Sunday, July 27, 2025

Das Potenzial psychedelischer Substanzen in der Psychiatrie! Adrian Kind ist jetzt bei Real Scientists DE!

Potraätfoto Adrian Kind

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Adrian Kind (@philpsy.bsky.social)! Adrian ist promovierter Philosoph mit einem Schwerpunkt in der Philosophie des Geistes und der Psychiatrie. Er studierte Psychologie (B.A., M.A.) und Philosophie (M.A.) in Berlin und wurde in einem Kooperationsprojekt der Universität Magdeburg und der Berlin School of Mind and Brain promoviert. Derzeit ist er Postdoktorand an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, wo er zu Themen der Philosophie der Psychiatrie arbeitet und empirisch an einem qualitativen Forschungsprojekt zur psychedelikagestützten Therapie in der Psychiatrie mitwirkt. Zudem befindet er sich in der Weiterbildung zum tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeuten und engagiert sich berufspolitisch in der Deutschen Gesellschaft für Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (DFT) sowie der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). Gelegentlich schreibt er in seinem Blog „3D-Chess: An ISTDP Blog“ über intensive psychodynamische Kurzzeittherapie.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich habe mich sehr früh in die Idee verliebt, viel zu lesen, nachzudenken und zu diskutieren. Als dieser Wunsch dann auf mein Interesse an dieser komplett verrückten Sache – dem menschlichen Geist – stieß, die mich bis heute nicht loslässt, war für mich klar, dass ich, solange man es mir erlaubt und es jemand als nützlich genug erachtet, versuchen möchte, mich damit zu befassen. Ich kann dabei nicht verschweigen, dass ich den Sprung aber nie versucht hätte ohne die Menschen auf dem weg die mich immer wieder ermutigt haben. Ich habe eine Legasthenie und komme aus einem nicht-akademischen Elternhaus. Nicht problemlos lesen und schreiben zu können und so wenig über das Akademische zu wissen, dass ich bis zum Studienbeginn nicht wusste, dass nicht jeder, der einen Dr.-Titel trägt, auch Arzt ist – das macht es nicht leichter an der Uni. Ohne gewisse LehrerInnen und ProfessorInnen hätte ich mir das selbst wohl nicht zugetraut – bzw. hätte ich auf diejenigen Profs gehört, die mich als „bildungsfern“ und „zu faul, um ordentlich zu schreiben“ bezeichnet haben. 


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Was ist eigentlich mein Feld? Ich habe mit einem Psychologiestudium begonnen und dabei schnell gemerkt, dass mich vor allem die theoretischen Fragen interessieren. Diese Neigung, zusammen mit einem bereits bestehenden Interesse an Philosophie, hat mich schließlich in die Philosophie geführt. Allerdings nicht mehr zu Hegel und Adorno, mit denen mein philosophisches Interesse ursprünglich begann, sondern zur analytischen Philosophie des Geistes.

Das Philosophiestudium hat mich sehr fasziniert. Mit Beginn der Promotion habe ich dann gemerkt, dass manche Fragen, die mich zunehmend beschäftigen, wieder an der Grenze zur empirischen Forschung liegen. Deshalb bin ich inzwischen auch wieder stärker in diesen Bereich involviert.

Immer wieder bleibe ich an bestimmten Aspekten rund um den menschlichen Geist „hängen“. Manchmal deshalb, weil sie – wenn man lange über sie nachdenkt – auf eine eigentümliche Weise mysteriös erscheinen, obwohl sie uns zunächst ganz selbstverständlich vorkommen. Manchmal aber auch, weil ich das Gefühl habe, dass etwas unnötig kompliziert dargestellt wird und ich mich frage, ob man es nicht klarer und einfacher fassen kann.

Je nachdem, welcher Aspekt mich gerade beschäftigt, glaube ich, dass unterschiedliche Zugänge hilfreich sein können: eine genauere phänomenologische Erfassung (etwa durch qualitative Forschung), eine experimentelle Überprüfung theoretischer Annahmen (quantitative Forschung), oder eine philosophische Erschließung, also eine präzise, oft alltagsnahe Analyse und die Entwicklung eines theoretischen Modells. All diese Wege können helfen, Aspekte des menschlichen Geistes, Handelns – und auch des sozialen Handelns – besser zu verstehen.

Für mich gehören die Fragen, die der menschliche Geist aufwirft, zur gleichen Größenordnung wie Fragen nach dem Leben, nach Gott oder nach dem berühmten „Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Ich arbeite derzeit an der Charité – Universitätsmedizin Berlin in einem philosophisch-empirischen Forschungsprojekt, das gemeinsam mit der National Yang Ming Chiao Tung University in Taiwan durchgeführt wird. Unsere Projekt-Website ist psytrans.com. Wir interessieren uns für das Potenzial psychedelischer Substanzen, die Persönlichkeit und Weltsicht von Menschen zu verändern – sowohl im medizinischen als auch im nicht-medizinischen Kontext. Besonders interessiert uns dabei ein kulturvergleichender Zugang: Wie unterscheiden sich die Erwartungen und Erfahrungen von PatientInnen und NutzerInnen in Taiwan und Deutschland? 

Im Projekt führe ich einerseits qualitative Interviews mit Patient*innen, transkribiere und kodiere diese Daten. Andererseits arbeite ich an philosophischen Publikationen rund um Themen wie persönliche Transformation, Psychotherapie und Einsicht, Emotionserleben und andere Fragestellungen, die mit unseren empirischen Daten und theoretischen Überlegungen verknüpft sind. Zu meinen Aufgaben gehört außerdem die Betreuung von fünf Studierenden, die im Rahmen des Projekts Daten erheben und analysieren – etwa für ihre Abschlussarbeiten oder Promotionen. Ansonsten tue ich, was viele befristet beschäftigte Early-Career-Wissenschaftler*innen tun: Ich versuche, Drittmittel für Anschlussprojekte einzuwerben, und organisiere wissenschaftliche Veranstaltungen und Konferenzen. Im vergangenen Jahr war ich zudem als Open-Access-Botschafter für die Berlin University Alliance tätig – eine besonders spannende und bereichernde Aufgabe. Wer über meine Arbeit auf dem Laufenden bleiben möchte, kann auch meine persönliche Website besuchen: adriankind.de


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Ich glaube, dass Fragen rund um den menschlichen Geist uns alle betreffen. Zurzeit arbeite ich zum Beispiel an einem Artikel über gemischte Gefühle: Was heißt es eigentlich, wenn wir sagen, wir hassen und lieben etwas zugleich? Ist das nur eine verwirrende Redensart – oder erleben wir tatsächlich beides gleichzeitig in Bezug auf dieselbe Sache? Und wenn ja, wie lässt sich das überhaupt denken, wo es doch auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint?
Solche Fragen sind typisch für die Philosophie des Geistes. Ich denke, meine Arbeit kann helfen, etwas besser zu verstehen, das uns selbst oder andere betrifft.

Meine Arbeit in der Philosophie der Psychiatrie ist in diesem Zusammenhang besonders relevant. Statistisch gesehen hat wahrscheinlich jede Person, die diesen Text liest, entweder selbst schon einmal unter einer psychischen Erkrankung gelitten oder kennt eine enge Freundin oder einen engen Freund, auf den das zutrifft. Meine Forschung zielt darauf, besser zu verstehen, was psychische Erkrankungen sind – und was im Rahmen ihrer Behandlung geschieht.

Das kann ganz praktische Bedeutung haben: Ich habe zum Beispiel mehrere Jahre daran gearbeitet zu verstehen, wie Psychiater*innen zu ihren Diagnosen kommen. Wie funktioniert diagnostisches Schlussfolgern eigentlich? Für Betroffene und deren Angehörige ist das keine bloß theoretische Frage, sondern eine, die ganz konkret betrifft, wie mit ihnen umgegangen wird und wie ihre Erfahrungen eingeordnet werden.

Natürlich richtet sich meine Arbeit auch an ein Fachpublikum – also an PhilosophInnen, PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen, die sich beruflich mit dem menschlichen Geist und seinen Abweichungen von typischen Zuständen befassen. Aber ich bin überzeugt, dass es auch für interessierte Laien lohnend sein kann, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Denn letztlich geht es um etwas, das uns alle betrifft.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich arbeite als Psychotherapeut in Weiterbildung mit PatientInnen und engagiere mich berufspolitisch für eine bessere psychotherapeutische Versorgung.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Seit acht Jahren habe ich einen Hund. Ich würde ihn nicht als „Hobby“ bezeichnen, aber wir teilen einige gemeinsame Hobbys – die, wenig überraschend, viel mit „Stöckchen“ und Spaziergängen zu tun haben.

Außerdem mache ich gern und viel Sport. Laufen ist nicht so mein Ding – mich hat eher das sogenannte „Iron Game“, also das Hanteltraining gepackt. Dazu habe ich sogar ein wenig aus philosophischer Perspektive gearbeitet und zusammen mit SportwissenschaftlerInnen publiziert … (manchmal kann man eben doch nicht aus seiner Haut).


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Ich schlafe aus und trinke den ersten Kaffee im Bett. Dann lese ich Zeitung auf dem Balkon – beim zweiten Kaffee. Danach packe ich meinen Campingstuhl und einen Stapel Bücher, die ich noch nicht gelesen habe, und fahre an einen Waldsee. Dort verbringe ich den Tag mit Schwimmen und Lesen. Zwischendurch treffe ich FreundInnen, mit denen ich mich in den Lesepausen unterhalte. Am Abend grillen wir, sitzen am Lagerfeuer und sprechen über Dinge, die uns etwas bedeuten.



Bitte begrüßt Adrian ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, July 20, 2025

Wie Unterschiede zwischen Personen und Kulturen Entscheidungsprozesse beeinflussen! Rima-Maria Rahal ist jetzt bei Real Scientists DE!

Porträitfoto von Rima-Maria Rahal
Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Rima-Maria Rahal (‪@rimamrahal.bsky.social)! Rima-Maria promovierte an der Universität Leiden zu kognitiven Entscheidungsprozessen in sozialen und moralischen Dilemmata, die sie am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn erforschte. Nach Stationen in Frankfurt, Tilburg, Bonn und Heidelberg arbeitet sie nun an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie engagiert sich im Bereich Open Science, ist Alumna des Fellowship-Programms Freies Wissen und war Mitglied der Lenkungsgruppe des German Reproducibility Networks.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 

Bei dieser Frage habe ich gespickt und mir meine Antwort bei meinem Twitter-Takeover bei realsci.de vor 4 Jahren angeschaut. Da stand irgendwas mit “ich löse gern Rätsel” und das stimmt natürlich weiterhin. In den letzten 4 Jahren ist aber noch einiges passiert. Für meine aktuelle Antwort würde ich ergänzen: Meine Landung in der Wissenschaft hat auch mit Glück und Durchhaltevermögen zu tun, und mit starkem Rückhalt bei meiner Familie und Freunden. 

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort? 

Ich bin Psychologin und arbeite an interdisziplinären Themen an der Schnittstelle zu VWL/BWL, Recht und Soziologie. Dabei finde ich vor allem spannend, was „meine Methode”, also das Erforschen von Zusammenhängen durch Experimente, oft mit Prozessmaßen wie Eye-Tracking, sinnvoll beisteuern kann. So ergeben sich oft neue (Arten von) Fragestellungen. 

 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit! Ich forsche zu Entscheidungsprozessen. 

Mich interessiert, welche Informationen benutzt werden, um Entscheidungen vorzubereiten und was gerne mal ignoriert wird. Oft will ich auch wissen, ob jemandem eine Entscheidung schwerfällt, ob sie überlegt abläuft oder eher spontan und (zu) kurz gedacht. Dabei interessieren mich insbesondere Entscheidungen im normativen Kontext, bei denen es also irgendwie um richtig und falsch geht. Meine aktuelle Arbeit beschäftigt sich damit, wie Unterschiede zwischen Personen und Kulturen die Entscheidungsprozesse beeinflussen. 

 

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren? 

Entscheidungen stecken überall - manchmal fallen sie uns gar nicht auf und manchmal sind sie monumental wichtig. Besser zu verstehen, wie Entscheidungen ablaufen, bietet einen Ansatz für Interventionen, um die Entscheidungen an sich zu verbessern. Besser ist natürlich ein großes Wort und kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Dabei kann es um individuelle Verbesserungen gehen, oder um Implikationen für größere Zusammenhänge, wie wir als Gesellschaft besser zusammenleben können, oder wie Interaktionen über Gruppen und Nationen hinweg kooperativer gestalten können. 

 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten? 

Ich beschäftige mich gerade damit, wie Forschungsförderung und Drittmittelvergabe eigentlich funktioniert und was man da besser machen könnte.

 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest? 

Ich bin eine richtige Pflanzentante und hege im Garten und Indoor eine kleine (okay große) Anzahl an verschiedenen Pflanzen, von Tomaten bis zur seltenen Monstera.

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Ich schreibe die Antwort auf den Fragebogen gerade im Urlaub, die Frage passt also wie die Faust aufs Auge. Ideale freie Tage starten für mich mit einem leckeren Frühstück - hat da jemand Waffeln gesagt? Dann geht’s bei schönstem Sonnenschein raus, ob in den Garten, auf den Berg oder aufs Pferd. Abends dann müde aber irgendwie mit mehr Energie als vorher zur Erfrischung in ein kühles Gewässer. Sterne und Glühwürmchen gucken, das macht den Tag dann perfekt. 



Bitte begrüßt Rima ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, July 13, 2025

Die Evolution von Genfamilien - Katja Palitzsch ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf Katja Palitzsch. Katja (@cicindela.bsky.social) 49 Jahre alt und arbeitet zur Zeit als Doktorandin am Institut für Genetik der Universität zu Köln. Dass sie in diesem fortgeschrittenen Alter noch promoviert liegt  daran, dass dies schon ihr zweiter Berufsweg ist. Ursprünglich ist sie Gartenbau-Ingenieurin, war einige Zeit selbständig und freiberuflich tätig. Ihr Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten  liess sich nicht vertreiben, sondern wurde stärker und deswegen entschied sie sich mit Ende 30 nocheinmal für einen kompletten  Neustart. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen BSc. in in Biologie und  MSc. in Biological Sciences an der Uni Köln ergab sich die Möglichkeit zur Promotion ebenda, die sie nun in Kürze abschliessen wird. Ihr Forschungsthema ist die Erforschung der Evolution von Genfamilien.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Eigentlich wollte ich schon als Kind Biologin werden und forschen. Als Kind und Jugendliche hab ich mich sehr für Tiere und Pflanzen interessiert. Mein erstes Protokoll, in dem ich mit ungefähr 8 Jahren beschreibe, wie sich aus dem Froschlaich, den ich mit meinem Vater gesammelt hatte kleine Fröschen entwickeln, gibt es noch (Die Minifrösche haben wir später natürlich wieder an ihren Teich zurückgebracht ;-) ). Aus unterschiedlichen Gründen hab ich dann nicht Biologie, sondern "was Ähnliches" studiert, nämlich Gartenbau. Natürlich bin ich dort auch schon mit wissenschaftlichem Arbeiten in Berührung gekommen was mir auch gut gefallen hat. Ich habe dann aber erstmal einen anderen Weg eingeschlagen. So richtig glücklich bin ich damit aber nicht geworden. Der alte Wunsch arbeitete im Hinterkopf weiter. Mit meinem Abschluss als Dipl.-Ing(FH) hätte ich natürlich auch promovieren können, aber das Thema Gartenbau war mir zu eingeschränkt und so entschied ich mich, nocheinmal von Grund auf neu zu starten und meinen alten Wunsch in die Tat umzusetzen, - ich bewarb mich um einen Studienplatz in Biologie an der Uni Köln und, - hat das auch auf Anhieb funktioniert. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ziemlich bald nach Beginn meines Biologie-Studiums habe ich begonnen mir Jobs an der Uni zu suchen. So konnte ich das Lernen und die Studienfinanzierung miteinander verbinden. Dadurch landete ich nach einiger Zeit in der Arbeitsgruppe, in der ich heute promoviere. Meine Arbeitsgruppe ist eine Bioinformatik-Arbeitsgruppe und bestand damals zum grössten Teil aus Mathematiker*innen und Informatiker*innen. Allerdings gab es ein kleines Nasslabor, in dem für ein bestimmtes Projekt Antikörper getestet werden sollten. Das Labor war gerade im Aufbau und es wurde eine Person gesucht, die beim Aufbau hilft, Protokolle etabliert und die Antikörpertests durchführt. Das wurde dann ich. Natürlich wurde ich von einem Post Doc, der selbst auch Biologe ist, beaufsichtigt, aber ich durfte sehr selbständig arbeiten. Das Projekt war ein kleines Nebenprojekt mit nur geringem Budget und so lernte ich, wie man einen Grossteil der Reagenzien und Puffer, die in einem molekulargenetischen Labor gebraucht werden, selbst herstellt. Für Bioinformatik interessierte ich mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu sehr. Leider genügte keiner der getesteten Antikörper den Kriterien, die er hätte erfüllen müssen und so wurde mein "Start"-Projekt nicht weitergeführt. Ich aber blieb und es kamen neue Projekte, in die ich und mein Mini-Labor involviert wurden, und mit ihnen wuchs auch mein Interesse für die Bioinformatik. Was daraus geworden ist, davon erzähle ich in meiner @RealScientists-Woche.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ein Thema in unserer Arbeitsgruppe ist es, herauszufinden, au welche Weise Genome evolvieren und wie genau evolutionäre Anpassungsprozesse auf molekularer Ebene stattfinden. Dazu analysieren meine Kolleg*innen und ich Daten, die in ständig wachsenden Genomdatenbanken verfügbar sind. In einigen Fällen gibt es für die jeweiligen Zwecke aber noch keine Daten und dann ist es notwendig, diese Daten selbst zu erzeugen, z.B. durch die Sequenzierung von Genomen. Dafür muss DNA aus den vorhandenen Geweben extrahiert und für die Sequenzierung aufbereitet werden. Daher gehört neben der Datenanalyse auch die Laborarbeit zu meinen Aufgaben. Sind die Daten dann vorhanden, kommen verschiedene bioinformatische Werkzeuge zum Einsatz, um den Sequenzen aus Buchstaben ihre Geheimnisse zu entlocken. In meiner Arbeit der letzten Jahre habe ich mich mit drei Genfamilien beschäftigt. Zuerst hab ich mir eine kleinen Familie von Transkriptionsfaktoren in Vögeln angeschaut. Die Proteine, für die diese Gene codieren, schalten die Aktivität andere Gene, vereinfacht gesagt, an oder aus. Parallel dazu kam eine Immungen-Familie in wilden Zebrafischen dazu. Für mein aktuelles und grösstes Teilprojekt habe ich die riesige Familie der Geruchsrezeptoren in Käfern ins Visir genommen. Die Käferart mit der ich mich hier beschäftige ist eine Schwarzkäferart, die in der Namib-Wüste beheimatet ist. Das Spannende an Genfamilien ist, dass man an ihnen ganz besonders gut Anpassungsprozesse nachvollziehen kann. Das gilt insbesondere für solche, die unmittelbar in die Interaktion mit Umweltreizen involviert sind, wie die Immungene und die Geruchsrezeptoren.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Anpassungsprozesse auf molekularer Ebene zu verstehen, ist gerade in Zeiten des Klimawandels, in denen sich Umweltbedingungen sehr schnell und sehr radikal verändern von grosser Bedeutung.
Je besser wir verstehen, welche Anpassungsmechanismen es gibt und wie 
sie im Hintergrund des molekularen Maschinenraumes verdrahtet sind, umso mehr Informationen stehen z.B. für Vorhersagen, Modellrechnungen und Simulationen zur Verfügung. Mit unserer Forschung tragen wir dazu bei den Wissensschatz zu vergrössern, auf dessen Grundlage Strategien zur Bewältigung der bestehenden und noch kommenden Herausforderungen entwickelt werden können.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich habe leider viel zu wenig Zeit für zusätzliche Tätigkeiten.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich mache seit über 20 Jahren Aikido. Überhaupt ist Sport für mein körperliches und geistiges Wohlbefinden sehr wichtig.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? 
Eine Version des idealen freien Tages startet morgens mit dem ersten Tee und einem guten Buch im Bett. Es gibt keinerlei Verpflichtungen. Ich kann mich treiben lassen, malen, nähen, dabei Podcasts hören, - je nach Lust und Laune.
Bitte begrüßt Katja ganz herzlich auf dem Kanal!

 

Monday, July 7, 2025

Fankultur erforschen - Christina Wurst ist jetzt bei Real Scientists DE!

Bitte begrüßt unsere neue Kuratorin Christina Wurst! Christina (@christinawurst.bsky.social) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Tübingenam Lehrstuhl für Berufliche und Betriebliche Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Lehrkräfte-Fortbildungs-Forschung.Außerdem ist sie Lehrerin für Englisch und Biologie. In ihrer kulturwissenschaftlichen Dissertation hat sie sich mit Fan-Konflikten auf sozialen Medien befasst und wie diese radikale Ideologien verbreiten können.


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 

Mir hat mein Lehramts-Studium (damals ja noch Staatsexamen) Biologie/Englisch so viel Spaß gemacht, dass ich noch einen M.A. in Amerikanistik dran gehängt habe. Dann fand ich es sehr schade, dass der Weg dort zu Ende sein sollte und habe mich entschlossen zu promovieren, um weiter zu spannenden Themen dazulernen zu dürfen.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden und/oder was hält dich da?

Bei mir muss man etwas unterscheiden zwischen meiner Promotionsforschung und meiner beruflichen Forschung, das sind nämlich (etwas ungewöhnlicherweise) 2 Paar Schuhe: Ich war nicht auf einer Promotionsstelle sondern einer (thematisch unabhängigen) Projekt-Stelle während meiner Promotion angestellt.

Für meine Promotion in der amerikanischen Kulturwissenschaft habe ich mich mit Fankulturen beschäftigt – dafür hat mich natürlich zu großen Teilen meine eigene Vergangenheit in Fankulturen inspiriert. In diesem Feld bin ich jetzt aber nicht mehr tätig.

Für das Feld meiner berufliche Forschung habe ich mich gar nicht aktiv entschieden, es war mehr eine Fügung glücklicher Zufälle: Meine erste Projektstelle war ausgeschrieben und dringend zu besetzen, als ich gerade auf Jobsuche war, und es hat thematisch einfach gut gepasst, als Lehrerin in die Lehrkräfte-Forschung zu gehen.

Was mich hier hält ist zum einen das sehr abwechslungsreiche Tätigkeitsfeld, zum anderen aber auch der Wunsch, aktiv einen (kleinen) Beitrag zur Verbesserung der Bildungslandschaft leisten zu können.


Erzähl uns etwas über deine Arbeit!

Fangen wir mal zunächst mit meiner Promotions-Forschung an:

Hierfür habe ich mich 6 Jahre lang durch Social Media-Posts (Twitter/X, YouTube, Tumblr) gekämpft und eine „Diskurs-Analyse ideologischer Konflikte im Anti-Fan Aktivismus anhand einer Star Wars-Fallstudie“ durchgeführt. Klingt kompliziert — hat sich aber letztendlich um so Fragen gedreht wie: Wer redet auf Social Media darüber, dass Star Wars sich ändern muss, weil es einem nicht gefällt? Wie reden die Menschen darüber und wie versuchen sie dadurch auch politisch Einfluss auf andere zu nehmen? Welche politischen Kontexte verschärfen solche Diskurse oder werden durch diese verschärft?

In a nutshell kann man unter anderem festhalten: In den letzten Jahren wurde es zunehmend normalisiert, sich auch als professionelle politische Figur anti-fan aktivistisch zu äußern, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Außerdem pflegen viele populäre Anti-Fans einen rechts-populistischen Stil, der versucht, ein reaktionäres Weltbild zu normalisieren.

Zu meiner Berufsforschung:

Begonnen habe ich mit der Entwicklung, Implementierung und Evaluation einer Fortbildung zum lernwirksamen Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Eine Haupt-Frage war: Wie könnte eine effektive Fortbildung aussehen, in der sich die Teilnehmenden weder nur seicht berieseln lassen, noch genervt von „zu theoretischen“ Inhalten sind?

Aktuell beschäftigt uns die Frage, welche Rolle dabei Video-Vignetten spielen können. Bald kommt auch noch das Aufgabenfeld dazu, wie die effektive Implementation von KI im Bildungssystem gelingen kann.


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für eure Forschung/Arbeit interessieren?

Also für Fankulturen und auch spezifisch Anti-Fan Aktivismus sollte man sich interessieren, weil sie mittlerweile einen großen Einfluss auf die Mainstream-Kultur haben – man schaue sich nur mal an, wie Donald Trump sich letztens mit Lichtschwert auf X als „savior of the galaxy“ inszenierte.Aktuelle politische Diskurse, insbesondere in den USA – aber natürlich schwappen deren „Kulturkrieg“-Debatten auch zu uns rüber –, sind mittlerweile so stark mit intertextuellen Bezügen auf Pop- und Fankultur verflochten, dass vieles keinen Sinn macht, wenn man sich nicht auch mit den Subkulturen befasst, in denen viele Argumente wie „Wokeness zerstört Hollywood“ ihren Anfang nahmen.

Für Forschung dazu, wie man Lehrkräfte zielführend zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht befähigen kann, braucht es glaube ich gar keine große Begründung: Nur gut weitergebildete Lehrkräfte, die guten Unterricht (mit Hilfe aller ihnen zur Verfügung stehenden, auch digitalen, Mitteln) machen, können Kinder auf die (zu großem Teil von digitalen Themen geprägte) Zukunft vorbereiten.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich habe immer wieder interessante zusätzliche Tätigkeiten – zum einen oft als Workshop-Referentin, wo ich mit Erwachsenen und Kindern ebenso zu digitalen Tools wie Twine bis zu wichtigen Themen der „digitalen Welt“ wie Fake News arbeite. Zwischendurch habe ich auch eLearning-Materialien entwickelt, die man u.a. von den digitalen Lernwelten über die Eduspaces erwerben kann und interviewe für die DiLeWe auch interessante Gäste aus dem Bereich der Biologie-Didaktik.

Nebenbei bin ich auch an der Goethe-Universität Frankfurt seit Jahren Lehrbeauftragte und arbeite mit Studierenden daran, wie man Fankulturen ins Klassenzimmer bringen kann.

Aktuell nimmt den größten Teil meiner Zeit neben der Forschung ein, dass ich wieder mit geringem Deputat an einerSchule tätig bin. Das ist zwar stressig, aber auch sehr schön, weil man einfach nochmal einen ganz anderen Blick auf die Forschung bekommt, aber auch nochmal mehr vor Augen hat, was einen anspornt: die Schule, die Kolleg*innen, die Schüler*innen. Für all die ist es wichtig, dass was in Fortbildungen geschieht, effektiv ist und, dass wir wissen, was Fortbildungen, die nachhaltig die Berufspraxis (zum hoffentlich Positiven) verändern, ausmacht.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich male und fotografiere gerne (Wer meinen Social Media-Accounts folgt, bleibt davon auch nicht verschont). Ansonsten waren meine große Leidenschaft eigentlich die Pferde. Das Thema musste aber während der Promotion hinten an stehen, da mir einfach nicht mehr genug Zeit neben der Arbeit und Forschung blieb. Pferdetraining spielte aber sicherlich eine große Rolle dabei, meine Begeisterung für das Forschungsfeld der Pädagogik zu wecken, da ich schon früh anfing, alles mögliche über Trainingspsychologie zu lesen – was letztlich in vielen Bereichen auch nicht viel anderes ist als Lernpsychologie. Modernes Training basiert bei Weitem nicht mehr nur auf operanter Konditionierung. Am meisten geprägt haben mich und mein Training sicherlich Blog-Beiträge zur Self Determination Theory von Deci & Ryan. Es ist beeindruckend, was man erreichen kann, wenn man sich einfach nur fragt: Wie kann ich meinem Lernenden das Gefühl geben, kompetent zu sein und freie Entscheidungen treffen zu dürfen, obwohl man selbst eigentlich ein bestimmtes Lernziel vor Augen hat und die Fäden im Hintergrund zieht?


Wie sieht für dich ein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Hoffentlich bald wieder: Auf dem Pferderücken (oder zu Fuß daneben) durch die Natur streifen. Aber aktuell genieße ich auch Fotografie-Ausflüge mit meiner besseren Hälfte. Im Moment jagen wir vor allem Orchideen.


Bitte begrüßt Christina ganz herzlich auf dem Kanal!