Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Maria Zielenbach (@dietweeterei) vorstellen! Maria hat Linguistik an der Universität zu Köln studiert und auch einen BA in Islamwissenschaften („Sprachen und Kulturen der islamischen Welt“). Zurzeit promoviert sie an der Vrijen Universiteit Amsterdam zur Geschichte der Nord-Halmahera-Sprachen im ERC Projekt OUTOFPAPUA (Papuans on the move). Thema ihrer Dissertation ist eine Rekonstruktion von Proto-Nord-Halmahera und weiter die Untersuchung eines möglichen Anschluss der Sprachfamilie an Sprachen in Westpapua. Maria ist Schriftführerin des Verein Junge Sprachwissenschaft e.V. Weiterhin ist sie bei der Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. aktiv, moderiert das Diskussionsformat TolkShow und den Podcast Silmaria.
Während meines Studiums habe ich im Institut für Linguistik in Köln gearbeitet und dabei den Wissenschaftsalltag kennengelernt. Obwohl der natürlich seine Tücken hat, war mein Plan A immer in die Forschung zu gehen, einfach, weil ich gerne Dinge herausfinden möchte. Nach meinem Masterabschluss im Frühjahr habe ich dann zu meinem eigenen Erstaunen sehr schnell eine Promotionsstelle gefunden, sodass ich seit September jetzt voll drin bin.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich wusste schon relativ früh, dass ich Linguistik studieren möchte. Ich fand Grammatik einfach toll und jeder Aspekt von Sprache hat mich fasziniert. Das ist immer noch so. Mein Weg zur historischen Linguistik war etwas verwickelt. Im Bachelor in Köln muss man im ersten Semester Kurse zu allgemeiner Sprachwissenschaft, Phonetik und historischer Sprachwissenschaft belegen. Letzteres heißt konkret klassische Indogermanistik. Ich habe mich dann zuerst dafür entschieden, aber im 3. Semester die Sprachtypologie für mich entdeckt und die Indogermanistik erstmal hinter mich gelassen. Da ich im Nebenfach Islamwissenschaften studiert hab, bin ich über Arabisch zur Semitistik gekommen und dabei habe ich festgestellt, dass es nicht die historische Sprachwissenschaft, sondern die indogermanischen Sprachen sind, die mich nicht wirklich interessieren. Darum habe ich angefangen mich mit der Diachronie (der Entwicklung) von anderen Sprachfamilien zu beschäftigen und nebenher weiterhin Kurse zu Typologie und Sprachdokumentation belegt. Daher bin ich ziemlich breit aufgestellt. Meine Stelle in Amsterdam vereint alles, was ich im Studium so gemacht hab: Historische Sprachwissenschaft, Sprachdokumentation, Austronesistik und Typologie.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich erforsche die Familie der Nord-Halmahera-Sprachen. Halmahera ist eine indonesische Insel vor dem Vogelkopf von Neuguinea, etwas kleiner als Sachsen. Dort leben etwa 500.000 Menschen. Aus linguistischer Perspektive ist die Insel geteilt: im Süden werden austronesische Sprachen gesprochen (weitläufig verwandt mit Indonesisch, Maori usw.), im Norden Sprachen, die keiner größeren Sprachfamilie zugeordnet werden können. Zu der Familie gehören auch Sprachen auf den umliegenden Inseln Ternate, Tidore, Makian und Morotai. Die ersten drei kennt man vielleicht als „Gewürzinseln“. Sie waren lange Zeit der einzige Ort der Welt, an dem Gewürznelken wuchsen. Keine der Sprachen hat mehr als 100.000 Sprecher*innen. Durch die zunehmende Rolle der Kommunikationssprachen Moluccan Malay und der Amtssprache Indonesisch, gelten sie alle als von Sprachtod bedroht. Außerdem sind sie bislang nur wenig erforscht. Thema meiner Dissertation ist eine Rekonstruktion der Ursprache, aus der sich alle Nord-Halmahera-Sprachen entwickelt haben. Außerdem beschäftigt sich unser Projekt mit der Frage, ob die Nord-Halmahera-Sprachen mit Sprachen im Westen von Neuguinea verwandt sind und ob sich darüber Populationsbewegungen erschließen lassen.
Da ich noch ganz am Anfang meiner Promotion bin besteht meine Arbeit aktuell noch hauptsächlich aus der Lektüre der vorhandenen Literatur und dem Abtippen von Wörterbüchern (kein Witz), um Datensätze in die Datenbank unseres Projekts einzupflegen. Mit deren Hilfe kann ich dann hoffentlich bald mit der eigentlichen Forschung (Rekonstruktion) beginnen. Es ist auch vorgesehen, dass ich zur Sprachdokumentation nach Indonesien reise. Durch Corona ist das aber erstmal in den Hintergrund gerückt.
Kurzfassung: Ich starre auf Daten.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Eine kleine Inselgruppe in Indonesien ist für die meisten erstmal sehr weit weg und auch meine Forschung hat für viele keinerlei praktische Anwendung. Im Grunde leistet sie aber einen Beitrag zu sehr grundlegenden Frage: wie verändern sich Sprachen und wie sind Populationen auf und um Papua gewandert. Dein Leben wird es also nicht verändern, aber es ist spannend. Und die Sprecher*innen der Sprachen haben genauso ein Recht, etwas über die Geschichte ihrer Sprachen zu wissen, wie wir hier in Europa es über unsere Sprachen tun.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
An der Uni habe ich bislang keine, allerdings bin ich seit einem halben Jahr im Vorstand der Jungen Sprachwissenschaft e.V., einem Verein für Linguistikstudierende und -promovierende.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Historische Linguist*innen haben den Ruf weg, die nerdigsten unter den ohnehin schon nerdigen Linguist*innen zu sein. Ich tu mein Bestes, um diesem Klischee zu entsprechen und bin sehr aktiv in der Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. In diesem Rahmen gebe ich öfters Vorträge, die auch immer was mit Linguistik zu tun haben. Seit einem halben Jahr moderiere ich auch ein Online-Diskussionsformat (die TolkShow) und seit Kurzem habe ich einen Podcast zum Silmarillion: Silmaria (ja, der ist nach mir benannt – nein, ich habe den Namen nicht erfunden).
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Lesend auf einer Couch liegend während jemand für mich kocht (an dieser Stelle möchte ich meine Eltern grüßen)
Bitte begrüßt Maria ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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