Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unseren neuen Kurator Thomas Hörren (@thoerren) vorstellen zu dürfen! Thomas ist langjähriges Mitglied und Vorsitzender des Entomologischen Vereines Krefeld und forscht im Wesentlichen zu Insektendiversität und Biodiversitätsschäden. Er ist Teil der Wissenschaftlichen Leitung und koordiniert die Forschungs- und Untersuchungsprojekte des Vereines. Taxonomisch bearbeitet er als Insektenforscher vor allem die Käfer, wobei ihm jedoch immer die Einordnung in Gesamtdiversität wichtig ist. Er ist Koautor der Langzeitstudie zum Verlust von Biomasse bei Fluginsekten in Naturschutzgebieten, die im Jahr 2017 gesellschaftspolitisch die Debatte zum Insektensterben auslöste. Seit dem betreibt er auch Wissenschaftskommunikation in Social Media.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Durch die Amateurwissenschaften. Ich habe als Jugendlicher Anschluss an ein paar entomologische (also insektenkindlichen) Arbeitsgruppen an naturkundlichen Museen in Nordrhein-Westfalen gehabt und war vollkommen begeistert von dem Wissen der Personen dort. Das Entdecken von den unterschiedlichen Insektenarten vor der eigenen Haustüre, die irgendwie nicht fassbare Artenvielfalt und die oft schwierige Bestimmung fand ich enorm spannend. Ich habe schon recht früh an Untersuchungen zu Insektendiversität mitgewirkt und erste Artikel zu ersten Käferfunden für neue Regionen bearbeitet. Dabei war es eigentlich immer der wissenschaftliche Ansatz, der mich faszinierte.
Seit diesen Anbindungen habe ich eigentlich immer nach dem Job gesucht, der mir die Möglichkeit gibt, mich mit diesen Inhalten zu beschäftigen. Also das zu tun, was mich so sehr fasziniert. Das hat mich relativ orientierungslos durch eine Ausbildung zum biologisch-technischen Assistenten sowie durch mehrere Versuche, einen entomologischen Job zu finden, geführt. Letztlich dann in ein Biologiestudium an der Universität Duisburg-Essen. Und parallel habe ich im Entomologischen Verein Krefeld geforscht, der eine wissenschaftlich ausgerichtete Fachgesellschaft ist. Naja, und irgendwann hat es dann plötzlich auch Leute interessiert, was ich so mache. Ich habe das nie davon Abhängig gemacht aber mein heutiger Job hat sich mehr entwickelt, als dass es ihn konkret gegeben hätte und ein junger Mensch bei einer Suche überhaupt auf ihn stoßen könnte
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Die bloße Faszination hat mich dort hinein getrieben. Mir war relativ früh klar, dass ich im Prinzip gar nichts anderes tun möchte. Und ich habe früher eigentlich immer das Leben um mein Hobby, meine Passion oder wie man es auch nennen mag, gebastelt. Schon zu Schulzeiten. Aus heutiger Sicht hat sich das gelohnt. Mich erfüllt, was ich tue.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Aktuell forsche ich u.A. in mehreren Verbundforschungsvorhaben zu Insektendiversität und dem Einflüssen von Landnutzung auf biologische Vielfalt im Schutzgebietsnetz. Das sind sogar die größten bisherigen Projekte in diesem Bereich. Letztlich haben wir die Grundsituation, dass menschliche Einflüsse auf Biodiversität diese überall auf diesem Planeten irreversibel schädigen. Auch direkt vor unserer Haustüre. Um biologische Vielfalt zu erhalten, gibt es bei uns rechtsverbindliche Ansätze, die dafür sorgen sollen, dass sie lokal halt möglichst gut erhalten bleibt. Das sind zum Beispiel Schutzgebiete wie beispielsweise Naturschutzgebiete. Da gibt es allerdings das Versäumnis, dass wir uns erst heute mit der umfassenden Aufdeckung der Artenvielfalt beschäftigen und wissen, dass dort an einem Standort im Laufe eines Jahres mal eben 2000-3500 verschiedene Insektenarten an nur einem Punkt leben. Zu den Risikofaktoren, die diese Vielfalt bedrohen, wissen wir ebenfalls viel zu wenig. Das ist gerade wirklich überwiegend noch Neuland, und das im Jahr 2022. Und das ist eigentlich mein Job: die aktuelle Sachlage dokumentieren, Risikofaktoren zu ermitteln und Handlungsempfehlungen aus Forschungsperspektive für den lokalen Erhalt der Vielfalt zu geben.
Mein absoluter Antrieb ist dabei aber die Faszination von Insekten und anderen Organismen. Und die versuche ich auch in meinem persönlichen Ansatz von Wissenschaftskommunikation rüberzubringen. Auf Instagram (@totholz.thomas) habe ich irgendwann einmal damit begonnen, zu biologischer Vielfalt, Insekten, Biodiversitätsforschung und Wissenschaft generell zu informieren. Und das hat langsam zunehmend immer mehr Menschen erreicht, die diese Inhalte in irgendeiner Form spannend fanden und finden. Zum Teil motivierte es sogar schon eine ganze Reihe junger Menschen dazu, selbst ein Biologiestudium anzufangen, obwohl ihnen ältere Generationen dauerhaft vorhalten, dass das keine guten Jobs seien. Das ist natürlich eine zu unrecht pauschalisierte Falschinformation, die einfach nicht zeitgemäß ist (schon alleine die ganzen Umweltbehörden, die in den 1970er Jahren gegründet wurden erfahren jetzt den Generationswechsel, da die Menschen in Ruhestand gehen). Für Wisskomm gehe ich aber auch ganz unübliche Wege, z. B. mit neuen Buchkonzepten (be prepared!) oder aber die Veranstaltung lebendigerer Wissensvermittlung mit Forschungsinhalten. So kam es sogar mal dazu, dass ich gemeinsam mit dem Musikproduzenten und Biologen Dominik Eulberg und der grandiosen Biologin Dr. Kim Mortega vom Museum für Naturkunde in Berlin eine Biodiversitätsshow in einem Berliner Techno-Club veranstaltete, bei denen wir Sachinhalte in einer Multimedia-Show vermittelten. Und im Anschluss wurde getanzt. Ich versuche also gelegentlich aus meiner eigenen Komfortzone herauszukommen und mal ganz neue Konzepte auszutesten. Ich halte aber auch ganz klassische Vorträge oder bin hier und da als Dozent tätig.
Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Die Wichtigkeit vom Erhalt von biologischer Vielfalt ist mir persönlich eigentlich schon länger klar. Dass die Öffentlichkeit sich irgendwo schon für die Arbeit interessiert habe ich mehr erfahren, als das irgendwie proaktiv einzufordern. Im Jahr 2017 hatten wir in einem internationalen Forschungsteam den Verlust von 75% der Biomasse von Insekten über 27 Jahre in deutschen Naturschutzgebieten veröffentlicht. Die Publikation ging irgendwie durch die Decke und hatte weltweit (bis heute) einen sehr großen Einfluss, was letztlich bei uns ja auch zu der gesellschaftspolitischen Debatte zum Insektensterben führte. Der Umstand, dass heute eigentlich alle den Begriff „Insektensterben“ kennen und um den Verlust biologischer Vielfalt Bescheid wissen, zeigte uns schon, dass die Bedeutung des Themas gegeben ist. Unser Projekt ist gerade auch Projekt des Monats beim Bundesamt für Naturschutz. Die öffentliche Wahrnehmung hat mich mehr in die Richtung geschubst, dass wir als Wissenschaftler*innen auch eine Verantwortung haben, Sachlagen zu den eigenen Forschungsinhalten zu kommunizieren.
Wir tragen alle unseren Teil zu laufenden Biodiversitätsschäden bei und nehmen damit - wenn man es mal rein anthropozentrisch betrachten möchte - künftigen Generationen von Menschen die Möglichkeit, in einer ähnlichen Lebensqualität zu leben, wie wir heute. Viele Menschen in modernen weißen und westlichen Kulturen haben sich sehr stark von der Wahrnehmung entfernt, dass Biodiversität nach wie vor ihre Lebensgrundlage ist und beispielsweise unsere vollständige Ernährungssicherung und Wasserversorgung davon abhängt. Damit laufende Schäden nicht völlig ungehemmt vorangehen, braucht es Menschen, die diese Sachlage dokumentieren und sich mit Begeisterung dafür einsetzen, um die Wichtigkeit deutlich zu machen. Jede*r Einzelne sollte eine gewisse Grundbildung und Sensibilisierung zu Biodiversität haben, wenn ein nachhaltiger Umgang in den hiesigen Kulturkreisen schon nichts Selbstverständliches ist.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Oh, jetzt hatte ich oben schon fast ausufernd ausgeholt. Nein, das ist eigentlich ein Spektrum von Tätigkeiten in meinem Job. Etwa 80-90% nimmt die Forschung ein, der Rest ist die Kommunikation dazu. Ich möchte das künftig auch einfach in schwankendem Maße tun, je nachdem welche Projekte mir zusagen oder was ich ausprobieren möchte.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Nein, ich bin wie viele Nerds eher langweilig und in meinem Fall 24/7 Insektenforscher. Ehrenamtlich bin ich Vorsitzender des Entomologischen Vereines Krefeld, wo sich eine ganze Reihe von Mitgliedern um die Bewahrung alter musealer Sammlungen der Stadt Krefeld kümmert. Da gibt es immer sehr viel zu tun. Ansonsten schlendere ich gerne mal über Antikmärkte, kaufe mir zu viele Bücher oder schaue mir Städte an, um letztlich doch nur irgendwo zu landen, wo es was leckeres zum Essen gibt.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Momentan ist sehr viel los und ich muss ehrlich sagen, manchmal bin ich einfach froh, wenn ich überhaupt mal durchatmen kann. Am besten gefällt es mir, wenn ich Kreativität ausleben kann. Dazu reicht aber ein freier Tag nie, das funktioniert erst, wenn ich wirklich Ruhe habe und 2-3 Tage frei habe. Alle paar Wochen ist das aber mal der Fall über die Wochenenden.
Bitte begrüßt Thomas ganz herzlich bei Real Scientists DE!
No comments:
Post a Comment