Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unseren neuen Kurator Philipp Markolin (@philippmarkolin) vorstellen zu dürfen! Philipp ist promovierter Naturwissenschaftlerin im Bereich Biomedizin. Er hat in Graz, Österreich studiert und an der ETH in Zürich jahrelang geforscht. Zurzeit arbeitet er als Wissenschaftskommunikator für ein Start-up Unternehmen.
Als Kind war ich eine Leseratte und bin gerne in die Schule gegangen. Soweit ich mich zurückerinnern kann war ich schon immer ein Suchender, manchmal von der Neugierde gelockt, oft von ihr getrieben. Physik, Chemie, Philosophie, Psychologie, Literatur, alles was interessante Ideen und Konzepte beherbergte, dafür war ich zu haben. Manchmal seh ich mich immer noch als eine Faust’ische Gestalt, die wissen will, ‘Was die Welt im Innersten zusammenhält’. Ich studierte Chemie, danach Biochemie, dann kam das Doktorat in Biomedizin an der ETH in Zürich, darauf dann noch Postdoc in der Bioinformatik und maschinelles Lernen. Seit meiner PhD Zeit schreibe ich nebenbei einen Wissenschaftsblog. Vor einem Jahr habe ich mich dann dazu entschlossen, die universitäre Forschung zu verlassen und der Wissenschaftskommunikation professionell eine Chance zu geben.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin in der seltsamen Lage, dass ich kein wirkliches Feld besitze. Wenn mein akademischer Weg einen gemeinsamen Nenner hatte, dann war es mein ewiges Bestreben, „das menschliche Genom“, diesen fast mystischen Kern dessen, was uns menschlich macht, aus chemischer, biologischer, medizinischer und computergestützter Perspektive zu verstehen. Nachdem ich das nun halbwegs gemeistert habe, kommt als nächstes unser Gehirn dran… ich bin ein hoffnungsloser Fall in der Hinsicht. Irgendwann habe ich gemerkt, dass meine breite wissenschaftliche Aufstellung sich überraschend gut eignet, auch journalistisch an komplexe Probleme und Projekte die Wissenschaft und Gesellschaft betreffen, ranzugehen. Und dann bin ich (unter anderem) auch gleich mitten in die Kontroverse rund um die Ursprungs-Diskussion von SARS-COV-2 reingefallen, was ich anderen nicht empfehlen würde als Einstieg in öffentliche Wissenschaftskommunikation. Darüber werde ich sicherlich noch einiges von mir hören, aber professionell mache ich momentan was komplett anderes: Ich erstelle multimediale wissenschaftliche Inhalte für eine Firma.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Seit kurzem arbeite ich in einem ‘Deep Tech’ Startup Unternehmen namens 3Brain in der Schweiz, in einer der seltenen Positionen wo man für Wissenschaftskommunikation bezahlt wird. Ich sage selten, weil ich ein Jahr lang auf der Suche nach eben so einer Position gewesen bin und dazwischen als Freelancer an einigen Projekten und Workshops gearbeitet habe, und darüber werde ich sicherlich auch noch sprechen. Kurz zur momentanen Arbeit, es geht bei uns in der Firma um eine fundamentale Idee: Wie funktioniert unser Hirn, genauer: Wie interagieren unsere Neuronen individuell und zusammen in unserem neuronalen Netzwerk? Was sind die Dynamiken, wie hängt alles zusammen? Um eben dies zu untersuchen, entwickeln und bauen wir sogenannte “Brain-on-chip” Technologien, konkret Semi-Leiter Mikrochips mit tausenden winzigen Sensoren auf denen die elektrische Aktivität eines biologischen neuronales Netzwerk (Hirnschnitt oder Hirn-Organoid) beobachtet werden kann wie mit einer hochauflösenden Digitalkamera. Da die Technologie viele verschiedene Fachgebiete umfasst, von Elektronik zu Neurowissenschaft zu Bioinformatik (die Datenmengen sind enorm und das Prozessieren aufwendig) hat die Firma sich entschieden, einen Kommunikator einzustellen, der diese revolutionäre Technologie Wissenschaftlern und wirklich allen Menschen besser zugänglich machen kann. Da ich erst relativ kurz bei der Firma bin, kann ich noch nicht zu viel über den Alltag plaudern (ein wenig schon!), aber eines gleich vorweg: Meine momentanen Aufgaben umfassen alles kreuz und quer, von technische Protokolle für CE Zertifizierung schreiben zu populärwissenschaftlichen Artikel verfassen für Blogs, Websites und Social media Posts, und zusätzlich Wissenschaftsvideos machen, und eine Marketing Kampagne organisieren für einen neuen Produktlaunch, und natürlich ganz viel wissenschaftliche Studien lesen um Up-to-date zu bleiben. Chaotisch, aber so ist es im Start-up Leben, und dass passt mir ganz gut momentan. Vielleicht eines noch: Glück spielt eine grosse Rolle. Ohne mein “Freelancer” Jahr in welchem ich aktiv an meinem Wisskomm Portfolio gearbeitet habe, hätte ich diese Stelle wohl nie bekommen. Es führen, wie man so schön sagt, alle Flüsse irgendwann in den Ozean. Deshalb rate ich allen PhDs und Postdocs, einfach mal das zu machen, wofür man brennt, auch wenn man nicht weiss, was die Zwischenstationen sind und wo man schlussendlich landen wird.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Ich bin der festen Überzeugung, dass Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen. Meiner Meinung nach ist die Wissenschaft das hoffnungsvollste, erfolgreichste und einzig wirklich globale Unterfangen dem sich die Menschheit je verschrieben hat und auf dem unsere moderne Welt sich stützt. Sie ist zweifelsfrei der Motor in eine bessere Zukunft. Aber ich rede nicht nur von Technologie und Fortschritt, sondern auch von sozialen Aspekten. Etwas, dass vielleicht weniger offensichtlich ist, aber ich glaube fest, dass wissenschaftliches Denken uns freier, vernünftiger und wenn wir gewillt sind, menschlicher macht als jede andere Form der Epistemologie. Wissenschaftler haben einen phänomenalen Weg, mit Unsicherheiten umzugehen, ohne zynisch, demotiviert oder depressiv zu werden, und davon kann jeder ganz persönlich profitieren.
Dennoch haben Menschen zu oft das Gefühl, Wissenschaft sei nichts für sie, oder misstrauen ihr gar und insbesondere den Wissenschaftlern, wenn diese einen scheinbar erhöhten Einfluss auf den öffentlichen Diskurs ausüben. Diesen Spalt des Misstrauens gilt es meiner Meinung nach zu schließen, und der beste Weg, dass zu machen, ist Wissenschaft zur Gesellschaft zu bringen, und die Gesellschaft zur Wissenschaft.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ja, aber diese sind momentan noch etwas unter Verschluss. Nur soviel: Meine journalistischen Tätigkeiten rund um die Ursprünge von SARS-CoV-2 haben einige Interessante Türen geöffnet die ich gerne weiterverfolge. Oh, und außerdem dann gibt es da noch ein Langzeitprojekt, Protagonist Science, das momentan im Aufbau ist. Da geht es dann darum, mit Wissenschaftlern zusammen postive Zukunftsszenarien zu entwickeln, um den allgegenwärtigen Dystopien der Gegenwart mit Wissenschaft und Future Forecasting Techniques Paroli zu bieten. Wenn etwas Zeit bleibt, sage ich auch gerne darüber etwas.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Interessant ist ja relativ :) Vielleicht dies: Ich schreibe liebend gerne Science Fiction um der menschlichen Dimension in unserer technologischen Zukunft mit Literatur auf die Schliche zu kommen. Wie behandeln wir intelligente Maschinen? Was wird es bedeuten, Mensch zu sein, wenn Wissenschaft uns scheinbar immer mehr entmystifiziert? Früher oder später wird es wohl mal ein Buch geben, vielleicht wenn ich das nächste mal ein kreatives Jahr nehme, zwischenzeitlich können Sci-fi Fans und Interessierte ja gerne mal bei mir nachfragen wenn sie Kurzgeschichten auch mögen.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscherinnen sind ja auch nur Menschen)?
Definitiv ausschlafen, danach am Besten raus ins Abenteuer mit meiner jungen Tochter solange sie mich noch cool findet, Swimmen, Berge oder Wald, hauptsache Natur. Bald wird sie auch fleißig mit mir Karate trainieren, was ich schon seit über 20 Jahren mache und etwas unter den Tisch gefallen ist in letzter Zeit. Apropos Tisch, am Abend darf es auch gerne Mal wieder ein gutes Restaurent mit der Frau sein und eine gemütliche Netflix Serie, oder ein paar Runden zocken im Discord mit alten Freunden.
Bitte begrüßt Philipp ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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