Sunday, October 2, 2022

Serien-Junkies aufgepasst! Melissa Schuh ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unsere neue Kuratorin Melissa Schuh (@schuh_melissa)! Melissa Schuh ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Habilitandin am Lehrstuhl für Anglistik am Englischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie hat 2019 am English Department der Queen Mary University of London mit einer literaturwissenschaftlichen Doktorarbeit zu narrativen Strategien in zeitgenössischen autobiographischen Texten mit dem Titel “The (Un-)Making of the Novelist’sIdentity promoviert. Davor hat sie Anglistik, Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der University of Nottingham und der University of Oxford studiert. Sie ist Mitherausgeberin des Journals C21 Literature: Journal of 21st Century Writings. Darüber hinaus ist sie Vertrauensdozentin für Diversität, Gleichstellung und Inklusion am Englischen Seminar und stellvertretende Diversitätsbeauftragte für die philosophische Fakultät der CAU Kiel.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Bereits zu Schulzeiten habe ich mich sehr für Sprache, Geschichte, Literatur und Kultur interessiert und hatte das Privileg bei außerschulischen Programmen, wie sprachwissenschaftlichen Kursen auf der JuniorAkademie und SchülerAkademie, undim Zuge meiner Facharbeit in Geschichte wissenschaftliche Fragestellungen und Arbeitsweisen kennenzulernen. Im Anglistik- und Germanistikstudium in Nottingham wurde ich stetig von neuen Ideen und interessanten Fragen weitergetrieben. So schrieb ich zwei Bachelorarbeiten: eine zur Rolle des Publikums in einer bestimmten Romeo and Juliet Inszenierung des Nottingham Playhouse und eine weitere zu Motiven von Widerstand und Anpassung im autobiographischen Werk des ostdeutschen Autors Günter de Bruyn, wobei diese später zu meinem ersten publizierten Aufsatz wurde. Während ich meine komparatistische Masterarbeit zu Fiktionalität und Faktualität im Werk von Philip Roth und Günter Grass in Oxford schrieb, entwarf ich vier verschiedene Dissertationsprojekte, weil ich so viele darüberhinausgehende Ideen hatte. Meine letztendliche Doktorarbeit war ein darauf aufbauendes Projekt zu narrativen Strategien von Fiktionalität in der Selbstdarstellung zeitgenössischer Autobiographien, dass ich an der Queen Mary University of London durchführen konnte, weil ich das Glück hatte in meinem Forschungsbestreben stets von Mentor*innen und meiner Familie unterstützt zu werden


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Themen und Fragen rund um Sprache, Literatur und Kultur beschäftigen mich seit meiner Kindheit, da ich zweisprachig und als Teil einer großen diasporisch zerstreuten Verwandtschaft aufgewachsen bin, so kam ich dazu Literatur-, Kultur-, und Sprachwissenschaft zu studieren. Im Studium hat mich ein Kurs zu „German Life Writing“ (Life Writing ist ein Überbegriff für biographische und autobiographische Formen) von Professor Roger Woods besonders inspiriert, weshalb ich mich seit meiner Promotion immer wieder mit Fragen zu diesen Textformen beschäftige: was führt uns als Leser*innen dazu Autor*innen zu vertrauen oder zu misstrauen, wenn sie über ihr Leben schreiben? Welche stilistischen Formen tragen zu solchen Leseerfahrungen bei? Welche Rolle spielt insbesondere Fiktion bzw. Fiktionalität in Texten, die einem Wahrheitsanspruch unterworfen sind? Diese und weitere Fragen haben mich tief in die Literatur- und Kulturwissenschaft katapultiert und mein Interesse daran, wie die kulturelle Produkte (wie Texte, Filme, Serien), die wir erleben funktionieren und aufgebaut sind, warum wir sie konsumieren und welche Auswirkungen dies auf gesellschaftliche und politische Diskurse hat, bleibt unerschöpft. Außerdem möchte ich als Woman of Colour in meiner wissenschaftlichen (und Lehr-) Praxis einen Beitrag dazu leisten, dass in Bildung und Wissensproduktion diverse Perspektiven und Stimmen gehört und gesehen sowie strukturelle Hürden abgebaut werden. Diese Verantwortung fließt in all meine Forschungs- und Lehrtätigkeit ein und ist neben meinem wissenschaftlichen Erkenntnisdrang zentral für meine Motivation in der Wissenschaft zu arbeiten.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Neben meinem anhaltenden Interesse in Life Writing Studies beschäftige ich mich in meinem Habilitationsprojekt mit seriellen Formen in Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts. Seit dem Einzug von Streamingdiensten wie Netflix und auch dem weitreichenden Erfolg von seriell publizierten Fantasy-Romanreihen, zieht das Format Serie mehr Aufmerksamkeit auf sich und ist allgemein als populäre Form bekannt. Dabei liegt allerdings ein großer Fokus auf Serialität in Form von narrativer Kontinuität und Fortsetzung, also zum Beispiel die Frage „Wie geht es weiter?“ nach einem Cliffhanger oder wie die narrativen Stränge eines seriell publizierten Werks zu einer zufriedenstellenden Fortsetzung oder gar einem Ende zusammenkommen. Ich interessiere mich für Formen von Serialität, also Prozesse um Wiederholung und Variation, die anders funktionieren. So kommen in Literatur und Medien auch stilistische Wiederholungen und Adaptionen vor, Werke können lose im selben Universum verortet sein ohne narrativ aufeinander aufzubauen, wiederkehrende Figuren, Orte, Motive und Ideen können seriell zusammenhängend gelesen werden. Ich erforsche welche Effekte solche weniger auf narrative Fortsetzung bezogene Arten von Serialität haben. Der Vergleich solcher alternativen Formen von Serialität kann vielleicht die Frage beantworten, warum im Zusammenspiel mit entsprechenden Marktmechanismen manche Serien als eher populär und andere als literarisch wahrgenommen werden, was auch manche literaturhistorische Kanonisierungsprozesse miterklären könnte. 

Über dieses Projekt hinaus, forsche ich auch zum Thema Brexit in jüngster zeitgenössischer Literatur, und beschäftige mich mit der Darstellung von Theorie und Aktivismus in Wissenschaftsdiskursen und der Repräsentation von Marginalisierungserfahrungen in Literatur und Medien.

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Der Konsum von Literatur, Kultur und Medien im weitesten Sinne dieser Begriffe ist allgegenwärtig und prägt gesellschaftliches und politisches Geschehen. Also steht die Frage danach wie die Form und der Inhalt eines jeden Kulturprodukts gewisse Effekte hervorrufen und Menschen bewegen hinter allen gesellschaftlichen Themen, die unser Leben bestimmen, sei es etwas Abstraktes wie unser Wahrheitsbegriff (in Bezug auf Life Writing und Lebensgeschichten) oder ein konkret einschneidendes Ereignis im Zeitgeschehen, wie Brexit. Wie und warum wir uns für die zu Büchern, Filmen, Serien, Interviews, Essays, Twitterthreads, Instagram Stories etc. entworfenen Geschichten, Berichte, Zeugnisse, Perspektiven und Argumentationen von fiktionalen Figuren wie auch realen Personen interessieren hat Auswirkungen darauf, wie wir miteinander umgehen und was uns wichtig erscheint. Meine Arbeit trägt dazu bei solche Mechanismen zu verstehen und zu vermitteln.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich bin Mitherausgeberin der wissenschaftlichen online open access Zeitschrift C21 Literature: Journal of 21st Century Writings (https://c21.openlibhums.org/). Neben Lektoratsarbeit in diesem Forschungskontext, interessiere ich auch allgemein sehr für Schreibprozesse und wie man das wissenschaftliche und kreative Schreiben in Bildungskontexten vermitteln kann. Daher führe ich öfter Writing Retreats (strukturierte Schreibworkshops bei denen man an seinen eigenen Projekten arbeiten kann) für Doktorand*innen durch und betreue einen von Studierenden gegründeten Creative Writing Club. In meiner Rolle alsVertrauensdozentin für Diversität, Gleichstellung und Inklusion in meinem Institut berate ich zusammen mit meiner Kollegin Dorothee Marx Studierende zu Fragen von Diskriminierung und als stellvertretende Diversitätsbeauftragte für die philosophische Fakultät engagiere ich mich als Teil des Diversitätsteams dafür, dasssystemische und institutionelle Hürden für marginalisierte Personengruppen sichtbar gemacht und abgebaut werden. Ich bin zudem Mittelbauvertreterin im Beirat meine Instituts und im Konvent der philosophischen Fakultät und setze mich in beiden Positionen für die Interessen meiner Statusgruppe ein, die von weitreichender Befristung und daher anhaltender prekärer Lebensbedingungen geprägt ist.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich gehe gerne draußen in der Natur laufen, zum Beispiel an der Kiellinie mit Blick auf die Förde. Dabei kommen mir dann manchmal interessante Ideen und ich muss schnell nach Hause laufen, um sie mir aufzuschreiben. Außerdem stricke und häkele ich sehr gerne. In den letzten zwei Jahren habe ich über 40 Paar Socken gestrickt, aber ich häkele auch Dreieicksschalsund gerade bin ich an einer Reihe von Mützen für den Winter.Ich koche und backe auch wirklich leidenschaftlich gern und probiere immer wieder neue Rezepte aus. Neuerdings bin ich dem Sauerteig verfallen und backe entsprechend viel Brot.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?

An einem idealen Tag schlafe ich morgens aus und gehe dann für einen gemütlichen langen Lauf ans Meer oder den Fluss. Dann koche ich ein aufwändigeres Gericht (das dann auch gelingt), wie zum Beispiel Laksa (ein malaysisches Nudelgericht) nach Familienrezept, und lade dazu Familie oder Freund*innen ein. Später lese oder stricke ich auf dem Sofa oder draußen (derzeit ist Axie Oh’s The Girl Who Fell Beneath the Sea oben auf meiner Liste an Büchern, die nicht für die Arbeit sind, und die zweite Socke eines Paars in der Farbe „Ostseestrand“ möchte vollendet werden) und schaue abends mit meinem Partner eine Serie - die dann je nach ihrer seriellen Form vielleicht doch in meine Arbeit einfließen könnte.


Bitte begrüßt Melissa ganz herzlich bei Real Scientists DE!

 

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