Wir freuen uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Naomi Truan (@BerLinguistin) vorstellen zu dürfen! Naomi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Universität Leipzig. 2019 hat sie ihre Promotion an der Sorbonne Université Paris und der Freien Universität Berlin. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich u.a. mit Soziolinguistik, Digitale Linguistik, Korpuslinguistik sowie Grammatik und Schule. Das sagt Naomi zu sich in ihren eigenen Worten:
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, zu promovieren. Und ich wusste auch nicht, dass mir Hochschullehre so viel Spaß machen würde! Während meines Studiums der Philosophie, Geschichte, Sprach- und Literaturwissenschaften mit einem Fokus auf Germanistik hatte ich die Gelegenheit, zwei intensive sechsmonatige Praktika zu absolvieren: Das erste war in der Presse- und Kommunikationsstelle der französischen Botschaft in Berlin und das zweite bei einer Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Gleichzeitig schrieb ich zwei Masterarbeiten in der kontrastiven Linguistik (Deutsch/Englisch) und konnte dabei feststellen, dass die Untersuchung politischer Kommunikation aus sprachwissenschaftlicher Perspektive mich begeisterte.
Und so fing es an: Nach dem Staatsexamen hatte ich das Glück, eine dreijährige Promotionsstelle an der Sorbonne zu bekommen und Personenreferenz (das heißt, wie sprechen wir mit und über Menschen?) in drei parlamentarischen Kontexten (Deutschland, Grobbritannien, Frankreich) auszuloten. Mein Buch, The Politics of Person Reference, erscheint in wenigen Monaten und darauf freue ich mich sehr!
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Während meinem Bachelor in Lyon befasste ich mich mit den Geisteswissenschaften in ihrer ganzen Spannbreite – dies ist eine Besonderheit der französischen sogenannten. „Vorbereitungsklassen“ im Hochschulstudium. Zu der Germanistik kam ich erstmal, um weiterhin so viele Disziplinen wie möglich studieren zu dürfen: In der Auslandsgermanistik studiert man neben Literatur- und Sprachwissenschaft noch die Geschichte und Philosophie deutschsprachiger Kulturräume. Als begeisterte Literaturwissenschaftlerin entdeckte ich die Stilistik — sehr grob gesagt, Linguistik für die Interpretation literarischer Texte — und verstand dann, dass es bei mir eigentlich darum gehen würde!
Seitdem freue ich mich wirklich sehr, Literatur nur noch aus Spaß zu lesen und den Fokus auf unseren Sprachgebrauch gesetzt zu haben. Dadurch kann ich sowohl über das Deutsche, das Englische und das Französische forschen (ich arbeite sehr gerne kontrastiv) und lerne jeden Tag Neues über Sprache und unsere Vorstellungen darüber. Damit meine ich nicht nur neue Ausdrücke (obwohl das natürlich sehr schön ist), sondern vor allem: Welche medial-öffentlichen Debatten prägen unser Sprachbewusstsein? Welche Rolle spielen Institutionen wie etwa die Schule in unseren Sprachbiografien?
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Wie kommunizieren wir? Und wie denken wir, dass wir das tun? Als Sprachwissenschaftlerin untersuche ich zurzeit sowohl unsere digitalen Schreibpraktiken (z.B. auf Twitter) als auch unsere Vorstellungen zu „richtigem Deutsch“ und Mehrsprachigkeit im (Hoch-)Schulkontext.
Gegenwärtig befasse ich mich nun in meinem Habilitationsprojekt sowie verbundenen Projekten mit dem Zusammenhang zwischen sprachwissenschaftlichem Wissen, Grammatikvermittlung und offener Wissenschaft. Dabei ist mir wichtig, Grammatik nicht nur systemlinguistisch aufzufassen, sondern in ihre soziolinguistischen — in meinem Fall vorwiegend digitalen, mehrsprachigen, (hoch-)schulischen — Kontexte einzubetten.
Warum das von hoher Relevanz ist, wird zum Beispiel in diesem Twitter-Thread zu Grammatikvermittlung (Klein- und Großschreibung und Wortarten an der Schule) vor Augen geführt: https://twitter.com/BerLinguistin/status/1314864722290802689.
Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine
Forschung/Arbeit interessieren?
Das würde ich gerne anhand zwei Drittmittelprojekte, die mir sehr am Herzen liegen, beleuchten. Zurzeit bin ich in zwei forschungsorientierten Lehrprojekten involviert: das Digital Fellowship Sachsen und das Fellow-Programm Freies Wissen.
Mit einem Lehr-Lernkonzept zu „Grammatik und Schule im digitalen Zeitalter“, das gerade durch ein Digital Fellowship Sachsen gefördert wird, wird Grammatik gemeinsam mit den Seminarteilnehmenden anhand ihrer eigenen digitalen Daten erprobt und dann in ein Unterrichtskonzept integriert.
Im Rahmen des Fellow-Programms Freies Wissen rücken Open Educational Resources in den Vordergrund. Die im Seminar erworbenen forschungsorientierten Ergebnisse beleuchten nicht nur, inwiefern sprachliche Muster in digitaler Kommunikation (wirklich) anders sind, sondern auch, inwiefern Medienideologien unser Verständnis davon, was grammatisch ist oder nicht und unsere Definition von Grammatik beeinflussen.
In beiden Projekten geht es also darum, digitale Kommunikation — ein ganz aktueller Forschungsgegenstand — mit Grammatikwissen und -erfahrungen in Verbindung zu setzen, unser (schul-)grammatisches Wissen kritisch zu reflektieren und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse für andere zugänglich zu machen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Im Rahmen meiner Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin übernehme ich regelmäßig Verwaltungsaufgaben. Zurzeit bin ich Studienfachberaterin für den Fach-Master Germanistik (Kernfach) und den Master Lehramt Deutsch an der Universität Leipzig. Zu meinen Hauptaufgaben gehören die Beratung zu Themen wie Bewerbung (inklusive aus dem Ausland) und Studienorganisation. Was mich bei dieser Tätigkeit besonders anspricht, ist der persönliche Austausch mit den Studierenden, da mich immer wieder sehr individuelle Anfragen erreichen.
Außerdem interessiere mich sehr für Wissenschaftskommunikation. Auf meinem Blog poste ich regelmäßig Reflexionen und Ressourcen zum wissenschaftlichen Schreiben und Arbeiten, Tipps zur Hochschullehre und mehrsprachigen Lebenswelten.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Lesen (auf Deutsch, Englisch oder Französisch, je nach Laune) bleibt eine
meiner Lieblingstätigkeit, obwohl ich zugeben muss, dass ich nach langen
Stunden am Laptop eigentlich auch gerne lange spazieren gehe und dabei häufig
Fotos mache oder noch etwas mit meinen Händen tue: z.B. Backen (dabei bin ich
nicht besonders begabt, so dass es häufig nicht toll aussieht aber doch
schmeckt) oder Collagen, eine meiner wiedergefundenen Do-It-Yourself-Hobbies in
Corona-Zeiten. Ich treibe auch sehr viel Sport (fast jeden Tag Cardio, HIIT,
Yoga oder Pilates), tanze regelmäßig (auch von zu Hause!) und schaue mir gerne
Serien an. Sonst schreibe ich aus Spaß auch gerne. Notizbücher,
Glitter-Stickers und Farbstifte sind mein Ding!
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher*innen sind ja auch nur
Menschen)?
Ich stehe früh auf und fange den Tag mit einem Espresso auf dem Balkon an. Den Tag verbringe ich draußen, gerne in der Natur, aber es muss nicht sein, da ich auch viel Spaß an den zwischenmenschlichen Interaktionen in Großstädten habe und zum Beispiel gerne Fahrrad durch Städte fahre. Das einzige Kriterium: Sonne! Schnell brauche ich schon meinen zweiten Kaffee J Viel lesen, vielleicht ein bisschen schreiben, ziellos laufen. Gerne höre ich mir Podcasts zu Themen wie Feminismus und Diversität an, um mich weiterzubilden. Wie der ideale Tag aber ganz konkret aussieht, kann ich nicht verraten, weil ich eben in meiner Freizeit gerne spontan bin und meiner Intuition folge!
Bitte begrüßt Naomiherzlich bei Real Scientists DE!