Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Andrea Kamphuis (@ak_text) vorstellen! Andrea ist Biologin. Ihre Doktorarbeit hat sie an der Universität Bonn in der Abteilung für Theoretische Biologie geschrieben, über die Schwerkraftorientierung des „Augentierchens“ (Gravitaxis bei Euglena gracilis). Nach langjähriger Tätigkeit in der Buchbranche, vor allem als Literaturübersetzerin und Sachbuchlektorin, arbeitet sie heute auf einer Teilzeitstelle im Stabsbereich Kommunikation des IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) in Köln. Seit ihrer Erkrankung an Hashimoto-Thyreoiditis im Jahr 2011 beschäftigt sie sich mit der Biologie des Immunsystems. 2018 hat sie den ersten Band ihres „Autoimmunbuchs“ selbst verlegt. Band 2 lässt noch eine Weile auf sich warten.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Schon als Kind war ich von der Natur fasziniert und als etwas eigenbrötlerische Jugendliche täglich stundenlang im Wald unterwegs. Mit 18 Jahren bin ich auf einer offenen Liste der „Grünen“ in der Kommunalpolitik gelandet. Ein Biologie-Studium lag da auf der Hand; nebenbei habe ich Bücher übersetzt und lektoriert. Später wollte ich Journalistin oder Autorin mit dem Schwerpunkt Natur werden; mein großes Vorbild war Horst Stern. Nachdem ich mich auf die eher brotlose Disziplin der Theoretischen Biologie spezialisiert hatte und meine mathematischen Fähigkeiten für eine Biologin zwar überdurchschnittlich, für eine Karriere in der Theoretischen Biologie aber m. E. nicht gut genug waren, habe ich im Anschluss an die Doktorarbeit die Forschung an den Nagel gehängt und das literarische Übersetzen und das freie Lektorat ausgebaut. 2012 sah ich dann in einem sozialen Netzwerk die Ausschreibung einer halben Stelle in der IQWiG-Kommunikation. Zack: Beworben, eingeladen worden, angestellt. Das war, glaube ich, die dritte Bewerbung überhaupt in meinem Leben – und zugleich die Rückkehr in eine wissenschaftliche Einrichtung.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Was meine Teilzeitstelle im Institut angeht: Ich finde, wissenschaftliche Einrichtungen sind es der Gesellschaft schuldig, ihre Arbeit und deren Bedeutung gut zu erklären. Das gilt erst recht, wenn die Bürgerinnen und Bürger diese Arbeit finanzieren (in unserem Fall über ihre Krankenversicherung) und wenn sich die Ergebnisse unmittelbar auf ihr Leben auswirken, was beim IQWiG der Fall ist. Und Autorin oder … räusper … Privatgelehrte für Autoimmunerkrankungen bin ich aus eigener Betroffenheit geworden: Mir tut es gut zu verstehen, wie das Immunsystem arbeitet und wieso es manchmal dauerhaft entgleist. Inzwischen hat sich meine Vermutung bestätigt, dass viele andere Menschen das ähnlich sehen.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Montags, mittwochs und freitags arbeite ich ganztägig im Institut. Mittwoch ist Sitzungstag: Morgens besprechen wir mit der Institutsleitung die aktuelle Nachrichtenlage und die bevorstehenden Termine und Pressemitteilungen. Darauf folgt alle zwei Wochen eine Teamsitzung – die einzige Gelegenheit, bei der sich alle aus der Kommunikation um einen Tisch versammeln, denn sonst fehlt immer jemand wegen Teilarbeit oder Homeoffice. Alternierend tagt die Leitungskonferenz des Instituts, an der ich ab und zu als Vertretung meines Chefs teilnehme. „Das Telefon“, also die Aufgabe, Anrufe an die Pressestelle entgegenzunehmen, habe ich zum Glück selten. Viel Zeit verbringe ich mit dem Schreiben und Abstimmen von Pressemitteilungen, von denen ein Großteil nach Schema F aufgebaut ist, weil die entsprechenden Gutachten des Instituts immer dieselbe Struktur haben. Zwischendurch twittere ich fürs Institut oder mache Monitoring: Spricht jemand über uns? Sollte ich intervenieren? Brauche ich dafür noch Informationen von Kolleg*innen aus den Fachressorts? Oder ich ergänze Wikipedia-Artikel über Arzneimittel um Kernaussagen aus unseren Gutachten und aus den entsprechenden Beschüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses. (Das ist das höchste Gremium der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens in Deutschland.) Da wir mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, sind wir auch relativ oft mit Beschaffungs- und Vergabeverfahren beschäftigt, also mit Bürokratie: unsexy, aber notwendig. Und oft steht plötzlich jemand in der Tür: „Kannst du mal eben …?“
Dienstags und donnerstags bleibe ich zu Hause. Eigentlich arbeite ich dann an Band 2 des Autoimmunbuchs: Ich recherchiere und lese Fachartikel, mache Exzerpte oder Zeichnungen, kümmere mich um den Vertrieb des ersten Bandes oder bereite Vorträge vor. Zurzeit fließt aber viel Energie in die „Scientists for Future“ und andere Aktivitäten rund um die Klimakrise.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Was die IQWiG-Gutachten angeht, darf man sich keinen Illusionen hingeben: Die Ergebnisse und erst recht die Methoden sind nur für eine begrenzte Fachöffentlichkeit interessant. Relevant sind sie aber für alle Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn nur das, was nachweislich nützt, kommt in den Leistungskatalog der Kassen, wird von ihnen also erstattet. (Na gut, das war jetzt arg idealisiert: Schließlich zahlen viele Kassen auch für Homöopathie, während wir unsere Brillen weitgehend selbst finanzieren dürfen.)
Und was das Autoimmunbuch betrifft, so sind Autoimmunerkrankungen in den letzten Jahrzehnten deutlich häufiger geworden. Die meisten Menschen wissen sehr wenig über den Aufbau und die Arbeit des Immunsystems. Wenn das System dann dauerhaft versagt und unheimlicherweise Teile des eigenen Körpers zerstört, weckt das Ängste. Wissen tut gut!
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Außerhalb meiner IQWiG-Arbeitszeit mache ich bei der Köln-Bonner Regionalgruppe der „Scientists for Future“ mit. Kann sein, dass ich euch während meiner Woche als Kuratorin ein bisschen mit dem Thema Klimakrise nerve und für die Teilnahme am sogenannten Klimastreik am 20.09. werbe. Kann nicht nur sein: Wird so sein.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Zusammen mit einem Freund, der Physiker ist, veröffentliche ich seit mittlerweile über 10 Jahren fast jeden Monat Fotos und Texte zu Mustern und Strukturen in der Natur. Irgendwann machen wir daraus mal eine Zeitschrift oder Jahrbücher. In einem Anfall von Größenwahn haben wir diesem Projekt den Namen „Principia“ gegeben, nach Isaac Newtons Hauptwerk. Wenn ich wandern gehe oder in der Küche oder auf dem Balkon werkele, achte ich immer darauf, ob sich dabei interessante Muster zeigen. So habe ich schon die Haut einer geräucherten Makrele an unser Küchenfenster gepappt, um sie im Durchlicht zu fotografieren. Und einen Beutel Rosenkohl nach linksdrehenden und rechtsdrehenden Köpfchen sortiert.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Wandern und dabei fotografieren. Oder mein Balkongemüse pflegen. Lesen. Möglichst keine E-Mails abrufen, aber das gelingt mir eigentlich nur im Urlaub.
Bitte begrüßt Andrea ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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