Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unseren neuen Kurator Robert Karsthof (@RKarsthof) vorstellen zu dürfen! Robert hat an der Uni Leipzig Physik studiert und 2018 seine Promotion in der Halbleiterphysik abgeschlossen. Vor einem Jahr wechselte er von Leipzig an die Universität Oslo, wo er als Postdoctoral Fellow am Senter for Materialvitenskap og Nanoteknologi (SMN) Punktdefekte unter anderem in Oxidhalbleitern erforscht.
Hier ist Robert in seinen eigenen Worten:
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Nicht absichtlich, könnte man sagen! Wissenschaft hat mich schon als Kind fasziniert: Erst hatte ich eine langanhaltende Dino- und dann anschließend eine Weltraumphase, mein Regal war vollgestopft mit Büchern über diese Sachen. Die verbreitete Vorstellung, dass man es in diesen Feldern beruflich schwer hat, habe ich wohl irgendwann einfach als Tatsache akzeptiert. Eigentlich wollte ich dann nach dem Abitur was Ingenieurwissenschaftliches machen und später im Bereich erneuerbare Energien arbeiten. Die Fristen für die entsprechenden Studiengänge, in denen man oft dreimonatige Vorpraktika machen musste, habe ich aber verpasst. Physik zu studieren war dann sozusagen "nur" Zweitwahl, ich habe aber gleich nach Studienbeginn gemerkt, dass das ein totaler Glücksfall war.
Als Physiker*in bieten sich natürlich noch eine Reihe anderer Berufsfelder an, in die viele meiner ehemaligen Mitstudierenden auch nach den einzelnen Abschlüssen gewechselt sind. Die Leidenschaft für das wissenschaftliche Arbeiten, die Neugier, und ein bisschen auch der Stolz darüber, etwas zu tun, was genau so niemand anders macht, haben mich bisher davon abgehalten, mich vom akademischen Arbeiten zu verabschieden.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
In der Halbleiterphysik bin ich ebenfalls eher durch Zufall gelandet: Ich war auf der Suche nach einer spannenden Bachelorarbeit, und ein Bekannter aus meinem Orchester, damals Doktorand der Halbleiterphysik in Leipzig, hat davon mitbekommen und mir von seiner Arbeit erzählt, was mich schnell begeistert hat. Das Tolle an diesem Feld ist die gleichzeitige Grundlagenorientierung und starke Anwendungsnähe -- häufig bietet sich interessierten Studierenden ein Spektrum von Themen an, von der mathematisch-physikalischen Beschreibung und Lösung von festkörperphysikalischen Problemen über Materialwissenschaft hin zu komplexeren Bauteilen wie Solarzellen und letztlich dem Entwurf und der Herstellung sehr komplizierter Halbleiterstrukturen, bespielsweise für komplexe Schaltkreise, was dann sehr "hands-on" ist. Ich konnte im Lauf meines Studiums, der Promotion und den ersten beiden Postdoc-Jahren was von allem mitnehmen, was ich für einen Riesenvorteil dieses Feldes halte. Es bieten sich viele Möglichkeiten an, den Fokus der Arbeit zu ändern, ohne dass man gleich völlig ahnungslos dasteht.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Jeder kristalline Festkörper, auch Halbleiter, besteht aus in einem regelmäßigen Gitter angeordneten Atomen. Wenn ein Atom nicht an der Stelle sitzt, wo es hinsollte, nennt man das einen Punktdefekt. Solche Defekte haben schon in winzigen Konzentrationen einen gigantischen Einfluss auf die Eigenschaften von Halbleiterkristallen, und häufig ist das ein negativer, unerwünschter Einfluss. Man versucht also, so wenige von diesen Defekten wie möglich zu bekommen. Meine Forschung hier in Oslo beschäftigt sich mit Wegen, wie man den umgekehrten Weg gehen und diese Defekte funktionalisieren kann, also beispielsweise Bauteile herstellen, deren Funktion auf der Existenz und den Eigenschaften der Defekte basiert. Vieles davon geht gerade in die Richtung Quantencomputing und Quantenkommunikation, also ganz heiße Themen, an die gerade große technische Erwartungen gehegt werden.
Mein Arbeitsalltag ist sehr vielseitig, das geht vom Herstellen meiner eigenen Proben über Planung der Experimente und die Umsetzung -- häufig ist das Arbeit im Reinraum -- bis zur Charakterisierung mit den unterschiedlichsten Techniken. Vieles davon mache ich selbstständig, aber häufig ist es nicht nur aus Gründen der besseren Expertise sinnvoller, sondern auch viel schöner, mit meinen Kolleg*innen zu kollaborieren.
Das Tolle an dieser Arbeit ist, dass sie gerade durch die Kollaborationen sehr vielseitig ist, und ich große Freiheiten in der Wahl meiner Forschungsschwerpunkte bekomme.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Im Gegensatz zur schon erwähnten Astrophysik oder der Paläontologie ist es in meiner Erfahrung relativ schwer, Menschen in einem allgemeinen Gesprächskontext auf einen Schlag für Halbleiterphysik zu begeistern. Häufig scheitert ein solcher Versuch schon daran, dass nicht jeder weiß, was Halbleiter eigentlich sind. Ironischerweise nutzt heute praktisch jede*r mobile Geräte wie Smartphones und Computer, in denen diese Materialien im übertragenen Sinn Herz, Hirn, Sinnesorgane und Blutbahn gleichzeitig sind. Ein sehr großer Teil des technischen Fortschritts, den wir in den letzten hundert Jahren gesehen haben, ist letztlich auf das gewonnene Verständnis von Halbleitern zurückzuführen. Das ist vielen so gar nicht bewusst.
Konkret im Bereich Quantentechnologien stehen uns in den kommenden Jahrzehnten weitere große Durchbrüche bevor. Ich denke, es ist immer eine gute Idee, einen groben Überblick über die Hintergründe von technische Innovationen zu behalten. Wissenschaftskommunikation ist da eine extrem wichtige Vermittlerin, deren Rolle umso unverzichtbarer wird, je komplexer die Forschungsergebnisse werden.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Als demnächst voraussichtlich dienstlängster wissenschaftlicher Angestellter, der in unserem elektrischen Charakterisierungslabor arbeitet, habe ich die Aufgabe übernommen, dieses Labor als Verantwortlicher zu verwalten und quasi "in Schuss zu halten". Das schließt das Anlernen von Mitarbeitenden, die das Labor nutzen wollen, das Reparieren von Hardware, die Anschaffung neuen Equipments und die Wartung von Messsoftware ein.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?7
Eine meiner großen Leidenschaften ist das Bouldern, also das Klettern in Absprunghöhe ohne Sicherung. Beim Bouldern liegt der Fokus auf dem Lösen von Bewegungsproblemen und weniger darauf, große Höhen zu erklettern. Geboren wurde der Sport am Fels, viele Bouldernde (ich eingeschlossen) betreiben ihn heute allerdings vor allem in der Halle, wo sich ausgebildete Routesetter*innen Probleme überlegen und in Form von bunten Plastikgriffen in die Wand schrauben. Oslo bietet aber viele Möglichkeiten, raus an den Fels zu gehen, ohne dass man das Stadtgebiet verlassen muss, was ganz fantastisch ist. Ich bin sehr gerne draußen zum Bouldern, allerdings ist das nach der Arbeit abends nur selten möglich, da ist die Halle einfach praktischer.
Bouldern ist eine Sportart, die nicht nur den ganzen Körper, sondern auch den Einsatz des Kopfs erfordert. Trainiert werden Problemlösungsskills, Gleichgewicht, Kraft, Ausdauer und das Gefühl für die Position des eigenen Körpers im Raum. Wenn ich bouldere, kann ich abschalten. Egal wie mies der Tag war oder wie sehr ich mental an der Arbeit festhänge. Dazu kommt, dass es ein unheimlich sozialer Sport ist, bei dem jede*r jede*n auf seinem individuellen Level unterstützt. Jeder Erfolg wird gemeinsam gefeiert, unabhängig davon, was das Einstufungssystem über den Schwierigkeitsgrad der Route behauptet!
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ich kann mir zwei ideale Tage vorstellen. An einem sonnigen Tag würde ich ausschlafen, üppig frühstücken, anschließend mit Freunden bouldern gehen, irgendwo im Wald, an echtem Stein! Wenn ich mich nicht mehr auf den Beinen halten kann, geht's zurück nach Hause, um was Leckeres zu kochen und dann anschließend die Abendsonne beim Essen auf dem Balkon zu genießen.
Verregnete Tage verbringe ich aber auch super gerne mit Gaming, oder mit zwei bis zehn Folgen einer guten Serie.
Bitte begrüßt Robert ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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