Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin PD Dr. Kristin Eichhorn (@drkeichhorn.bsky.social)! Kristin studierte zwischen 2005 und 2010 Germanistik und Nordistik in Kiel, wo sie 2013 mit einer Arbeit zur Fabel des 18. Jahrhunderts promovierte. Zwischen 2015 und 2021 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Paderborn und habilitierte 2020 dort zu Johannes R. Becher und der literarischen Moderne. Seit dem Wintersemester 2021/22 vertritt sie die Professur von Sandra Richter für Neuere Deutsche Literatur I an der Universität Stuttgart. Sie ist auf Twitter sehr aktiv und bekannt vor allem durch die Aktion #IchBinHanna, die sie zusammen mit Amrei Bahr (Amrei Bahr) und Sebastian Kubon (Sebastian Kubon) initiiert hat. Kristin hat 2022 schon einmal bei Real Scientists DE kuratiert: der Blogpost dazu.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Das war schon
im ersten Semester zu Beginn meines Studiums in Kiel klar, das ich bewusst
begonnen habe, um Literaturwissenschaftlerin zu werden. Nach dem Studium habe
ich in Kiel meine Promotion begonnen und 2013 abgeschlossen. Danach hatte ich
dort anderthalb Jahre eine halbe Stelle mit relativ viel Lehre, bevor ich die
Gelegenheit bekam, nach Paderborn auf eine volle Habilitationsstelle zu
wechseln. Meine Habilitation habe ich 2020 abgeschlossen. Während dieser Zeit
habe ich meine beiden Forschungsschwerpunkte - die Aufklärung einerseits und
die Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts andererseits - aufgebaut
und immer wieder zu neuen Themen publiziert. Ich bin auf viele Konferenzen
gefahren und habe 2015 die Zeitschrift "Expressionismus" ins Leben
gerufen, um ein interdisziplinäres Austauschforum für die Erforschung dieser
künstlerischen Strömung zu schaffen. Weiterhin bin ich seit 2018 im Vorstand
der "Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts"
(DGEJ) und habe mich gerade in Paderborn stark in hochschulinternen Gremien
engagiert: Ich war dort zwei Jahre im Senat und außerdem Mittelbausprecherin
des Instituts für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Es ist einfach
das, was mir am besten liegt. Ich war schon immer sehr gut im Umgang mit
Sprache und interessiert an Literatur. Wir haben ja auch eine wichtige
gesellschaftliche Aufgabe, indem wir in der Germanistik sehr viel
Lehramtsausbildung machen. Natürlich wäre das alleine für mich nicht mehr recht
erfüllend. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Aufgaben und
Herausforderungen - daher auch das hochschulpolitische Engagement. Deshalb ist
es gut, dass ich jetzt auf der Vertretungsprofessur auch endlich Führungs- und
Leitungsaufgaben übernehmen kann, die ich als absolute Bereicherung empfinde.
Außerdem ist Stuttgart ein sehr angenehmer Standort für meinen Fachbereich,
nicht zuletzt wegen der Nähe zum Deutschen Literaturarchiv in Marbach.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Im Augenblick
vertrete ich die Professur von Sandra Richter an der Universität Stuttgart.
Dabei übernehme ich alle Aufgaben, die mit einer Professur verbunden sind:
Neben Forschung und Lehre leite ich die Abteilung Neuere Deutsche Literatur I.
Ich habe da also die Haushaltsverantwortung und bin die Fachvorgesetzte aller
dortigen Mitarbeiter*innen. Ich unterschreibe also die Dienst- und
Urlaubsanträge, treffe aber auch viele Entscheidungen, organisiere
Arbeitstreffen und bin in dieser Funktion auch im Fakultätsrat.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Zum einen: Es
ist ein faszinierendes Fach. Viele Menschen laufen mit bestimmten Vorstellungen
von der deutschen Literatur herum, die z. T. Schulunterricht stammen, der aber
dann auch schnell lange her ist. Wenn sie die Gelegenheit haben, punktuell
tiefer einzutauchen, stellen sie meist schnell fest, dass es doch alles etwas
anders ist, als sie es in Erinnerung hatten. Wenn ich während meiner Gastwoche
etwas davon vermitteln kann, wäre das schön. Im Alltag kommt es ja schnell zu
unterkomplexen Weltbildern, weil natürlich niemand Zeit hat sich mit allen
Dingen intensiv auseinanderzusetzen. Aber erst die Einblicke schaffen
Verständnis und die Möglichkeit der Wertschätzung. Geisteswissenschaftliche
Fächer sind ohnehin geradezu prädestiniert dazu, vorhandene Deutungen zu
hinterfragen und auf komplexe Zusammenhänge hinzuweisen. Sie stören natürlich
auch immer ein bisschen, weil es einfacher ist, eindeutige Antworten zu haben.
Aber wir müssen immer wieder stören, denn nur auf dieser Basis des
differenzierten Denkens kann Demokratie, die eigenverantwortliches kompetentes
Handeln und Urteilen voraussetzt, funktionieren.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen
Aufgaben/Tätigkeiten?
Gerade im letzten Jahr bin ich vor allem durch mein hochschulpolitisches
Engagement gut beschäftigt. Ich habe mit Amrei Bahr und Sebastian Kubon
zusammen im Juni 2021 die Twitter-Aktion #IchBinHanna gestartet, die auf die
prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sowie viele weitere
strukturelle Missstände in diesem Arbeitsumfeld aufmerksam macht. Im März 2022
ist bei Suhrkamp unser Buch zur Aktion erschienen. Auch hier sind viele lange
unhinterfragte Narrative im Spiel - etwa, dass Befristung Innovation fördere
und der Wissenschaftsfreiheit diene. Für beides gibt es keine wissenschaftliche
Grundlage, die man bei Wissenschaftler*innen eigentlich unterstellen müsste.
Darauf immer wieder hinzuweisen und die argumentativen Widersprüche dieser
Perspektive herauszustellen, damit sich hier endlich etwas verbessert, ist eine
wichtige Aufgabe, der wir uns deshalb intensiv widmen.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Hobbies langweilen mich im Allgemeinen schnell, ich möchte lieber etwas
bewirken - insbesondere weil ich ja auch der privilegierten Position heraus
agieren kann, recht viel Zeit und Energie zu haben. Das möchte ich dann auch
nutzen. Das heißt aber nicht, dass ich meine Grenzen nicht kennen würde. Ich
überarbeite mich nie und achte immer auf Ruhezeiten. So bleiben die Batterien
voll und alle haben etwas davon.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Den verbringe ich gerne damit, andere, die in der
Wissenschaft arbeiten, zum Freimachen zu motivieren. 😊
Bitte begrüßt Kristin ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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