der aktiven Gestaltung und Umsetzung diskriminierungs- und ausschlussfreier Räume beitragen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich bin aktuell in verschiedenen Netzwerken und Fachgesellschaften aktiv. Seit über 10 Jahren bin ich etwa Mitglied in der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM). Dort habe ich gemeinsam mit ein paar Kolleg_innen 2013 die AG Comicforschung gegründet, deren Sprecherin ich seitdem bin. Die AG hat sich die Sichtbarmachung, interdisziplinäre Förderung, Bündelung und Vernetzung comicbezogener Forschungsarbeit zum Ziel gesetzt und veranstaltet zu diesem Zweck regelmäßig Tagungen, Workshops und Diskussionsforen und publiziert auch rege. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist mir das "Forum Antirassismus Medienwissenschaft" der GfM sowie die Mitarbeit in dem neu gegründeten DFG-Forschungsnetzwerk "Gender, Medien und Affekt". Zudem bin ich seit letztem Jahr assoziiertes Mitglied an der Siegener Forschungsstelle „Queery/ing Popular Culture“ sowie am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen gebe ich die interdisziplinäre Publikationsreihe „COMICSTUDIEN“ heraus, die im de Gruyter Verlag erscheint.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Als Medienwissenschaftlerin habe ich viele meiner Hobbies (Lesen, Comics, ins Kino gehen, etc.) zu meinem Beruf machen können, was wirklich großartig ist! Außerdem koche ich sehr gerne und versuche regelmäßig Sport zu treiben. Ich würde auch Reisen zu meinen Hobbies zählen und hoffe sehr, dass dies bald wieder möglich ist!

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
An einem idealen freien Tag muss ich nicht auf die Zeit oder auf Termine achten! Ich kann ausschlafen, abschalten und entspannen (was auch bedeutet, dass ich den halben Tag im Pyjama verbringe…). Ich denke mal nicht über Deadlines und Aufgaben auf meiner To Do-Liste nach, die es noch zu erledigen gilt. Ich frühstücke vorm Fernseher, lese und verbringe Zeit im Freien und/oder schaue mir eine Ausstellung an und Treffe Freund_innen. Zum Ausklang des Tages einen schönen Aperitif, idealerweise auf dem Balkon, und ein leckeres Abendessen.

Bitte begrüßt Véronique ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, April 4, 2021

Prävention im Dunkelfeld - Julia Nentzl ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Julia Nentzl (@JNentzl) vorstellen! Julia ist eine in Berlin und Leipzig tätige Psychologin mit Spezialisierung in Rechtspsychologie. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Therapeutin für Gewalt- und Sexualstraftäter im Freiheitsentzug sowie unter Bewährung. In ihrer aktuellen verhaltens- und sexualtherapeutischen Arbeit im Präventionsprojekt Dunkelfeld Leipzig behandelt sie anonym Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und darunter leiden. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der Verhinderung von sexuellem Kindesmissbrauch, welchen sie als Doktorandin an der Humboldt-Universität zu Berlin interkulturell untersucht. Zudem ist sie als Lehrbeauftragte an der Hochschule Stendal tätig und lehrt Diagnostik und Behandlung von Gewalt- und Sexualstraftätern.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Die Idee Psychologie zu studieren und anschließend Therapeutin zu werden entstand schon während des Abiturs. Die Vorlesungen im Studium zu Statistik und wissenschaftlicher Methodik waren erstmal dröge. Mein Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten kam dann mit der Bachelorarbeit. Selber eine wissenschaftliche Frage zu formulieren und durch eigene Untersuchungen Antworten zu finden – das war der Punkt im Studium, als die Forscherin in mir geboren wurde.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Während des Studiums habe ich eine Vorlesung zu Sexualwissenschaften an der Charité Berlin besucht und war thematisch sofort gefesselt. Gerade das Thema der sexuellen Präferenzstörung, also wenn durch abweichende sexuelle Vorlieben die betroffene Person leidet oder andere zu Schaden kommen, hat mich interessiert. Ich wollte mich der herausfordernden Aufgabe annehmen, Betroffene dabei zu unterstützen, die eigene sexuelle Präferenz zu akzeptieren und problematische sexuelle Impulse zu kontrollieren. Menschen mit Pädophilie, also einer sexuellen Ansprechbarkeit für Kinder, sind häufig von Stigmatisierung betroffen, denn die Pädophilie wird häufig direkt mit dem Begehen eines sexuellen Kindesmissbrauchs gleichgesetzt. Auch Therapeuten scheuen sich teilweise, Menschen mit sexuellem Interesse an Kindern zu behandeln. Ich wollte mich der Herausforderung stellen, Aufklärungsarbeit zu leisten und mich dieser speziellen Patientengruppe anzunehmen.  So habe ich dann mein erstes Praktikum beim Präventionsprojekt Dunkelfeld, einem anonymen Behandlungsprogramm für pädophile Männer, begonnen und bin seitdem in diesem Feld tätig.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
In meiner Tätigkeit im Präventionsprojekt Dunkelfeld führe ich Diagnostik und Therapien durch. In einem gründlichen klinischen Interview – ergänzt durch Fragebögen und Tests – untersuche ich, ob eine sexuelle Ansprechbarkeit für Kinder vorliegt und ob unser Behandlungsangebot für den Patienten passend ist. Ich führe auch Psychotherapien durch, entweder als Gruppen- oder Einzeltherapie. Vor allem geht es dabei um das Erlernen und Trainieren von Kompetenzen zum sicheren, nicht fremd- und selbstgefährdenden Umgang mit eigenen sexuellen Impulsen. Neben der klinischen Arbeit bleibt manchmal auch etwas Zeit für Begleitforschung, wo ich Daten aus den Fragebögen, Tests und Therapieverläufen statistisch auswerte. Die Fragestellungen variieren zwischen methodischen Fragen, z.B. wie gut bestimmte Fragebögen in unserer Patientengruppe messtechnisch funktionieren, und klinischen Fragestellungen, beispielsweise welche Faktoren das Risiko für problematisches sexuelles Verhalten erhöhen oder auch, welche Effekte denn unter der Therapie zu verzeichnen sind.
Neben meiner Tätigkeit im Präventionsprojekt Dunkelfeld bin ich als Dozentin tätig und betreue auch hin und wieder Abschlussarbeiten; diese dann gerne im Rahmen meines Dissertationsprojekts. Neben der Berufstätigkeit genügend Zeit für die Doktorarbeit zu finden ist nicht immer einfach, selbst für arbeitssame Organisationstalente wie mich.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Für die Prävention von sexueller Gewalt ist für mich die Arbeit mit potentiellen Tätern, also Menschen die z.B. aufgrund einer Pädophilie ein erhöhtes Risiko für das Begehen eines Missbrauchs haben, und auch die Arbeit mit Tätern, die ihre Fehler nicht wiederholen wollen, unabdingbar. Ich sehe es als besonders wichtig an, nicht nur den Schaden zu therapieren wenn er eingetreten ist, sondern zusätzlich präventiv zu wirken, um möglichst viele Opfer zu verhindern.
Präferenzstörungen sind Schicksal und nicht ausgesucht. Niemand hat die Möglichkeit zu wählen, wie alt die Person ist die Objekt des sexuellen Verlangens ist. Die betroffenen Menschen sind aber trotzdem für ihr Verhalten verantwortlich und müssen lernen, mit ihren sexuellen Wünschen und Impulsen umzugehen. Hierfür braucht es einerseits ein niederschwelliges, flächendeckendes professionelles Behandlungsangebot, und andererseits auch Aufklärungsarbeit in der Allgemeinbevölkerung, um die Betroffenen bei ihrer Verantwortungsübernahme zu unterstützen. Oft ist es ihnen nicht möglich, das soziale Umfeld einzuweihen. Ein Beispiel: Ein trockener Alkoholiker, der von seinem Nachbarn auf einen Wein eingeladen wird, wird meist als verantwortungsvoll wahrgenommen, wenn er die Einladung mit Verweis auf die Suchtproblematik dankend ablehnt. Ein Mann mit sexuellem Interesse an Kindern, der im Familien- oder Freundeskreis gebeten wird, kurz auf ein Kind alleine aufzupassen, und dies ablehnt mit der Begründung, dass es aufgrund seiner sexuellen Ansprechbarkeit für ihn eine Risikosituation darstelle, würde hingegen starker Stigmatisierung ausgesetzt sein, wenn nicht sogar als Kinderschänder vorverurteilt werden. Die Betroffenen fühlen sich aufgrund ihrer Präferenz eh schon häufig als Außenseiter und versuchen sozial wenig aufzufallen. Dies kann dazu führen, dass sie sich aus Erklärungsnot in Situationen begeben, die ihr Risiko für Problemverhalten erhöht. Ich denke, dass eine Sensibilisierung zu diesem Thema es den Betroffenen erleichtert, sich professionelle Hilfe und Unterstützung im sozialen Umfeld zu suchen.

 Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Um mich in Sexualtherapie weiterzubilden, schaue ich seit letztem Jahr über den Tellerrand der Sexualdelinquenz hinaus und behandele auch in Patienten, die Probleme im Bereich der sexuellen Funktion haben (z.B. Erektionsstörungen) oder sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.
Zu psychologischen Fragen, über die ich in meiner Arbeit stolpere, schreibe ich seit neuestem Blog-Artikel auf Medium.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Kochen ist eine große Leidenschaft von mir. Wenn ich abends von der Arbeit nach Hause komme, koche ich ein leckeres Gericht, komme so vom stressigen Arbeitsalltag runter und schalte richtig ab. Sehr gerne lese ich auch, das hilft mir zu entschleunigen und ich lerne immer wieder andere Perspektiven zu übernehmen. Am Wochenende treffe ich mich gerne mit Freunden und erfreue mich des Austausch und gemeinsamer Unternehmungen.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ein freier Tag ist dadurch gekennzeichnet, dass kein Wecker klingelt und ich richtig ausschlafe. Gerne frühstücke ich bei gutem Wetter auf dem Balkon, mache dann etwas Sport und gehe am Nachmittag in den Park. Da entspanne ich im grünen Gras mit einem Buch oder gerne auch mit Freunden.

Bitte begrüßt Julia ganz herzlich bei Real Scientists DE!