Diese Woche freuen wir uns auf unsere neue Kuratorin Mareike Ludwig! Mareike (@Ludwig_Mareike / cogneuroludwig.bsky.social) studierte Psychologie im Bachelor und spezialisierte sich im Master neben der Psychologie auf Kognitive Neurowissenschaften. Seit 2020 ist sie Doktorandin in Kognitiven Neurowissenschaften am Institut für Kognitive Neurologie und Demenzforschung (IKND). Ihre Forschung konzentriert sich auf die Untersuchung der Effektivität einer nicht invasiven transkutanen Vagusnerv-Stimulation (taVNS). Zudem fokussieren sich Ihre Arbeiten auf das noradrenerge System des Locus-Coeruleus, ein kleiner bedeutsamer Kern im Hirnstamm, der u.a. nicht nur beim gesunden, sondern auch beim pathologischen Altern (z.B. Alzheimer Erkrankung) involviert ist.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? Eine Vielzahl von Ereignissen: Die saltatorische Erregungsleitung (eine schnelle, springende Erregungsleitung bei myelinisierten (isolierten) Nervenzellen) und der Aufbau, sowie die Funktionsweisen und vor allem die Vulnerabilität des Gehirns faszinieren mich bereits seit meiner frühen Jugend. Während meines Studiums absolvierte ich deshalb, in allen mir zur Verfügung stehenden Semesterferien, Praktika in der Neurologie und Neuropsychologie an der Uniklinik in Mainz, Heidelberg, ZI in Mannheim und an der Charité in Berlin. In Fallbesprechungen, Visiten und während der neuropsychologischen Diagnostik durfte ich vielfältige neurologische Krankheitsbilder erfahren und die jeweiligen individuellen Herausforderungen kennenlernen. Frustrierend war es für mich, Patient*innen nach einer Diagnose (z.B. Alzheimer Demenz) wieder nach Hause gehen zu lassen – und jetzt?
Ich war daraufhin als wissenschaftliche Hilfskraft an verschiedenen Forschungsinstituten tätig, konnte meine Vorliebe für Versuchsplanung und Forschungsmethoden ausleben und befasste mich während meiner Masterarbeit mit strukturellen und funktionellen Bildern des Gehirns (vor allem Locus Coeruleus). Eine Promotion in den Kognitiven Neurowissenschaften habe ich nie bewusst angestrebt, aber unbewusst haben sich wohl alle Wege darauf ausgerichtet. Als ich eine Stellenausschreibung sah, die meine Vorerfahrungen als wissenschaftliche Hilfskraft mit taVNS und der strukturellen und funktionellen Bildgebung des Locus Coeruleus verknüpfte, schrie alles nur danach, dass dies mein Projekt sein sollte – und so ward es geschehen.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Die Kognitiven Neurowissenschaften, Forschung im Allgemeinen, erfordert kritisches Hinterfragen von Konzepten und präzises Überprüfen von Hypothesen mit angemessenen Methoden, die eventuell erst entwickelt oder verbessert werden müssen. Es ist mir eine große Freude mit meiner Wissbegierde genau dem nachzugehen und meine eigene Frustrationstoleranz dabei immer wieder zu trainieren. Aufgrund der vielen kleinen Arbeitsprozesse wird es mir nie langweilig und ich kann in unterschiedlichen Bereichen (siehe unten) meine Fähig- und Fertigkeiten weiter ausbauen – das ist sehr reizvoll für mich. Das menschliche Gehirn ist für mich ein unfassbar ästhetisches, vulnerables und faszinierendes Organ und ich bin dankbar, dass ich mich damit so intensiv auseinandersetzen darf.
Erzähle uns was über deine Arbeit!
Thematisch fokussiere ich mich auf das noradrenerge System des Locus-Coeruleus (LC) unter Verwendung einer nicht-invasiven transkutanen Vagusnerv-Stimulation (taVNS). Der LC ist ein kleiner und sehr bedeutsamer Kern im Hirnstamm, der Noradrenalin enthält und damit u.a. beim gesunden und pathologischen Altern eine wichtige Rolle spielt. Die tAVNS ist eine nicht-invasive Stimulationsmethode des Vagusnervs, die in der Ohrmuschel appliziert wird und stellt eine Behandlungsalternative für z.B. Depression oder Adipositas dar.
Methodisch setze ich mich mit den Mechanismen und der potentiellen Wirkungsweise der taVNS auseinander. Denn es gibt nur wenige Humanstudien, die die Auswirkungen von taVNS auf das LC-NE-System untersuchen, und bisherige Studien, die die Fähigkeit von taVNS zur Beeinflussung des LC untersuchten, lieferten heterogene Ergebnisse. Deshalb etablierte ich ein Set-up, das eine individuelle Einstellung von Stimulationsparametern (z.B. unterschiedliche Intensitäten) und eine zeitsynchrone Stimulation, während eine experimentelle Aufgabe bearbeitet wird, ermöglicht. Somit kann ich systematischer potentielle Effekte einer tAVNS gegeben bestimmter Stimulationsparameter untersuchen, und zwar auch während funktioneller Bildgebung (fMRT). Bei der Aufnahme und Analyse von strukturellen und funktionellen MRT-Bildern des Locus-Coeruleus, bedarf es sehr präzise und standardisierte Methoden (z.B. Testen verschiedener EPIs (schnelle Messsequenz in der fMRT) für optimale Bildqualität des LCs) und Nachbearbeitungsverfahren, an denen ich mit meiner Arbeitsgruppe arbeiten darf.
Projekt-Entwicklung/Management/Planung. Organisation. Stakeholders. Führung. Kooperationen. Supervision. Innovation. Kommunikation. Rekrutierung. Programmieren. Analysieren. Schreiben. Vorträge. Konferenzen. All das begegnet mir in meiner täglichen Arbeit – sei es beim Schreiben von Ethikanträgen für neue Studien, dem Programmieren von Experimenten, Auswerten von Daten, Publizieren oder Rekrutierung und Einarbeitung sowie Supervision von wissenschaftlichen Hilfskräften für die Forschungsprojekte. Ich bin zudem sehr dankbar internationale Konferenzen besuchen und meine Forschungsarbeiten mit Expert*innen diskutieren zu dürfen.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Meine Wahrnehmung von der Gesellschaft ist, dass sie sich mit dem eigenen und dem Wohlbefinden und der Lebensqualität anderer auseinandersetzt. Die körperliche und erfreulicherweise zunehmend auch die mentale Gesundheit werden im Hinblick auf Prävention von Krankheiten häufig diskutiert. Diesbezüglich gibt es auch bereits diverse Anwendung zur Stimulation des Vagusnervs, die praktiziert werden – aber sind die Effekte (z.B. Gefühl der Entspannung) wissenschaftlich tragbar? Es bedarf bei der Erforschung der potentiellen Effekte der taVNS gezielte und systematische Untersuchungen, damit wir als Wissenschaftler*innen nachweislich zeigen können, dass die tAVNS die Effekte erzielt, die wir erwarten würden, um es dann als Behandlungsalternative für bestimmte Erkrankungen einsetzen zu können.
Zudem erleben wir einen demographischen Wandel – und das Risiko an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken steigt. Dabei ist der kleine im Hirnstamm gelegene Kern, Locus Coeruleus (LC), früh von Proteinpathologien (die typisch sind für die Alzheimererkrankung) betroffen, sogar bevor typische Alzheimer Symptome gezeigt werden. Die Erforschung der Vulnerabilität des LCs ist deshalb sehr wichtig und damit einhergehend auch die Weiterentwicklung und Optimierung von Bildgebungsverfahren (z.B. MRT, PET) und Analysen, um die Struktur des LCs besser visualisieren zu können.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Seit meinen Kindheitstagen spiele ich Theater – das Schauspiel ist und bleibt meine innerste Leidenschaft. Ich schätze die Auseinandersetzung mit Stimme, Körper und Geist sehr; um Figuren, den schwarzen Buchstaben auf weißem Papier, Leben einzuhauchen. In spezialisierte ich mich im Fach „Darstellendes Spiel“, schrieb Theaterstücke und entwickelte diverse Rollenprofile. Es folgten daraufhin größere Film- und Fernsehproduktionen, sowie Theater- und Tanzproduktionen. Auch gegenwärtig nehme ich Projekte wahr, die sich zeitlich mit meiner Forschung kombinieren lassen, um mich weiter entwickeln zu können.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Rückwärts auf dem Laufband rennen. Contact Improvisation. Shiatsu.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)
Idealismus – vielleicht fügt sich ein „idealer freier“ Tag in dieses Bild, wenn jeder Tag von uns selbst mit etwas gefüllt werden kann, was unser Innerstes bewegt. Brauchen wir erst „frei“, um unseren Bedürfnissen nachkommen zu können? Eine Frage, die mich selbst dazu motiviert, all meine Sinne im Alltag in unterschiedlichen Bereichen lebendig zu halten.
Ich bin sehr gerne in der Natur und höre dem Rauschen zu oder der Stille hoch oben in den Bergen. Eine mich körperlich auspowernde sportliche Aktivität, einen leckeren Kaffee, gutes Essen, Musik und ein vertrautes Gespräch unter Freunden machen einen Tag für mich sehr wertvoll. Rein ins Theater und sowohl Stimm- als auch Körperarbeit verfeinern – das würde meinen Tag genussvoll abrunden.
… und manchmal ist der „ideale freie“ Tag genau jener, an dem sich nach einem langen Spaziergang wie aus dem Nichts eine Fehlermeldung beim Programmieren in Luft auflöst und das Skript reibungslos läuft.
Bitte begrüßt Mareike ganz herzlich auf dem Kanal!