Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Lena Blott (@LenaMBlott) vorstellen!
Hier ist Lena in ihren eigenen Worten:
Ich habe an der Universität Mannheim Anglistik und Medien- und Kommunikationswissenschaft studiert. Mein Interesse an der Schnittstelle zwischen Sprach- und Neurowissenschaft hat mich nach London verschlagen, wo ich am University College London einen MSc in Neuroscience, Language and Communication abgeschlossen habe. Ich habe mich in die (und in der) Stadt verliebt, und bin dort geblieben. Derzeit arbeite ich an meiner Doktorarbeit im Bereich Sprache und Kognition. Ich untersuche die mentalen und neuronalen Prozesse, die vor sich gehen, wenn die Bedeutung eines Wortes im Satzkontext unklar ist, und Missdeutungen ausgebügelt werden müssen. Ganz besonders interessiere ich mich dabei für individuelle Unterschiede, z.B. im Arbeitsgedächtnis und in der Größe des Vokabulars.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich kann definitiv nicht von mir sagen, dass ich schon immer Wissenschaftlerin werden wollte. Als Kind wusste ich glaube ich noch nicht einmal, dass das ein Beruf sein kann. Mein Traumberuf war Lehrerin (das hat sich halbwegs erfüllt; ist ja nunmal auch ein Teil der Wissenschaftskarriere). Ich kann meinem Biologielehrer in der Oberstufe dafür danken, dass er meine Neugier für kognitive Neurowissenschaft geweckt hat – obwohl der Begriff “kognitive Neurowissenschaft” natürlich nie fiel. Ich kann mich heute noch an die Stunde erinnern, in der wir über Brocas und Wernickes Gehirnareale gesprochen haben! Und in meinem Studium habe ich zum ersten Mal von dem Bereich der “Psycholinguistik” gehört – das fand ich unheimlich spannend. Einer der Dozenten hat mich unter seine Fittiche genommen, und mir beigebracht, wie man einen Eye-Tracker benutzt und was die Augenbewegungen von Lesern uns über die Sprachverarbeitung sagen können. Da hat es irgendwie geklickt bei mir.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Das hat sich irgendwie ganz glücklich und organisch entwickelt. Als es um die Studienentscheidung ging, schwankte ich zwischen meinen beiden Lieblingsfächern, Englisch und Bio. Hatte mal ganz kurz mit Psychologie geliebäugelt, aber dann entschieden, dass ich da ja Statistik bräuchte und Mathe fand ich zu der Zeit ziemlich doof. Das ist recht ironisch, da ich jetzt ganz viel mit komplexen Regressionsmodellen arbeite!
Also ging’s zum Anglistik-Studium nach Mannheim. Das war ein Mix aus Literatur-, Kultur-, und Kommunikationswissenschaft. Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, warum ich denn ausgerechnet Literaturwissenschaft studieren wollte. Romane habe ich noch nie besonders gemocht! Ich hatte aber während meines Bachelor-Studiums das Glück, einen Dozenten zu haben, der im Bereich Psycholinguistik forscht und mich ermutigt hat, das auch mal auszuprobieren. Das hat mich total fasziniert, und ich bin für meinen Master in Sprach- und Neurowissenschaft nach London gezogen. Dort bin ich dann erst mal geblieben, und mache zur Zeit meinen Doktor im Bereich Sprache und Kognition. Im Endeffekt bin ich dann nun doch zwischen Sprachwissenschaft, Biologie und Psychologie gelandet.
Die Forschungsfragen, die das Feld zu beantworten versucht, sind unglaublich vielfältig: von der Evolution der Sprache in der Menschheitsgeschichte, der Sprachentwicklung in Kleinkindern, über die mentalen und neuronalen Prozesse, die vor sich gehen, wenn wir Sprache produzieren oder verstehen, bis hin zu Sprachstörungen. Es gibt so Vieles, das wir noch nicht wissen, und das finde ich spannend!
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Manchmal ist es wahnsinnig langweilig, zum Beispiel wenn ich Experimente doppelt und dreifach testen und sicherstellen muss, dass alle Sätze, die ich meinen Probanden präsentieren will, richtig geschrieben sind. Auf der anderen Seite ist es super spannend, neue Experimente zu entwickeln, analysierte Daten anzuschauen und die Antworten auf meine Forschungsfragen zu finden.
Meine Arbeit widmet sich ganz spezifisch der Auflösung von Mehrdeutigkeiten. Woher wissen wir zum Beispiel, wann mit dem Wort “Bank” ein finanzielles Institut gemeint ist, und wann es um eine Sitzmöglichkeit geht? Wie entscheidet das Sprachsystem, welche Bedeutung aktiviert wird? Und was passiert, wenn wir unerwarteterweise auf ein Satzende stoßen, dass nicht zu unserer ausgewählten Bedeutung passt (z.B. “Der Mann ging zur Bank und setzte sich”)? Wie schnell und effizient kann das Sprachsystem sich von so einer Missdeutung erholen? Und gibt es da individuelle Unterschiede? Um das herauszufinden benutze ich verschiedene Methoden, zum Beispiel Reaktionszeitexperimente online oder im Labor, Magnetresonanztomografie, oder Eye-Tracking.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Sprache ist etwas, das wir oft als selbstverständlich ansehen. Wir alle benutzen Sprache, aber im Alltag ist es uns nicht bewusst, was für komplexe Vorgänge in unserem Gehirn passieren müssen, damit wir Laute als Wörter verstehen, die Bedeutung dieser Wörter begreifen, die Botschaft unseres Gegenübers verstehen, und angemessen antworten können. Es ist wichtig, diese Prozesse zu verstehen, um zum Beispiel das Lesenlernen besser unterstützen zu können, oder um Therapien für Patienten mit Sprachstörungen zu entwickeln. Ich glaube, weil jeder von uns Erfahrung mit Sprache hat, ist das Thema für uns alle relevant.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Meine Arbeit an der Dissertation nimmt die meiste Zeit in Anspruch: Stöbern in der Literatur, Experimente gestalten und programmieren, Daten sammeln, Daten analysieren, Resultate visualisieren, Fachartikel und Konferenzbeiträge verfassen. Das ist alles ganz schön zeitaufwendig! Nebenher bin ich allerdings auch in der Lehre tätig. Zum Beispiel unterstütze ich Studierende in ihrem letzten Jahr bei der Vorbereitung und beim Schreiben ihrer Bachelorarbeit. Ich korrigiere und benote Laborberichte von Erstsemestern in der Psychologie, und ich gebe Tutorien zum Thema Forschungsmethoden und akademisches Lesen und Schreiben. Die Lehre ist mir sehr wichtig, und ich versuche, sicherzugehen, dass meine Lehrmethoden gut funktionieren und die Studierenden von meinen Tutorien profitieren.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Wie man vielleicht an meinem Foto erkennen kann, träume ich mich ganz gerne in die 1940er und 50er zurück. Da geht es um Kleidung und Accessoires, aber auch um die optimalen Lockenwickler, Bürstentechnik, und historisch akkurates Make-up (so gut es geht!). Ich stöbere wahnsinnig gerne in Londons charity shops nach vintage oder Sachen, die zumindest vintage aussehen. Ich bin auch dabei, mir das Schneidern von Kleidern im Vintagestil beizubringen. Das ist oftmals viel frustrierender als Statistiksoftware!
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Wandern. Craftbier. Karaoke.
Bitte begrüßt Lena ganz herzlich bei Real Scientists DE!
No comments:
Post a Comment