Diese Woche begrüßen wir unseren Kurator Michael Wiesing (@vrneuroscience.bsky.social) zurück auf dem Kanal! Michael ist gelernter KFZ Mechaniker und studiertezwischen 2009 und 2015 Biologie und Experimentelle Neurowissenschaften an der Universität Köln. Von 2015 bis 2019 war er als Doktorand am Forschungszentrum Jülich am Institut für kognitive Neurowissenschaften tätig, wo er sich damit beschäftigt hat, wie Virtual Reality Brillen als Instrument in den kognitiven Neurowissenschaften eingesetzt werden können. Zwischen 2020 und 2023 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Wahrnehmungspsychologie der Uni Düsseldorf und hat mithilfe von Virtual Reality das Zusammenspiel und die Interaktionen zwischen motorischen Prozessen und visueller Wahrnehmung erforscht. Seit 2023 arbeitet er als Postdoc am Event Lab an der Universität Barcelona und erforscht ethische Probleme, die sich aus moderner Virtual und Augmented Reality ergeben können.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Dass ich eines Tages in der Wissenschaft landen werde, hätte ich mir lange Zeit selbst in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Nach meinem Realschulabschluss habe ich damals eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker angefangen. Im Laufe der Ausbildung wurde mir aber immer deutlicher, dass das nicht der richtige Beruf für mich ist. Stattdessen habe ich mich damals schon lieber mit Computern beschäftigt und fand auch wissenschaftliche Themen immer spannender als Autos. Nach meiner Ausbildung habe ich mein Abitur im zweiten Bildungsweg nachgeholt. Während dieser Zeit fand ich immer mehr Interesse an psychologischen und neurowissenschaftlichen Themen, weshalb ich mit dem Gedanken gespielt habe, etwas in die Richtung zu studieren. Bevor ich mit dem Studium begonnen habe, wollte ich noch einen Einblick in den Forschungsalltag bekommen und habe ein Praktikum am Institut für kognitive Neurowissenschaften(INM-3) im Forschungszentrum Jülich absolviert. Im Rahmendes Praktikums war ich in eine Studie über Synästhesie mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) involviert. Ich fand sowohl das Thema als auch den ganzen Prozess, Experimente zu entwickeln, sehr spannend. Die Erlebnisse in der Zeit haben mir die letzte Gewissheit gegeben, mich für eine wissenschaftliche Laufbahn im Bereich der kognitiven Neurowissenschaft zu entscheiden.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Bei der Wahl des Themas für meine Dissertation wurde mir viel Freiraum gelassen, und ich hatte die Möglichkeit, mein Thema selbst zu wählen. Zu dieser Zeit hatte ich auch zum ersten Mal das Oculus Rift Development Kit 2 bei einem Freund ausprobiert und war sofort von den Möglichkeiten zur Untersuchung kognitiver Prozesse, die diese Technologie bietet, fasziniert. Schließlich entschied ich mich dazu, Virtual Reality (VR) als Werkzeug zur Erforschung kognitiver Prozesse zum Thema meiner Dissertation zu machen. Bis heute bin ich von den Forschungsmöglichkeiten, die VR bietet, begeistert. In jüngster Zeit hat sich mein Forschungsschwerpunkt jedoch verschoben. Statt VR primär als Forschungsinstrument zu betrachten, konzentriere ich mich nun verstärkt auf die Chancen und insbesondere die Risiken, die diese Technologie im Alltag, außerhalb des Labors, mit sich bringt.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Anfang letzten Jahres habe ich meine Koffer gepackt und mich auf den Weg nach Barcelona im Herzen Kataloniens in Spanien gemacht, wo ich derzeit als Postdoc am "EventLab" der Universitat de Barcelona arbeite. Das Labor wurde 2008 gegründet und erforscht, wie wir virtuelle Welten erleben und welche Auswirkungen virtuelle Welten auch außerhalb der VR auf unser Erleben haben. Mein Forschungsthema dreht sich um potenzielle ethische Probleme, die sich aus der Virtual Reality Technologie ergeben können. Ein Blick in die Literatur zeigt eine wachsende Anzahl von Studien, die aufzeigen, wie Virtual Reality positiv genutzt werden kann, unter anderem um Belästigung von Frauen zu verringern oder implizite rassistische Vorurteile gegenüber schwarzen Personen zu reduzieren.
Bereits 2015 wurde Virtual Reality als eine "Empathy Machine" bezeichnet. Aber trifft das wirklich zu? Sicherlich kann Virtual Reality eingesetzt werden, um die Welt ein Stück weit besser zu machen, aber es gilt auch die möglichen negativen Auswirkungen zu betrachten. Es gibt eine zunehmende Anzahl von Artikeln, die diese und andere Risiken, die von der Technologie ausgehen können, diskutieren. Neben der Gefahr, dass VR genutzt werden könnte, um Vorurteile zu verstärken, wird unter anderem diskutiert, ob VR zu posttraumatischen Belastungsstörungenführen kann oder ob mit fortschreitender Technologie die Grenze zwischen Realität und virtueller Welt weiter verschwimmt. Obwohl potenzielle Gefahren von VR breitdiskutiert werden, basieren diese Diskussionen weitgehendauf Spekulationen, obgleich sie meist auf guten Gründenfußen. Um ethische Probleme, die sich mit der Technologie ergeben, zu verstehen und ethische Abwägungen über den richtigen Umgang mit Virtual Reality zu treffen, dürfen diesenicht allein auf Spekulationen basieren. Vielmehr sollte dies immer auf der Grundlage von empirischer Evidenz geschehen. Genau hier setzt mein Forschungsprojekt an: Es geht darum, potenziell unethische oder gefährliche Aspekte zu erforschen, unter anderem die Frage, ob wir Gefahr laufen, in Zukunft Realität und virtuelle Realität zu verwechseln. Ebenso, wenn VR genutzt werden kann, um rassistische Vorurteile zureduzieren, könnte es dann nicht auch genutzt werden, um diese zu verstärken? Meine Forschung zielt darauf ab, die Schattenseiten von VR zu beleuchten und im Labor, innerhalb eines ethischen und sicheren Rahmens, die Gefahren und unethischen Seiten der Technologie zu erforschen.
Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deineForschung/Arbeit interessieren?
Virtual Reality wird in Zukunft eine immer größere Rolle in unserem Leben spielen. Bislang ist aber noch nicht wirklich verstanden, welche Auswirkungen die Technologie auf uns haben wird. In meiner Forschung geht es gezielt um potenzielle Gefahren und unethische Einsatzgebiete von Virtueller Realität. Welchen Wert hätte meine Forschung, wenn ich diese nicht mit der Öffentlichkeit kommuniziere?
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du unserzählen möchtest?
Durch meine Arbeit habe ich gemerkt, dass ich sehr viel Freude am 3D-Rendering finde. So kommt es regelmäßig vor, dass ich meine Freizeit nutze, um an den Umgebungen für meine Experimente zu feilen. Ob die Details, an denen ich dabei arbeite, einen experimentellen Vorteil bringen, sei zunächst dahingestellt – Spaß macht es auf jeden Fall! Ansonsten steht mein 3D-Drucker auch selten still.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auchnur Menschen)?
Zuerst ausschlafen und ein wenig in den Tag hineinleben. Später zieht es mich gerne mit Inlinern durch Barcelonas Altstadt zum Strand, oft begleitet von einem Buch. Anschließend treffe ich mich mit Freunden und abends gehtes dann ab auf die Couch, um Serien oder Filme zu schauen – vorzugsweise mit ausreichend Junkfood.
Bitte begrüßt Michael ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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