Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Julia Ditzer (@juliaditzer.bsky.social)! Julia ist Doktorandin in Klinischer Kinder- und Jugendpsychologie an der TU Dresden. Sie erforscht, wie frühe Lebenserfahrungen – insbesondere Misshandlung, Vernachlässigung oder Trennung von Bezugspersonen – die Entwicklung des Darm-Hirn-Systems beeinflussen. Ihr Promotionsprojekt ist international ausgerichtet, und sie arbeitet sowohl mit Prof. Dr. Anna-Lena Zietlow in Dresden als auch mit Prof. Dr. Bridget Callaghan an der UCLA zusammen.
Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Rolle des Darmmikrobioms für die interozeptive Wahrnehmung – also darauf, wie wir innere Körpersignale spüren und interpretieren. Da interozeptive Prozesse eine Schlüsselrolle für Emotionen, Stressverarbeitung und psychische Gesundheit spielen, bietet ihre Forschung neue Einblicke in die langfristigen Auswirkungen früher Belastungen. Ziel ist es, biologische Mechanismen zu identifizieren, die psychische Gesundheit nach belastenden Kindheitserfahrungen beeinflussen, um langfristig bessere Interventionsmöglichkeiten zu entwickeln.
Julia Ditzer studierte Psychologie (B.Sc. und M.Sc.) in den USA und Deutschland. Ihren Masterabschluss machte sie an der Universität Leipzig. Während ihres Studiums sammelte sie umfangreiche Forschungserfahrung in den Bereichen Entwicklungspsychologie, Neurobiologie von Stress und interozeptive Prozesse. Sie absolvierte Forschungsaufenthalte an der UCLA, Stanford University und Yale University und ist in mehreren internationalen Forschungsnetzwerken aktiv. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit engagiert sie sich in Mentoring-Programmen und Initiativen für Frauen, Erstakademiker:innen und Studierende mit Migrationshintergrund.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
An meinem ersten Tag an der MLU Halle hatte ich ein Gespräch mit Dr. Kay Brauer, der damals selbst promoviert hat und Dozent für eins meiner belegten Seminare war. In diesem Gespräch hat Kay mit mir ganz selbstverständlich über das Leben in der Wissenschaft gesprochen als wäre offensichtlich, dass ich das ja auch anstrebe. Irgendwie war für mich ab diesem Gespräch klar: Ich werde auch promovieren und in die Wissenschaft gehen. Die restliche Studienzeit (immerhin 5,5 Jahre) habe ich eigentlich nur darauf gewartet, dass ich endlich mit der Promotion starten darf.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich habe mich schon sehr lange für Psychotraumatologie interessiert. Auf das Thema Kindesmisshandlung bin ich dann während eines Praktikums in der Kinderpsychiatrie gekommen. Fast alle, wenn nicht sogar alle, Kinder, mit denen ich dort gearbeitet habe, hatten Misshandlung und/oder Vernachlässigung in ihrem Leben erlebt. Das war für mich sehr eindrücklich.
Zur gleichen Zeit bin ich auf eine Ausschreibung von Dr. Anat Talmon an der Stanford University gestoßen, die zu den Folgen von Kindesmisshandlung forschte und ihr Team verstärken wollte. Ich habe mich beworben – und der Rest ist Geschichte. 😊 Seitdem lässt mich das Thema nicht mehr los.
Erzähle uns etwas über
deine Arbeit!
Ich forsche
dazu, wie frühe Belastungen – etwa Misshandlung oder Vernachlässigung – die
Entwicklung von Interozeption und die Darm-Hirn-Achse beeinflussen. Da
Interozeption zentral für Emotionen und psychische Gesundheit ist, möchte ich
verstehen, welche biologischen Mechanismen hier eine Rolle spielen.
Neben meiner inhaltlichen Leidenschaft für das Thema liebe ich es, Meta-Analysen
durchzuführen. Leider haben sie den Ruf nicht besonders viel Spaß zu machen.
Viele finden sie trocken – für mich sind sie das Gegenteil! Ich mag sie
wirklich sehr. In meiner Promotion kombiniere ich deshalb Meta-Analysen mit
experimentellen Methoden, um ein umfassenderes Bild der langfristigen Folgen
früher Belastungen zu gewinnen.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Etwa jedes dritte Kind erlebt Misshandlung oder Vernachlässigung – mit gravierenden Folgen. Die Hälfte aller psychischen Erkrankungen lässt sich darauf zurückführen und auch viele körperliche Erkrankungen werden dadurch begünstigt. Trotzdem wird in unserer Gesellschaft erstaunlich wenig über dieses Thema gesprochen. Es fehlt an Aufmerksamkeit, Prävention und vor allem an adäquater Hilfe für betroffene Kinder.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich engagiere ich mich in verschiedenen Organisationen (z.B. International Society for Developmental Psychobiology, Society for Psychophysiological Research) und Mentoring-Programmen (z.B. ApplicAid, Senkrechtstarter, Legmon) für Bildungsgerechtigkeit und bessere Bedingungen für Minderheiten im akademischen Betrieb.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich mache gerne (wenn auch noch eher als Anfängerin) Kampfsport: Besonders Muay Thai und Kickboxen. Davon abgesehen liebe ich alles, was mit Wasser zutun hat. Meine Bucket List besteht fast ausschließlich aus verschiedenen Wal- und Haiarten, die ich gern mal ganz aus der Nähe sehen und mit ihnen schwimmen möchte.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
An meinem idealen freien Tag gehe ich morgens zu meinem Lieblingskurs in meinem Fitnessstudio, der eher einer großen, lauten Party ähnelt. Danach Brunch mit Freunden und unseren Kindern in einem der vielen großartigen Cafés in Leipzig. Und dann sitzen wir einfach nur stundenlang rum und reden über das Leben. Es gibt guten Kuchen und Iced Chai Latte.
Bitte begrüßt Julia ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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