Hier ist Lisa in ihren eigenen Worten...
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Zu dieser Frage stehen zwei alternative Antworten zur Auswahl:
1. Vorherbestimmung. Um mal mein latent stereotypes kindliches Ich zu zitieren: „Ich denke, man kann gar nicht beurteilen, welches das beste Pony ist! Das ginge höchstens, wenn jemand schon alle geritten wäre, sonst mag man ja automatisch die Ponys, die man selbst geritten ist.“
2. Zufall. Eine damalige Kommilitonin hatte sich auf zwei ausgeschriebene Hilfskraftstellen an einem Lehrstuhl beworben und ich habe mich ihr kurzerhand angeschlossen. Letztlich habe leider nur ich eine Stelle dort angeboten bekommen, wofür mich das schlechte Gewissen noch heute plagt. Danach folgten einige Fach- und Uniwechsel und so bin ich über etwas verschlungene Wege an der Uni Bielefeld gelandet.
Diese Frage zu beantworten ist tatsächlich eine gewisse Herausforderung für mich, da ich teilweise selbst nicht exakt definieren kann, was mein „aktuelles Feld“ eigentlich ist. Wenn ich meine Forschungsinteressen stärker konkretisieren müsste, würde ich sie auf zwei (Teil-)Disziplinen herunterbrechen: Computational Social Science und Wissenschaftsforschung.
An Computational Social Science begeistert mich, dass dort klassische sozialwissenschaftliche Fragestellungen aufgegriffen und mit computergestützten Methoden analysiert werden, wodurch eine neue Perspektive auf Bewährtes eingenommen wird. Darüber hinaus ist der Bereich für mein Empfinden noch nicht so stark ausdifferenziert wie traditionellere Forschungsfelder, wodurch interdisziplinäres Arbeiten mit einem realen gesellschaftlichen Mehrwert ermöglicht wird.
Mein Interesse an der Wissenschaftsforschung hingegen ist eher persönlicher Natur, da ich mich hier vor allem mit geschlechterbezogener Diskriminierung und Open Science beschäftige. Beides sind Themen, die mich als Wissenschaftlerin direkt betreffen und mit denen ich in der Vergangenheit bereits selbst negative Erfahrungen gemacht habe. Hieraus entstand bei mir der Wunsch, einen eigenen Beitrag zu leisten, um konstruktiv mit Gender Bias und der Replikationskrise, die leider auch die Sozialwissenschaften verstärkt erreicht hat, umzugehen und auf diese Weise nachhaltige Veränderungen an den derzeitigen Wissenschaftsstrukturen anzustoßen.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Meine alltägliche Arbeit ist für eine Sozialwissenschaftlerin vermutlich ungewöhnlich divers und interdisziplinär. Derzeit arbeite ich unter anderem an Projekten zu der Rezeption von US-amerikanischen Amokläufen auf YouTube, geschlechterbezogener Diskriminierung in der Wissenschaft, Open Science oder Stereotypen und Rassismus in sozialen Netzwerken. Ein verbindendes Element weisen jedoch (fast) alle genannten Projekte auf: Die verwendeten computergestützten Analyseverfahren, die von Netzwerkanalysen über Verfahren des Text Mining bis hin zu bibliometrischen Analysen von wissenschaftlichen Publikationen reichen.
Hinzu kommen bei mir noch die Lehre und Betreuung von Studierenden. Dieser Teil der Arbeit macht mir mitunter am meisten Spaß, da man eigenes Wissen und eigene Erfahrungen an die nächste Generation von potentiellen Wissenschaftler*innen weitergeben und gleichzeitig selbst von ihnen lernen kann.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Das ist eine Frage, die man als Sozialwissenschaftler*in tatsächlich häufiger gestellt bekommt. Mit Blick auf meine eigenen Forschungsgebiete würde ich sagen: Weil gesellschaftliche Herausforderungen wie Diskriminierung und Rassismus uns alle etwas angehen! Sozialwissenschaftliche Forschung zu diesen und ähnlichen Themen kann, sofern die Ergebnisse für ein breiteres Publikum verständlich aufbereitet und richtig kommuniziert werden, einen wichtigen Beitrag leisten, um neben dem wissenschaftlichen auch einen gesellschaftlichen Impact zu haben. Hierfür ist es jedoch auch wichtig, dass man sich als Sozialwissenschaftler*in – und insbesondere als weibliche Forscherin – dieser Stärke bewusst ist und sich sowohl in der Wissenschaftswelt als auch auf dem nicht-akademischen Arbeitsmarkt nicht unter Wert verkauft.
Neben meiner Tätitgkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin absolviere ich noch ein Psychologiestudium an der FernUniversität in Hagen und engagiere mich ehrenamtlich bei CorrelAid e.V., einem Netzwerk junger Datenanalyst*innen. Unser Ziel ist es, Organisationen mit sozialem Auftrag durch Analyse- und Beratungsprojekte dabei zu unterstützen, ihren gesellschaftlichen Impact zu vergrößern. Auf diese Weise wollen wir einen Dialog über den Wert und Nutzen von Daten(-analyse) für die Zivilgesellschaft anstoßen und eine Generation von gesellschaftlich denkenden Datenanalyst*innen fördern.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Mein Bücherregal besteht zu 1/3 aus klassischer Literatur, zu 1/3 aus Kunstbüchern und zu 1/3 aus Büchern über Flugzeugabstürze. Hinter letzterem Hobby steckt, auch wenn viele es anfänglich vermuten, jedoch keine Sensationsgier, sondern die Frage nach dem „Warum?“. Warum passieren Unfälle, welche Mechanismen stecken dahinter und welche Faktoren müssen zusammenspielen, damit es überhaupt zu solchen Abstürzen kommen kann? Denn nur wenn das Verständnis für die zunächst verborgenen kausalen Prozesse vorhanden ist, können ähnliche Unglücke zukünftig verhindert werden.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Natur, gute Gespräche, Dokus über Flugzeugabstürze. Alternativ Dokus über Serienkiller.
Bitte begrüßt Lisa ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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