Sunday, February 28, 2021

Bringt das was? Heide Busse ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Heide Busse (@HeideBusse) vorstellen zu dürfen! Heide ist Gesundheitswissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiology- BIPS in Bremen und leitet dort die Fachgruppe „Angewandte Interventionsforschung“ in der Abteilung „Prävention und Evaluation“ (geleitet von Prof. Hajo Zeeb). Heides Hintergrund liegt in der (Gesundheits-) Psychologie. Von 2012-2019 arbeitete Heide als Wissenschaftlerin an der Universität Bristol in Großbritannien, dort tätig im Zentrum für die Entwicklung und Evaluation von komplexen Public Health Interventionen zur Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit (DECIPHer). Heides Forschung fokussiert sich auf die Entwicklung, Evaluation und Implementation von komplexen Interventionen zur Prävention und Gesundheitsförderung mit dem weiteren Ziel, gesundheitliche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu reduzieren.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Zu verstehen, wie sich Menschen warum wie verhalten - insbesondere in Bezug auf Gesundheitsthemen - hat mich schon lange interessiert. Nach meinem (Gesundheits-) Psychologiestudium kam ich über meinen ersten Wissenschaftsjob in den Bereich Public Health – und war begeistert und fasziniert. Im Vergleich zur Psychologie beschäftigt sich Public Health nochmal mehr mit der Gesamtgesellschaft und dem komplexen Zusammenspiel der vielen Faktoren, die auf verschiedenen Ebenen und auf unterschiedliche Weise Einfluss auf unser Verhalten haben.
Mein erster WiMi Job war klasse: Aufgrund meiner Mitarbeit in verschieden Projekten konnte in viele Themenbereiche Einblick erhalten, unterschiedliche Methoden kennenlernen und anwenden und das wissenschaftliche Arbeiten hat mir Spaß gemacht. Kurzum: der Funke ist übergesprungen und ich wusste, dass ich weiterhin in der Wissenschaft arbeiten wollte. Wichtige Faktoren dabei waren sicherlich auch gute Mentor:innen und Chef:innen, interessierte Teams, frühe Möglichkeiten für eigenständiges Arbeiten sowie Konferenzbesuche und Weiterbildungen, und einfach die Freiheit, dem nachzugehen, was mich interessiert.
Die Wissenschaft vereint also vieles, was ich gern mache: Lernen, Hinterfragen, Lösungsansätze überlegen und testen, Schreiben, gemeinsam im interdisziplinären Team arbeiten und dabei hoffentlich dazu beitragen, dass mehr Menschen länger gesünder leben. 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Public Health ist ein äußerst faszinierendes Feld – oftmals ist es beispielsweise so, dass für Forschungsprojekte Kolleg:innen aus vielen verschiedenen Disziplinen zusammen kommen um Lösungen für (oftmals komplexe) Fragestellungen zu entwickeln (z.B. Gesundheitswissenschaften, Medizin, Psychologie, Soziologie, Statistik).
Mein besonderes Interesse liegt in der Interventionsforschung: Welche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention sind erfolgreich, welche nicht? Warum, für wen, und unter welchen Umständen? Wie können wir Maßnahmen so gestalten, dass sie in der Zielgruppe nachhaltig Wirkung zeigen? In diesem Forschungsfeld sehe ich weiterhin viele offenen Fragen und die Notwendigkeit von Handlungsansätzen, zu denen ich gerne beisteuern möchte. Umgeben von einem aktiven Team führt es dazu, dass ich gerne in diesem Forschungsfeld arbeite und es vorhabe auch weiterhin zu tun.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
In der Interventionsforschung beschäftige ich mich mit der Entwicklung, Evaluation, aber auch Implementation und Verstetigung von Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung. Thematisch stehen körperliche Aktivität/Bewegung, mentale Gesundheit und Ernährung im Fokus. Zielgruppen in meiner Arbeit sind häufig Kinder und ihre Familien, Jugendliche oder junge Erwachsene – und die Lebenswelten, in denen man sie am häufigsten antrifft (Kita/ Schule/ Kommune/ etc.). Dabei bediene ich mich quantitativen und qualitativen Methoden und finde auch partizipative Ansätze in Forschungsvorhaben spannend.
Ein konkretes Projekt, was zu Beginn des Jahres gestartet ist, ist das „My-Voice“ Projekt. Hier wollen wir mit Hilfe von Fotos und Gesprächen gemeinsam mit weiblichen Jugendlichen (14-18 Jahre) passgenaue und zielgruppengerechte Möglichkeiten zur Bewegungsförderung identifizieren. Viele der Projekte geschehen in Zusammenarbeit mit Akteur:innen aus der Gesundheitsförderung und Prävention - der enge Austausch, die Praxisnähe- das gefällt mir dabei besonders gut.
Interessiert mehr zu erfahren? Dann schaut gern auf die Webseite meiner Fachgruppe!

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Ich würde sagen, Interventionsforschung geht uns alle (!) etwas an - schließlich sind wir selbst täglich mit Maßnahmen, die direkt und indirekt mit Gesundheit zu tun haben, konfrontiert. Darunter Maßnahmen, die sich gesundheitsförderlich auf uns und unsere Umwelt auswirken können, aber auch Maßnahmen, die möglicherweise das Gegenteil veranlassen. Sportgeräte im Park; die TV-Werbung, die uns selbst während der Olympischen Spiele Fastfood Food oder Alkohol verkaufen möchte; Süßigkeiten an der Supermarktkasse, und vieles mehr. Welche dieser Maßnahmen wie „wirken“ und auf wen und unter welchen Umständen – das sind Fragen, die ich spannend finde. 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Basketball spiele ich schon seit ich 7 Jahre alt bin, das macht mir einfach richtig Spaß und es schafft einen guten Ausgleich. Ansonsten Wandern, Radfahren, Ski & Snowboardfahren, Gartenarbeit inkl. Herstellung von Marmeladen und anderen Speisen.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Beginnen tut mein idealer Tag mit einem gemütlichem Frühstück und einer guten Tasse Kaffee, dann geht es nach draußen, in die Natur, neue Dinge entdecken, idealerweise in der Sonne. Abends etwas Leckeres kochen, dann noch ein Spieleabend mit Familie oder Freunden und vielleicht noch eine Runde im Wohnzimmer tanzen.

Bitte begrüßt Heide ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, February 21, 2021

Dinge herstellen, besitzen und loswerden - Amrei Bahr ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Amrei Bahr (@amreibahr) vorstellen zu dürfen! Amrei ist seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zuvor hat sie in Münster und Wien Philosophie und Evangelische Religionslehre studiert und anschließend in Münster im Fach Philosophie promoviert. In ihrer Doktorarbeit hat sie untersucht, wie sich moralische Rechte von Urheber_innen an ihren geistigen Schöpfungen begründen lassen und welche Kopierhandlungen solche Rechte verletzen können. Während sich ihre Doktorarbeit darum drehte, was beim Herstellen von Dingen erlaubt ist, geht sie in ihrem Habilitationsprojekt der Frage nach, was wir tun dürfen, wenn wir Dinge wieder loswerden wollen: Ist Recycling aus ethischer Sicht wirklich die beste Art der Abfallentsorgung? Wie kann ein gerechter Umgang mit Abfall aussehen, der den Interessen jetziger und zukünftiger Generationen überall auf der Welt angemessen Rechnung trägt? Um Gerechtigkeitsfragen geht es auch in Amreis Forschung zur Ethik wissenschaftlichen Publizierens: Wie sollte das wissenschaftliche Publikationssystem verändert werden, um faire Teilhabemöglichkeiten auch für Forscher_innen und Studierende zu schaffen, die aktuell aufgrund hoher Preise für Publikationen keinen Zugriff darauf haben? Neben ihren Tätigkeiten in Forschung und Lehre engagiert sich Amrei in universitätsinternen Gremien, auf Twitter und in den Medien für faire Arbeitsbedingungen von befristet angestellten Wissenschaftler_innen.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Für mich war schon im Bachelorstudium klar, dass ich mein Glück in der akademischen Philosophie versuchen möchte, weil mich die Philosophie mit all ihren Facetten von Anfang an begeistert hat. Bereits in dieser Zeit hatte ich an der WWU Münster die Gelegenheit, gemeinsam mit anderen Studierenden und Mitarbeitenden aus dem Mittelbau philosophische Aufsätze zu schreiben und konnte so erste Einblicke in die philosophische Forschung gewinnen. Als ich die Chance hatte, im ‚Fast-Track-Verfahren‘ direkt nach dem Bachelor zu promovieren, habe ich sie deshalb sofort ergriffen. An der Promotion habe ich nicht nur im Rahmen einer Stelle als Mitarbeiterin gearbeitet: In der Promotionsphase war ich auch für 10 Monate Fellow der interdisziplinären Forschungsgruppe „Ethik des Kopierens“ am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Uni Bielefeld. Hier habe ich für mein Promotionsprojekt viele wertvolle Impulse aus ganz unterschiedlichen Disziplinen erhalten und möchte seitdem den interdisziplinären Austausch zu meinen Forschungsthemen nicht mehr missen.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Für mich sind aktuelle Relevanz und Anwendungsbezug wesentliche Kriterien bei der Wahl meiner Forschungsthemen. Dass ich dabei immer wieder bei hergestellten Dingen — den Artefakten — lande, liegt daran, dass mich diese Kristallisationspunkte menschlicher Kultur in ihrer Vielfalt besonders faszinieren: Gebrauchsgegenstände, Kunstwerke, technische Geräte, wissenschaftliche Theorien — all das sind Artefakte. Mit ihnen gestalten wir unsere Welt, während sie gleichzeitig unsere Welt und unseren Umgang damit prägen. Wie diese Dinge in die Welt kommen, welche Funktionen sie in ihr erfüllen und wie sie wieder daraus verschwinden, welche Rolle wir dabei spielen und welche Möglichkeiten und Grenzen sich für uns aus ethischer Perspektive ergeben — diesen Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und in Bezug auf verschiedene Gegenstände nachzugehen macht mir viel Freude.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Forschung und Lehre sind die zwei wesentlichen Säulen meiner Arbeit, die mir beide gleichermaßen wichtig sind. Wenn möglich, freue ich mich immer, beide miteinander zu verbinden, weil dadurch nach meiner Erfahrung auch beide profitieren. Der interdisziplinäre Austausch spielt dabei stets eine wichtige Rolle — sei es in von mir mitorganisierten Workshops (etwa zur Authentizität von Artefakten, gemeinsam mit Gerrit Fröhlich), im Team-Teaching oder in der gemeinsamen Arbeit an Publikationsprojekten mit Kolleg_innen anderer Disziplinen. Philosophische Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit zu tragen und auch Studierende dazu zu befähigen, an diesem Prozess teilzuhaben, ist mir ein wichtiges Anliegen. Deshalb setze ich auch in der Lehre auf die Vermittlung von Fähigkeiten in der Wissenschaftskommunikation (z.B. im Seminar zum Wissenschaftsbloggen mit Anna Soßdorf und Lukas Gallach).


Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Das Anfertigen von Kopien, mit dem ich mich in meiner Forschung auseinandersetze, kann für die Öffentlichkeit viel Nutzen, aber aus Sicht von Urheber_innen und Verwerter_innen durchaus auch Schaden mit sich bringen. Deshalb ist nicht verwunderlich, dass die Frage nach der Legitimität von Kopierhandlungen immer wieder zum Gegenstand breiter öffentlicher Debatten wird. Ein Konsens darüber, wann eine Kopierhandlung moralisch erlaubt, verboten oder sogar geboten ist, ließ sich im Rahmen dieser Debatten jedoch bisher nicht erzielen. Die rechtlichen Erlaubnisse und Verbote von Kopierhandlungen passen zudem oft nicht mit den moralischen Intuitionen der Kopist_innen sowie der Nutzer_innen und Rezipient_innen von Kopien zusammen. Davon zeugt etwa die Selbstverständlichkeit, mit der viele Nutzer_innen digitaler Medien gegen das geltende Urheberrecht verstoßen, indem sie Fotografien, Filme, Musik und Software kopieren und verbreiten. Meine Forschung leistet einen Beitrag dazu, Licht ins Dunkel der ethischen Bewertung von Kopierhandlungen zu bringen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Zugang der Öffentlichkeit zu Bildung und Kultur.

Auch meine Forschung zur Abfallentsorgung schließt an aktuelle, für die Öffentlichkeit wichtige Fragestellungen an. Wie wir mit den immer größer werdenden Abfallmengen umgehen sollten, ist schließlich eine drängende moralische Frage, die jede_n von uns betrifft: Unser Um­gang mit Abfall wirkt sich auf die menschliche Gesundheit ebenso aus wie auf die lokale und die globale Umwelt und die Wirtschaft, wobei die Folgen verheerend sein können. Allerdings lässt sich hier selten eine Lösung finden, die den Schutz der Ge­sundheit aller jetzt und in Zukunft Betroffenen überall auf der Welt bei gleichzeitiger Schonung der Umwelt ohne größere wirt­schaftliche Belastungen gewährleistet. Eine Philosophie der Entsorgung kann hier einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten: Sie gibt Auskunft darüber, wie die verschiedenen Faktoren fair in Einklang gebracht werden können, damit eine gerechte Abfallentsorgung sichergestellt werden kann.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Zusätzlich zu meiner Arbeit in Forschung und Lehre bin ich in der akademischen Selbstverwaltung aktiv, u.a. als Vertreterin des wissenschaftlichen Mittelbaus im Institutsvorstand sowie als Mitglied des Runden Tischs Bürgeruniversität und der Senats-AG Nachhaltigkeit. Im vergangenen Jahr habe ich gemeinsam mit Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon die Aktion #95vsWissZeitVG auf Twitter angestoßen, mit der wir auf die Nachteile des aktuellen deutschen Wissenschaftssystems für die darin Beschäftigten, aber auch für die Lehre und die Wissenschaft als solche aufmerksam machen. Wissenschaftskommunikation ist ein weiteres Tätigkeitsfeld, das mir sehr am Herzen liegt — u.a. auf Twitter in meiner Reihe #InsidePhilo oder im Rahmen des Formats denXte, bei dem wir gemeinsam mit Philosophieinteressierten philosophische Gedankenexperimente anstellen.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Als Ausgleich zur Schreibtischarbeit mache ich gern Yoga und lange Spaziergänge. Beim Spazierengehen habe ich oft eine Kamera im Gepäck, um Fotos von Wildtieren zu machen (bei Twitter zu finden unter #AmreisFotos). Auch Häkeln gehört zu meinen Hobbies.


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?

Ausschlafen, entspanntes Frühstück (Müsli und Kaffee), dann mit der Kamera raus in die Natur und Zeit haben, an meinem liebsten Fotospot — einem Hohlweg — auf Vögel, Eichhörnchen, Mäuse usw. zu warten. (Sonst ist Geduld nicht meine Stärke — hier genieße ich es aber, minutenlang einfach still dazustehen, zuzuhören und meine Umgebung zu beobachten.) Yoga darf auch nicht fehlen, und Zeit zum Häkeln oder Lesen. Wenn nicht gerade Corona ist, gern auch ein Treffen mit Freund_innen oder Kolleg_innen zum Kaffee oder zum Essen. 

Bitte begrüßt Amrei ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, February 14, 2021

Wer wo wann wie wessen Geschichte erzählt - Andrea Geier ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir freuen uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Andrea Geier (@geierandrea2017) vorstellen zu dürfen! Andrea ist seit 2009 Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Gender Studies an der Universität Trier. Sie ist seit 2010 im Vorstand des Trierer Centrums für Postcolonial und Gender Studies (CePoG) und seit 2020 im Vorstand der Fachgesellschaft Geschlechterstudien. Nach einem Studium der Germanistik, Allgemeinen Rhetorik und Empirischen Kulturwissenschaft promovierte sie mit einer Arbeit über „‚Gewalt’ und ‚Geschlecht’. Diskurse in deutschsprachiger Prosa der 1980er und 1990er Jahre“ an der Universität Tübingen. Sie arbeitete u.a. mehrere Jahre an der Universität Marburg und hatte in den letzten 10 Jahren drei Gastprofessuren in den USA. Zu ihren Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören deutschsprachige Gegenwartsliteratur, kultur- und literaturwissenschaftliche Gender Studies, Interkulturalitätsforschung und Postcolonial Studies, Rhetorik sowie Literatur im Medienwechsel. Informationen zu Publikationen, Wissenschaftskommunikation u.am.: https://www.uni-trier.de/index.php?id=29978

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Während des Studiums habe ich als wissenschaftliche Hilfskraft in meinem Nebenfach Allgemeine Rhetorik gearbeitet, und diese Mitarbeit im ‚Betrieb‘ war ein wirklich wichtiger Impuls. Ich war in einem Hiwi-Team, in dem sich einige schon sicher waren, dass sie nach dem Abschluss des Studiums gerne promovieren und in die Wissenschaft gehen würden. Ich hatte mir das vorher nie überlegt. Ich habe mit Germanistik, Allgemeiner Rhetorik und Empirischer Kulturwissenschaft genau die Fächer gewählt, die mich damals interessiert haben, und ich habe nicht nur gern studiert, ich war auch eine sehr gute Studentin. Aber die Vorstellung, an der Uni zu studieren und die Frage, was ich später mal arbeiten werde, waren in meiner Vorstellungswelt bis dahin einfach getrennt. Ich habe mich da nicht gesehen.
Während der Magisterarbeit in Germanistik wurde mir dann klar, dass ich weiter machen will, und der Rest war, was es immer ist: Eine Mischung aus viel Arbeit, Warten auf Chancen, eigenen Entscheidungen, von denen man aber nie weiß, ob sie nützen oder nicht, und Glück.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Während des Studiums habe ich vor allem dank einiger Dozent:innen in einem meiner beiden Nebenfächer, der Empirischen Kulturwissenschaft, Fragestellungen und erste Methodendiskussionen in der Geschlechterforschung kennengelernt. Mein eigentliches Feld – und auch Hauptfach im Studium – war die Germanistik, aber ohne diese zweite Perspektive hätte ich meine literaturwissenschaftlichen Interessen nicht so eigenständig entwickeln können. Während meines Studiums gab es nämlich zu Gender Studies im Hauptfach noch recht wenige Angebote. Das hat mich aber gar nicht abgeschreckt, eher im Gegenteil: Ich stieß auf offene Ohren und hatte das Gefühl, das für mich entdecken und gewissermaßen ‚übertragen‘ zu können, und bald ergaben sich dann auch viele Anschlussmöglichkeiten – zum Beispiel in interdisziplinären Diskussionsrunden von Nachwuchswissenschaftler:innen.
Was mich dort hält? Spontan sagt man auf die Frage, was einen in dem eigenen Feld hält, selbstverständlich intrinisische Motivation, und das stimmt 100% für mich. Aber ebenso selbstverständlich ist es mir nur möglich, dort zu bleiben, wo ich bin, weil ich heute eine Professur habe und auf dem Weg dorthin nur wenige Phasen ‚irgendwie‘ überbrücken musste. Ich hatte Stipendien während der Promotions- und Postdoc-Phase und eine Stelle als wissenschaftliche Assistentin, von der ich nach fünf Jahren dann auf eine Professur berufen wurde. Ich finde es wichtig, dass wir immer auch die institutionellen Bedingungen thematisieren und nicht so tun, als könnte sich Motivation und Begeisterung für Forschungsfelder unabhängig von den institutionellen Rahmenbedingungen entwickeln und entfalten.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Als Professorin gehören Forschung, Lehre und Engagement in der Selbstverwaltung zu meinen Aufgaben, ich leite seit 2010 immer im Rahmen eines Teams das Trierer Centrum für Postcolonial und Gender Studies (CePoG) und bin seit letztem Jahr im Vorstand der Fachgesellschaft Geschlechterstudien. Die Verbindung von Forschung und Lehre ist mir wichtig und ist immer in zwei Richtungen zu denken: Ich biete an, worüber ich schon viel gearbeitet habe, aber ich kann mich über die Lehre auch weiterentwickeln, indem ich in bekannte Themen neue Bausteine einfüge etc. Innerhalb eines vorgegebenen Rahmens – Studiengangsstrukturen etc. – kann ich sehr frei in der Wahl meines Angebotes sein. Ich muss also nicht unbedingt jedes Semester eine bestimmte Epoche abdecken, sondern kann sowohl epochenspezifische als auch epochenübergreifende Veranstaltungen machen. Als Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Gender Studies biete ich regelmäßig interdisziplinäre Veranstaltungen an wie etwa die Einführung in die Gender Studies und Interkulturalitätsforschung. Und damit sind auch schon zentrale Forschungsfelder benannt. Ich interessiere mich für verschiedene Alteritätskonstruktionen, also ‚Geschlecht‘ und/oder Ethnizität, und habe einen Schwerpunkt in der Gegenwartsliteratur, aber ich habe auch publiziert über Turcica in der Frühen Neuzeit, Literarischen Antisemitismus im 19. Jahrhundert, Misogynie in der Literatur des 18. Jahrhunderts, und in der Gegenwart über Medienwechsel und postdramatisches Theater, Mythosrezeption oder Erzählen über Kolonialgeschichte …Schaut euch gerne mal um: https://www.uni-trier.de/index.php?id=29978

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Als kulturwissenschaftliche Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkten in den Gender Studies, der Interkulturalitätsforschung und den Postcolonial Studies habe ich es mit ganz unterschiedlichen Erwartungen zu tun – je nachdem, unter welchem „Hut“ ich mich gerade sichtbar mache. Grundsätzlich denke ich nicht, dass sich alle Menschen für Literaturwissenschaft begeistern müssten, aber ich hoffe selbstverständlich, dass ich ansprechende Angebote zu ästhetischen, gesellschaftspolitischen und ethischen Fragestellungen mache: Welche Formen ästhetischer Repräsentation gibt es? Wie verändern sie sich historisch? Wie wird (wessen) Geschichte in Geschichten erzählt? Welchen Zugang zu und Perspektiven auf Themen eröffnen Texte? Welche ästhetischen Erfahrungen kann man damit machen?
Als literaturwissenschaftliche Kulturwissenschaftlerin möchte ich also vermitteln, dass nicht nur Themen interessant sind – also etwa die Frage, welche Geschlechterbilder langer Dauer in der Literatur entwickelt, tradiert und verändert werden – sondern vor allem, wie sie dargestellt werden.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ob das Mitarbeiten in der Fachgesellschaft Geschlechterstudien eine externe Aufgabe ist? Es ist zumindest eine zusätzliche, aber zugleich zeitlich begrenzte Tätigkeit. Ich bin zwar schon lange Mitglied, aber erst seit Kurzem wirklich engagiert – was auch damit zu tun hat, dass ich seit 2010 das Trierer Centrum immer im Tandem mit einer Kollegin leite und mich vor allem auch darauf konzentriert habe. Wir sind ein gutes Team im Vorstand der Fachgesellschaft, und die interdisziplinäre Ausrichtung macht es natürlich besonders interessant.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Noch nicht, aber ich strebe an, mehr schöne Puzzles zu besitzen und natürlich Zeit, sie auch zu machen. Immerhin habe ich schon eine Puzzlematte und damit einen gewissen Professionalisierungsgrad erreicht. Und vielleicht kann das ja vor allem deshalb als Hobby zählen, weil es mir als erstes zu dieser Frage einfällt. Für mich ist es eine schöne händische und visuelle Begleitung zu Podcasts oder auch Talkshows – wenn ich nicht gerade meine Reaktionen auf Sendungsinhalte direkt vertwittere.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher:innen sind ja auch nur Menschen)?
Meistens: Ein unverplanter Tag, Zeit für Lektüre, die nicht unter beruflichem Verwertungsdruck steht.

Bitte begrüßt Andrea ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, February 7, 2021

Impuls und Kontrolle - Matthias Aulbach ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unseren neuen Kurator Matthias Aulbach (@MatthiasAulbach) vorstellen! Matthias hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in Würzburg und dem ISCTE Lissabon Psychologie studiert und hat danach als Suchtberater für die Caritas Augsburg und als Therapeut für Kompass Kompakt Drogenhilfe in Augsburg gearbeitet. Danach hat er sich an die Universität Helsinki in Finnland aufgemacht und dort in der Forschungsgruppe „Behavior Change and Well-Being“ in Sozialpsychologie promoviert. In seiner Doktorarbeit hat er sich mit digitalen Interventionen beschäftigt, die darauf abzielen, Impulse bezüglich ungesunder Lebensmittel zu vermindern und damit deren Konsum zu verringern.
Seit Januar arbeitet er als Postdoc in einem Projekt, in dem er mit seinen KollegInnen erforschen will, wie wir Begegnungen mit Mitgliedern verschiedener sozialer Gruppen psychologisch, psychophysiologisch, sowie neurologisch verarbeiten und wie man diese Reaktionen so verändern kann, dass wir weniger diskriminierend agieren. Grundsätzlich gilt sein Hauptinteresse Phänomenen rund um das Thema Selbst- und Impulskontrolle sowie psychologischer Forschungsmethodik.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe mich schon während des Psychologie-Studiums sehr für Forschungsmethoden und Statistik interessiert. Nach dem Abschluss wollte ich dann aber doch eine Weile weg von der Uni und habe ca. 2 Jahre lang als Suchtberater und -therapeut gearbeitet. Da ich zu der Zeit schon eine finnische Freundin hatte, wollte ich nach Helsinki ziehen und habe das als Gelegenheit genutzt, doch noch zu promovieren. Das hatte ich auch während der praktischen Arbeit mit Klienten schon immer noch im Auge.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Das Thema meiner Doktorarbeit (wie man impulsive Aspekte von Essverhalten verändern kann) kam durch die Kombination meines Interesses an Impulsivität und Selbstkontrolle und der Arbeit an gesundheitspsychologischen Interventionen meiner Betreuer zustande. Impulsives Verhalten und Selbstkontrollkonflikte fand ich schon immer spannend (daher auch die Arbeit im Suchtbereich): wieso machen wir Sachen, die schlecht für uns sind? Wie schaffen wir es, Verlockungen nicht nach zu gehen bzw. unsere Impulse nicht einfach aus zu agieren? Essverhalten eignet sich da besonders gut, da es sich dabei um ein so alltägliches Phänomen handelt.
Zwar habe ich für den Postdoc den Inhalt meiner Arbeit gewechselt (siehe nächste Frage). Was ich aber vom genauen Forschungsgegenstand unabhängig spannend finde ist die Frage, wie man ein Thema angeht, also die verschiedenen wissenschaftlichen Methoden um Antworten auf seine Fragen zu bekommen. Und natürlich bleibt im Mittelpunkt der Mensch mit seinem Erleben und Verhalten als Forschungsobjekt – spannender geht es kaum.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Im Oktober 2020 habe ich erfolgreich meine Doktorarbeit verteidigt. Thema war, wie man durch das Durchführen kurzer Aufgaben am Computer leichter ungesundem Essen widerstehen kann. Dazu habe ich drei verschiedene Studien durchgeführt wovon zwei schon veröffentlicht sind. Ich würde sagen, meine Doktorarbeit umspannt insofern ein weites methodisches Feld weil ich von Meta-Analyse (also Übersicht über die vorhandene Literatur) über EEG-Studie (also Gehirnstrommessung) bis zu mHealth (also Interventionen via Smartphone) durch gegangen bin.
Jetzt bereite ich mich gerade auf meine Postdoc Stelle vor und da das Projekt schon läuft, ist etwas Eile geboten. In dem Projekt geht es um Vorurteile, und wie die Wahrnehmung von Mitgliedern verschiedener sozialer Gruppen (ethnische Minderheiten, Menschen mit verschiedenen Krankheiten, etc.) von diversen Situationsfaktoren abhängt. Dazu werden wir verschiedene Methoden verwenden, z.B. virtuelle Realität, elektrophysiologische Maße, Computer-Aufgaben, oder Fragebögen. Ich lese mich also gerade in ein für mich weitestgehend neues Forschungsthema ein. Das ist super spannend und gleichzeitig recht anstrengend weil es zu jedem denkbaren natürlich sehr viel Literatur gibt. Dass man dann auch noch an vielen Ergebnissen zweifeln muss (Stichwort: Replikationskrise) macht es nicht einfacher. Aber insgesamt macht es viel Spaß, mit den Kollegen neue Studien zu planen und Ideen zu entwickeln.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Weil (Sozial-)Psychologie in vielen Fällen relativ direkte Relevanz für unseren Alltag hat. Natürlich sollte man nicht von ein, zwei Studien ausgehend denken, man wüsste jetzt wahnsinnig viel über menschliches Verhalten, aber in seiner Gesamtheit können wir einige Phänomene sicher besser verstehen wenn wir uns mit Psychologie befassen. Konkret von mir kann man sich vielleicht was mitnehmen was die eigene essensbezogene Impulsivität angeht oder eben, wie wir Mitgliedern anderer sozialer Gruppen begegnen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Derzeit bin ich (noch) Mitglied im Executive Committee von CREATE, der Assoziation für Jungwissenschaftler innerhalb von EHPS (das ist die Europäische Gesellschaft für Gesundheitspsychologie). Als Grant Master und Liaison Officer bin ich dafür zuständig, Bewerbungen für Konferenz- und Workshop-Stipendien zu beurteilen (was dank Corona gerade natürlich flach liegt) aber auch, im Austausch mit ähnlichen Organisationen zu sein.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich bin aktiv beim FC Germania Helsinki, dem größten deutschsprachigen Fußballverein Finnlands (das klingt nur beim ersten Lesen imposant). Das ist unter anderem der Versuch, ein Stück deutsche (Fußball-)Kultur nach Finnland zu bringen. Und natürlich irgendwann mal finnischer Meister zu werden.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Das hängt hier in Finnland natürlich stark von der Jahreszeit ab. Was sicher nicht fehlen darf, ist das Meer, das in Helsinki nie weit ist. Im Sommer also baden am nahegelegen Strand zusammen mit meiner Partnerin und guten Freunden. Ein bisschen Fußball spielen oder auch einfach im Sand liegen und ein gutes Buch lesen.
Im Winter ein langer Spaziergang (gerne auf der Ostsee wenn das Eis dick genug ist) und ein gemütlicher Spieleabend mit Freunden, dazu ein gutes Essen mit feinen Getränken. Und gerade im Winter darf natürlich der Saunabesuch nicht fehlen.

Bitte begrüßt Matthias ganz herzlich bei Real Scientists DE!