Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Anna Neumaier (@annaneumaier.bsky.social)! Anna Neumaier ist Juniorprofessorin für Religionswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Sie hat Kulturwissenschaft, Religionswissenschaft und Musikwissenschaft in Bremen und Leipzig studiert. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte seither liegen in den Bereichen religiöser Gegenwartskultur, insbesondere Religion in digitalen Medien und deren Konsequenzen für individuelle Religiosität und das religiöse Feld im deutschsprachigen Raum. Ihre Habilitation befasst sich mit dem Wandel religiöser Biografie und Identifikation angesichts religiöser Pluralisierung, derzeit leitet sie Projekte zu Religion auf YouTube, Instagram und TikTok, in denen religiöser Content auf diesen Plattformen und dessen Rezeption erforscht wird. Außerdem ist sie Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft e.V.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Direkt nach dem Studium habe ich
eine Promotionsstelle in der Religionswissenschaft angeboten bekommen - über
die Empfehlung eines Professors, bei dem ich damals als Hilfskraft arbeitete.
Das war natürlich ein sehr glücklicher und auch einfacher Einstieg. Die Themen
haben mich interessiert, die Arbeitsbedingungen erschienen für einen
Berufseinsteiger ok, und weiter habe ich zu dem Zeitpunkt nicht darüber
nachgedacht. Die ganzen Herausforderungen wissenschaftlicher Laufbahnen kamen
dann später.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Grundsätzlich interessiert mich
einfach sehr, was Menschen wichtig ist, wie sie ihr Leben gestalten, wie sie
biografisch geprägt werden, und wie diese ganzen individuellen Leben mit
Gesellschaft und ihrem Wandel in Zusammenhang stehen. Dass ich das nun am
Beispiel von Religiosität erforsche, ist wiederum mein eigener biografischer
Zufall - es könnte wohl genauso an anderen Fragen der Lebensführung, von
Geschlecht, Familie o.ä. erfolgen. Nichtsdestotrotz ist Religion ein total
spannendes und vielfältiges Thema, bei dem sich auch Ambivalenzen,
Herausforderungen und Brüche in individuellen Biografien und Lebensgestaltung
ebenso wie gesellschaftlicher Wandel vielleicht besonders gut zeigen.
Schließlich ist einer meiner konkreten Forschungsschwerpunkte das religiöse
Feld in sozialen Medien. Hier hilft sicherlich eine gewisse
Social-Media-Addiction a.k.a eine grundlegende Lust daran, mitzukriegen, was
auf TikTok, Insta und Co. täglich passiert und das auch als ganz wichtiges
Brennglas für kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen zu begreifen.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich arbeite als Juniorprofessorin
in einem großen, sehr interdisziplinären und international geprägten
religionswissenschaftlichen Institut. Ich selbst forsche aber vor allem zum
deutschsprachigen Raum, und wie sich Religiosität hier verändert - vor allem
auch ausgelöst von digitalen Medien, konkret zum Beispiel durch religiöse
Content Creator*innen auf TikTok oder YouTube. Dafür bewegen wir uns
ethnografisch im digitalen Raum, analysieren Content, und führen aber auch
Interviews mit den Rezipient*innen dieses Contents, um zu erfahren, welche
Bedeutung dieser wirklich für sie und ihre Religiosität hat. Dass
"wir" das machen, hängt auch damit zusammen, dass man als Prof.
ehrlicherweise nur noch teilweise selbst forscht - neben Lehre und
Gremienarbeit verbringt man auch viel Zeit damit, verschiedene
Forschungsprojekte zu leiten und mit den Mitarbeiter*innen, die einen großen
Teil der empirischen Arbeit machen, im Gespräch zu bleiben, gemeinsam das
Material auszuwerten und so weiter. Daneben geht noch ein guter Teil der Zeit
für Publikationen, Herausgeberschaften und das Schreiben von
Drittmittelanträgen drauf - und natürlich für eigene Vorträge sowie den
wissenschaftlichen Austausch beim Besuch oder der Veranstaltung von Workshops
und Konferenzen. Und schließlich, nicht zu vergessen: die
Wissenschaftskommunikation.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Klar muss man sich ehrlich machen:
religionswissenschaftliche Forschung konkurriert nicht sofort mit DNA-, Klima-
oder Extremismusforschung, wenn wir an die drängenden Probleme unserer Zeit
denken. Sie kann aber pars pro toto stehen für eine kultur- oder
gesellschaftswissenschaftliche Forschung, die im Großen und im Kleinen
erschließt, wie soziale Prozesse funktionieren oder wie sich gesellschaftliche
Werte und Diskurse verändern. In meinem Fall ist außerdem der Blick auf das
sogenannte "Influencing" wichtig, das ich systematisch über die Frage
nach dem Wandel von Autoritätszuschreibungen erschließe - das ist dann doch
sogar recht tagesaktuell. Und grundsätzlich ist es natürlich ohnehin nie
verkehrt, Wissenschaft zu kommunizieren bzw. rezipieren, und nicht zu
vergessen, dass es einen Unterschied gibt zwischen fundierten,
nachvollziehbaren Erkenntnissen und haltlosen Behauptungen, wie sie uns
manchmal im politischen oder gesellschaftlichen Diskurs begegnen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen
Aufgaben/Tätigkeiten?
Neben meiner Arbeit im engeren
Sinne engagiere ich mich vor allem in der Nachwuchsförderung, z.B. in
Auswahlkommissionen für Stipendien für den DAAD und die Studienstiftung des
Deutschen Volkes e.V. Ich bin seit gut acht Jahren auch Vorstandsmitglied
unserer Fachgesellschaft, der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft
e.V. Und dann engagiere ich mich in Arbeitskreisen für Gleichstellung im
akademischen Betrieb mit Blick auf Geschlecht, Elternschaft, und faire
Karrierewege. Ich bin selbst einerseits Mutter, andererseits sogenanntes
Gastarbeiterkind, da liegt das nahe.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Das Gleiche wurde ich vor ein paar
Wochen bei einem Vorsingen auch gefragt, und musste leider während des
Antwortens realisieren, dass ich peak langweilig bin. Ich lese extrem gerne
gute Bücher (aber niemals Fachbücher!) und schaue extrem gerne schlechtes TV.
Populärkultur kann mich sehr unterhalten, von den Oscars über den ESC über die
neuesten gehypten Serien (ich bin ansprechbar für das Staffelfinale von White
Lotus und für alle tagesaktuellen TikTok-Trends). Ich spiele gern Brettspiele
(gewinne immer bei Flügelschlag, verliere immer bei Machi Koro). Sport ist
eigentlich ein No-Go für mich, aber um meinem Körper und meinem Arbeitgeber
entgegenzukommen, gehe ich sehr regelmäßig schwimmen. Ansonsten, ehrlich, mit
Vollzeitjob und Grundschulkind bleibt auch einfach nicht viel Zeit übrig.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Ich wache meist
gegen 6 Uhr auf, aber an einem idealen Tag schaffe ich es, nochmal wegzudösen,
denn es schwirren noch keine Gedanken in meinem Kopf herum, die mich
wachpieksen würden. Danach wartet ein ruhiger Tag, der auf jeden Fall eine Zeit
mit einem Buch in der Sonne beinhaltet, und in dem mein Partner und Sohn
vorkommen. Ich muss nicht auf die Uhr schauen. Es gibt Nudeln und Eis.
Bitte begrüßt Anna ganz herzlich bei Real Scientists DE!
No comments:
Post a Comment