Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Für die Wissenschaft interessiert habe ich mich schon früh
in der Schule. Dass es wirklich geklappt hat, hat viel mit Gelegenheiten zu tun,
die ich glücklicherweise hatte. Dass ich mit einem Stipendium
studieren durfte, zum Beispiel oder dass ich schon früh als Hilfskraft eingestellt
wurde auf einem Forschungsprojekt, auf dem ich dann später auch promovieren
konnte; dass meine Betreuerin, Barbara Hammer, mich hervorragend beraten und
gefördert hat; dass ich dann als Postdoc wieder
ein Stipendium bekommen habe, um nach Australien zu reisen; dass mein Betreuer
in Berlin eine Stelle am DFKI für mich hatte und dass mir schließlich die Uni
Bielefeld ein gutes Angebot für eine Juniorprofessur gemacht hat.
Viele andere Versuche, in die Wissenschaft zu kommen und dort zu bleiben haben
auch nicht geklappt. Ich wollte zum Beispiel im Postdoc erst nach Kanada und
habe mich auf einige Professuren beworben, bei denen ich dann nicht gelandet
bin. Talent oder harte Arbeit allein jedenfalls waren's sicher nicht. Viel hat
es mit Glück zu tun - bzw. es so oft zu versuchen, dass man irgendwann mal Glück
hat.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
In der 11. Klasse wollte ich eigentlich noch Mathematik und
Philosophie studieren, aber dann durfte ich als Schülerstudent einen Kurs "Informatik
für Mathematiker*innen" besuchen und habe mich dann begonnen, für die
Informatik zu begeistern. In der Folge dachte ich, ich will mal intelligente
Prothesen bauen oder sogar eine ganze künstliche Intelligenz und habe im
Studiengangkatalog der Arbeitsagentur nach passenden Studiengängen gesucht.
"Kognitive Informatik" klang super. War es dann glücklicherweise
auch. Wegen meines Promotionsprojekts bin ich dann aber tatsächlich bei den
Bildungstechnologien gelandet und die haben es mir dann besonders angetan. Denn
in den nächsten Jahren müssen wir ja allein in Deutschland Millionen Menschen
aus- und weiterbilden und menschliche Lehrkräfte allein werden das nicht
leisten können - zumindest nicht individualisiert auf die diversen Lernenden
angepasst.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Jetzt gerade bereitet unsere Arbeitsgruppe das nächste
Semester vor. Dafür basteln wir an einem Tutoring-System, das unsere
Studierenden beim Programmieren-Lernen unterstützen soll. Im Prinzip ist das
eine Website, in der Übungsaufgaben erledigt werden. Aber welche Übungsaufgaben
angezeigt werden und welche unterstützenden Hinweise man angezeigt bekommt -
das wird vom System automatisch an die einzelnen Personen und ihre aktuelle
Situation angepasst. Wie das genauer funktioniert kann man dann auf dem Kanal
lesen :)
Vielen Dank auf jeden Fall an meine Promovierenden, Alina und Jesper, die
gerade sehr hart daran arbeiten, dass die nächste Version bis zum Semesterstart
fertig wird.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Zwei Gründe: Zum einen, weil es das gesellschaftliche Ziel
gibt, "gute Bildung für alle" (UN-Nachhaltigkeitsziel 4) zu
ermöglichen. Aber um das zu schaffen in einer sich schnell ändernden Welt mit
immer mehr Lernbedarf aber wahrscheinlich eher weniger als mehr Lehrkräften für
die einzelnen Themen - dafür brauch es wahrscheinlich technische Unterstützung.
Und unsere AG arbeitet an dieser technischen Unterstützung.
Zum anderen, weil wahrscheinlich auch viele schon gemerkt haben, dass "technische
Unterstützung für die Bildung" nicht damit getan ist, allen ein Tablet,
Internet-Anschluss und einen ChatGPT-Zugang zu geben. Das ist zwar schön, aber
damit allein lernt man noch nicht (jedenfalls nicht besser als bisher). Und wir
forschen daran, wie es anders geht; wie man Systeme von Grund auf so bauen
kann, dass sie pädagogische und didaktische Theorien und Strategien mitberücksichtigen
und Lernenden
nachweislich etwas beibringen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Mit @christianeattig.bsky.social zusammen hoste ich den
Podcast "Autonomie & Algorithmen" (https://autonomie-algorithmen.letscast.fm/),
in dem wir in jeder Folge mit Expert*innen ein Anwendungsfeld von KI-Methoden
vorstellen und was das mit menschlicher Autonomie zu tun hat. Außerdem haben
@amreibahr.bsky.social, @maximilianiras.bsky.social und ich gemeinsam
ehrenamtlich das Netzwerk KI und digitale Autonomie in Wissenschaft und Bildung
gegründet, um für eine Einbindung von KI-Methoden zu werben, die menschliche
Autonomie fördert statt gefährdet. Es geht mir also grad viel darum, dass
Menschen nicht von KI-gestützten Systemen überwältigt werden, sondern sie als
Werkzeug sinnvoll benutzen können.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Vor allem Pen & Paper-Rollenspiele und Computerspiele.
In den frühen 2000ern, als ich zur Schule ging, waren das noch
identitätsstiftende Nerd-Hobbies, inzwischen ist beides ja erfreulicherweise
sehr verbreitet. Und wo ich das gerade schreibe: Ein Hobby war es 2015-2017 auch,
neben meiner Promotion her zu erforschen, wie es eigentlich kommt, dass
Videospielkultur so männlich dominiert scheint, obwohl eigentlich inzwischen
fast alle Menschen in irgendeiner Form Videospiele spielen (und sei es auf dem
Handy) - aber auch dazu dann mehr auf dem Kanal.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur
Menschen)?
Super ist schon mal, wenn ich tatsächlich mal wirklich gar
nichts arbeiten muss, auch nicht noch mal eben ein Gutachten nebenher oder eine
Präsentation, die spontan noch vorbereitet werden muss. Ansonsten bin ich sehr
genügsam: Spät aufstehen, ein bisschen spazieren gehen, lecker essen, mit
Freund*innen oder allein ein Computerspiel oder Pen&Paper spielen.
Möglichst wenig Adrenalin jedenfalls.
Bitte begrüßt Benjamin ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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