Diese Woche freuen wir uns auf unseren neuen Kurator Michael Kobel! Michael (@michael_kobel) studierte Physik und promovierte 1991 an der Uni Erlangen-Nürnberg mit einer Auswertung von Daten des Crystal Ball Experiments am DESY in Hamburg. Nach einem Fellowship am CERN im Crystal Barrel Experiment in Genf und Habilitation an der Uni Freiburg mit Analysen und Interpretation von Daten des OPAL Experiments am CERN erhielt er 1998 eine Professur für Teilchenphysik an der Uni Bonn. Seit 2006 ist er Professor für experimentelle Teilchenphysik an der TU Dresden. Seit vielen Jahren engagiert er sich für die verständliche und authentische Vermittlung der Erkenntnisse über Aufbau und Entstehung unseres Universums unter anderem in der International Particle Physics Outreach Group (IPPOG), der er von 2009 bis 2012 vorsaß. 2010 initiierte er und leitet seitdem das Netzwerk Teilchenwelt, in dem bundesweit Jugendliche und Lehrkräfte die Welt von Quarks, Elektronen und Higgs-Teilchen mit Originaldaten des CERN erkunden. Seit März 2021 bekleidet Michael Kobel an der TU Dresden das Amt des Prorektors Bildung und trägt in dieser Rolle die Verantwortung für die Organisation und Qualitätssicherung der Bildungsangebote an der TU Dresden sowie für ihre Schulkooperationen und Angebote für Schüler:innen.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Erstaunlich linear. Schon als ich anfing, Physik zu studieren, wollte ich unbedingt Wissenschaftler werden. Nach meiner Entscheidung für die Teilchenphysik habe ich meine Diplom- und Doktorarbeit am Deutschen Teilchenphysikforschungszentrum DESY in Hamburg angefertigt, bin dann als Fellow ans CERN in Genf gegangen und bekam nach der Habilitation an der Uni Freiburg 1998 meine erste Professur an der Uni Bonn.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Die Frage nach dem Woher und Wohin des Universums hat sich wohl jede:r schonmal gestellt und hat mich als Jugendlicher dazu gebracht, Physik und Astronomie studieren zu wollen. Dass für die ersten Augenblicke des Universums besonders die Teilchenphysik Aussagen machen kann, habe ich erst im Studium verstanden und seitdem versuche ich, mit nicht nachlassender Neugier und Begeisterung die Vorgänge am Beginn des Universums Bruchteile von Nanosekunden nach dem Urknall zu ergründen.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Momentan besteht sie als Prorektor Bildung hauptsächlich in der Sicherung und Verbesserung der Qualität der Lehre an der TU Dresden und der Rolle als Ansprechpartner für alle Anliegen der Lernenden und Lehrenden. Das ist an einer so großen Uni mehr als ein Fulltime-Job. Als „PB“ bin ich aber auch für die Schulkontaktstelle der TU Dresden und das Netzwerk ihrer Kooperationsschulen verantwortlich. Von meinem „früheren Leben“ habe ich die Wissenschaftskommunikation im von mir gegründeten und geleiteten bundesweiten Netzwerk Teilchenwelt ins Rektorat hinübergerettet, in der ich vor allem Schüler:innen und Lehrkräften die Teilhabe an der aktuellen Teilchenphysikforschung ermögliche, wie diese Woche bei der „CERN Summer School“ für Lehrkräfte. Als ich noch selbst an meiner Professur aktiv war (ich werde dort derzeit vertreten) war der Alltag aufgeteilt in die vier Bereiche Verwaltungsaufgaben, Wissenschaftskommunikation, Lehre und Forschung. Meine Forschungsgruppe mit einer Postdoktorandin, vier Promovierenden und mehreren Master- und Bachelor-Studierenden beschäftigt sich mit äußerst seltenen Streuprozessen am Large Hadron Collider (LHC) des CERN in Genf, in denen das Higgs-Teilchen als eine Art „Stoßdämpfer“ wirkt. Darüber und welche Aufgaben man dafür direkt vor Ort am CERN übernehmen muss, werde ich diese Woche noch mehr erzählen. In der Lehre ist ein ziemlich breites Spektrum abzudecken, das von Anfängervorlesungen für Physiker:innen oder Ingenieur:innen über Teilchen- und Kernphysik für Bachelor sowie für Lehramt, einer übergreifenden experimentellen „Schlüsselkonzept“-Vorlesung im Master gemeinsam mit Kollegen der kondensierten Materie bis hin zu mindestens fünf verschiedenen Spezialvorlesungen von Statistischen Methoden bis zu Higgs- und Neutrinophysik reicht. Besondere Freude macht mir dabei immer auch die Übernahme von Übungsgruppen, da man dort in intensiveren direkten Austausch mit Studierenden kommt.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Grundlagenforschung ist ein Kulturgut, eng verbunden mit dem Genuss der Menschlichen Neugier, so wie Kunst, Theater und Musik mit dem Genuss von ästhetischen Empfindungen verbunden sind. Erst der Austausch mit der Öffentlichkeit macht sie für alle erlebbar. Ohne Wissenschaftskommunikation wären wir wie ein Symphonieorchester oder ein Theaterensemble, das immer nur für sich spielt und nie auftritt. Teilhabe der Öffentlichkeit ist daher integraler Teil unserer Forschung.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Vor 8 Jahren habe ich in einem Dresdner Willkommensnetzwerk eine ehrenamtliche Patenschaftsgruppe für Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Migrant:innen gegründet, die ich seitdem ehrenamtlich leite. Inzwischen habe ich dafür Förderung von der Fachkräfteallianz in Dresden und kann zwei Mitarbeiterinnen hauptamtlich beschäftigen, die jedes Jahr mehrere Hundert Menschen in Ausbildung und Arbeit begleiten.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Wie man auf dem Profilbild meines Twitteraccounts sieht, laufe ich gerne, auch längere Strecken. Der letzte Marathon ist allerdings schon 15 Jahre her, der letzte Halbmarathon, von dem das Bild stammt, sieben Jahre.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Lange schlafen, spät und ausführlich frühstücken, Radio hören, die Entwicklungen der letzten Woche in der Zeitung und auf Twitter verfolgen und dann des Rest des Tages mit meiner Partnerin etwas unternehmen wie Laufen, Radfahren, Kino oder Kultur. Jedenfalls keine Physik ;-)
Bitte begrüßt Michael ganz herzlich bei Real Scientists DE!