Sunday, May 26, 2024

Die Geschichte der Wörter - Anna Brasch ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche begrüßen wir Anna S. Brasch auf dem Kanal! Anna (@AnnaSBrasch.bsky.social) ist derzeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im sprachhistorischen Wörterbuchprojekt Wortgeschichte digital an der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Von Haus aus Literaturwissenschaftlerin, verfolgt sie neben der Projektarbeit ein Monographieprojekt zur Wissens- und Literaturgeschichte des Boxens im deutschsprachigen Raum. Zuvor war sie, zunächst als Doktorandin, dann als PostDoc, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bonn. Dort hat sie zum Weltanschauungsroman der Jahrhundertwende und zur Transformation der kurzen Erzählform zwischen 1650 und 1850 geforscht.



Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Als ich angefangen habe, zu studieren, wollte ich eigentlich in den Journalismus gehen. Neben meinem Studium habe ich auch lange in diesem Bereich gearbeitet – Erfahrungen, die mir bis heute zugutekommen. Ab den ersten Semestern an der Universität hat mich die Wissenschaft dann mehr und mehr fasziniert. Es war für mich daher früh klar, dass ich nach dem Studium eine Promotion anschließen wollen würde. Danach ging es zunächst mit einer PostDoc-Stelle an der Uni Bonn weiter, bevor ich als Lexikografin, sprich: Wörterbuchbearbeiterin, auf meine derzeitigen Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen gewechselt bin.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Meine Arbeit schlägt – über das Fundament der Historischen Semantik bzw. genauer der Diskurssemantik – eine Brücke zwischen Literaturwissenschaft und Linguistik: Derzeit arbeite ich im Wörterbuchprojekt Wortgeschichte digital. Neben der Projektarbeit habe ich in den vergangenen Jahren ein Monographieprojekt zur Wissens- und Literaturgeschichte des Boxens im deutschsprachigen Raum bearbeitet.

Als Lexikografin im neuartigen Wörterbuchprojekt Wortgeschichte digital verfasse ich Wörterbucheinträge: Unser ‚digital native‘-Wörterbuchprojekt, das am Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache (ZDL) angesiedelt ist, erarbeitet die Bedeutungsgeschichte von zentralen Wörtern des Deutschen von 1600 bis heute nach Themenfeldern. Derzeit ist es das Themenfeld „Politik und Gesellschaft“. Zu den zahlreichen Wörtern, die ich bereits bearbeitet habe und die unter wortgeschichten.zdl.org veröffentlicht werden, gehören sehr alte und bis heute verwendete Wörter wie Revolution oder Kommune, aber auch heute kaum mehr gebrauchte wie zum Beispiel Emeute oder Protestation.

Daneben übernehme ich zunehmend auch die in Göttingen liegenden Aufgaben aus dem Bereich der Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit unseres Projekts. Sie sind eine willkommene Abwechslung in meinem Arbeitsalltag und machen mir viel Freude.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Dass ich im Augenblick als Lexikografin arbeite, hat sich aus der theoretischen und methodischen Basis meines Promotionsprojektes ergeben: Ich habe in meiner Dissertation eine begriffsgeschichtliche Aufarbeitung des Wortes Kolonie geleistet, um mir anschließend anzuschauen, wie bestimmte Texte an die Bedeutungsaspekte des Wortes anschließen. Die Begriffsgeschichte ist nun einer von verschiedenen Ansätzen im Forschungsfeld der Historischen Semantik – zu der auch die historische Lexikografie, also die sprachwissenschaftliche Wörterbucharbeit, gehören. Ich finde es immer wieder spannend, welche Bedeutungsschichten Wörter haben, wie sich ihre Bedeutung und ihre Verwendung über die Jahrhunderte verändert.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Jeder und jede verwendet Sprache, sie geht uns also alle an. Manche Wörter haben historische Bedeutungsschichten – zum Beispiel aus der Zeit des Nationalsozialismus – derer man sich bewusst sein sollte. Und auch Wörter, die plötzlich überall präsent erscheinen, wie zum Beispiel Zeitenwende, haben in der Regel eine länger zurückreichende Wortgeschichte, die Lexikografinnen und Lexikografen aufarbeiten und die wissenswerte und interessante Aspekte zu Tage bringen kann.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich treibe gerne Sport und mache Musik – für mich ist beides ein guter und wichtiger Ausgleich nach der Kopf- und Schreibtischarbeit am Tag.


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Als passionierte Museumsgängerin stände für mich ein Besuch in einer interessanten Ausstellung ganz oben auf der Liste.


Bitte begrüßt Anna ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, May 12, 2024

Der Gärtner der Gene - Robert Hoffie ist zurück bei Real Scientist DE!

Wir begrüßen diese Woche Robert Hoffie bei Real Scientists DE! Robert  (@forscherrobert.bsky.social) hat an der Leibniz Universität Hannover Pflanzenbiotechnologie studiert. Bereits in seiner Masterarbeit hat er mit Genome-Editing-Techniken an Mais gearbeitet. Heute ist Robert Hoffie PostDoc am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. Dort arbeitet er mit CRISPR/Cas an Gerste, um Genome Editing Methoden weiterzuentwickeln. Neben der Forschung ist Robert Hoffie außerdem in der Wissenschaftskommunikation aktiv. Unter anderem beteiligt ist er Mit-Begründer des Öko-Progressiven Netzwerks und dessen Plattform progressive-agrarwende.org. Als @ForscherRobert bringt er sich in sozialen Medien regelmäßig in den gesellschaftlichen Dialog zur Grünen Gentechnik und neuen Züchtungstechniken ein.




Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Für Natur und Technik habe ich mich schon als Kind sehr interessiert. Ich bin mit Peter Lustig und der Sendung mit der Maus aufgewachsen, die sicher prägend waren. In der Schule waren meine Lieblingsfächer Deutsch und Bio. Es war lange mein Plan, Journalist zu werden, obwohl ich zum Beispiel schon in der 9. Klasse meinen ersten Vortrag über Gentechnik gehalten habe. Während des Abiturs kam ich doch zu dem Entschluss, ein biowissenschaftliches Studium aufzunehmen. Ich wurde auf den Studiengang Pflanzenbiotechnologie an der der Uni Hannover aufmerksam und begann dort nach dem Zivildienst. Ziemlich schnell nach Beginn des Studiums wurde mir klar, dass ich auch danach die wissenschaftliche Laufbahn einschlagen möchte.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Dass ich aus der großen Bandbreite der Biologie eigentlich nur mit Pflanzen arbeiten wollte, war mir von Anfang an klar. Darum habe ich mich für den recht speziellen Studiengang Pflanzenbiotechnologie entschieden. Innerhalb dieses Teilbereichs war das Modulangebot in Hannover aber sehr breit. Von praktischen Anbaufächern im Bereich Gartenbau, über Züchtung bis hin zur Grundlagenforschung in der Molekularbiologie war alles dabei. Für meine Bachelorarbeit habe ich mich in einer Gruppe beworben, die verschiedene Aspekte der Photosynthese erforscht hat. So hätte ich auch gut in der Pflanzenphysiologie landen können. Doch es war gerade ein Thema zur Genregulation in der Photosynthese frei. So wurde es dann die Molekulargenetik. Für die Masterarbeit ergab sich die Möglichkeit, mit der gerade neuen CRISPR-Technik (es war 2015, knapp drei Jahre nachdem die Technik in Bakterien beschrieben wurde) Mutanten in Mais herzustellen. Diese Methode hat mich so beeindruckt, dass ich für meine Promotion gezielt nach einem solchen Thema gesucht habe. So bin ich am IPK gelandet und habe dort in meinem Promotionsprojekt an Virusresistenzen in Gerste geforscht und dabei mit Genome Editing gearbeitet.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Unsere Arbeitsgruppe hat mittlerweile einen deutlichen Schwerpunkt in der Entwicklung von Genome Editing Techniken, allen voran CRISPR, und ihrer Anwendung in Kulturpflanzen. Wir arbeiten vor allem mit Gerste, Weizen, Mais und Leindotter und erschließen auch immer wieder neue Pflanzenarten für diese Methoden. Das zweite Standbein der Gruppe ist die Entwicklung von Zellkultursystemen. Wir erarbeiten Protokolle, mit denen sich aus einzelnen Zellen in In-vitro-Kultur wieder ganze Pflanzen regenerieren lassen - eine Grundvoraussetzung für die Nutzung von Gentechnik. Ich arbeite mittlerweile vor allem an der Methode selbst. Zwar ist es beeindruckend, was bereits mit Genome Editing möglich ist. Aber andererseits kommen wir auch immer wieder an Grenzen und nicht jede genetische Veränderung lässt sich so umsetzen, wie wir es gern hätten. Das Bild vom Texteditor, mit dem wir beliebig den genetischen Code umschreiben können, stimmt für Pflanzen so (noch) nicht. Aber da wollen wir gern hinkommen. 

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Pflanzenforschung ganz allgemein wird häufig unterschätzt. Dabei sind Pflanzen die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Die Photosynthese produziert Sauerstoff und abgesehen von ein paar Bakterien leben alle anderen Lebewesen von Pflanzen oder von Lebewesen die Pflanzen gefressen haben. Die angewandte Pflanzenforschung, wie wir sie am IPK Gatersleben betreiben, steht ganz am Anfang einer langen Kaskade über Pflanzenzüchtung, Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft bis am Ende die Produkte im Supermarkt stehen, die wir alle täglich essen. Das speziellere Thema Gentechnik und mittlerweile zunehmend auch CRISPR hat da sogar noch vergleichsweise viel Aufmerksamkeit. Allerdings ist die Wahrnehmung, wie nützlich diese Methoden sind und ob sie besondere Risiken bergen, zwischen Wissenschaft und der breiteren Gesellschaft doch sehr unterschiedlich. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich in die Diskussion rund um diese Themen einbringen möchte.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Wie schon angedeutet, beteilige ich mich ein Stück weit an der Öffentlichkeitsarbeit des Instituts, nehme an Vortragsveranstaltungen oder Podiumsdiskussionen teil. Außerdem bin ich Mit-Begründer des Öko-Progressiven Netzwerks e.V. Mit unserem Verein wollen wir einen evidenzbasierten Nachhaltigkeitsdiskurs unterstützen. Eines unserer Projekte ist die Progressive Agrarwende. Auf diesem Blog und zugehörigen (Online-) Veranstaltungen versuchen wir, das Bild einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu entwickeln, die neue Techniken im Sinne von mehr Nachhaltigkeit nutzt.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Seit ein paar Jahren bin ich in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Es ist ein sehr guter Ausgleich zum Forschungsalltag und dem Engagement beim Öko-Progressiven Netzwerk, weil es mal ganz was anderes als Pflanzenforschung ist. Gleichzeitig ist es eine bunt gemischte Truppe, die davon lebt, dass alle ihre individuellen Kompetenzen einbringen, denn der Feuerwehralltag erfordert häufig kreative und schnelle Lösungen.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Ausschlafen, ein leerer Kalender und einfach tun, wonach mir gerade ist. Lesen, Fahrradfahren, im Garten buddeln, Freunde und Familie treffen.


Bitte begrüßt Robert ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, May 5, 2024

Bilder analysieren für die Gesundheit - Joana Grah ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir begrüßen diese Woche Joana Grah bei Real Scientists DE! Joana (@joanagrah.bsky.social) studierte Mathematik (BSc und MSc) an der Uni Münster und promovierte in angewandter Mathematik zu Mathematischen Bildverarbeitungsmethoden in der Krebsforschung an der University of Cambridge, UK. Nach einem Postdoc zu computergestütztem personalisiertem Mammographie-Screening am Alan Turing Institute in London arbeitete sie an der Technischen Universität Graz, Österreich, an Variationsnetzwerken für Denoising und Demosaicing und als selbstständige Beraterin für Digitalisierung und KI im Rahmen der Steiermark Schau für das Kunsthaus Graz. Anschließend verließ sie die aktive Forschung um am Heine Center for Artificial Intelligence and Data Science an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Workshops zum Thema KI und Programmierung für Wissenschaftler*innen außerhalb der Informatik/Mathematik zu geben, den Online-Kurs “KI für alle” für den KI-Campus mitzuentwickeln und Wissenschaftskommunikation zu betreiben, z.B. in Form des Podcasts “Inside HeiCAD” und der YouTube-Erklärvideoserie “Heine und Lovelace fragen nach”. Zur Zeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende Fachgebietsleitung der “Bildanalyse” am Zentrum für Künstliche Intelligenz in der Public Health-Forschung am Robert Koch-Institut in Berlin/Wildau.




Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich würde jetzt gerne sagen “Ich wollte schon als Kind Forscherin werden”, aber tatsächlich war das überhaupt nicht so. Ich bin FirstGen-Akademikerin, d.h. meine Eltern haben keinen akademischen Hintergrund. Es stand eigentlich gar nicht zur Debatte, dass ich irgendwann mal studieren würde. Dann war ich in der Schule ziemlich gut, hatte Spaß an bestimmten Fächern, u.a. Mathe, und wurde auch von einigen Lehrer*innen gefördert. Kurz vorm Abi habe ich mich dann also doch für einige Studiengänge beworben, sowohl für sprachwissenschaftliche als auch für mathematische, weil mir beides in der Schule gut gefallen hat. Die Entscheidung für Mathe kam dann aus dem Bauch heraus - und weil ich gerne nach Münster wollte und man dort ja in diesem schönen Schloss studiert… Natürlich war die Mathe-Fakultät ein bisschen außerhalb und wie so oft in einem eher weniger schönen Gebäude angesiedelt, aber das hat meiner Begeisterung für die Stadt keinen Abbruch getan. Mein Studium war alles andere als leicht, ganz im Gegenteil. Ich bin ziemlich naiv ins Studium gestartet und dachte es würde ungefähr so ablaufen wie in der Schule - das war natürlich nicht so und nach einem sehr holprigen Start gewöhnte ich mich langsam an das universitäre Umfeld. Die Entscheidung nach dem Bachelor noch den Master zu machen, kam eher spontan, vielleicht auch, weil mir noch nicht so klar war, was ich nach dem Studium eigentlich machen wollte. Im Master wählten wir dann Spezialisierungen und zum ersten Mal verstand ich 1) warum wir bestimmte Dinge in den Grundlagenvorlesungen gemacht haben und diese, obwohl sie ziemlich trocken erschienen, im angewandten Kontext total viel Sinn machen und 2) dass mir Mathe am meisten Spaß macht, wenn es eine reale Anwendung gibt. Ich besuchte begeistert Vorlesungen zu Stochastischen Differentialgleichungen und Bildverarbeitung in der Biologie und Medizin, wobei die Bildverarbeitung mein späteres Masterarbeits- und auch Promotionsthema werden sollte. Am Ende des Masters bekam ich die Gelegenheit, ein halbes Jahr im Ausland zu verbringen und dort meine Masterarbeit zu schreiben. Ich hatte eine unglaublich tolle Zeit in Cambridge, UK, und am Ende motivierten mich die Begeisterung für mein Thema und die vielen positiven Erfahrungen in der Cambridge Image Analysis Arbeitsgruppe mit tollen Menschen dazu, mich für eine Promotionsstelle dort zu bewerben. Irgendwie habe ich seit dem die Forschung oder zumindest das akademische Feld nicht verlassen, obwohl es durchaus gute Gründe gibt, das zu tun. Ich glaube am Ende bin ich ziemlich idealistisch und bilde mir zumindest ein, mit meiner Forschung etwas bewirken zu können.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Zum Teil habe ich das in meiner vorherigen Antwort schon beschrieben, aber meine ersten Vorlesungen in der angewandten Mathe haben echt einen großen Unterschied für mich gemacht und mich endgültig für das Fach begeistert. Mathe spielt tatsächlich in so gut wie allen anderen Forschungsfeldern - manchmal sehr offensichtlich, aber manchmal auch gut versteckt - eine Rolle. Das Tolle am Mathestudium ist, dass man sich durch die Theorie so eine Art Toolset aneignet und Methoden lernt, die man dann später in vielen verschiedenen Gebieten anwenden kann. Mein Forschungsschwerpunkt war immer die Bildverarbeitung. Das Schöne daran ist, dass auch Bilder als Daten ja in den verschiedensten Bereichen auftreten können, z.B. in der Astronomie, in der Kunstgeschichte, in den Materialwissenschaften, in der Medizin oder in den Pflanzenwissenschaften. Dadurch wird es nie langweilig. Mein Herz schlägt aber definitiv am Meisten für Anwendungen in der Biologie und Medizin, d.h. dort können Daten z.B. Mikroskopiebilder, CT-/Röntgenaufnahmen oder MRT-Bilder sein. Im letzten Jahrzehnt hat sich das Feld der Bildverarbeitung durch die Popularität von Methoden der so genannten Künstlichen Intelligenz ziemlich schnell verändert und weiterentwickelt. Gestartet bin ich in meiner Masterarbeit und Promotion mit mathematischen Bildverarbeitungsmethoden, aber dann habe ich mich immer mehr auch mit KI und maschinellem Lernen beschäftigt. Es ist total spannend und ein großes Privileg, hautnah mitzubekommen, wie sich ein ganzes Forschungsfeld in Echtzeit verändert. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass KI nie wirklich “traditionelle” Methoden ablösen wird, sondern dass vernünftige, nachhaltige, faire, erklärbare und für die Gesellschaft nützliche Lösungen eine Kombination aus beidem sein werden.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Ich bin zur Zeit wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende Fachgebietsleitung der “Bildanalyse” am Zentrum für Künstliche Intelligenz in der Public Health-Forschung (ZKI-PH) am RKI. Die Daten, mit denen ich tagtäglich arbeite, sind nach wie vor Bilder. Im Moment arbeite ich einerseits mit Phasenkontrastmikroskopiebildern von verschiedenen Zelllinien, für die z.B. Medikamente getestet werden, und andererseits mit Elektronenmikroskopiebildern von Viren, z.B. dem uns gut bekannten SARS-CoV-2. Eine Aufgabe der Bildverarbeitung, mit der ich mich intensiv beschäftige, ist die Segmentierung. Das bedeutet, dass bestimmte Objekte in einem Bild, z.B. Zellen oder Viren, als zusammenhängendes Objekt erkannt und von anderen Objekten und dem Hintergrund getrennt werden. Dies kann z.B. durch eine Segmentierungsmaske visualisiert werden. Im Anschluss können dann beispielsweise Objekte gezählt, ihre Morphologie untersucht oder weitere Statistiken berechnet und weitere Analysen durchgeführt werden wie z.B. Klassifikation.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Ich glaube alleine das Buzzword “KI” erregt schon automatisch sehr viel Aufmerksamkeit. Das ist nicht immer gut, weil ich nicht immer mit der Darstellung von KI in der Öffentlichkeit einverstanden bin. Ich finde, es gibt zu viel Hype sowohl was die Möglichkeiten und Chancen von KI betrifft - es gibt immer noch keine AGI (artificial general intelligence), also KI, die diverse menschliche Fähigkeiten übersteigt und nicht nur eine bestimmte Aufgabe besser und schneller lösen kann - als auch bzgl. ihrer Risiken. Oftmals wird zu viel Fokus auf Weltuntergangsszenarien gelegt und unnötig Ängste geschürt, während die wirklichen Herausforderungen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen sollten, in der Regulierung und den gesellschaftlichen Konsequenzen von KI liegen. Daher ist es umso wichtiger, aufzuklären und gute Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Am ZKI-PH betrachten wir das Thema KI für Public Health ganzheitlich, passend zum “One Health”-Ansatz. Es gibt neben der Bildanalyse Arbeitsgruppen zum Thema Phylogenomik, zur Klima- und Gesellschaftsanalytik und zur Visualisierung, und die Erklärbarkeit von Methoden und Kommunikation nach außen bildet einen Schwerpunkt. In meinen aktuellen Projekten können zum einen durch die automatisierte Analyse am Computer viel Zeit, Kosten und Personalressourcen gespart werden. Zum anderen unterstützen die Analysen und Ergebnisse die biomedizinische Forschung, indem z.B. die Wirksamkeit von Medikamenten verifiziert werden kann oder einzelne Beobachtungen wie etwa zu morphologischen Veränderungen generalisiert werden können.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Obwohl ich das kurz während meiner Tätigkeit an der HHU Düsseldorf teilweise hauptberuflich gemacht habe, betreibe ich jetzt wieder Wissenschaftskommunikation als Hobby. Ganz besonders am Herzen liegt mir das Projekt “Her Maths Story”, das ich momentan mit meiner guten Freundin Julia Kroos zusammen betreibe. Wir veröffentlichen regelmäßig Geschichten von Frauen in der Mathematik um sie sichtbarer zu machen und Mathematikerinnen am Anfang ihrer Karriere zu ermutigen, weiterzumachen, obwohl es noch nicht so viele Frauen als Vorbilder gibt. Wir haben eine Webseite (https://hermathsstory.eu/) und sind auf fünf Kanälen in den Sozialen Medien unterwegs. Ansonsten nehme ich sehr gerne Gelegenheiten wahr um Outreach zu betreiben, z.B. durfte ich letztes Jahr bei Soapbox Science Berlin als Speakerin am Potsdamer Platz dabei sein.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich tanze seit ich 4 Jahre alt bin und habe nie wirklich damit aufgehört. Ich finde, es ist der beste Sport überhaupt, weil es sich für mich nicht wie Sport anfühlt, und es gibt so vielfältige Möglichkeiten sich durch Tanz auszudrücken. Außerdem ist das Tanzen für mich in schwierigen Situationen immer ein verlässlicher Ausgleich. Die längste Zeit habe ich wohl Modern Dance betrieben und dann später in einer Musical-Formation getanzt, aber mich auch in Contemporary, Dancehall und Salsa ausprobiert.


Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)

Ausschlafen (ich bin leider kein Morgen-Mensch) und ausgiebig brunchen, je nach Wetter im Park oder im Café mit Freund*innen treffen, Tanzen gehen natürlich, Zeit haben ein nicht-wissenschaftliches Buch zu lesen, abends auf ein Konzert gehen.


Bitte begrüßt Joana ganz herzlich auf dem Kanal!