Hier ist Stefan in seinen eigenen Worten...
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Unbeabsichtigt. Im Ernst. Ich habe zwar nebst meiner Arbeit als Architekt immer geschrieben und war in Teilzeit stets an Hochschulen tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Beim Schreiben geht’s aber vorwiegend um das Beziehen einer architektonischen städtebaulichen Position, die wiederum in der Lehre von Bedeutung ist. Nie aber habe ich auch nur im Ansatz daran gedacht zu promovieren, da zum einen Architektur als nicht wissenschaftliche Disziplin gilt und es zum anderen hieß: nur unfähige Architekten doktorieren (im Selbstverständnis der Architektinnen und Architekten hat der Architekt/die Architektin in erster Linie die Aufgabe, schöne Häuser zu entwerfen - bei Berufungen für Professuren zählen denn auch in der Regel nicht die Forschung, sondern das gebaute Werk). Ich wurde aber eines Tages von einem Professoren mit Hintergrund Wirtschaftsgeschichte - von dem ich inhaltlich sehr viel halte - angefragt, ob ich nicht über ein städtebauliches Thema doktorieren möchte. Das heißt in der Architektur, dass man sich wissenschaftliche anerkannt Forschungsmethoden aus bspw. Geschichte, Soziologie, Ethnologie, etc. aneignet und sich so städtebauliche architektonische Phänomene untersucht. Da mich a. seine Auseinandersetzungen mit Architektur und Stadt interessierte, b. die Betreuungsperson sich als äußerst fair und aufrichtig erwies (gemäß Umberto Eco einer der wichtigsten Faktoren wenn es darum geht, eine
wissenschaftliche Arbeit zu schreiben) habe ich zugesagt. Den Entscheid habe ich bis heute nicht bereut. Auch bin ich deswegen kein schlechterer Architekt geworden - aber sicher ein kritischerer gegenüber der Profession. Parallel zu meiner Forschungstätigkeit habe ich drum auch im eigenen Büro in Zürich und Graubünden gearbeitet und Bauten realisiert.
Architektur und Stadt haben mich seit ich fünfzehn Jahre alt bin fasziniert - auch wenn ich in den Schweizer Bergen auf dem Land aufgewachsen bin. Nach dem Architekturstudium hat mich vor allem interessiert, wie es dazu kommt, dass das, was im Studium vermittelt und in den Architekturbüros erarbeitet wird - sich kaum auf die Stadt des Alltags auswirkt. Das war denn auch die Ausgangsfrage meiner Doktorarbeit: Wie kommt es zur Diskrepanz zwischen dem was Planer beabsichtigen und dem, was sich in der Stadtwirklichkeit tatsächlich abzeichnet. Die Diskrepanz ist groß. Wo also liegen die Grenzen und Chancen der Planung im Spiegel der städtebaulichen Praxis? Ich habe mich also mit der Wirkungsgeschichte und der Rolle von Architekten und Architektinnen und ihren Handlungsstrategien im Alltag auseinandergesetzt. Das tue ich heute noch. Ich profitiere auch in meiner Architekturpraxis von dieser Arbeit und umgekehrt. Deshalb werde ich dieses Thema auch weiter verfolgen.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich bin in der Lehre und Forschung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften tätig und leite zusammen mit Regula Iseli das Institut Urban Landscape mit rund 20 Personen. An unserem Departement erachten wir es als äußerst wichtig, dass die Dozierenden und Forschenden parallel in der Praxis tätig sind, da Lehre und Forschung in Architektur im angewandten Bereich zu verorten ist. Das heißt, dass der Praxisbezug ein Stück weit auch das Vertrauen in meine Lehrbefähigung, aber auch in die Praxistauglichkeit der Forschung stärkt. Im Büro arbeite ich an städtebaulichen Studien und architektonischen Projekten. Ich selber arbeite dabei in Zürich mit zusammen mit einem Partner in Graubünden. Der Spagat ist groß, die Zeit ist knapp, aber eben die gegenseitig Befruchtung sehr groß.
Die öffentliche Hand investiert sehr viel Geld in die Planung von Quartieren, Siedlungen, Infrastrukturen, öffentlichen Raum, Studien zur zukünftigen Entwicklung, und gleichzeitig sind zumindest im Städtebau und in der Raumplanung nur sehr wenige Auswirkungen dieser Planungen im Alltag sichtbar - insbesondere in den Agglomerationen und Metropolitanräumen, also außerhalb der historischen Dorf- und Stadtkerne. Dies hängt zusammen mit der Kurzfristigkeit gesellschaftlicher Bedürfnisse und der Langfristigkeit der Planungen. Das heißt vereinfacht gesagt, was heute geplant wird, interessiert morgen kaum mehr jemanden. Planungen verliert also im Laufe der Zeit die gesellschaftliche Entsprechungen - sie werden (wenn die Verknüpfungen zu sich verändernden Bedürfnissen der Gesellschaft nicht aufrecht erhalten werden) zur Makulatur. Dies ist vorwiegend auf Misskonzeptionen der Handlungsstrategien in Architektur und Städtebau zurückzuführen. Planer und Planerinnen sind sich ihrer nicht intendierten Folgen durch Planung zu wenig bewusst. Planer und Planerinnen gehen von Ursache und Wirkung aus. Der Alltag zeigt aber eher die Verkettung von Ursache mit Ursache mit Ursache. Ich kann durch meine Arbeit aufzeigen, wie planerische Inhalte über längere Zeit „im Gespräch“ bleiben können und was zu tun ist, damit sich die Realisierungschancen planerischer Ziele verbessern. Wer sich also für meine Forschung interessiert, erhält als Resultat nicht nur die (nach baukünstlerischen Kriterien) schönere Stadt, sondern setzt seine Mittel auch effizienter ein (allerdings ohne Garantie ;-))
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Nebst Lehre, Forschung und Praxis bin ich in Vorständen von Berufsverbänden wie Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (SIA) und Beobachter für Wettbewerbe und Ausschreibungen (BWA) tätig
Architektur, Städtebau, Skifahren, Wildwasserkajak (wobei für die letzten beiden Positionen kaum Zeit bleibt)
Der ideale freie Tag verbringe ich mit meiner Familie.
Bitte begrüßt Stefan ganz herzlich bei Real Scientists DE!
Bitte begrüßt Stefan ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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