Ich habe seinerzeit (vor nunmehr fast 15 Jahren) zur zeitlichen Überbrückung auf den Zivildienst ein Informatikstudium begonnen. Da ich bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Programmierer hatte und in diesem Job gutes Geld verdienen konnte, lief das Studium einige Jahre „nur nebenbei“. Der Wunsch, dieses auch abzuschließen, verstärkte sich mit der Zeit und um mich neben meinem intensiven Job zu motivieren, suchte ich nach Themen für meine Abschlussarbeiten, die sich meiner Meinung nach auch „wissenschaftlich verwerten“ ließen. Daraus entstanden schnell erste Veröffentlichungen und die betreuenden Professoren nahmen mich mit auf Konferenzen wo diese präsentiert wurden. Dabei erkannte ich, wie sehr mir diese Form der Arbeit Spaß macht, und so quittierte ich nach über 10 Jahren in der Softwareentwicklung meinen Job und nahm eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Promotionsoption am CARISSMA Ingolstadt an.
Diese Entscheidung war nicht so einfach zu treffen, wie sie sich hier liest - immerhin war ich zu diesem Zeitpunkt schon über 30 und hatte es mir mit meiner Frau in meiner Heimatstadt Linz „eingerichtet“. Die Möglichkeit, an einem neuen Institut mit modernster technischer Ausstattung (CARISSMA wurde 2016 eröffnet) zu forschen und dabei ein Team „von null auf“ mitzugestalten (damals war ich der erste und einzige Mitarbeiter meines Profs., den ich schon von meiner Heimatuniversität Linz kannte), war jedoch sehr reizvoll und daher nahm ich die damit einhergehenden Strapazen in Kauf – seither pendle ich jede Woche nach Ingolstadt und versuche den Job möglichst gut mit meinem Privatleben zu vereinbaren, wobei ich von meinem Institut mittels Telearbeitsplatz mit eigenem Bürotelefon Zuhause unterstützt werde.
Das hat mehrere Gründe. Zum einen war ich bereits als Kind begeistert von Fahrzeugen, Rennsport, aber auch Computern, und wie es der Zufall so wollte, war es möglich, diese Themen in meiner Bachelorarbeit miteinander zu verbinden. Zusätzlich ist automatisiertes Fahren sowohl in den Medien als auch in der Wissenschaft sehr präsent. Die in meinem Forschungsgebiet (Mensch-Maschine Interaktion) entstehenden Fragestellungen sind hochinteressant und lassen sich auch sehr gut abstrahieren: Wie soll eine zukünftige Welt aussehen, in welcher wir (Menschen) regelmäßig mit Robotern und künstlichen Intelligenzen (wie automatisierten Fahrzeugen) interagieren und auch kooperieren? Wie können wir dafür sorgen, dass uns Maschinen dabei „ermächtigen“ (unsere Fähigkeiten erweitern und Potentiale steigern) anstatt uns zu „amputieren“ (Menschen einfach nur zu ersetzen)? Meiner Meinung nach ziehen derartige Fragen die Trennlinie zwischen utopischen als auch dystopischen Zukunftsszenarien und sind von essentieller Bedeutung – das Zeitalter der Maschinen wird kommen, und es ist unsere Aufgabe, dieses bereits im Vorfeld „menschengerecht“ zu gestalten und vorzubereiten.
Im Wesentlichen besteht meine Arbeit daraus, die Interaktion zwischen Menschen und Fahrzeugen zu verbessern. Gemeinsam mit meinen Kollegen führe ich dabei Benutzerstudien (in Fahrsimulatoren, realen Fahrzeugen, manchmal aber auch nur als Fragebogen im Internet) durch, mit dem Ziel entweder Probleme zu identifizieren und besser zu verstehen, oder die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine zu verbessern.
Zum Beispiel ist einer der häufig genannten Vorteile an automatisierten Fahrzeugen die Möglichkeit, fahrfremden Tätigkeiten nachzugehen: Neben Entertainment ist dabei produktives Arbeiten besonders relevant – etwa könnten in Zukunft LKW-Fahrer zusätzlich Speditionsaufgaben übernehmen. Trotzdem wird das Fahrzeug immer wieder auch den Input des Menschen benötigen, wie etwa um Hindernisse zu umfahren. So eine Fahrzeugübernahme findet mitunter bei Autobahngeschwindigkeiten statt und ist somit potentiell gefährlich. Stellen wir uns vor, der/die FahrerIn arbeitet gerade auf dem Laptop wenn eine Übernahmeaufforderung kommt; Um das Hindernis zu umfahren muss der Laptop weggelegt und das Lenkrad in die Hand genommen werden, gleichzeitig muss sich das Gehirn auf die neue Situation (Fahraufgabe) einstellen. Die Übernahme erfordert somit motorische und kognitive Prozesse. Diese versuchen wir nun durch den Einsatz von Technologie zu verbessern um in weiterer Folge die Sicherheit zu erhöhen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn Content nicht am Laptop, sondern mit Augmented Reality direkt in der Windschutzscheibe angezeigt wird – dann sind im Falle einer Übernahme die Augen bereits „ausgerichtet“, und der physische Aufwand, das Gerät wegzulegen fällt weg.
Oder aber, das Fahrzeug könnte uns genau beobachten und versuchen, uns nicht während, sondern zwischen einzelnen Arbeitsaufgaben zur Übernahme aufzufordern – so wird der nötige kognitive Aufwand verringert, zwischen den einzelnen Aufgaben hin- und herzuwechseln. Was aber ist, wenn direkt vor uns ein Unfall passiert und nicht mehr genügend Zeit für eine sichere Übernahme bleibt und wir gerade auf einem Tablet oder Smartphone lesen – könnten wir nicht einfach wie in einem Computerspiel dieses einfach zu einem Lenkrad umfunktionieren um möglichst schnell reagieren zu können?
Derartige Interfaces setzen wir prototypisch in unserem Fahrsimulator um und evaluieren diese mit menschlichen Probanden. Dabei werten wir verschiedenste Parameter wie Fahrperformance, physiologische Reaktionen (z. B. Hautleitwert, Puls oder Augenbewegungen) aus, und stellen sie subjektiven Bewertungen (Fragebögen zu Technologieakzeptanz oder auch Interviews) gegenüber, um herauszufinden, wie sehr das Interface erlaubt den Status Quo zu verbessern und Probleme zu eliminieren. Die erfordert sowohl intensives wissenschaftliches Arbeiten, aber auch eine Menge Erfindergeist und macht unglaublich Spaß.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wie bereits kurz angesprochen werden wir in Zukunft immer mehr wichtige Aufgaben an Maschinen delegieren. Neue Technologien haben riesiges Potential, müssen aber richtig eingesetzt werden, denn ihr Einsatz verändert auch uns. Etwa deuten Studien darauf hin, dass unsere Navigationsfähigkeit durch intensive Nutzung von GPS degradiert wird, während manuelle Orientierung unser Gehirn trainiert. Ein anderes Beispiel ist die permanente Nutzung von Smartphones und modernen Kommunikationsmitteln („Always-on-Mentalität“), welche unsere Konzentration hemmt und nachweislich unsere Produktivität stört. Plakativ dargestellt müssen wir Menschen uns somit entscheiden, zwischen einer Zukunft, in der Maschinen uns infantilisieren, und einer, in welcher wir Technologie nutzen um uns alle zu „Superhelden“ zu augmentieren.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Nicht wirklich. Wie oft üblich bin ich an der Hochschule auch in der Lehre aktiv, die restliche Zeit versuche ich jedoch mich möglichst intensiv mit der Forschung zu beschäftigen.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich fahre sehr gerne Fahrrad - etwa war ich letztes Jahr so verrückt und habe die knapp 300 Kilometer lange Strecke von Ingolstadt zu mir nach Hause in einer Tagesetappe absolviert. Ob Rennrad, klassisches Mountain-Bike oder auch Downhill, diesbezüglich bin ich für alles zu haben. Ansonsten bin ich derzeit wohl etwas langweilig. Ich habe aber schon eine lange Liste and Wünschen an mich selbst für die Zeit nach Fertigstellung meiner Doktorarbeit 😉
An meinem idealen freien Tag befinde ich mich mit meiner Frau auf Tour mit unserem Campingbus und schlafe mich erstmal genüsslich aus. Nach dem spätvormittags eingenommenen Frühstück bezwingen wir ein oder mehrere Gipfel auf unseren Rädern geben uns bergab dem Geschwindigkeitsrausch hin. Es folgt eine Abkühlung – bevorzugt im Salzwasser – und ein ausgiebig delikater Abend mit kulinarischen Köstlichkeiten und ein paar guten Tropfen. Das einzige, was unsere Situation dabei noch verbessern könnte wäre, wenn uns der Bus automatisch über Nacht zu unserer nächsten Destination kutschiert...
Bitte begrüßt Philipp ganz herzlich bei Real Scientists DE!
Bitte flickt doch nach ein, zwei Absätzen ein -Tag in die Vorstellungen, sonst scrollt man ewig.
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