Sunday, April 24, 2022

Retter der Insekten - Gregor Kalinkat ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unseren Kurator Gregor Kalinkat (@gkalinkat) vorstellen zu dürfen! Gregor hat Biologie studiert und arbeitet nun am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Aktuell untersucht er, wie der Artenrückgang von Insekten durch umweltfreundliche Beleuchtung gestoppt werden kann. Gregor war 2018 schon einmal bei uns zur Gast und hat sich vorgestellt - ein paar Dinge haben sich seitdem aber verändert, die er euch in seinen eigenen Worten beschreibt:

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Ich habe 2018 das Angebot bekommen in diesem Projekt zu arbeiten und da ich mich schon vorher für Insektenrückgänge und die vielfältigen Gründe dafür sehr interessiert habe fande ich das sehr spannend. Außerdem ist es ein Projekt mit langer Laufzeit (6 Jahre) was es zusätzlich attraktiv gemacht hat. 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

In unserem Projekt Artenschutz durch umweltfreundliche Beleuchtung (https://www.tatort-strassenbeleuchtung.de/ und @AubeNews auf Twitter)  bin ich vor allem für die Begleitforschung auf unserem Experimentalfeld sowie die Auswertung der Insektenfänge zuständig. Im Projekt haben wir gemeinsam mit Lichttechnikern von der TU Berlin sowie mit Leuchtenherstellern Insektenfreundliche Strassenlaternen entwickelt. In einem so genannten "before control/after impact" Design (BACI) evaluieren wir anschließend ob und wie gut die Lampen die Anlockung von Insekten reduzieren. Das Projekt läuft in 4 Gemeinden/Regionen in Nordostdeutschland und Hessen. Mehr über das Projekt gibt es natürlich in den nächsten Tagen auf dem RealSci DE Account. 

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
 
Es soll zur Dark Sky Week um zwei Schwerpunkte gehen
  1. Exzessive Beleuchtung und Auswirkungen dieser "LIchtverschmutzung" auf Umwelt/Natur aber auch Gesundheit etc
  2. Artenvielfalt ist in erster Linie Insektenvielfalt und das viel zitierte "Insektensterben" hat viele Gründe. Lichtverschmutzung ist einer davon. Ich möchte diese Themenkomplexe beleuchten denn sie
 
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich engagiere mich im Leibniz Postdoc Network @LeibnizPostdocs wo wir im letzten Jahr eine Interview-Serie rund um die Pandemie veröffentlicht haben (hier ein Beitrag https://leibniz-postdoc.de/blog-series-2-the-immune-response-in-severe-covid-19-cases/) Außerdem tweete ich für die Alliance for Freshwater Life @AFL_org

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich fahre gerne Fahrrad. Am liebsten würde ich auch wieder mal beim Kalmit Klapprad Cup @klappradcup mitfahren (war schon mehrmals dort als ich noch in der Nähe gewohnt habe, aber seit ich in Berlin bin habe ich es noch nicht geschafft).

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?

Auf jeden Fall ist (1.) draußen sein (2.) mit der Familie wichtig. Sonntags fahren wir gerne mit dem Rad oder schlendern über den Flohmarkt. 

Bitte begrüßt Gregor ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Monday, April 18, 2022

Anglophone Texte durchs Perspektivprisma sehen - Jennifer Henke ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Jennifer S. Henke (@jenniferhenkeHB) vorstellen zu dürfen! Jennifer ist promovierte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin im Bereich Anglistik/Amerikanistik. Sie hat an Universitäten in Bremen, Hamburg-Harburg, Halle, Guelph, Kanada und Freiburg geforscht und gelehrt. Zurzeit vertritt sie ihre zweite Professur, aktuell mit Schwerpunkt anglophone Gender Studies an der Universität Greifswald. 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
In der Wissenschaft bin ich über einige Umwege gelandet. Ich habe einen nicht-akademischen Hintergrund, auf den ich sehr stolz bin: Ich bin die erste in der Familie, die Hochschulreife erlangt hat, dazu noch auf dem zweiten Bildungsweg, sowie die erste und einzige mit Studienabschluss und Promotion. Ich bin also das, was man eine #FirstGen (first generation) oder auch Bildungsaufsteigerin nennen würde, was jedoch nicht heißt, dass meine Familie nicht belesen ist, ganz im Gegenteil sogar. Sie gehörte aber nie zur Bildungsschicht; dies kann für Nachkommen solcher Milieus einige Hürden mit sich bringen wie etwa fehlende Netzwerke, mangelnde Kenntnisse des Bildungssystems, keine sonstige Unterstützung usw. In der anglophonen Literatur- und Kulturwissenschaft bin ich gelandet, da ich nicht nur zweitsprachig aufgewachsen bin (englisch/deutsch), sondern mich schon immer für Geschichten, Medien und die britische Kultur interessierte. Dabei haben mich stets auch feministische und genderbezogene Themen fasziniert – von der Suffragetten-Bewegung in Großbritannien über feministische Hollywood-Filme und Romane bis hin zu Shakespeare und Gender. Diese Themen waren es auch, die meine Leidenschaft für das Forschen weckten und warum ich nach dem Abschluss (damals noch Magister) in Anglistik/Amerikanistik und Germanistik unbedingt weitermachen wollte. Heute vertrete ich schon zum zweiten Mal eine Professur, aktuell für Anglophone Gender Studies, und kann manchmal kaum glauben wie weit ich vor allem als Frau und #FirstGen gekommen bin, auch, wenn die weiteren Aussichten mehr als unsicher sind. Natürlich hat mein aktueller Status auch sehr, sehr viel mit Glück und Privilegien zu tun, die andere marginalisierte Forschende nicht haben, dessen bin ich mir überaus bewusst. Gleichzeitig bin ich stolz auf meinen bisherigen Weg, der alles andere als einfach war. Ich hoffe, dass ich auch zukünftig meinen Beruf weiter ausüben kann, denn das Prekariat an deutschen Hochschulen ist kein Geheimnis: Auch ich gehöre zu den weit über 90% befristeten Forschenden in diesem System, die aufgrund des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (#WissZeitVG) und dem eklatanten Mangel an festen Stellen mit über 40 Jahren vor dem Exodus stehen. Bis das Beil endgültig fällt oder ich im Wissenschaftslotto gewinne, forsche und lehre ich mit Herzblut weiter.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
An meinem Fach fasziniert mich besonders, dass es dabei hilft, sich selbst als historisches Subjekt besser begreifen zu können. Anders ausgedrückt: Meine Disziplin untersucht ‚Texte‘ – und das kann alles von Romanen über Filme bis hin zu Illustrationen sein – nicht losgelöst von ihrem historischen Kontext. Texte existieren nie in einem Vakuum – sie sind stets eingebettet in historische und sozio-kulturelle Diskurse. Sie ‚sprechen‘ zudem immer anders zum jeweiligen Publikum. Zum Beispiel gibt es in der anglophonen Geschichte Phasen, über die wir noch nicht genug wissen, da einfach zu wenige historische Quellen existieren. Überliefert werden jedoch oftmals Geschichten, die uns mehr über eine jeweilige Kultur verraten können. Die Literatur- und Kulturwissenschaft fragt jedoch nicht nur nach der Art des Textes (dem ‚Was‘), sondern vor allem auch nach den Bedeutungsmechanismen (dem ‚Wie‘): Wie funktioniert ein Narrativ? Welche intertextuellen Referenzen liegen vor? Wie hängen Form, Inhalt und kultureller Kontext zusammen? Welche gesellschaftliche Funktion hat ein Text in der jeweiligen Epoche? Was kann er uns über Machtmechanismen verraten? Welche Theorien und Methoden können auf einen Text angewendet werden mit welchem Erkenntnisgewinn? Gleichzeitig können uns Texte aus gut erforschten Epochen immer wieder andere, neue Perspektiven eröffnen. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man ein vermeintlich objektives Geschichtsbuch zur Hand nimmt, um sich Wissen über eine Kultur oder ein historisches Ereignis anzueignen, oder einen Roman liest, der der Leserin eine andere, subjektivere Perspektive eröffnet. Oft sind Bedeutungen zudem kodiert wie etwa in fantastischen Erzählungen, die auf der Metaebene höchst politisch sein können: Es ist unsere Aufgabe als Forschende, diese Codes zu entschlüsseln und immer wieder neu zu deuten. Letztlich geht es in der Literatur- und Kulturwissenschaft vor allem um unterschiedliche Perspektiven und nicht um ‚die eine‘ Wahrheit, sondern um sich stets verändernde Blickwinkel. Es kann daher für Studienanfänger:innen und Fachfremde manchmal frustrierend sein, wenn es auf eine Frage keine definitive Antwort gibt, aber genau darum geht es oftmals, um die Herausarbeitung der Komplexität eines Themas. Ich verstehe mein Fach dabei als eine Art Prisma, die das Licht bricht und immer wieder neue Farben erzeugt, je nach Art und Bewegung des Prismas. Das bedeutet nicht, dass es keine Fakten gibt, ganz im Gegenteil sogar. Nur wie diese Fakten interpretiert werden und welche Funktionen sie erfüllen – das ist der Gegenstand unserer Forschung und auch das Faszinierende an meinem Fach. Das ist das, was mich persönlich in der Wissenschaft hält – das immer Neue und Andere, der ständige Perspektivwechsel. 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich vertrete zurzeit meine zweite Professur im Bereich der englischsprachigen Literatur und Kultur, dieses Mal mit einem deutlichen Schwerpunkt auf den Gender Studies, was mir ermöglicht, mich in meinem bevorzugten Forschungsfeld ‚austoben‘ zu können. Während der Pandemie und den vielen Universitätswechseln im Rahmen von Vertretungen und Lehraufträgen hatte bisher die Einarbeitung in immer neue Infrastrukturen sowie in die (für nahezu alle Kolleg:innen) neue online Lehre Vorrang. Aktuell arbeite ich am Abschluss meines zweiten großen Forschungsprojekts zur Geschichte der Geburtsmedizin während der Aufklärung in Großbritannien. Mich interessiert dabei vor allem die Frage, wie Darstellungen des reproduktiven Körpers sowohl in medizinischer als auch literarischer und visueller Literatur mit tatsächlichen materiellen Praktiken der Geburtshilfe verwoben sind. Mein kulturhistorisch ausgerichtetes Forschungsprojekt ist für mich äußerst sinnstiftend, da es dazu beiträgt, aktuelle Probleme rund um die Geburtshilfe besser zu verstehen. Literarische und kulturelle Artefakte – und dazu gehören auch medizinische Handbücher und Illustrationen – fungieren dabei nicht nur als historische Quellen, sondern auch als eine Art Brille, die ich mir aufsetze, um zu neuen Perspektiven zu gelangen. Mein Alltag besteht während der Vorlesungszeit überwiegend aus Administration und Lehre: Aktuell führe ich Seminare zu Cyborgs und Gender, aber auch zu irischer und kanadischer Literatur und Kultur durch. Zum Forschen komme ich in der Regel in der vorlesungsfreien Zeit. Dann bestehen meine Tage aus lesen, lesen, lesen, denken, schreiben, lesen. Am schönsten ist es für mich, wenn der ‚flow‘ eintritt und ich beim Lesen = Forschen mein Zeitgefühl verliere, komplett in ein Thema eintauche und mehrere ‚aha, ach, so ist das also!‘-Momente erlebe. 

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
In erster Linie hat mein Fach der Literatur- und Kulturwissenschaft folgende gesellschaftliche Funktionen: Es fördert durch das Lesen fachwissenschaftlicher und fiktionaler Texte nicht nur die generelle Lese-, sondern vor allem auch die Medienkompetenz, die in unserer heutigen Zeit unabdingbar geworden ist. In meinem Fach geht es nicht vorrangig um den Erwerb von Sprachkompetenzen – diese sollten idealerweise bereits bei Studienbeginn und Eintritt in die Forschung vorliegen – sondern um das Erlernen und Erproben von kritischem Denken. Dieses ist insbesondere angesichts der aktuell zu verzeichnenden Flut an #Desinformation relevant. In meinem Fach steht nicht nur die Einübung von Argumentationslinien, sondern vor allem auch die Überprüfung von Quellen im Vordergrund: Woher stammt dieser Text/diese Information? Wer spricht, mit welcher Intention? Welche belastbaren Quellen lassen sich für diese Aussage finden? Existieren andere Perspektiven auf ein Thema/eine Fragestellung? Welche Machtmechanismen bestimmen wer, wann, wo, was sagen darf? Welche Faktoren wie etwa gender, class, race, ability, age usw. spielen in einem Diskurs welche Rolle? Diese und andere Themen sind für die Öffentlichkeit und somit Gesellschaft von hoher Relevanz, da sie die Demokratie fördern. Das Motto meiner Lehre lautet zum Beispiel: „feel free to disagree“. Studierende sollen nicht passiv konsumieren, sondern debattieren, Dinge hinterfragen und ihre Argumente mit belastbaren Quellen untermauern. Nicht zuletzt bin ich auch in der Lehramtsausbildung tätig. Es sind die Studierenden von heute, die die Kinder von morgen unterrichten und im Klassenzimmer als Multiplikator:innen fungieren werden.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Seit mehreren Jahren erfülle ich zusätzlich Lehraufträge an einer Technischen Universität. Ich bringe dort u.a. angehenden Maschinenbauer:innen und Ingenieur:innen nicht nur die anglophonen Literatur- und Kulturwissenschaften, sondern vor allem auch die Relevanz von Geschlechterfragen näher. Ich musste mich anfangs noch etwas an die sehr heterogene (und manchmal auch skeptische) Studierendenschaft gewöhnen, aber liebe die Herausforderung, ein völlig fachfremdes Publikum für meine Disziplin zu begeistern. Eine Rückmeldung, die ich immer wieder erhalte und die mich sehr freut ist, dass Studierende erstaunt über die unterschiedlichen Perspektiven nicht nur mit Blick auf die vermittelten Themen, sondern vor allem hinsichtlich ihrer Kommilliton:innen sind: „I learnt that there are actually far more perspectives than I had previously thought“. Ziel erreicht.
Ansonsten, sofern es die knappe Zeit ermöglicht, bin ich auch in der Wissenschaftskommunikation tätig. Zum Beispiel habe ich an einer Reihe ‚science goes public‘ teilgenommen und in einer Kneipe Frankenstein und Feminismus vermittelt. Andere Male habe ich als Wissenschaftlerin an der Diskussion von Theaterstücken wie etwa The Vagina Monologues teilgenommen und Informationen zur Kulturgeschichte der Gynäkologie eingebracht. Ansonsten bin ich auf Twitter anzutreffen und tweete verstärkt zu den Hashtags #IchBinHanna, #IchBinReyhan sowie zu Gender-Themen.   

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich habe das große Glück, u.a. mit drei Hunden leben zu dürfen, wenn ich nicht gerade pendele – einer amerikanischen Bulldogge und zwei Chinesischen Schopfhunden, Marke Powder Puff. Mit Ihnen verbringe ich den größten Teil meiner kleinen Freizeit.     

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ausschlafen (Eule)! Dann Gassi, ein gutes Frühstück, Badewanne, Filme (lesen tue ich beruflich schon genug), Freund:innen, Familie.

Bitte begrüßt Jennifer ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Monday, April 11, 2022

Netz und Politik in Fernost - Katharin Tai ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Katharin Tai (@katharintai) vorstellen zu dürfen! Katharin ist Politikwissenschaftlerin und freie Journalistin. Sie hat an der SciencesPo in Paris Euro-Asia Relations studiert und anschließend an der Universität Oxford ihren Master in International Relations gemacht. Aktuell promoviert sie in den USA am MIT zur chinesischen Außen- und Netzpolitik. 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe schon in der Schule gemerkt, dass ich unheimlich Spaß daran habe, mich in komplizierte Zusammenhänge reinzuwühlen, sie zu verstehen und dann zu erklären, besonders in der Politik. Falls möglich wollte ich das mit einem Fokus auf Politik in Ostasien zu meinem Beruf machen. Damals war ich allerdings noch unsicher, ob es vor allem Arbeit zu Japan oder China werden würde. Politikwissenchaftliche Forschung ist letztendlich einer der wenigen Bereiche, in denen das wirklich möglich ist, wenn man Glück hat und nach dem Doktor einen Job findet. 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Die Politikwissenschaft versucht im Idealfall, eine Balance zwischen belastbarer Forschung zu konkreten Fällen und der Suche nach verallgemeinerbaren Theorien zu finden, zum Beispiel: Was können wir von China darüber lernen, wie autoritäre Systeme im Rest der Welt funktionieren? Was können wir vom wirtschaftlichen Erfolg von Südkorea oder Taiwan darüber lernen, welche politischen Institutionen wichtige Bedingungen für Wirtschaftswachstum sind? Das mit der Balance klappt natürlich nicht immer, mal nimmt das Eine, mal das Andere Überhand, und es ist auch eine echte Herausforderung, diesen Sweet Spot zu finden. Aber insgesamt finde ich es einen guten Ansporn, sich zu fragen, inwieweit wir allgemeine Muster in der Politik finden können. 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich bin gerade im 4. Jahr meines Doktors und versuche, herauszufinden, wie genau ich mein Dissertations-Thema am besten konzipiere und empirisch angehe - besonders, da Feldforschung in China gerade nicht möglich ist. Allgemein arbeite ich zwischen den Feldern Internationale Beziehungen und Vergleichende Politikwissenschaft mit einem Fokus auf Netzpolitik in China, Taiwan und Hongkong. Ich interessiere mich besonders für die Integration von Technik in bestehende Politik und Institutionen, die Beziehung und die Interaktionen von Staat und Gesellschaft, insbesondere die Rolle bürokratischer Systeme, und das gesamte Subfeld zu autoritären (und hybriden) politischen Systemen. Zum Beispiel habe ich gerade eine Chicago bei einer Konferenz ein Paper zur historischen Entwicklung der chinesischen Definition von “Cybersecurity” vorgestellt, in der ich mir vor allem die 90er Jahre anschaue.
Mein Alltag besteht aktuell aus drei Teilen: Dissertation, einem Seminar, das ich belege, und einem Forschungsprojekt, bei dem ich eine Professorin am MIT unterstütze. Die Arbeit für die Dissertation ist eine Mischung aus dem Durchsuchen von historischen und aktuellen chinesischen Quellen, von 1949 bis heute, und dem Suchen, Säubern und Nutzen von diversen Datensätzen, wie z.B. der ethnischen Zusammensetzung verschiedener chinesischer Städte. Hinzukommt eine gute Portion existentielle Krise bei der Suche nach der richtigen Forschungsfrage. Für das Seminar lese ich jede Woche mindestens zwei Bücher (eins über China, eins aus der vergleichenden Politikwissenschaft aus dem gleichen Themenbereich) und fahre einmal pro Woche mit dem Rad zum Seminar nach Harvard. Für das Forschungsprojekt lese ich gerade vor allem Sekundärliteratur und recherchiere Primärquellen aus den letzten 100 Jahren deutscher Politik.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Die Politikwissenschaft zu autoritären Regimen allgemein und zu chinesischer Politik im Besonderen ist überraschend oft kontraintuitiv im Vergleich zu hergebrachten, akzeptierten Weisheiten zu diesen Gebieten außerhalb der Politikwissenschaft - manche Sachen, von denen man glaubt, sie zu wissen, stellen sich bei genauerem Hinsehen manchmal als ganz anders oder viel komplizierter heraus, als man das oft im öffentlichen Diskurs mitbekommt. Solche Missverständnisse können dann Auswirkungen auf Politik haben, z.B. wenn es um den Umgang mit China als aufsteigender Weltmacht geht, oder lassen auch viele Menschen mit einem verzerrten, vereinfachten Bild von einem sehr komplizierten Land zurück. Ein gutes Beispiel was die allgemeine Wahrnehmung angeht ist die Forschung über die chinesischen Internetzensur, die viele Annahmen, die mir dazu in Deutschland oft begegnen, widerlegt: Die Politikwissenschaftlern Margaret Roberts hat herausgefunden, dass die Bestrafung von Leuten für das Posten kritischer Aussagen eine viel kleinere Rolle spielt als z.B. das Schaffen von kleinen Hürden, die es einfach nervig, aber nicht unmöglich machen, bestimmte Webseiten zu nutzen - und das reicht oft, um viele Menschen davon abzuhalten, diese Seiten aufzusuchen. Ein anderes Beispiel ist die Forschung dazu, wie Wahlen autoritären Regierungen helfen, an der Macht zu bleiben - weil Wahlen allein eben noch lange keine Demokratie ausmachen.
Natürlich sind komplizierte, nuancierte Theorien auch viel schwieriger zu vermitteln als einfache Narrative und erfordern etwas mehr Zeit, um sie zu durchdringen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Aber ich glaube, dass es sich lohnt, sich mit der Literatur zu autoritärer Politik auseinanderzusetzen - sei es nur für den Überraschungsfaktor, oder weil es eben auch an sich interessant ist, wie Politik in unterschiedlichen politischen Systemen funktioniert. 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Wenn der Doktor nicht gerade Überhand nimmt, schreibe ich auch journalistisch über China, Taiwan und Hongkong und betreibe mit einem Freund und Kollegen den Fernostwärts-Podcast und Newsletter über die gleiche Region.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
In meiner Freizeit gehe ich mehrmals die Woche zum Taekwondo. Außerdem coache ich das taiwanesische Schuldebattierteam im World Schools-Stil.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ausschlafen, in Ruhe frühstücken, draußen in der Sonne irgendetwas mit Lieblingsmenschen unternehmen, abends kochen oder essen gehen, dann noch etwas lesen.

Bitte begrüßt Katharin ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, April 3, 2022

Wenn da mal kein Kraut gegen gewachsen ist - David Spencer ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unseren neuen Kurator David Spencer (@d_t_spencer) vorstellen! David studierte Biologie und promoviert aktuell zum Thema Krankheitsresistenzen in Kulturpflanzen an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sammelte er als Musiker und Science-Slammer Bühnenerfahrung. In zahlreichen öffentlichen Auftritten vor Fach- und Nichtfachpublikum brachte er den Menschen die Themen der modernen Pflanzenforschung näher. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines englischen Vaters ist stets auf der Suche nach neuen Dialogformen für einen evidenzbasierten gesellschaftlichen Diskurs. Seit 2020 ist er Vorstandsmitglied der Umwelt-NGO „Öko-Progressives Netzwerk e. V.“ und spricht im Podcast „Krautnah“, einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt, über die Pflanzenwissenschaften in leicht verständlicher Weise. Die Wissenschaftskommunikation hält er für einen integralen Bestandteil der Arbeit von Forschenden, der zu oft vernachlässigt wurde – Zeit, das zu ändern!

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Durch meine Liebe zum Essen :) - ich wollte auf molekularer Ebene verstehen, warum Chili scharf ist, Zwiebeln uns zum Weinen bringen und Cannabis uns high macht.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Der Klimawandel erfordert eine Anpassung der Pflanzenzucht, weg von reiner Ertragssteigerung und hin zu wirklich klimafesten Sorten. Ich finde es total spannend, dabei zu sein und Ideen für einen nachhaltigeren Pflanzenbau aufzuzeigen. What a time to be a biologist!

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Weltweit werden Ernten durch Schädlinge und Krankheiten bedroht. In meiner Forschung versuche ich zu verstehen, warum manche Pflanzen krank werden, andere jedoch nicht. Diese "natürlichen" Resistenzen spüre ich in Feldstudien auf und übertrage die verantwortlichen Gene mittels Grüner Gentechnik auf die bedrohte Nutzpflanze. Neben meiner Forschung an den Mechanismen dieser sogenannten Nichtwirtresistenz beteilige ich mich auch aktiv am öffentlichen Dialog zum Thema Gentechnik. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass die Menschen den Nutzen dieser Technologie für eine nachhaltige Landwirtschaft verstehen und akzeptieren.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wir alle müssen essen, tanken, Kleidung kaufen. Pflanzenprodukte sind allgegenwärtig, auch wenn uns das oft nicht bewusst ist. Eine robuste Produktion pflanzlicher Produkte, die krisenfest und anpassungsfähig ist, geht uns alle an! Indem ich die Chancen des genetischen Pflanzenschutzes erforsche, trage ich (wenn auch im Kleinen) zu den notwendigen Innovationen für die Ernährungssicherheit bei - so hoffe ich. :)

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich versuche mich seit einigen Jahren in verschiedenen Formaten der Wissenschaftskommunikation: Bundesweite Science Slams, Produktion eines Pflanzen-Podcasts ("Krautnah"), Vorstandsarbeit in der Umwelt-NGO "Öko-Progressives Netzwerk e.V.". Seit kurzem bin ich außerdem Autor, am 1.4.2022 ist mein Buch "Alles bio - logisch?!" im Droemer Knaur-Verlag erschienen. Die Öffentlichkeitsarbeit sehe ich als integralen Bestandteil meiner wissenschaftlichen Arbeit! :)

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Mit großer Leidenschaft probiere ich Neues in der Küche aus - weil ich Pflanzeninhaltsstoffe mag, ja, aber auch, weil ich immer auf der Suche nach neuen Geschmacksexplosionen bin. :)

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ausschlafen, mit einer Tasse Tee irgendeine tolle Doku gucken, dann ab in die Natur und abends ein Dreigängemenü zubereiten. ;)

 Bitte begrüßt David ganz herzlich bei Real Scientists DE!