Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Eine Kombination von Gründen, v.a. natürliche Neugier:
In meinem ersten Jahr an der Uni habe ich mit Psychologie im Hauptfach und Volkswirtschaft in Nebenfach begonnen, das war 2009 also kurz nach der Finanzkrise 2008, die Kombination kam daher, dass es mich interessierte wie sich Menschen am Aktienmarkt verhalten. Leider war ich zu zurückhalten, um mich in der Wirtschaft mit Studenten zusammen zu tun und hab so die Prüfungen nicht geschafft. Habe aber die Erkenntnis mitgenommen, dass Mathematik eine tolle Sprache ist.
Ein neues Nebenfach musste her, das war Geschichte mit Schwerpunkt Afrikanische Geschichte. Warum? Weil ich nichts über Afrikanische Geschichte wusste. Im Gegensatz zu vielen Psychologievorlesungen und Seminaren lernte ich in der Geschichte aktiv Konstrukte und Theorien zu hinterfragen. Ich merkte, dass mir das Spass macht: Neues entdecken und das eigene Weltbild immer wieder über den Haufen zu werfen.
Ich dachte aber damals noch, dass ich es in der Wissenschaft eh nie schaffen würde, weil ich zu wenig fleissig, zu wenig klug, etc. bin.
Dann besuchte ich mal ein Seminar zu Afrikanischen Kleinbauern mit einem Prof, der Mathematiker, Chemiker und Psychologe war. Ich konnte dort Mathematik mit Psychologie und historischen Methoden verbinden und ich war gut darin. Das gab mir dann den Anstoss es doch zu versuchen. Ich bewarb mich als Forschungspraktikantin an der Translational Neuromodeling Unit, weil die Forschungsgruppe Psychologie mit Mathe zu verbinden schienen.
Ein ganz wichtiger Grund will ich aber noch anfügen: Mein Mann kommt aus einem Teil der Welt, wo die Möglichkeiten nicht so gross sind, wie die welche ich hier in der Schweiz habe. Das zeigte mir, was ich hier eigentlich für Chancen habe, meine Chance nicht zu nutzen sah für mich nicht mehr wie der „sichere Weg“ aus, sondern wie eine ungenutzte Chance. Er hat mich immer unterstützt und meinte dann auch, man lebe nur einmal (ja, tatsächlich YOLO, aber in echt jetzt), ich solle mit meinem Leben das machen, was mir Spass macht und nicht das was am sichersten ist. Das hat sehr geholfen. And now, here I am.
Nach meinem Abschluss an der Uni war ich 2 Jahre an der Translational Neuromodeling Unit als Research Assistant tätig gewesen. Ich hatte dort auch meine Masterarbeit zu sozialem lernen und Verfolgungswahn in der Allgemeinbevölkerung geschrieben, was toll war, denn der Prof gab mir das Vertrauen meine Fragestellung und Hypothesen sehr frei zu wählen. Ich plante meine eigene Studie, führte sie durch, hatte mein eigenes „Baby“. Mir wurde dort dann auch ein Doktorat angeboten. Ich hatte dann aber das Gefühl, ich müsse mich noch etwas umschauen, habe mich an der NYU auf einen Sozialpsychologie-PhD beworben und in Krems bei dem Prof, bei dem ich das Seminar hatte mit den Kleinbauern und der Mathematik. Die NYU sagte ab und ich merkte dann, dass trotz meiner Liebe für die Sozialpsychologie, die Translational Neuromodeling Unit ein so toller Arbeitgeber, das Team so gut und unterstützend, die Forschung so spannend ist, dass ich dort bleiben will. Das Gehirn ist ja auch ganz interessant, die Mathe, welche mich so fasziniert gehört da zum Inventar und wenn ich etwas gelernt habe, ist es, dass interdisziplinäre Forschung ganz mein Ding ist. Es war der Mix aus einem guten Team und interessanter Forschungsfragen, welche mir die Entscheidung schlussendlich leicht machte und mich da hält wo ich bin.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich bin jetzt seit einem Jahr PhD Studentin und habe verschiedene Projekte, welche bereits laufend sind, von denen ich gerne erzähle:
- Das Hauptprojekt ist eine Reihe Studien zu und mit Vagusnervstimulation. Ich interessiere mich v.a. dafür, wie das Gehirn und der Körper miteinander interagieren. Die Ethik der Vorstudie dazu ist noch hängig, ich bin also im Moment bereits dabei meine Folgestudie zu planen. In diesem Projekt bin ich für die Ethik, die Vorbereitungen des Labs und der Studie zuständig. Die Fragestellung und Hypothesen arbeite ich zusammen mit meiner Betreuerin aus. Das macht Spass, weil es wieder ein Projekt ist (wie in meiner Masterarbeit), bei dem ich von Anfang an dabei und voll involviert bin.
- Bereits als Research Assistant, war ich Teil der Schizophreniestudie, welche am Institut läuft. Da Schizophrenie eine sehr heterogene Gruppe von Menschen beschreibt, suchen wir in dieser Studie nach Subgruppen, die unterschiedlich auf Medikamente ansprechen. Ich helfe dort v.a. bei der Datenerhebung und bin dabei meine Fragestellungen zu formulieren, welche zu meinem Hauptprojekt passt.
- Meine Masterarbeit nimmt immer noch Arbeit in Anspruch. Im letzten Jahr habe ich die Resultate als Paper aufgeschrieben. Das sind meine ersten Paper als Erstautorin, war also ein Lernprozess. Nun bin ich damit beschäftigt die Daten und den Analysecode (in Matlab) so zu schreiben und abzulegen, dass er auch für jemanden verständlich ist, der/die die Studie nicht kennt. Das ist viel Arbeit, da es viele Daten sind. Es hilft mir aber dabei meine Matlab-Programmierkenntnisse zu verbessern.
- Als Research Assistant habe ich bei vielen Studien mitgearbeitet. Die ist sehr TNU inklusiv, was Co-Authorenschaften von RAs und Masterstudenten angeht. In meiner Funktion als RA hatte ich jeweils die ganzen Daten aufgenommen, die Studie koordiniert und die Datenablage gesichert, das wird von der TNU als substanzieller Beitrag betrachtet. Das berechtigte mich deshalb auf vielen (noch kommenden) Papers Co-Authorin zu sein. Allerdings verlangt das auch, dass ich im ganzen Schreibprozess aktiv involviert bin. Das ist auch wieder viel Arbeit. Für 2 Papers habe ich bereits Arbeit investiert, welche nun publiziert sind. Im einen Paper, das ich mitgeschrieben und die Daten erhoben habe geht es um die Interkation zwischen Gehirn und Herz. Das andere ist ein Opinionpaper zu layered fMRI. Für Paper in diesen und anderen Projekten, die noch folgen werden, werde ich das Angebot Co-Authorin zu sein wieder erhalten, je nachdem wie viel Arbeit ich in dem Moment haben werde, werde ich ablehnen oder annehmen, die Authorenschaft ist nicht geschenkt, deshalb muss ich mir das jeweils gut überlegen. Ich habe aber bereits viel über das Paperschreiben lernen können, das alleine ist wertvoll.
- Ich organisiere z.B. den wöchentlichen Interoception Journal Club bei uns am Institut, da besprechen alle von uns, welche sich für Gehirn-Körper-Interaktionen interessierten verschiedenes: Von Artikeln, welche wir gerade lesen zu mathematische Modellvorschlägen, Ideen für Experimente zu inhaltlichen oder methodischen Konzepten, wie im Moment gerade die Grundlagen der Psychophysik.
- Dann haben wir jedes Jahr den Computational Psychiatry Course, den organisiere ich mit, bin da für die Website, Facebook und Twitter zuständig, sowie die Interaktion mit Studenten und Speakern. Den Kurs werde ich wohl auf @RealSci_DE kurz bewerben 😉, ist aber auch sehr spannend und für jeden etwas, der gerne Mathematik mit Psychologie und/oder Neurowissenschaft verbinden will!
- Dann kommen noch die eine oder andere Kleinigkeit dazu, aber das ist wohl überall so.
- Und natürlich habe ich Vorlesungen, ich muss 12 Kreditpunkte machen. Im Moment sollte ich auf eine Prüfung lernen, ich lerne aber nicht gerne auswendig, nervt mich ziemlich. Zum Glück ist das die letzte Auswendiglern-Prüfung.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wenn man hört, dass wir «Computational Psychiatry» machen, löst das bei vielen die Frage aus, ob das nicht eine sehr reduktionistische Herangehensweise an menschliches Leiden sei?Ich habe grosses Verständnis für diese Frage, ich würde sie auch stellen. Mathematik klingt oft nach kalter unpersönlicher Analyse und dem Gegenteil von Menschlichkeit. Dass das Gegenteil der Fall ist würde ich gerne zeigen und auch, dass Mathematik mehr kann, als man im Gymnasium ahnt.
In meiner Gruppe wollen wir die Lern- und Gehirn-Prozesse verstehen und beschreiben können, welche zu psychiatrischen Symptomen führen und dazu beitragen, dass diese sich selbst aufrechterhalten. Wie wird jemand Paranaoid? Wie wird es klinisch relevant? Welche darunter liegenden Prozesse führen dazu, dass eine Psychose sich so manifestiert, wie sie es tut und welche Prozesse tragen zu derer Beibehaltung bei? Um diese Prozesse mathematisch zu beschreiben, muss man sehr genau sein. D.h. man muss sich z.B. überlegen ob zwei Einflussfaktoren in einem Prozess voneinander Abhängig sind (wenn der eine nicht da ist, kann der andere auch nicht da sein), d.h. multiplikativ verknüpft sind oder ob sich die Einflussfaktoren summieren (d.h. additiv verknüpft sind). Das nur als einfaches Beispiel. Mathematik zwingt uns Forscher also dazu sehr genau hinzuschauen.
Zusätzlich lässt die mathematische Modellierung einen anderen Blick auf Psychologie und insbesondere Psychiatrische Erkrankungen zu. Dadurch, dass wir uns auf Lernprozesse konzentrieren, gehen wir davon aus, dass das was zu einem psychiatrischen Symptom führt in sich stimmig und normal ist. Sonst würde der mathematische Prozess gar nicht erst aufgehen. Der Fokus liegt also eher darauf, in welchen Aspekten wir uns alle ähnlich sind und was mit dem Bekannten oder Verwandten, der eine Psychose hat vielleicht anders gelaufen ist, in seinem System aber keineswegs unsinnig sondern sehr sinnvoll ist. Dadurch macht Computational Psychiatry für mich Psychiatrische Erkrankungen greifbarer und so auch menschlicher. Z.B. haben die meisten von euch wahrscheinlich schon einmal gemeint ihr Handy klingeln zu hören oder in der Tasche vibrieren zu spüren, nur um herauszufinden, dass das eine Illusion war. Das ist nichts anderes als eine Halluzination. Der entscheidende Unterschied zu jemandem, welche/r eine klinisch relevante Halluzination erlebt, ist wahrscheinlich dass wir uns dann jeweils sagen können, dass diese Illusion, eben genau nur eine Illusion war und nicht weiter wichtig für unsere leben.
Es ist mir wichtig, dass Menschen mit Psychiatrischen Erkrankungen nicht als «seltsam» und bedrohlich wahrgenommen werden, sondern, dass die Symptome in ihrem eigenen Sinne «normal» sind und die Menschen sich von einem Gesunden nicht nur unterscheiden.
Plus: Wissenschaft ist toll, ich erzähle gerne mehr darüber und mache so ein Fenster in eine fantastische Welt auf.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich arbeite als Coach und Kursleiterin für Rhetorik, Kommunikation und Präsentationstechnik. Das mache ich seit 2 Jahren und zwar als Nachfolgerin meines Vaters, der Hochschuldidaktiker war. Ich habe nun 3 seiner Kunden übernommen (angehende Pfarrer, angehende Krankenpfleger und mittleres Management), das sind jeweils ca. 1 Woche pro Semester. Mehr mag ich im Moment nicht. Aber ich kann interessanterweise in der Rhetorik vieles von den Modellen und Theorien, mit welchen ich mich an der TNU beschäftige wiederfinden. Ich habe nun einen „Blog“ auf LinkedIn gestartet, wo ich das mache, diesen bewerbe ich jeweils über meinen „Rhetorik-Twitterkanal“ (@masteryourtalk, falls es euch interessiert), der aber noch keine wirklichen Followers hat… also mal schauen. Jedenfalls macht es mir Spass, Kurse zu geben, es ist eine gute Ergänzung zum Doktorat aber auch ein guter Ausgleich, weil ich da sofort etwas bewirken kann und sofort Rückmeldung bekomme.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Seit ich 10 Jahre alt bin spiele ich Theater. Jetzt immer noch mit einem grossen Teil des alten Kerns, der Theatergruppe. Wir machen das zum Spass und nicht um der Leistung willen. Jeden Freitagabend. Das ist schön.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
In der Work-Life-Balance bin ich leider sehr schlecht. Ich arbeite definitiv zu viel und nehme mir kaum einen ganzen freien Tag. Das ist schlecht ich weiss, bin aber hier ehrlich. So ist es, das liegt v.a. an mir, ich mag Arbeit zu sehr.
Idealerweise aber: Am Morgen ins Fitnessstudio, dann nach Hause, mit meinem Mann kochen, einen schönen Spaziergang in der Natur machen oder sogar in die Berge gehen, am Abend meine Freunde treffen und dann weiter mit meinem Mann tanzen gehen.
Bitte begrüßt Katharina ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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