Wir begrüßen diese Woche Solvejg Nitzke zurück bei Real Scientists DE! Solvejg (@nitzkesolvejg.bsky.social) ist habilitierte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und vertritt derzeit den Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Damit kehrt sie nach Stationen in Charlottesville, Wien und Dresden zurück an den Ort, wo sie Germanistik und Komparatistik studiert und mit einer Arbeit über das Tunguska-Ereignis (Die Produktion der Katastrophe) promoviert hat. Solvejg interessiert sich für die prekäre Beziehung von Erzählen und Wissen, weswegen sie neben Katastrophen, Science Fiction und Verschwörungserzählungen auch Klima und Ökologien erforscht. Im Oktober erscheint ihr Portrait „Farne“ in der Naturkunden-Reihe bei Matthes und Seitz und 2025 erscheint dann auch ihr Buch zur Kulturpoetik der Bäume. Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation gehören für Solvejg zusammen, weshalb sie in vielen Formaten mitwirkt, die Wechselbeziehungen zwischen Universität und Öffentlichkeit stärken.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Was ich letztes Mal (http://realscientistsde.blogspot.com/2019/06/komparatistik-solvejg-nitzke-ist-jetzt.html) geschrieben hab, stimmt noch genauso. Ich saß in der ersten Vorlesung in Bochum und seitdem hat mein Kopf nicht aufgehört Ideen herauszublubbern. Die durfte ich immer äußern, ausarbeiten und weiterspinnen – ein großes Glück, denn so eine wertschätzende und fordernde Umgebung muss man erstmal finden. Es gab also irgendwann die Frage, ob ich mir nicht vorstellen könnte zu promovieren und seitdem, bin ich drin. Spätestens seit ich das erste Mal unterrichtet habe, war es ganz um mich geschehen. Ich hab zwar immer den ein oder anderen Plan B in der Tasche, aber im Grunde bin ich genau da, wo ich sein will: in einem bewegten Raum zwischen Schreibtisch und Seminarraum. Dass ich da „gelandet“ bin, würde ich aber mittlerweile nicht mehr so sagen, eher hineingewachsen. Jede Hausarbeit, jeder Schritt hin zum selbstständigen Arbeiten, eine Menge Ermunterung und Unterstützung, aber auch mein eigener Ehrgeiz haben immer gesagt: da geht noch was. Und so lange ich die Frage „muss es diesen Text echt auch noch geben?“ mit Ja beantworten kann und sich Studies finden, die mit mir über Texte herumnerden möchten, fällt mir auch nicht ein, woanders hinzugehen.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Was mich an der literatur- und kulturwissenschaftlichen Ökologieforschung reizt, ist, dass es ein Feld mit porösen Grenzen ist. Ich muss mich ständig mit Wissen beschäftigen, dessen Zustandekommen ich nicht automatisch verstehe. Sprich: ich lese botanische Texte aus verschiedenen historischen Kontexten und Literatur aus allen möglichen Bereichen, gucke Filme, spiele Spiele und muss mich nicht auf eine Expertise beschränken. Meine Aufgabe ist es eher zu verknüpfen und Wege durch das Dickicht (pun intended) zu finden. So bleibt alles, was ich mache in Bewegung und ich kann zwischen close readings von Gedichten zur Kulturkritik an Popscience wechseln. Da gibt es nicht nur immer etwas zu finden, sondern auch immer etwas zu erzählen. Perfekt für mich!
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Seit April vertrete ich die Professur für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bochum. Das ist nicht nur der nächste „Karriereschritt“, sondern bedeutet einen ganz anderen Arbeitsrhythmus für mich. Einerseits, weil ich auf einen Schlag vier Lehrveranstaltungen unterrichte (eine davon als Vorlesung) und andererseits, weil ich dafür quer durch die Republik pendle. Meine Arbeit besteht also im Moment vor allem aus Lehre, was ein absolutes Vergnügen ist und ich freu mich schon darauf, mehr davon zu erzählen, wie ich gemeinsam mit den Studierenden Seminare gestalte, welche Formen des Austauschs wir pflegen und was meine Ziele dabei sind. Thematisch kann ich aus dem Vollen schöpfen und unterrichte dieses Semester Baumpoetiken, Metamorphosen, Gestörte Gesellschaftsentwürfe und Ökologisches Erzählen. Im Wintersemester wird es dann spooky! Dazu kommen die Veröffentlichung meiner Habilitation (als lesbares Buch – eine Herausforderung!) und Konferenzen etc. Das tolle an der derzeitigen Stelle ist also, dass ich das Professorinnensein sozusagen ausprobieren kann und dadurch die Chance hab, mir sehr genau darüber klar zu werden, was ich im „Ernstfall“ mit der Aufgabe anfangen wollen würde.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Es gibt drei Antworten auf diese Frage: 1. Ich hab es mit superspannenden Dingen zu tun – was Bäume und Pflanzen überhaupt können, was Menschen sich darüber dachten und denken und was da alles noch kommen kann ist einfach total faszinierend und für viele ganz neu, weil Pflanzen ganz selten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. 2. Dass das häufiger wird, liegt nicht zuletzt daran, dass wir uns in einer dramatischen Multikrise befinden. Hier hilft meine kultur- und literaturwissenschaftliche Herangehensweise, nicht nur Aufmerksamkeit zu erzeugen, sondern auch ganz dringend nötige Perspektivwechsel vorzunehmen. Vor allem hinsichtlich der Position von Menschen als Strippenzieher. 3. Der rote Faden meiner Arbeit besteht darin, zu fragen, wie verschiedene Wissensweisen zu ihrem Recht kommen, ohne das vermeintliche „Alternativen“ selbst zu unterdrückenden Formen und Exklusionsinstrumenten werden. Das gute alte kritische Denken, aber auch die Offenheit für verschiedene Weisen und Kulturen sich mit Nicht-Menschen aber auch untereinander in Beziehung zusetzen ist eine der zentralen Fähigkeiten unserer Zeit und ich arbeite mit allem, was ich kann und habe, dafür, diese Fähigkeiten zu erhalten und zu vertiefen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Auch daran hat sich nicht viel geändert, seit ich zum letzten Mal für Real_Sci schreiben durfte. Meine Tochter und meine Familie überhaupt sind die erste Priorität und da kommen dann tolle Aufgaben, wie Cheerleading für das Bronze Schwimmabzeichen oder die Organisation von allen möglichen Verabredungen oder Kinderschminken beim Schulfest dazu. Ansonsten mache ich, wo ich kann, WissKomm. Z.B. habe ich gerade dem Straßenmagazin Hinz und Kunzt Hamburg ein Interview über „Heimat“ gegeben und für die Ausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ einen Essay geschrieben. Mein größter Stolz ist ein kleines Buch über Farne, das im Oktober bei Matthes und Seitz erscheinen wird. Das hat in den letzten zwei Jahren viel Raum eingenommen.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Das Häkeln ist mein ständiger Begleiter, nicht mehr so sehr als Hobby, sondern als Hirnsortierer. Aber tatsächlich sind Hobbies ein Sehnsuchtsthema von mir. Um mich in der Bewerbungsphase, in der ich gerade bin, zu motivieren, denke ich nicht nur dran, was ich auf einer Professur alles tun könnte, sondern ich stelle mir (ein bisschen heimlich) vor, wie schön es wäre, wieder in einem Chor zu singen oder ein Instrument zu lernen oder aufzufrischen. Im Moment muss ich eher aufpassen, dass ich es überhaupt zum Sport schaffe, das ist eher Instanthaltung als Hobby, aber das wird wieder!
Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)
Auf jeden Fall muss ich am idealen Tag in keinem Zug sitzen. Wenn es noch besser sein soll, dann hätte ich an dem Tag Zeit, mit meiner Tochter wandern zu gehen oder ins Museum oder Kino, irgendwo herumzuliegen und einen Krimi zu lesen (für den Urlaub liegt hier schon ein Stapel, auf den ich mich schon sehr freue) und am liebsten würde ich noch kochen und mit meiner Familie oder Freunden zusammen so lange quatschen, bis alle von selbst müde werden. Am nächsten Tag klingelt kein Wecker!
Bitte begrüßt Solvejg ganz herzlich zurück auf dem Kanal!
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