Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Hagen Blix (@hagenblix.bsky.social)! Hagen ist Kognitionswissenschaftler und Linguist in New York. In seiner Dissertation ging es vor allem um Syntax, und die Frage was die kleinsten Bausteine der Sprache sind, aber in den letzten Jahren hat er vor allem an künstlicher Intelligenz und deren politischer Ökonomie gearbeitet. Mit Ingeborg Glimmer hat er gerade das Buch Why We Fear AI veröffentlicht.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Mich hat eigentlich immer schon interessiert "was die Welt im Innersten zusammenhält". Und wahrscheinlich hatte ich viel Glück, dass mir die Neugierde darüber, wie Dinge funktionieren, mit denen ja die meisten Kinder der Welt erstmal begegnen, weder abhandengekommen, noch ausgetrieben worden ist.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Ich bin eigentlich Kognitions- und Sprachwissenschaftler, und in den letzten Jahren hat mich interessiert, was das Verhältnis zwischen Kognition und künstlicher Intelligenz ist. Zum einen sind das ganz direkte Fragen davon, was Sprachmodelle eigentlich machen, welche Teile von Sprache sie modellieren, was für Informationen in diesen Modellen eigentlich drin stecken. Da kann man Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft nutzen und damit die KI selbst untersuchen.
Als Sprachwissenschaftler hat man bis dato tendenziell eher Nischenforschung betrieben - aber in dem Moment wo Natural Language Processing oder Computerlinguistik ein Teil des ganzen KI-Komplexes werden, steht man plötzlich auch vor gesellschaftlichen Fragen. Was heißt da überhaupt "Intelligenz", hat das hier mit Fragen von Kognition zu tun, oder ist das eher eine Frage davon, wie unsere Gesellschaft organisiert ist? Was für Effekte hat das, wenn wir jetzt die Produktion von Sprache teilautomatisieren können? Und da fangen Felder wie z.B. Science and Technology Studies eine Rolle zu spielen.
Und weil ich glaube, dass die Geschichte zeigt, dass Wissenschaftler die gesellschaftlichen Effekte ihrer Forschung ernst nehmen müssen, bin ich gerade an diesem Spannungsfeld interessiert, daran, was man die politische Ökonomie von KI nennen könnte.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Gemeinsam mit Ingeborg Glimmer habe ich gerade ein Buch geschrieben, Why We Fear AI. Da gehen wir solchen gesellschaftlichen Fragen zur KI nach. Warum sagen selbst Leute, die die KI programmieren, dass sie nicht verstehen, warum oder wie sie funktioniert? Wenn ein Sprachmodell eine Textsammlung modelliert, was wird da eigentlich als "normaler Text" festgeschrieben? Welche Kriterien bestimmen eigentlich, wo in der Gesellschaft oder an Arbeitsplätzen Informationsverarbeitung stattfindet? Hat das nur was mit Effizienz zu tun, oder auch mit Löhnen, oder sogar Macht?
Ein zentrales Argument in unserem Buch ist, dass man KI im Kontext der Geschichte von Arbeitskämpfen verstehen muss. Da geht es zum Beispiel darum, ob gewisse Fähigkeiten Mitarbeitenden oder einer Technologie wie KI zugeschrieben werden können, und darum, wer Kontrolle über bestimmtes Wissen hat, wer das beeinflussen kann, usw. Und mindestens seit dem Aufkommen des Taylorismus hat man das auch mit den Instrumenten der Wissenschaft zu beeinflussen versucht. Da verschränken sich dann Management und Vermessung der (Arbeits-)Welt, und der Taylorismus schlägt damals schon vor man müsse alles Wissen davon, wie Arbeitsprozesse funktionieren, zusammenhängen, und in welche Teile sie zerfallen, im Management konzentrieren. Da geht's natürlich darum, einzelne Leute ersetzbar zu machen, Kontrolle auszuüben, und Löhne zu reduzieren.
Für Wissenschaftler ist das eigentlich harter Tobak, weil es darum geht, Wissenschaft zu verwenden, um Wissen unzugänglich, oder zumindest unnütz für Individuen zu machen. Und wenn KI in dieser Tradition steht, wirft das einiges an Fragen auf, zu den Rollen von Wissen und Wissenschaft in der Gesellschaft, die wir alle demokratisch diskutieren müssen.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Rein als Linguist würde ich sagen, weil Sprache ein faszinierender Teil dessen ist, was uns als Mensch ausmacht. Als jemand der in den letzten Jahren zu diesen eher gesellschaftlichen Fragen gearbeitet hat, die ich gerade beschrieben habe: Weil wir dringend gesellschaftliche Reflektionen und Debatten brauchen; sonst machen das ein paar Leute in Venture Capital Bereich, und ein paar Silicon Valley Milliardäre unter sich aus.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen
Aufgaben/Tätigkeiten?
Dies und das, aber nichts, was gerade interessant für andere wäre.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich lese gerne, spiele auch gerne mal Computerspiele (gerade zum zweiten Mal Disco Elysium). Vielleicht das eigenartigste Hobby: Meine Frau und ich übersetzen gerade Wittgensteins Traktatus neu ins Englische.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur
Menschen)?
Ein paar Stunden in einem der botanischen Gärten in New York spazieren, für ein, zwei Stunden ein gutes Buch lesen, und abends mit Freunden ein Bierchen trinken.
Bitte begrüßt Hagen ganz herzlich bei Real Scientists DE!


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