Hier ist Janina in ihren eigenen Worten...
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Die Faszination an Sprachen, ihrer Grammatik und ihren Strukturen, die ich während meiner Schulzeit erlebt habe, hat mich in ein klassisches Philologie-Studium mit sprachwissenschaftlichem Schwerpunkt an der Universität Münster geführt. Das Studium habe ich mit einem Magisterabschluss und einer Arbeit zur Anwendung textlinguistischer Strukturen auf Medien beendet und mich danach eigentlich ganz naiv und unwissend der akademischen Strukturen auf verschiedenste Ausschreibungen für Stipendien beworben. Ich bekam eine Zusage von einem neu eingerichteten DoktorandInnenkolleg an der Universität Bremen, das sich mit dem Film beschäftigte und mir drei Jahre die Möglichkeit gab, dies ebenfalls zu tun. Ich traf zum ersten Mal meinen Doktorvater und Mentor, mit dem ich bis heute zusammenarbeite und der mir eine ganz andere akademische Welt als die mir bis dahin bekannte zeigte. Obwohl ich mich mit unterschiedlichsten Sprachen beschäftigt hatte, hatte ich weder Hausarbeiten auf Englisch geschrieben noch Referate gehalten (und stattdessen eher französische Übersetzungen vorgenommen). Ich konnte fortan an Konferenzen im Ausland teilnehmen und die internationale Welt der Sprach- und Medienwissenschaft kennen lernen - in einem Bereich, der immer noch mit den Grundannahmen meines Fachs arbeitet, sie aber auf viele andere Kommunikationsformen (neben Sprache) überträgt und sich damit interdisziplinär zwischen unterschiedlichsten Fächern und Forchungsrichtungen bewegt. Die Möglichkeiten und Herausforderungen, die eine solche Forschung mit sich bringt, lassen mich bis heute den Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten nicht verlieren.
Nach meinem Studium war es im Grunde das Stipendium und die Zielsetzungen der damit verbundenen KollegInnen und BetreuerInnen, die mich zu meinen heutigen Forschungsschwerpunkten gebracht haben. Das war zum einen also teilweise fremdbestimmt, zum anderen aber war mir von Anfang eine gewisse Flexibilität mitgegeben, die ich bis heute genießen darf und die mich eigenständige Projekte und Interessen verfolgen lässt - und mir so kaum noch ein Gefühl von Fremdbestimmtheit geben. Diese Flexibilität macht nämlich zum Beispiel möglich, mich in unterschiedlichen Disziplinen umzuschauen, mit ihnen zu arbeiten und meinen Forschungsschwerpunkt immer wieder neu zu definieren.
In meiner Zeit als Postdoc habe ich mich explizit für eine Mischung aus Sprach- und Medienwissenschaften entschieden, war und bin also etwas risikobereit, was die Zukunft meiner Beschäftigung an einer Universität betrifft: Professuren und Studiengänge für Multimodalität oder multimodale Kommunikation/Linguistik gibt es nur sehr, sehr wenige ujnd es braucht auch einen gewissen Optimismus, weiter in diesem Bereich arbeiten zu können. Neben diesem gab es eigentlich noch nie einen Moment, in dem ich mich in meiner Position als Wissenschaftlerin nicht wohlfühlte oder dachte, dass ich irgendwann einmal keine Lust mehr auf diese Art von Arbeit habe.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Eine der Hauptfragen, mit denen ich mich in Analysen und theoretischen Auseinandersetzungen beschäftige, ist, inwiefern Medien bzw. Medienprodukte wie Filme, Comics, soziale Medien, etc. Bedeutungen konstruieren, uns also Geschichten erzählen, Sachverhalte darstellen oder Argumente vorführen. Während wir dies für sprachliche Texte ziemlich genau beschreiben können, nutzen viele Medien neben Sprache ja noch ganz andere Äußerungsformen wie Bilder, Musik, Bewegung, Animationen, etc., für die wir Bedeutungen nicht in einem Nachschlagewerk (wie in einem Wörterbuch für Sprache) festhalten bzw. nachschauen können. In meiner Forschung geht es also darum, zu beschreiben, wie Bedeutung mit und durch diese Äußerungsformen entsteht und wie wir dies vielleicht auch mit uns bekannten Instrumentarien (aus der Sprach-, Literatur-, Medienwissenschaft und anderen Disziplinen) analysieren können.
Meine Arbeit ist also zu einem großen Teil theoretisch und analytisch, indem sie konkrete Medienbeispiele und -texte mit diesen Instrumentarien untersucht. Hierfür bedarf es natürlich auch einer theoretischen und methodologischen Auseinandersetzung, also einer kritischen Evaluation von Instrumentarien und Analyserastern und ihrer Erprobung an und mit Beispielen. Ergebnisse dieser ‚Denkarbeit‘ finden momentan vor allem Eingang in mein Habilitationsprojekt, an dem ich schon eine Weile arbeite. Außerdem sind ein paar wissenschaftliche Veröffentlichungen und Präsentationen auf Konferenzen in Arbeit. In der momentanen vorlesungsfreien Zeit schreibe ich unter anderem an einem Einführungstext für ein Studienbuch zur Comicanalyse und an einem einleitenden Beitrag zu einem Sammelband, den ich in Folge einer Konferenz zum Thema Multimodalität mit KollegInnen herausgebe.
In meiner Woche als Kuratorin werde ich auch einen Kongress besuchen und dort zwei Vorträge halten. Nebenbei will ich noch einen Förderantrag für Gelder der Universität Bremen stellen. Im nächsten Jahr steht dann auch eine weitere große Konferenz an, die ich organisiere. Hierfür gilt es in der nächsten Zeit Drittmittelgelder zu beantragen und den Call for Paper auszusenden.
Während des Semesters unterrichte ich in den Studiengängen unseres Fachbereichs, also im Bereich Anglistik, Linguistik und teilweise auch Literatur- bzw. Medienwissenschaft. Im letzten Semester ging es zum Beispiel um aktuelle TV-Serien, im kommenden Semester gebe ich unter anderem ein Seminar zur Kommunikation in den sozialen Medien.
Außerdem arbeite ich in einem Team von HerausgeberInnen eines internationalen Journals und bin als Gutachterin für weitere solcher Journals und Verlage tätig.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Dass sprachwissenschaftliche Forschung sich immer auch mit sozialen und kulturellen Strukturen beschäftigt und dabei sehr wertvolle Arbeit leistet, ist gerade aktueller denn je. KollegInnen vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim haben zum Beispiel gerade erst die Sprache der AfD mit der anderer Parteien verglichen und interessante Ergebnisse erzielt, die für die aktuellen politischen Entwicklungen unheimlich wichtig sind.
Dass Sprachwissenschaft sich aber auch mit nicht- oder nur wenig sprachlichen Kommunikationsformen auseinandersetzt und dabei ebenso wichtige Ergebnisse erzielen kann, ist manchmal noch nicht so ganz akzeptiert, weder in den Geisteswissenschaften noch im Alltag. Ich will während meiner Zeit als Kuratorin versuchen, hier ein bisschen Überzeugungsarbeit zu leisten und zu zeigen, dass der Umgang mit den Medien in Kommunikationssituationen oft noch gar nicht so gut funktioniert und wir noch viel mehr darüber lernen müssen, was wir eigentlich genau ausdrücken, wenn wir Bilder oder Videos mit Text in einem Tweet oder Facebook-Beitrag verbinden und diesen in die Welt senden. Oft ist zum Beispiel die Rede von der Text-Bild-Schere, die mal wieder zugeschlagen hat, oder von einem falschen oder missglückten Einsatz von Werbebildern auf Webseiten, der auf Algorithmen aufbaut, die irgendwie noch nicht so gut funktionieren. Dahinter steckt fehlendes oder nicht ausreichendes Wissen über das Verstehen von nicht-sprachlichen Einheiten wie Bildern, Diagrammen, etc.., das wir erst noch viel systematischer erarbeiten müssen. Und für diese Erarbeitung bedarf es unter anderem auch sprachwissenschaftlicher Instrumentarien und Hypothesen sowie einer Menge empirischer Untersuchungen, mit denen wir noch eine ganze Weile beschäftigt sein werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden dann wertvolle Informationen liefern, die wir nicht nur unseren Kindern im Umgang mit den Medien mitgeben, sondern auf allen Ebenen der Kommunikation anwenden sollten.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Neben meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bremen bin ich auch Herausgeberin des Journals „Visual Communication“. Das bedeutet, dass ich die dort eingereichten Manuskripte lese, sie in den meisten Fällen zum Review aussende und dafür also nach geeigneten GutachterInnen suche und diese kontaktiere. Das Journal hat soeben einen Relaunch erlebt, an dem das HerausgeberInnenteam eine ganze Weile gearbeitet hat. Auch hierfür waren Texte zu verfassen und zu editieren, Layoutfragen zu klären, etc. Die Arbeit als Herausgeberin eines solchen internationalen Journals ist besonders spannend, weil man immer neue Forschungsprojekte und Ergebnisse kennen lernt, mit den unterschiedlichsten KollegInnen und ForscherInnen kommuniziert und auch einen guten Einblick in das Verlagswesen bekommt.
Mein Mann ist Jäger und ich begleite ihn gerne auf seinen Ausflügen in die Natur, ohne selbst einen Jagdschein haben zu wollen. Wir haben das schon eine ganze Weile nicht mehr gemeinsam gemacht, weil wir auch seit einiger Zeit eine kleine Tochter haben, die auf eine ganz andere Art und Weise gerade Natur und Leben entdeckt. Das Leben mit einem Jäger ist also immer irgendwie besonders, sei es mit Blick auf unsere Ernährung, die Details des Wortschatz unseres Kindes, das die Tiere im Wald bald alle besser benennen kann als ich, den Umgang mit einem kranken Tier in der Nachbarschaft und im Garten oder im Streit um die Dekorationen im Haus.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Bevor meine Tochter geboren wurde, hätte ich diese Frage mit einem Serienmarathon oder guten Büchern und dem Austausch über solche mit Freunden beantwortet. Heute ist es ein Tag mit der Familie, an dem wir gemeinsam ohne Verpflichtungen und mit viel Abstand von der Arbeit einen Ausflug (vielleicht ans Meer oder in die Natur) machen und uns über die kleinen Dinge im Alltag freuen.
Bitte begrüßt Janina ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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