Sunday, October 21, 2018

Ein Blick in den Gerichtssaal - Anna Bernzen ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Anna Bernzen (@AnnaKBernzen) vorstellen! Während ihres Jurastudiums mit Nebenfach Wirtschaftswissenschaften an der Universität Mannheim absolvierte Anna eine studienbegleitende Journalistenausbildung. In ihrer Dissertation, an der sie seit 2016 an der Universität Osnabrück arbeitet, kann sie ihre beiden Leidenschaften vereinen: Darin betrachtet sie ein journalistisches Thema - die Medienberichterstattung aus dem Gericht - aus juristischer Perspektive. Besonderen Spaß macht es ihr dabei, für ihre Forschung über den Tellerrand des deutschen Rechts zu gucken, zuletzt zum Beispiel mit einem Forschungsaufenthalt an der University of Oxford in England.


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 
Eigentlich wollte ich Journalistin werden. Daran hat mich gereizt, dass man dafür bezahlt wird, neugierig zu sein. Menschen treffen und mit Fragen zu einem interessanten Thema löchern, dann überlegen, wie man die Informationen so verpacken kann, dass die Leser und Leserinnen sie sofort verstehen, am Ende einen spannenden Text daraus basteln - das hat mir immer großen Spaß gemacht. Während meiner Doktorarbeit habe ich dann gemerkt, dass Wissenschaft wie Journalismus ist, nur mit mehr Zeit.
 
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Meine Doktorarbeit befasst sich mit den Regeln, die Journalisten und Journalistinnen einhalten müssen, wenn sie mit ihren Kameras, Mikrofonen und Twitter-Accounts aus dem Gericht berichten wollen. Aktuell ist ihnen in den deutschen Gerichten ziemlich viel von dem verboten, was dabei helfen würde, die Berichte über Gerichtsverhandlungen anschaulicher zu machen. Ich überlege mir in meiner Dissertation, ob die verschiedenen Verbote noch Sinn ergeben oder ob wir neue Regeln für die Arbeit der Medien im Gericht brauchen. Dafür vergleiche ich die deutschen Vorgaben mit denen für Journalisten und Journalistinnen an englischen Gerichten.

Neben meiner Doktorarbeit interessiert mich generell das Recht der alten und neuen Medien und das Recht des Geistigen Eigentums. Zuletzt habe ich zum Beispiel einen Aufsatz darüber geschrieben, welche urheberrechtlichen Regelungen es braucht, damit die Einnahmen, die auf Musikstreaming-Plattformen wie Spotify gemacht werden, gerecht unter den verschiedenen beteiligten Künstlern und Künstlerinnen verteilt werden.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Während meines Studiums habe ich eine Journalistenausbildung gemacht und als freie Autorin für verschiedene Medien wie z.B. ZEIT ONLINE oder Legal Tribune ONLINE gearbeitet. Nachdem ich die Medienbranche aus journalistischer Sicht schon ziemlich gut kennengelernt hatte, wollte ich sie in meiner Doktorarbeit aus der juristischen Perspektive näher betrachten.

Auf das konkrete Thema meiner Doktorarbeit kam ich während eines Praktikums in der ARD-Rechtsredaktion. Zusammen mit den Redakteuren besuchte ich damals den Strafprozess gegen Wendelin Wiedeking, der wegen Marktmanipulation bei der geplanten Übernahme von Volkswagen durch Porsche angeklagt war. Der Manager warf der Staatsanwaltschaft in seiner Aussage vor Gericht vor, eine „fernliegende und absurde Verschwörungstheorie“ zu verfolgen. Kaum hatte er diesen Satz beendet, sprang ein Dutzend Journalisten und Journalistinnen auf und verließ im Laufschritt den Gerichtssaal. Dessen Tür hatte sich noch nicht hinter ihnen geschlossen, da zückten sie bereits ihre Handys und gaben im Telefonat oder per SMS den Vorwurf an ihre Redaktionen durch, der wenig später über alle Nachrichtenticker lief. Der Grund für dieses Spektakel: Der Vorsitzende Richter hatte im Saal die Nutzung des Internets verboten. Die Redaktionen wollten trotzdem aktuelle Berichte über den Prozess liefern und mussten daher auf andere Weise ständig auf dem Laufenden gehalten werden. Meine Beobachtung ließ mich nachdenklich werden. Ich fragte mich: Passen die rechtlichen Grenzen, die Gesetz und Richter bzw. Richterinnen den Medien bei ihrer Berichterstattung aus dem Gerichtssaal ziehen, noch in unsere Zeit? Diese Frage beantworte ich in meiner Doktorarbeit. 

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Für das Thema meiner Dissertation sollte sich die Öffentlichkeit interessieren, weil es wichtig ist, dass wir Bürger und Bürgerinnen wissen, was an unseren Gerichten geschieht. In einem demokratischen Rechtsstaat ist es schließlich unsere Aufgabe, die Richter und Richterinnen bei ihrer Arbeit zu kontrollieren. Und weil nicht jeder und jede selbst zu Gericht gehen kann, um alle Prozesse persönlich vor Ort zu verfolgen, ist es wichtig, dass die Medien für uns anwesend sind und anschaulich aus den Gerichtssälen berichten.

Für das Medienrecht und das Recht des Geistigen Eigentums generell sollte sich die Öffentlichkeit interessieren, weil es uns allen jeden Tag im Alltag begegnet. Mal ehrlich, wer hat nicht mehrmals am Tag sein Smartphone in der Hand? Wenn YouTube uns dann verkündet, „Dieses Video ist in Deinem Land nicht verfügbar“, wenn wir die zwanzigste Email mit neuen Datenschutz-Richtlinien öffnen oder Google uns sagt, dass bestimmte Ergebnisse aus rechtlichen Gründen aus der Suchliste gelöscht wurden, dann erleben wir „meine“ Rechtsgebiete in Aktion.



Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich engagiere mich bei ArbeiterKind.de. Wir haben es uns zum Ziel gemacht, all diejenigen auf ihrem Weg an die Universität zu unterstützen, die als Erste in ihrer Familie studieren. Meine Eltern haben beide studiert, sodass ich es ziemlich leicht hatte. Von den Abiturienten und Abiturientinnen, deren Eltern keinen Hochschulabschluss haben, schafft es dagegen nur knapp ein Viertel an die Uni. Das hat übrigens auch Auswirkungen auf die Wissenschaft: Zum Beispiel promoviert nur ein Prozent aller „Arbeiterkinder“, wogegen ein Zehntel aller „Akademikerkinder“ einen Doktortitel erwerben.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Interessant - naja, aber lecker: Ich backe sehr gerne. Davon profitiert häufig auch der Lehrstuhl, an dem ich arbeite.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Er beginnt mit einem leckeren Frühstück, gefolgt von der mehrstündigen Lektüre der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Anschließend verbringe ich die freie Zeit mit meiner Familie und/oder meinen Freunden und Freundinnen.

Bitte begrüßt Anna ganz herzlich bei Real Scientists DE!

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