Sunday, November 30, 2025

Sprachwissenschaft und KI, im Kontext der Arbeitsgeschichte! Hagen Blix ist jetzt bei Real Scientists DE!

Hagen Blix Portraitfoto
Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Hagen Blix (@hagenblix.bsky.social)! Hagen ist Kognitionswissenschaftler und Linguist in New York. In seiner Dissertation ging es vor allem um Syntax, und die Frage was die kleinsten Bausteine der Sprache sind, aber in den letzten Jahren hat er vor allem an künstlicher Intelligenz und deren politischer Ökonomie gearbeitet. Mit Ingeborg Glimmer hat er gerade das Buch Why We Fear AI veröffentlicht.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Mich hat eigentlich immer schon interessiert "was die Welt im Innersten zusammenhält". Und wahrscheinlich hatte ich viel Glück, dass mir die Neugierde darüber, wie Dinge funktionieren, mit denen ja die meisten Kinder der Welt erstmal begegnen, weder abhandengekommen, noch ausgetrieben worden ist.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Ich bin eigentlich Kognitions- und Sprachwissenschaftler, und in den letzten Jahren hat mich interessiert, was das Verhältnis zwischen Kognition und künstlicher Intelligenz ist. Zum einen sind das ganz direkte Fragen davon, was Sprachmodelle eigentlich machen, welche Teile von Sprache sie modellieren, was für Informationen in diesen Modellen eigentlich drin stecken. Da kann man Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft nutzen und damit die KI selbst untersuchen.

Als Sprachwissenschaftler hat man bis dato tendenziell eher Nischenforschung betrieben - aber in dem Moment wo Natural Language Processing oder Computerlinguistik ein Teil des ganzen KI-Komplexes werden, steht man plötzlich auch vor gesellschaftlichen Fragen. Was heißt da überhaupt "Intelligenz", hat das hier mit Fragen von Kognition zu tun, oder ist das eher eine Frage davon, wie unsere Gesellschaft organisiert ist? Was für Effekte hat das, wenn wir jetzt die Produktion von Sprache teilautomatisieren können? Und da fangen Felder wie z.B. Science and Technology Studies eine Rolle zu spielen.

Und weil ich glaube, dass die Geschichte zeigt, dass Wissenschaftler die gesellschaftlichen Effekte ihrer Forschung ernst nehmen müssen, bin ich gerade an diesem Spannungsfeld interessiert, daran, was man die politische Ökonomie von KI nennen könnte.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Gemeinsam mit Ingeborg Glimmer habe ich gerade ein Buch geschrieben, Why We Fear AI. Da gehen wir solchen gesellschaftlichen Fragen zur KI nach. Warum sagen selbst Leute, die die KI programmieren, dass sie nicht verstehen, warum oder wie sie funktioniert? Wenn ein Sprachmodell eine Textsammlung modelliert, was wird da eigentlich als "normaler Text" festgeschrieben? Welche Kriterien bestimmen eigentlich, wo in der Gesellschaft oder an Arbeitsplätzen Informationsverarbeitung stattfindet? Hat das nur was mit Effizienz zu tun, oder auch mit Löhnen, oder sogar Macht?

Ein zentrales Argument in unserem Buch ist, dass man KI im Kontext der Geschichte von Arbeitskämpfen verstehen muss. Da geht es zum Beispiel darum, ob gewisse Fähigkeiten Mitarbeitenden oder einer Technologie wie KI zugeschrieben werden können, und darum, wer Kontrolle über bestimmtes Wissen hat, wer das beeinflussen kann, usw. Und mindestens seit dem Aufkommen des Taylorismus hat man das auch mit den Instrumenten der Wissenschaft zu beeinflussen versucht. Da verschränken sich dann Management und Vermessung der (Arbeits-)Welt, und der Taylorismus schlägt damals schon vor man müsse alles Wissen davon, wie Arbeitsprozesse funktionieren, zusammenhängen, und in welche Teile sie zerfallen, im Management konzentrieren. Da geht's natürlich darum, einzelne Leute ersetzbar zu machen, Kontrolle auszuüben, und Löhne zu reduzieren. 

Für Wissenschaftler ist das eigentlich harter Tobak, weil es darum geht, Wissenschaft zu verwenden, um Wissen unzugänglich, oder zumindest unnütz für Individuen zu machen. Und wenn KI in dieser Tradition steht, wirft das einiges an Fragen auf, zu den Rollen von Wissen und Wissenschaft in der Gesellschaft, die wir alle demokratisch diskutieren müssen.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Rein als Linguist würde ich sagen, weil Sprache ein faszinierender Teil dessen ist, was uns als Mensch ausmacht. Als jemand der in den letzten Jahren zu diesen eher gesellschaftlichen Fragen gearbeitet hat, die ich gerade beschrieben habe: Weil wir dringend gesellschaftliche Reflektionen und Debatten brauchen; sonst machen das ein paar Leute in Venture Capital Bereich, und ein paar Silicon Valley Milliardäre unter sich aus.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Dies und das, aber nichts, was gerade interessant für andere wäre.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich lese gerne, spiele auch gerne mal Computerspiele (gerade zum zweiten Mal Disco Elysium). Vielleicht das eigenartigste Hobby: Meine Frau und ich übersetzen gerade Wittgensteins Traktatus neu ins Englische.


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Ein paar Stunden in einem der botanischen Gärten in New York spazieren, für ein, zwei Stunden ein gutes Buch lesen, und abends mit Freunden ein Bierchen trinken.



Bitte begrüßt Hagen ganz herzlich bei Real Scientists DE!

 

Sunday, November 23, 2025

Von Evolutionsbiologie und Ameisenpsychologie - Volker Nehring ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Volker Nehring. Volker (@volkernehring.bsky.social) ist Evolutionsbiologe und untersucht Koevolution von Parasiten und Wirten, Evolution von Sozialverhalten und chemische Kommunikation bei Arthropoden. Bisher hat er sich hauptsächlich mit Totengräberkäfern und ihren phoretischen Milben sowie Blattschneiderameisen und ihren Sozialparasiten beschäftigt. Eigentlich interessiert ihn aber alles.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich glaube ich habe nie etwas anderes gemacht als geforscht, habe mich schon immer für Naturwissenschaften interessiert. Ich fand es immer faszinieren, Dinge zu sehen oder herauszufinden, von man oberflächlich betrachtet nichts ahnt.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Vermutlich ist für Kinder der Zugang zur Wissenschaft über Viehzeug wesentlich seichter als wenn man sich mit theoretischer Physik beschäftigt. Letztendlich war es eine Kette von “ah, klingt interessant, will ich mal ausprobieren”-Events. Zum Beispiel gab es in meinem Studium 
soziale Insekten nur am Rande und ich habe dann mal bei jemanden, der mit ihnen arbeitet, ein Praktikum machen wollen. Später bin ich dann für die Doktorarbeit ins gleiche Labor gegangen. Ich habe mich auch früh für Evolutionsbiologie interessiert, spätestens ausgelöst durch die früheren Dawkins-Bücher.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich bin gewissermaßen Ameisenpsychologe. Was denken die Ameisen und wieso sind es so viele? Mich interessiert Variation zwischen Individuen im Allgemeinen (warum sind wir nicht alle gleich?) und Verhaltensvariation im Speziellen. Wie sehr werden Handlungen durch Unterschiede in der Wahrnehmung beeinflusst und wie sehr durch Entscheidungsregeln?

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Weil sie interessant ist? Aber wer weiß, vielleicht fällt auch zufällig 
mal ein Mittel gegen Haarausfall ab.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich habe mich immer in wissenschaftlichen Gesellschaften engagiert. Früher bei der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, jetzt bei den sozialen Insektenleuten Mitteleuropas (IUSSI). Zur Zeit planen wir einen internationalen Kongress in Freiburg. In wie fern die Organisation interessant ist weiß ich nicht, aber zusätzlich ist die Aufgabe auf jeden Fall. Ansonsten bin ich noch Editor bei Plos One und bei uns im 
Institut für die Sammlung zuständig (auch die Schausammlung – kommt uns gerne besuchen!).

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich brauche Bewegung, also Sport. Unter anderem laufe ich, aber Laufen finde ich wirklich nicht interessant. Als die Kinder größer wurden haben sie mich zum Fußball zurückgebracht.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? 
Inzwischen bin ich froh, wenn mal nichts passieren muss und ich wie eine Qualle durch den Tag treiben kann (Michaela würde sagen, dass Ihr das nicht gefällt).
 
Bitte begrüßt Volker ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, November 16, 2025

Stoffwechsel und Ernährung auf molekularer Ebene - Alexander Bartelt ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Alexander Bartelt. Alex (@barteltlab.bsky.social) ist Professor für Translationale Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Mich begeistern die Wunder der Natur und ich wollte schon immer den Nobel-Preis gewinnen.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich wollte gerne ein Thema erforschen, dass die Menschen im Alltag betrifft – Stoffwechsel und Ernährung sind mega wichtig für die Gesundheit, denn die führende Todesursache in Deutschland sind kardiometabolische Erkrankungen. Es gibt hier noch viel zu tun, sowohl was Grundlagen als auch Aufklärung und Therapien angeht.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Als Prof an der Uni mit Forschungslabor verbringe die meiste Zeit des Tages mit Reden, Lesen und Schreiben: Vorlesungen und Praktika für die Studis, Vorträge zu unserer Forschung, universitäre Sitzungen, doch am liebsten bespreche ich mit den Labormitgliedern die neuesten Daten.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Ernährung betrifft uns alle, doch die wenigsten wissen wirklich, was auf molekularer Ebene im Körper passiert. Viele Menschen in Deutschland kämpfen mit ihrem Übergewicht und die meisten Infos auf Social Media sind irreführend oder schlichtweg falsch. Hier sehe ich meine Rolle, wissenschaftlich fundierte Tips und Tricks unter das Volk zu bringen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich staubsauge gerne unsere Büroräume pro bono, das hilft mir zu entspannen und entlastet unsere Reinigungskräfte.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich spiele gerne, am liebsten Kartenspiele mit meinen Freunden, Skat oder auch Euchre, aber auch Brettspiele und Puzzles machen mich glücklich.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? 
Ausschlafen, alte Videospiele (Zelda!) spielen, ein Runde laufen, Nickerchen und dann ein Bier zum Skatabend.
 
Bitte begrüßt Alex ganz herzlich auf dem Kanal!


Wie unser Körper Insulin herstellt - Andreas Müller ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Andreas Müller. Andreas ist Wissenschaftler am Paul Langerhans Institut Dresden. Er untersucht die Funktion der insulinproduzierenden Betazellen mit Licht- und Elektronenmikroskopie. Sein Ziel ist die Darstellung der Feinstruktur von Betazellen und ihre Interaktionen mit ihren Nachbarzellen.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe mich schon immer für Pflanzen und Tiere interessiert und irgendwie war es dann logisch Biologie zu studieren.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin über die Mikroskopie in die Diabetesforschung gerutscht. Ich habe mir über die Jahre eine gute Expertise erarbeitet und habe eine ziemlich einzigartige Sicht auf Betazellfunktion. Deshalb ist das Feld immernoch spannend für mich und es gibt noch viel zu tun.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich forsche an den Betazellen des Pankreas. Diese Zellen stellen das Hormon Insulin her, das dafür sorgt, dass unsere Zellen Glukose aus dem Blut aufnehmen können. Funktionieren die Betazellen nicht richtig, führt das zu Diabetes. Betazellen sind Teil der Langerhansschen Inseln. Das sind Kluster aus hunderten Zellen inklusive Betazellen, aber auch anderen Zelltypen. Mich interesiert auch, wie Betazellen mit anderen Zelltypen interagieren und was das mit ihrer Funktion zu tun hat.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Ich hoffe, dass ich ein bisschen die Beigeisterung für die Nanometerwelt unseres Körpers wecken kann.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? 
Rausgehen mit den Kindern. Schwimmen oder in den Zoo.

Bitte begrüßt Andreas ganz herzlich auf dem Kanal!


Monday, October 27, 2025

Zwischen Mensch und Tier - Alexandrina Guran ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Alexandrina Guran. Alexandrina (rinaguran.bsky.social) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Medical School Hamburg und ist zudem Senior Research Fellow an der Uni Wien. Als Psychologin erforscht sie die Interaktion zwischen Menschen und Tieren.




Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe als Kind meinen Kinderarzt gefragt, wieso Männer Brustwarzen haben, wenn sie doch keine Milch geben (können sie übrigens manchmal auch). Ich glaube, ich wollte schon immer wissen wieso wir so sind wie wir sind.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Nach dem Abi wollte ich eigentlich Klavierlehrerin werden. Dafür hatte ich aber zu viel Lampenfieber. Ich habe mich letztlich für Psychologie entschieden weil es für mich eine spannende Mischung aus Naturwissenschaft und Lebens- bzw. Geisteswissenschaft war (und immer noch ist!). Es ist wunderbar interdisziplinär. Ich wollte nie Therapeutin werden, aber immer das Verhalten von Tieren und Menschen verstehen.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich habe echt Glück gehabt und bin aktuell unbefristet an einer Hochschule in Deutschland tätig. Ich versuche, in der Lehre Studierende für Forschung zu begeistern, kann meiner eigenen Forschung zu sozialen Interaktionen zwischen verschiedenen Spezies nachgehen, aber betreue auch die Labore der Psychologie. Durch das Labormanagement fühle ich mich immer produktiv, auch wenn es mal in der Forschung nicht so läuft, wie man es sich wünscht.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Ich beschäftige mich mit Interaktionen zwischen Menschen und Tieren. Tiere sind nicht nur einfach spannend, sondern sie gehören auch heute oft noch fest in unser Leben. Ohne die Domestizierung von Tieren würde unsere Gesellschaft sicher sehr anders aussehen, und wenn wir für Tiere keinen angemessenen Lebensraum schaffen und erhalten, geht es auch uns schnell schlechter. Ich finde, es ist immer von Vorteilwenn man sich bewusst Gedanken darüber macht, wie man zu den anderen Lebewesen dieses Planeten steht.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich betreibe einen WissKomm Blog auf Substackhttps://everythingisdata.substack.com/. Außerdem bin ich im Tierschutz aktiv. 
In meiner Freizeit kümmere ich mich auch viel um meine Mutter, die sehr schlimm an Parkinson leidet. Wenn ich mehr Zeit hätte würde ich mich gerne für die Belange von Menschen einsetzen, die chronisch krank sind, und für diejenigen die sich alleine um Angehörige kümmern müssen: Alleinerziehende Eltern, Minderjährige, die sich gezwungen sehen, Pflegeaufgaben zu übernehmen, Menschen ohne soziales Netz, die sich um kranke Angehörige kümmern. Diese werden in unserer Gesellschaft zu oft übersehen.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Lesen, Kreatives Schreiben und Musik. Außerdem sammle ich gerne Fossilien und Steine.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? 
Früh aufstehen, im Wald wandern. Dann ins Café gehen um dort zu lesen und zu schreiben. Abends was für meine Freunde kochen und viel lachen.

Bitte begrüßt Alexandrina ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, October 19, 2025

Schwarze Löcher, Satelliten und Sternexplosionen! Victoria Grinberg ist jetzt bei Real Scientists DE!

Portraitphoto von Victoria Grinberg
Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Victoria Grinberg (@vicgrinberg.mastodon.social.ap.brid.gy)! Victoria Grinberg studierte an der LMU München und promovierte in Bamberg und Erlangen zur Langzeitvariabilität von Doppelsternsystemen mit schwarzen Löchern. Nach Forschungsaufenthalten am MIT in Cambridge und an der Uni Tübingen arbeitet sie derzeit bei der Europäische Weltraumorganisation ESA. Victoria Grinberg setzt sich für die Popularisierung der Astrophysik und die Sichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft ein: 2020 startete sie die Twitter-Aktion #astrophysikerinnen. 2022 wurde ihr der renommierte Röntgen-Preis zuerkannt.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich habe als Jugendliche zu viele Science Fiction Bücher gelesen, die mich dazu gebracht haben, mich für Astronomie und Kosmologie zu interessieren und somit Physik zu studieren. Dann habe ich nette Leute kennen gelernt, mit denen es Spaß gemacht hat zu arbeiten. Und auf erste Praktika folgten Diplom- und dann Doktorarbeit. Mir machte es tatsächlich immer einfach Spaß, in diesem Bereich zu arbeiten, sowohl von der reinen Wissenschaft als auch von der menschlichen Seite her.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Schwarze Löcher und massereiche Sterne, also Vorläufer von schwarzen Löchern, sind einfach super spannend. Wobei ich am Anfang meines Studiums fest davon ausgegangen bin, dass ich theoretische Kosmologie machen werde. Dann habe ich aber meinen künftigen Doktorvater kennengelernt, durch ihn und seine Lebenspartnerin in Röntgenastronomie reingeschnuppert und nie wieder davon losgekommen. Halten tun mich in dem Feld aber tatsächlich die Menschen: meine Kollegen, meine Gruppe, die Postdocs, die ich für die ESA betreue, das Gefühl, etwas nützliches für die gesamte Astrophysik-Community zu machen und unser Gesamtwissen über das Universum zu erweitern.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Im Alltag verbringe ich die meiste Zeit tatsächlich mit Dokumenten, Strategieentwicklung oder Management. Nicht ganz das, was sich Leute unter "Wissenschaft" vorstellen, aber das, was die Wissenschaft ermöglichen und am Laufen hält. Die Hälfte meiner Zeit bin ich für das Research Fellowship in Space Science zuständig, das Postdoktorand:innen Programm der ESA. Ich betreue also 25 Wissenschaftler:innen, die noch eher am Anfang ihrer Karriere stehen, und zwar aus den verschiedensten Bereichen - manchmal ist die Forschung nah an meiner, manchmal arbeiten sie eher an den Eismonden des Jupiter. Die andere Hälfte meiner Zeit bin ich für unsere Strategie für Beobachtungen mit verschiedenen Observatorien zuständig. Und in meiner Wissenschaftszeit mache ich meine Forschung - ich habe eine kleine über ganz Europe verteilte Arbeitsgruppe oder arbeite lokal mit Kolleg:innen zusammen. Da lese ich Veröffentlichungen anderer Leute, entwickle Ideen, schreibe Beobachtungsanträge, analysiere Daten, die ich dann hoffentlich bekommen, und schreibe die Ergebnisse dann in Form von Papern auf - wobei ich mittlerweile auch viel andere Leute dabei betreue, das alles zu tun.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Ich mache weltraumbasierte Astronomie - wie cool ist das denn? Schwarze Löcher, Satelliten, Weltraum, Sternexplosionen, Einsteins Theorien testen, an die Grenzen unseres menschlichen Verständnisses vom Universum gehen ... Natürlich könnte ich jetzt drüber erzählen, dass aus der astronomischen Forschung und besonders aus der weltraumbasierten Forschung viele Technologien entstanden sind, die sonst vermutlich nicht entwickelt worden wären und die total nützlich sind. Stimmt auch. Aber ich glaube tatsächlich, dass unsere Welt besser zu verstehen, ein tief menschliches Bedürfnis ist. Genauso wie Kunst zu machen. Grundlagenforschung ist also einfach ein Wert an sich und genau deswegen sollten Leute sich dafür interessieren.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich zeichne recht gerne - oft thematisch passend zu meinem Arbeitsfeld - und habe einige Wissenschaftsillustationen veröffentlicht. Und am 20. Oktober kommt mein erstes Sachbuch beim KOSMOS-Verlag raus: "Schwarze Löcher - Schwere Kost, leicht verdaulich." Ich bin also jetzt wohl offizielle eine Autorin.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich habe viel zu viele Bücher (ich lese eine wilde Mischung aus Science Fiction, Klassikern und Gegenwartsliteratur). Ich koche sehr gerne und meistens viel zu viel. Ich gehe gerne wandern und bouldern. Wobei das Bouldern mein "habe ein Hobby, in dem due grottenschlecht bist"-Hobby ist. Ich spiele gerne Brett- und Gesellschaftsspiele mit Freunden (gerade am meisten Harmonies mit meinem Partner).

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Nicht zu früh aufstehen, eine kurze, aber schöne Wanderung (am besten irgendwo an einem Tobel entlang), Zeit mich mit einem guten Buch hinzusetzen und ein gutes Abendessen, vorzugsweise mit Freunden. Oder, falls es draußen regnet, ein Spieleabend mit Brett und Gesellschaftsspielen.


Bitte begrüßt Victoria ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, October 12, 2025

Mit Metascience das Wissenschaftssystem und Wissenschaftsprozesse verbessern! Raphael Merz ist jetzt bei Real Scientists DE!

Raphael Merz hält einen Vortrag
Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Raphael Merz (@raphaelmerz.bsky.social)! Raphael ist aktuell seit Oktober PhD student an der Technischen Universität von Eindhoven in den Niederlanden. Davor hat er in Bochum zuerst Psychologie im Bachelor und dann Psychologie und Kognitive Neurowissenschaften im Master studiert, wo er sich mehr und mehr auf die Themen Statistik und Metawissenschaften spezialisiert habe. Was das genau ist und wie er diesen Weg im PhD weitergeht, erfahrt ihr diese Woche auf Bluesky!

 

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Im Studium habe ich früh gemerkt, dass ich Forschung generell spannend finde. Das fing an mit den ersten praktischen Seminaren, wo wir selbst unter Anleitung forschen durften und ging dann in Praktika und Auslandsaufenthalten weiter. Besonders prägend für mich war ein Praktikum bei der Sozialpsychologie in Bochum, das ich der Pandemie geschuldet online im Jahr 2021 absolviert habe. Dort habe ich mit meinem damaligen Supervisor ein metawissenschaftliches Projekt entwickelt, in dem wir die Prävalenz einer spezifischen Fehlinterpretation von Statistiken über verschiedene Jahre und akademische Zeitschriften untersucht haben. Dieses Projekt hat mich nun bis zur kürzlich abgeschlossenen Masterarbeit begleitet und Teile davon greife ich auch im PhD auf.

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Mein Weg zu Metascience begann zwar recht früh, aber lange dachte ich tatsächlich, dass ich später in den Neurowissenschaften promovieren wollen würde. Das hat sich dann mit dem Beginn meines Masters und meiner zunehmenden Auseinandersetzung mit der Replikationskrise und ihrer Aufarbeitung geändert. Deshalb verwarf ich meine ursprüngliche Idee zu einer Masterarbeit über räumliche Repräsentationen im Hippocampus und entwickelte meine nun abgeschlossene Masterarbeit (mehr dazu in einem Thread auf BlueSky!). Bei einem Konferenzbesuch Anfang 2023 in Eindhoven konnte ich dann meinen jetzigen PhD Supervisor als Masterarbeitsbetreuer gewinnen. Nach einem Forschungsaufenthalt bei ihm Anfang dieses Jahres, um an der Masterarbeit zu arbeiten, bewarb ich mich schließlich erfolgreich auf meine aktuelle Stelle.

 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Zu meiner bisherigen Arbeit kann ich tatsächlich noch gar nicht so viel erzählen, weil ich ja erst im Oktober mit der Stelle gestartet bin. Was ich aber schon sagen kann: (1) Die halbe Stunde, die ich damit verbracht habe, verschiedene Blogposts über eine gute E-Mail-Postfach-Struktur zu lesen, war sehr sinnvoll investiert. (2) Der Fun-Fact, dass ich an meinem ersten Tag bereits eine E-Mail im Postfach hatte, dass meine Urlaubstage bald verfallen würden, war bisher immer ein guter Icebreaker in diversen Kennlerngesprächen. (3) Ich kann nur empfehlen, Stehschreibtische so früh wie möglich als solche zu benutzen, um eine Routine zu entwickeln und andere zu inspirieren, das ebenfalls zu tun!

 

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

MetaScience beschäftigt sich mit einem breiten Spektrum an Forschungsfragen, die am Ende das Ziel haben, das Wissenschaftssystem oder den Wissenschaftsprozess zu verbessern. Wir arbeiten also daran, dass Forschende einen noch besseren Job machen, neue Medikamente oder Therapien zu entwickeln, robustere Theorien oder bessere Vorhersagen zu formulieren und schließlich fundiertere Schlussfolgerungen zu ziehen.

Gerade heute, in Zeiten, in denen schnell von „Fake News“ oder der „Tatsache“, dass es „die Wissenschaft“ ja gar nicht gebe, gesprochen wird, sehe ich eine große Notwendigkeit, Wissenschaft gut zu erklären. MetaScience hat hier aus meiner Sicht eine besondere Verantwortung: Wir zeigen zwar oft auf, was im Wissenschaftssystem noch nicht optimal läuft, aber ebenso wichtig ist es, dass wir auch laut werden, um uns gegen unfundierte Kritik an Forschung und Forschenden zu wehren.

 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Schon seit letztem September bin ich Teil des Boards für die „Platform for Young Meta-Scientists“ (PYMS), wo wir versuchen, junge Wissenschaftler:innen, die an metawissenschaftlichen Themen arbeiten, international zusammenzubringen. Oft ist es bei dem Thema nämlich so, dass viele „Young Metascientists“ in eher kleinen Teams an einzelnen Unis arbeiten. Deshalb organisieren wir bei PYMS beispielsweise online Journal Clubs, um über spannende Paper zu diskutieren, treffen uns halbjährig auf einem Symposium, wo wir einander unsere Forschung präsentieren oder tauschen uns einfach so auf unserem Discord Server aus.

 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Dungeons & Dragons! Ich weiß, dass ich damit das Nerd-Klischee sehr bediene, aber es ist einfach toll! Ich habe D&D das erste Mal während meines Auslandspraktikums in Toronto vor zwei Jahren gespielt und mir zurück in Deutschland direkt diverse Bücher, Würfel und sonstiges Zubehör bestellt. Seitdem bin ich selbst für verschiedene Gruppen Spielleiter und freue mich enorm, bald auch hier in Eindhoven einer der vielen Gruppen im Department beizutreten!

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

An meinem idealen freien Tag habe ich davor wichtige ToDos abgeschlossen, sodass ich wirklich entspannen kann. Ich kann so lange schlafen, wie ich möchte und nehme mir die Zeit für ein schönes Frühstück (vermutlich eher Brunch)! Der Rest des Tages ist dann nicht zu voll: am besten mit irgendeiner Verabredung mit Freunden oder meiner Familie. Dazwischen aber immer genug Zeit, dass man sich nicht hetzen muss! Abends schaue ich dann gerne einen Film oder spiele ein Brettspiel mit meiner Freundin.

 

Bitte begrüßt Raphael ganz herzlich bei Real Scientists DE!