Eigentlich recht einfach: Das wissenschaftliche Arbeiten macht mir viel Spaß, und darüber hinaus empfinde ich es auch noch als ziemlich sinnstiftend. Ich hatte früher aber nie das Ziel, "Wissenschaftler" zu werden. Es war vielmehr so, dass ich einfach bei dem geblieben bin, was mir am meisten Spaß gemacht hat. Bereits in der Schule habe ich mich schon sehr für psychologische Themen interessiert, entsprechend später dann Psychologie studiert. Die Diplomarbeit hat mir dann so viel Freude bereitet, dass ich mir gedacht hatte, warum nicht mit einer Doktorarbeit weitermachen? Und hier war es dann letztlich genau das gleiche: Hey, das macht ja weiterhin Spaß, warum also aufhören ... ?
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ganz allgemein fasziniert mich die Psyche des Menschen. Ich finde es schon immer spannend herauszufinden, wie dieser tickt und warum er sich so erfrischend absurd verhält. Und Medien fand ich -- wie so viele andere ja auch -- ebenso schon immer spannend. Ich kann mich erinnern, dass ich im Geschichtsunterricht mal freiwillig ein Referat zum Thema Propaganda im Dritten Reich gehalten hatte. Ich war fasziniert von der Macht der Bilder, insbesondere den Aufnahmen Leni Riefenstahls. In der Diplomarbeit habe ich mich dann später mit der Gestaltung und Wirkung von Werbung beschäftigt. Mich interessiert einfach ganz allgemein, wie Medien auf Menschen wirken und, anders herum, wie Menschen Medien nutzen.
Was mich in der Forschung hält und motiviert, ist nicht zuletzt die Tatsache, dass sie die Möglichkeit bietet, etwas Sinnvolles zur Gesellschaft beizutragen. (Und Werbung zähle ich nicht dazu.) Ich finde es schon ziemlich cool, dass ich mich hauptberuflich Fragen widmen kann, die Menschen tatsächlich interessieren, die eigentlich jedem zugänglich sind, und die auch eine gewisse Relevanz haben. In unserer sinnsuchenden, automatisierten und spezialisierten Gesellschaft empfinde ich das durchaus als Privileg.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Meine Forschung lässt sich grob in zwei übergeordnete Themenbereichen einteilen: Privatheit und Wohlbefinden im Zusammenhang mit Online-Medien, bspw. auch Twitter. Ich interessiere mich zum einen dafür, was Privatheit eigentlich genau ist. Zum anderen versuche ich, besser zu verstehen, warum Menschen persönliche Informationen online teilen. Konkret untersuche ich hier das sogenannte Privacy Paradox und den Privacy Calculus. Das Privacy Paradox besagt, dass die Privatheitssorgen von Menschen nicht deren Online-Verhalten beeinflussen. Der Privacy Calculus-Ansatz hingegen vertritt mehr oder weniger das Gegenteil und postuliert, dass sowohl Privatheitssorgen als auch die zu erwartenden Vorteile doch einen signifikanten Einfluss nehmen. Spoiler Alert: Ich denke, dass der Privacy Calculus Ansatz die Wirklichkeit um einiges besser widerspiegelt.
Darüber hinaus interessiert mich, inwiefern Medien unser Wohlbefinden und Verhalten beeinflussen. Stimmt es, dass Smartphones uns einsam machen, dass wir weniger miteinander sprechen? Hat das einen Einfluss auf unsere Lebenszufriedenheit? Obwohl wir in einer eigenen Studie sogar einen kleinen positiven Effekt der Nutzung von sozialen Netzwerkseiten auf die Lebenszufriedenheit finden konnten, kristallisiert sich zunehmend heraus, dass dieser wahrscheinlich eher leicht negativ ist. Das große Problem ist allerdings, dass wir aktuell nur eine schlechte Datengrundlage haben und viele Fragen eigentlich noch gar nicht wirklich beantworten können. Zu diesem Thema habe ich entsprechend vergangenes Jahr meinen ersten Forschungsantrag eingereicht, in dem es unser Ziel ist, mittels einer App (welche unter anderem die tatsächliche Nutzung trackt) und geeigneter statistischer Verfahren hier ein gutes Stück voran zu kommen.
Zuletzt interessiere ich mich für Meta-Science und Open Science. Was stellt eigentlich gute Forschung dar? Die Replikationskrise der Sozialwissenschaften zeigt, dass wir ein grundlegendes Problem haben. Ich denke, dass das Umsetzen von Open Science ein notwendiger Schritt zur Verbesserung der Forschungsergebnisse ist. In meiner eigenen Arbeit versuche ich das so gut es geht umzusetzen, bspw. indem wir Datensätze -- je nach Möglichkeit -- frei zur Verfügung stellen, den Code der Berechnungen darlegen und idealerweise alles zusammen in einem reproduzierbaren Manuskript veröffentlichen (sprich, der finale Fachartikel lässt sich anhand der Daten und des Codes vollständig replizieren). In einem jüngst erschienen Artikel haben wir das nun zum ersten Mal umgesetzt.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Als Medienpsychologen haben wir den allgemeinen Vorteil, dass die Forschungsthemen doch sehr alltagsnah sind. Letztlich hat jeder eine Meinung dazu, und irgendwie sind die Themen für alle relevant. Das zeigt sich auch darin, dass wir am Lehrstuhl recht viele Anfragen von Journalisten bekommen. Typische Fragen sind beispielsweise, warum wir eigentlich so viele Informationen online teilen, oder wie viel Smartphone-Nutzung noch gesund ist.
Klar: Auf diese Fragen kann es keine einfachen Antworten geben. Aber ich denke doch, dass wir zumindest etwas mehr wissen als nichts, und dass sich vorsichtige Empfehlungen zur Mediennutzung oder -gestaltung ableiten lassen. Ab und zu blogge ich übrigens auch über solche Themen -- beispielsweise, ob sich die Lebenszufriedenheit der Europäer in den letzten zwanzig Jahren eigentlich überhaupt geändert hat und welche Rolle die Medien dabei spielen können.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Nein, eigentlich nicht wirklich. Bis vor wenigen Jahren war ich noch recht aktiv im kirchlichen Bereich, bspw. als Jugendgruppenleiter oder bei der Planung von Veranstaltungen. Das mache ich mittlerweile aber kaum noch. Zum einen, weil arbeitsbedingt die Zeit fehlt und zum anderen, weil ich mittlerweile das dahinterstehende Erklärungsmodell doch für vergleichsweise unwahrscheinlich halte. Die zentralen christlichen Werten allerdings -- in meinen Augen Nächstenliebe und Vergebung -- sind mir weiterhin sehr wichtig, und ich würde mich durchaus freuen, wenn diese etwas mehr Raum in Gesellschaft und Kultur einnehmen könnten.
Ab und zu gibt es dann aber doch das ein oder andere interessante Nebenprojekt. Eines Tages bekam ich beispielsweise einen Anruf eines Richters aus Bayern. Es ging um einen Fall, in dem eine Person rechtsradikale Musik über ein Internetradio verbreitete. Diese stand allerdings nicht auf dem Index, und die Frage war, ob durch das Ausstrahlen Jugendliche dennoch nachhaltig negativ beeinflusst werden können. Ich wurde gebeten, hierzu ein Gutachten anzufertigen. Das war extrem spannend, da es zum einen eine Inhaltsanalyse der Liedtexte erforderte, und zum anderen eine Abschätzung über deren mögliche Wirkung. Im Prozess dann einem bekennenden Neonazi gegenüberzustehen und die eigene Position darzulegen, das war schon sehr spannend.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich bin ein großer Fußballfan und schon seit Kindheitstagen Anhänger von Borussia Dortmund. Ich finde den wissenschaftlichen und statistischen Zugang zu Fußball spannend (Stichwort expected goals oder goalimpact) und lese hier gerne Blogs und höre Podcasts. Ebenso habe ich das Lesen für mich wiederentdeckt, aktuell haben es mir dabei die Bücher von Karl-Ove Knausgaard sehr angetan. Lieblingsbücher sind bspw. "Narziss und Goldmund" von Hesse oder "Sapiens" und "Homo Deus" von Harari. Ansonsten mache ich noch recht viel Sport (Rennrad und low-key Fitness), treffe mich häufig mit Freunden und Familie, und gehe auch gerne mal Feiern.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Schlafen bis acht Uhr (ich will ja noch was vom Tag haben), langes Frühstück (inkl. frisch gemahlenem Kaffee und weich gekochtem Ei), 10 Minuten Workout (mit anschließender warmer Dusche), Lesen (klassisch, kein Kindle), 1-2 Alltagserledigungen (gegen das schlechte Gewissen), Nachmittagssnack (mittlerweile vegetarisch), Dortmundspiel (heja BVB), mit Freunden zum Essen/Kochen/Ausgehen treffen (Bier kein Wein), vorm Zubettgehen noch ggf. 10 Minuten meditieren und lesen (wenn's nicht zu viel Bier gab). Wichtig: Alles an der Seite meiner äußerst liebenswürdigen Frau!
Bitte begrüßt Tobias ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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