Sunday, August 20, 2023

Chronische Erkrankungen im Beruf - Sasha Cook ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Sasha Cook bei Real Scientists DE! Sasha (@AR_SashaCook) ist seit 2021 Assistant Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der University of Amsterdam. Sie hat in Chemnitz studiert und promoviert und war anschließend für zwei Jahre an der VU Amsterdam. Sie forscht zum Thema Gesundheitsdiversität am Arbeitsplatz und untersucht, wie sich chronische Gesundheitsprobleme und Arbeitstätigkeit gegenseitig beeinflussen. 


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe an der Technischen Universität Chemnitz Psychologie studiert (B.Sc und M.Sc). Während meines Studiums habe durchgehend als HiWi gearbeitet, anfangs hauptsächlich als Übersetzerin. In meinem Master war ich dann als Tutorin und HiWi an der Arbeitsgruppe Organisations- und Wirtschaftspsychologe, und dort auch mehr und mehr in die Forschungsarbeit dort integriert. Durch meine Praktika hatte ich ein paar andere Berufsfelder (unter anderem Psychotherapie) ausprobiert und relativ schnell für mich ausgeschlossen. Ich denke, dass mir am Ende die Wissenschaft einfach am meisten Spaß gemacht hat und ich dann einfach wusste, dass ich gerne promovieren möchte. Ich habe dann nach meinem Masterabschluss in der Professur, in der ich vorher als HiWi war, erst eine Schwangerschaftsvertretung übernommen und mich dann auf eine Promotionsstelle beworben. Seitdem habe ich, ehrlich gesagt, keine Sekunde an meiner Berufswahl gezweifelt, auch wenn es natürlich Hoch- und Tiefphasen gab. Nach der Promotion wollte ich Deutschland erstmal verlassen und habe erst an der VU Amsterdam als Assistant Professor angefangen, bevor ich dann an die University of Amsterdam (UvA) gewechselt bin.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Meine Dissertation war eigentlich zu einem anderen Thema, nämlich Führungswahrnehmung und -verhalten in Teams. Während meiner Diss-Zeit bin ich dann aufgrund schon länger bestehender neurologischer Probleme im Krankenhaus gelandet und habe die Diagnose Multiple Sklerose (MS) erhalten. Das hat meinen ganzen Fokus dann auf das Thema chronische Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz und im Berufsleben gerichtet. Parallel zur Dissertation und habe ich dann angefangen mich in das Thema einzulesen und mit der Hilfe von engagierten Studierenden die ersten Daten dazu zu erheben. Am Anfang hat es mich vor allem interessiert, was Arbeitnehmer*innen mit Autoimmunerkrankungen bei ihrer Berufstätigkeit unterstützt. Erstens muss man ja irgendwo anfangen und Autoimmunerkrankungen lagen für mich auf der Hand: MS ist eine Autoimmunerkrankung (research is me-search), mein Vater hatte Diabetes Typ I und meine Mutter arbeitet als Diabetesberaterin. Stück für Stück habe ich dann meinen Fokus und die Themen erweitert und sehe mich jetzt als Forscherin zum Thema Gesundheitsdiversität am Arbeitsplatz.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Mein Job besteht aus 45% Forschung und 55% Lehre. Meine Lehre (Arbeit & Gesundheit, Sport- und Leistungspsychologie) findet vor allem im Spätsommer (September-Oktober) und im Frühling/Sommer statt (Mai-Juli). In den Monaten ohne Lehre betreue ich dann Masterarbeiten und kann mich auf die Forschung konzentrieren. Die Lehrezeit ist sehr stark geplant, wohingegen meine Forschungszeit mir sehr viel mehr Freiheit gibt. Ich suche mir meine Forschungsthemen und -projekte selbst aus, recherchiere, lese, plane Studien und schreibe Paper. Meine Studien sind hauptsächlich Feldstudien, bei denen ich die Zusammenhänge zwischen Aspekten der Berufstätigkeit und Aspekten einer chronischen Erkrankung untersuche. Meine Teilnehmenden sind deshalb fast immer Personen mit chronischen Erkrankungen, die berufstätig sind. Momentan untersuche ich z.B. das Thema Menstruationsschmerzen und Endometriose im Berufsleben. Durch die Forschung ergeben sich immer wieder tolle Kontakte, z.B. zur Deutschen Endometriosegesellschaft, welche sich auch politisch für Arbeitnehmer*innen mit Endometriose einsetzt und deren Reichweite uns bei der Anwerbung von Studienteilnehmenden eine riesige Hilfe war.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Okay das könnte jetzt etwas länger werden: Laut Eurostat haben in Europa ungefähr ein Drittel aller Personen im berufstätigen Alter mindestens ein chronisches Gesundheitsproblem. Mit der Zunahme von Autoimmunerkrankungen und dem demografischen Wandel ist die Tendenz steigend. Fast jeder kennt jemanden in seinem/ihren Bekanntenkreis mit einer chronischen physischen oder psychischen Erkrankung. Trotzdem wird das Thema Erkrankung oft als Nischenthema betrachtet. Es gibt unfassbar viele Studien und einige sehr gute Theorien zu Gesundheit am Arbeitsplatz. Aber viele davon gehen entweder explizit oder implizit davon aus, dass Menschen „relativ gesund“ sind, wenn sie anfangen zu arbeiten. Es gibt aber eine sehr große Diversität in Bezug auf den persönlichen Gesundheitsstatus, die meiner Meinung nach berücksichtigt werden muss. Passiert das nicht, forschen wir im Bereich Gesundheit am Arbeitsplatz eventuell an den Mitarbeitenden vorbei, die spezifische Unterstützung nötig haben. Diese Unterstützung fängt oft im Kleinen an: Ich erzähle bei Vorträgen gerne die Anekdote von einem Angestellten mit Typ 1 Diabetes, dessen Wunsch am Arbeitsplatz war, dass er beim Mittagessen nicht gestört werden wollte, weil er vorher Insulin gespritzt hat. So etwas findet man eben nur raus, wenn man Personen mit chronischen Erkrankungen fragt. Ignoriert man das Thema, nimmt man in Kauf, dass viele Personen mit chronischen Erkrankungen in Frührente gehen. Das hat wirtschaftliche Folgen und ist auch in Zeiten des Fachkräftemangels sehr ungünstig. Für mich persönlich aber noch viel wichtiger ist es, dass viele Menschen mit chronischen Erkrankungen gerne arbeiten wollen. Neben der finanziellen Absicherung ist Berufstätigkeit für Menschen mit chronischen Erkrankungen auch verbunden mit höherer Lebenszufriedenheit und höherem Selbstwertgefühl. Auch wenn ich die wirtschaftlichen Argumente immer mit nennen muss, finde ich diesen Punkt eigentlich noch relevanter. 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Nicht wirklich. 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich backe unglaublich gerne, ich glaube mein gröβter Stolz waren bisher zwei Hochzeitstorten für Freunde. Leider brauche ich unbedingt eine neue Küche und mein aktueller Backofen geht etwas frei mit dem Konzept „Temperatureinstellung“ um. Ich habe auch ungefähr 50 Zimmerpflanzen (grob geschätzt, hab nie genau gezählt) und einen Garten in dem ich Blumen und Gemüse anpflanze. Jetzt im Sommer werde ich gerade zur weirden Zucchinilady, die jedem Zucchini anbietet der nicht schnell genug wegläuft. Ansonsten hab ich mal irgendwelche Hobbyphasen in denen ich mich total für eine Tätigkeit begeistere, und eine Weile lang nur das mache. In der Corona-Zeit hatte ich groβe Freude daran Wackelpuddingkreationen zu erfinden und Slow-Motion Videos davon zu machen wie ich sie wackeln lasse. Ach und bevor ich es vergesse…braucht jemand hier Zucchini?

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)
“Den” perfekten freien Tag gibt es nicht, es kommt ganz darauf an, wie viel Energie ich habe und wie sozial ich mich fühle. Ich kann einen tollen freien Tag damit verbringen nur zu Lesen, zu kochen, Serien zu schauen, oder in meinem Garten rumzuwerkeln. Wenn ich mich aktiver und/oder sozialer fühle, dann fahre ich mit dem Rad in die Innenstadt von Amsterdam und gehe mit Freunden und meinem Partner in eines der fantastischen Restaurants hier oder miete ein Boot und schippere durch die Grachten.

Bitte begrüßt Sasha ganz herzlich auf dem Kanal!

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