Sunday, October 20, 2024

Erinnerungskultur erforschen - Christine Gundermann ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unsere neue Kuratorin Christine Gundermann! Christine (@cgpublichistory.bsky.social) studierte Geschichte, Ethik und Philosophie an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg und der Erasmus-Universiteit Rotterdam. Sie hat ihre Dissertation zu deutsch-niederländischen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg verfasst und wurde 2014 an der Freien Universität Berlin promoviert. Dort hat sie auch mitgewirkt an der Implementierung des ersten Masterstudiengangs für Public History. Seit 2014 ist sie an der Universität zu Köln tätig, zunächst als Juniorprofessorin, seit 2022 als ordentliche Professorin für Public History und leitet dort den Master Public History. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der historischen Comicforschung, zeitgeschichtlichen westeuropäischen Erinnerungskulturen und digitaler Public History.




Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe eigentlich auf Lehramt (Geschichte/Ethik) am Gymnasium studiert. Nach dem 1. Staatsexamen hat mich ein Professor angesprochen, ob ich nicht über eine Promotion nachdenken möchte. Als Studierende der ersten Generation war das für mich damals ein sehr großer Schritt. Ich habe mich mit einem Exposé auf die Stelle einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin beworben und habe diese bekommen. Während meiner Jahre dort haben wir unter Paul Nolte von der FU Berlin und in Kooperation mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF, Martin Sabrow) den ersten Masterstudiengang für Public History entwickelt, den ich dann koordiniert habe und auch teileweise schon mitunterrichten konnte. Meinen eigentlichen Weg in die Wissenschaft hat dann die ausgeschriebene Junior-Professur für Public History in Köln geebnet, die tatsächlich direkt zum Abschluss meiner Dissertation als Option erschien. Mit der Professur habe ich mich gegen eine (immer noch optionale) Lehramtskarriere entschieden und für den Aufbau dieser neuen Teildisziplin der Geschichte.

Erzähle uns was über deine Arbeit!
Meine Arbeit besteht aus (mind.) vier Teilen: der akademischen Lehre (im aktuellen Wintersemester sind das 6 Lehrveranstaltungen), der universitären Verwaltung (dazu gehören Gremien, die wir benötigen, das Institut selbstbestimmt zu verwalten, aber eben auch durchaus zeitintensive Prozesse wie Berufungskommissionen), ein klein wenig Forschungszeit (zum Schreiben komme ich immer zu wenig) und der aktiven Netzwerkarbeit. Public History auch (und ich denke insbesondere) als Forschungsdisziplin lebt davon, überepochal und auch transdisziplinär arbeiten zu können. Dafür braucht es viel Kommunikation und Testräume innerhalb unserer wissenschaftlichen Communities und gerade weil wir hier ein ganz neues Wissenschaftsfeld aufbauen, nimmt das in den ersten Jahren meiner Professur sehr viel Zeit und Raum ein. Mehr dazu berichte ich dann natürlich während der Woche.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Geschichte ist überall. Sie ist immer präsent. Und wie diese Geschichte von wem mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck kommuniziert wird, ist gesellschaftlich höchst relevant – denn das bestimmt, wie z.B. aktuelle Kriege und Krisen wahrgenommen werden und welche Deutungen dominant/populär in der Gesellschaft verankert sind oder werden können. Unsere Forschung soll (als gesellschaftlicher Beitrag) letztlich dazu die Menschen in die Lage versetzen, sich reflektiert mit diesen Kommunikationsangeboten auseinanderzusetzen. Damit kann sie auch populistische Geschichtsnarrative offen legen und helfen zu verstehen, warum z.B. manche Formen von Geschichte sich so gut verkaufen. 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Mein wichtigstes externes Amt ist aktuell das der Vorsitzenden der AG Angewandte Geschichte I Public History im VHD (der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands). Das ist der nationale Verband, für alle, die sich als Public Historians wahrnehmen und wir freuen uns immer über Interesse und Engagement! Meine Aufgabe ist es hier gemeinsam mit einem Steuerungskomitee Ideen aus dem Verband aufzunehmen und umzusetzen – das kann in Form von Workshops und Konferenzen geschehen, als dauerhaftes Netzwerk, das z.B. die universitären Lehrstandorte vernetzt oder aber z.B. ethische Fragen im Verband diskutiert. 
Darüber hinaus berate ich in wissenschaftlichen Beiräten die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn, die NS-Dokumentation IP Vogelsang und habe auch bei der Errichtung der kritischen Ausstellung in der Garnisonkirche Potsdam mitberaten. Bis vor wenigen Wochen war ich zudem im Vorstand der KGD, der Konferenz für Geschichtsdidaktik tätig. Im internationalen Dachverband der Public History, der IFPH (International Federation for Public History) bin ich ebenfalls in einigen Gremien tätig. 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Für Hobbies bleibt leider gerade nur sehr wenig Zeit. Ich laufe/jogge sehr gerne als körperlichen Ausgleich für die langen Schreibtischstunden. Und in langen und späten Pendelstunden im Zug greife ich mittlerweile immer mal zu Stricknadeln und einem Hörbuch.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus? (Forschende sind ja auch nur Menschen)
Freie Tage sind eigentlich Familientage. Als Pendlerin – und das kennen sicherlich viele, die das auch betrifft – zerreißt man sich ja doch immer wieder zwischen Arbeit und Familie. Deswegen sind freie Stunden eigentlich erst einmal immer für die Familie und vor allem für unsere beiden Kinder reserviert: So auch die Wochenenden: die teilen sich meist zwischen den zwei Hobbies unserer Kinder (Leichtathletik/ Chor). Und wenn wir dann mal tatsächlich Zeit haben, sind wir sehr gerne mit Freunden in der Natur (das Elbsandsteingebirge, Erzgebirge und die Lausitz laden immer auch für kleine Touren ein) und dann ist da noch unsere Familie und Freunde in anderen Bundesländern, die auch gerne besucht werden. 

Bitte begrüßt Christine ganz herzlich auf dem Kanal!


Sunday, October 13, 2024

Alltägliches Sprechen zwischen "Standard" und Dialekt! Timo Schürmann ist jetzt bei Real Scientists DE!

 

Timo Schürmann im Café

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Timo Schürmann (@timoschuer.bsky.social)! Timo ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Helmut Spiekermann an der Universität Münster und wissenschaftlicher Referent bei der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe. Seine Forschungsschwerpunkte sind Variationslinguistik, Dialektologie, interaktionale Linguistik und kognitive Linguistik. Er interessiert sich besonders dafür, wie wir in Gesprächen regionale Formen verwenden und welche Ordnung dahintersteckt. Bei seiner Tätigkeit bei der Kommission für Mundart- und Namenforschung betreuet er mit seiner Kollegin vom Landschaftsverband Rheinland die PALAVA-App, mit der sie versuchen mehr über die regionale Umgangssprache in Nordrhein-Westfalen zu erfahren.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich bin über den klassischen Weg in der Wissenschaft gelandet. Ich war studentische Hilfskraft bei meinem jetzigen Chef. 2018 wurde dann eine Mitarbeiterstelle frei und ich habe mich beworben und die Stelle bekommen. Vorher habe ich immer davon geträumt, mich Wissenschaftler nennen zu können und meinen Alltag damit zu bestreiten, meiner Neugier nachzugehen. Das ist bis heute so. Anfang diesen Jahres kam dann eine Stelle bei der oben genannten außeruniversitären Forschungsstelle dazu, bei der neben Forschung auch das "Zurückspielen" in die Gesellschaft eine größere Rolle spielt.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Wie sehr viele in meinem Umfeld habe ich eigentlich Germanistik studiert, weil ich Literatur mochte und viel über Literatur sprechen wollte. Im Laufe meines Studiums habe ich dann gemerkt, dass mir die empirische Arbeit mit Sprachdaten viel Freude bereitet und ich habe mich mehr auf die Sprachwissenschaft gestürzt. Durch meine Herkunft aus dem Norden Deutschlands kam ich dann recht bald beim Lehrstuhl für Niederdeutsch unter und hatte dann die Möglichkeit die Sprache meiner Heimatregion näher zu betrachten.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Zum einen arbeite und promoviere ich an der Uni Münster. Dort zählt neben Mitarbeit bei der Selbstorganisation der Universität (wie es immer so schön heißt) die Lehre und damit v.a. die Ausbildung künftiger Lehrer*innen zu meinen Aufgaben. In meiner Forschung beschäftige ich mich vor allem damit wie wir in unserem alltäglichen Sprechen zwischen "Standard" und Dialekt variieren, welche grammatischen Organisationsprinzipien dahinterstecken und welche Funktion dies erfüllt. Bei meiner Stelle bei der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens betreue ich aktuell hauptsächlich die PALAVA-App. Mithilfe dieser App versuchen wir, mehr über die regionale Umgangssprache in NRW zu lernen. Diese Stelle beinhaltet neben Forschung immer auch einen großen Anteil von Kommunikation dieser Forschung. Bei beiden Stellen arbeite ich viel daran Daten und die Analyse von Daten mithilfe von Web-Anwendungen niedrigschwellig zugänglich zu machen.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Die Regionalität von Sprache ist immer nah an der Identität von Menschen und neben vielen positiven Emotionen auch immer mit vielen Mythen und manchmal mit Stereotypen behaftet. Diese näher zu beleuchten, ist nicht nur spannend, sondern kann auch helfen Stigmatisierungen abzubauen.

 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
/

 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Neben der Arbeit lese ich, koche gern und treibe Sport (v.a. laufen). Inwiefern die nun interessant ist, weiß ich auch nicht.

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Ausgeschlafen auf dem Balkon Frühstücken und dann den Tag mit Lesen oder kleinen Projekten in der Wohnung verbringen (wie ich sagen würde: Tüdeln) und abends mit meiner Partnerin gemeinsam kochen und lecker essen.


Bitte begrüßt Timo ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, October 6, 2024

Wie die Berufsidentität von Landwirten deren Entscheidungen beeinflusst! Moritz Fritschle ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Moritz Fritschle (@moritzfritschle.bsky.social)! Moritz hat an der Philipps Universität Marburg Economics studiert. Seit Oktober 2021 ist er an der Universität Osnabrück als Research Assistant angestellt. Als Teil der AG Umweltökonomie arbeitet er dort an seiner Promotion. Von Januar bis Mai 2023 war er als Guest Researcher am James Hutton Institut in Dundee (Schottland). Das Hauptthema seiner Forschung ist, wie die Berufsidentität von Landwirten ihre Entscheidungen beeinflusst.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich habe während meines Studiums in Volkswirtschaftslehre an der Philipps-Universität Marburg als Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Umweltökonomie gearbeitet und dort an Forschungsprojekten mitarbeiten dürfen. Auch meine Masterarbeit habe ich im Bereich Umwelt und Verhaltensökonomik geschrieben und dabei versucht herauszufinden, ob es ideological biases unter U.S. amerikanischen Bürgern hinsichtlich des Anstiegs des Meeresspiegels gibt. Die Forschungsarbeit hat mir in der Arbeitsgruppe und auch während meiner Masterarbeit sehr viel Spaß gemacht. Das hat dazu geführt, dass ich gern weiter in der Wissenschaft tätig sein wollte. Die Arbeitsgruppe Umweltökonomie an der Universität Osnabrück war dann der Ort wo ich meine PhD Reise gestartet habe.

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Mein Interesse galt während dem Master der Umwelt- sowie Verhaltens- & Experimentalökonomie. Gleichzeitig war die ausgeschriebene PhD Stelle, auf die ich mich beworben hatte im Bereich Agrarökonomie mit dem Ziel mit Hilfe von experimentalökonomischer Methoden, die Präferenzen von Landwirten und Landwirtinnen für die Umsetzung von nachhaltigen Landbaumaßnahmen zu untersuchen. Das hat alles super zusammengepasst, und so bin ich mit Start meiner Promotion in die Agrarökonomie gerutscht. Kleiner Fun-Fact am Rande: Mein Opa ist gelernter Landwirt und ich tausche mich noch immer gerne mit Ihm über das Thema aus. Das Thema Landwirtschaft ist also auch für mich eine emotionale Angelegenheit. Zwar werde ich nie ein Landwirt sein, doch fühle ich mich seitdem ich mit dem PhD angefangen habe noch ein bisschen stärker mit meinem Opa verbunden, weil wir ein gemeinsames Thema haben, über das wir immer und immer wieder diskutieren und reden können. Außerdem glaube ich, dass er mir mit seinen Einblicken dahin wie Landwirtschaft früher funktioniert hat, helfen kann, mich besser in das Thema hineinzuversetzen.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Meine Arbeit als Doktorand der sich mit dem Verhalten von Landwirten beschäftigt, ist sehr abwechslungsreich. Ein verhaltensökonomisches Experiment besteht aus super vielen Schritten, die man nacheinander abarbeiten muss. Gestartet wird mit der Literaturarbeit, um die theoretische Grundlagen zu legen und die ersten Hypothesen vorzubereiten. Möchte man seine Forschungsfrage mittels eines Online-Experiments testen, dann muss vorher der Fragebogen erstellt werden, dieser muss programmiert werden. Gleichzeitig müssen wir, wenn wir mit menschlichen Probanden arbeiten, einen Ethik Antrag vorbereiten und einreichen. Wenn wir mit Landwirten arbeiten, kann man auch mal im Vorfeld zu den Landwirten und Landwirtinnen auf den Hof fahren und den Fragebogen mit diesen im Interview durchsprechen. Dabei lernt man auch nochmal viel über den Alltag auf den Höfen. Manchmal reichen auch Interviews nicht aus und wir müssen eine Focus Gruppe organisieren. Letztes Jahr, war ich z.B. in England und habe mich mit 10 Landwirten zu einem Gruppengespräch getroffen, um herauszufinden, ob mein Fragebogen auch wirklich verständlich ist und ob meine Fragestellungen auch mit den realen Problemen, die Landwirte tagtäglich bewältigen müssen, übereinstimmen.

 

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Meine Arbeit ist für viele Menschen in ihrem Alltag nicht direkt sichtbar. Warum sollte man sich dafür interessieren, ob Landwirt*innen an einem freiwilligen Programm teilnehmen, wo diese Geld bekommen, dass sie verschiedene Habitate miteinander verbinden, oder dass sie Carbon Farming betreiben? Die Landwirtschaft in Europa steht vor vielen Herausforderungen. Das Mitwirken von Landwirten und Landwirtinnen im Kampf gegen den Klimawandel oder die Biodiversitätskrise ist essentiell, wenn diese effektiv angegangen werden sollen. Gleichzeitig sind Strategien zum Umwelt und Klimaschutz kostenintensiv, während Landwirte und Landwirtinnen unter Kostendruck stehen und dem tagtäglichen Produktionsrisiko durch Klima und Wetter ausgesetzt sind. Damit der Agrarsektor also effektiv nachhaltige Umweltmaßnahmen einsetzten kann, benötigt dieser Unterstützung aus der Politik. Oft in Form von finanzieller Unterstützung. Meine Arbeit kann in Zukunft hoffentlich dazu beitragen, dass Landwirte gerne an Förderprogrammen teilnehmen, welche sie bei der Implementierung von nachhaltigen Landbaumaßnahmen unterstützen. Davon können dann nicht nur die Landwirte und Landwirtinnen profitieren, sondern auch wir alle auf lokaler (z.B. Boden- und on-Ground Biodiversität), regionaler (z.B. Wasserqualität) und globaler (z.B. Klima) Ebene.


Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich bin Teil des Öko-Progressives Netzwerk e.V. (@oekoprog.bsky.social).


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich laufe für mein Leben gern. Am liebsten laufe ich Trails. Dieses Jahr bin ich auch meinen ersten Marathon gelaufen. In Zukunft sollen noch ein paar folgen. Ansonsten gerne auch mal eine Runde Rennrad oder Wandern. Hauptsache draußen sein!


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Am liebsten verbringe ich meinen idealen freien Tag mit lieben Menschen beim Sport an der frischen Luft. Eine ausgedehnte Laufrunde, eine lange Radfahrt, oder eine schöne Wanderung durch den Teutoburger Wald oder auf einem anderen Wanderweg.

 

Bitte begrüßt Moritz ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, September 29, 2024

Wie man gute KI-gestützte Systeme für die Bildung baut und was das mit menschlicher Autonomie zu tun hat! Benjamin Paaßen ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Benjamin Paaßen (@bpaassen.bsky.social)! Benjamin hat an der Universität Bielefeld Kognitive Informatik und Intelligente Systeme studiert und hat dort auch 2019 zu "Metric Learning for Structured Data" promoviert. Als Postdoc war Benjamin 2020 in Sydney, Australien, 2021 an der Humboldt-Universität zu Berlin und 2021-2023 im Educational Technology Lab des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) in Berlin. Seit April 2023 ist Benjamin zurück in Bielefeld, jetzt als Juniorprofessor für Wissensrepräsentation und Maschinelles Lernen. Das Hauptthema der Forschung ist, wie man gute KI-gestützte Systeme für die Bildung baut.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Für die Wissenschaft interessiert habe ich mich schon früh in der Schule. Dass es wirklich geklappt hat, hat viel mit Gelegenheiten zu tun, die ich glücklicherweise hatte. Dass ich mit einem Stipendium
studieren durfte, zum Beispiel oder dass ich schon früh als Hilfskraft eingestellt wurde auf einem Forschungsprojekt, auf dem ich dann später auch promovieren konnte; dass meine Betreuerin, Barbara Hammer, mich hervorragend beraten und gefördert hat; dass ich dann als Postdoc wieder
ein Stipendium bekommen habe, um nach Australien zu reisen; dass mein Betreuer in Berlin eine Stelle am DFKI für mich hatte und dass mir schließlich die Uni Bielefeld ein gutes Angebot für eine Juniorprofessur gemacht hat.
Viele andere Versuche, in die Wissenschaft zu kommen und dort zu bleiben haben auch nicht geklappt. Ich wollte zum Beispiel im Postdoc erst nach Kanada und habe mich auf einige Professuren beworben, bei denen ich dann nicht gelandet bin. Talent oder harte Arbeit allein jedenfalls waren's sicher nicht. Viel hat es mit Glück zu tun - bzw. es so oft zu versuchen, dass man irgendwann mal Glück hat. 

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

In der 11. Klasse wollte ich eigentlich noch Mathematik und Philosophie studieren, aber dann durfte ich als Schülerstudent einen Kurs "Informatik für Mathematiker*innen" besuchen und habe mich dann begonnen, für die Informatik zu begeistern. In der Folge dachte ich, ich will mal intelligente Prothesen bauen oder sogar eine ganze künstliche Intelligenz und habe im Studiengangkatalog der Arbeitsagentur nach passenden Studiengängen gesucht. "Kognitive Informatik" klang super. War es dann glücklicherweise auch. Wegen meines Promotionsprojekts bin ich dann aber tatsächlich bei den Bildungstechnologien gelandet und die haben es mir dann besonders angetan. Denn in den nächsten Jahren müssen wir ja allein in Deutschland Millionen Menschen aus- und weiterbilden und menschliche Lehrkräfte allein werden das nicht leisten können - zumindest nicht individualisiert auf die diversen Lernenden angepasst.


Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Jetzt gerade bereitet unsere Arbeitsgruppe das nächste Semester vor. Dafür basteln wir an einem Tutoring-System, das unsere Studierenden beim Programmieren-Lernen unterstützen soll. Im Prinzip ist das eine Website, in der Übungsaufgaben erledigt werden. Aber welche Übungsaufgaben angezeigt werden und welche unterstützenden Hinweise man angezeigt bekommt - das wird vom System automatisch an die einzelnen Personen und ihre aktuelle Situation angepasst. Wie das genauer funktioniert kann man dann auf dem Kanal lesen :)
Vielen Dank auf jeden Fall an meine Promovierenden, Alina und Jesper, die gerade sehr hart daran arbeiten, dass die nächste Version bis zum Semesterstart fertig wird. 


Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Zwei Gründe: Zum einen, weil es das gesellschaftliche Ziel gibt, "gute Bildung für alle" (UN-Nachhaltigkeitsziel 4) zu ermöglichen. Aber um das zu schaffen in einer sich schnell ändernden Welt mit immer mehr Lernbedarf aber wahrscheinlich eher weniger als mehr Lehrkräften für die einzelnen Themen - dafür brauch es wahrscheinlich technische Unterstützung. Und unsere AG arbeitet an dieser technischen Unterstützung.
Zum anderen, weil wahrscheinlich auch viele schon gemerkt haben, dass "technische Unterstützung für die Bildung" nicht damit getan ist, allen ein Tablet, Internet-Anschluss und einen ChatGPT-Zugang zu geben. Das ist zwar schön, aber damit allein lernt man noch nicht (jedenfalls nicht besser als bisher). Und wir forschen daran, wie es anders geht; wie man Systeme von Grund auf so bauen kann, dass sie pädagogische und didaktische Theorien und Strategien mitberücksichtigen und Lernenden
nachweislich etwas beibringen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Mit @christianeattig.bsky.social zusammen hoste ich den Podcast "Autonomie & Algorithmen" (https://autonomie-algorithmen.letscast.fm/), in dem wir in jeder Folge mit Expert*innen ein Anwendungsfeld von KI-Methoden vorstellen und was das mit menschlicher Autonomie zu tun hat. Außerdem haben @amreibahr.bsky.social, @maximilianiras.bsky.social und ich gemeinsam ehrenamtlich das Netzwerk KI und digitale Autonomie in Wissenschaft und Bildung gegründet, um für eine Einbindung von KI-Methoden zu werben, die menschliche Autonomie fördert statt gefährdet. Es geht mir also grad viel darum, dass Menschen nicht von KI-gestützten Systemen überwältigt werden, sondern sie als Werkzeug sinnvoll benutzen können.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Vor allem Pen & Paper-Rollenspiele und Computerspiele. In den frühen 2000ern, als ich zur Schule ging, waren das noch identitätsstiftende Nerd-Hobbies, inzwischen ist beides ja erfreulicherweise sehr verbreitet. Und wo ich das gerade schreibe: Ein Hobby war es 2015-2017 auch, neben meiner Promotion her zu erforschen, wie es eigentlich kommt, dass Videospielkultur so männlich dominiert scheint, obwohl eigentlich inzwischen fast alle Menschen in irgendeiner Form Videospiele spielen (und sei es auf dem Handy) - aber auch dazu dann mehr auf dem Kanal.


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Super ist schon mal, wenn ich tatsächlich mal wirklich gar nichts arbeiten muss, auch nicht noch mal eben ein Gutachten nebenher oder eine Präsentation, die spontan noch vorbereitet werden muss. Ansonsten bin ich sehr genügsam: Spät aufstehen, ein bisschen spazieren gehen, lecker essen, mit Freund*innen oder allein ein Computerspiel oder Pen&Paper spielen. Möglichst wenig Adrenalin jedenfalls.


Bitte begrüßt Benjamin ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, September 22, 2024

Was Videospiele mit Tourismus zu tun haben! Anh-Thu Nguyen ist jetzt bei Real Scientists DE!

 

Anh-Thu Nguyen

Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Anh-Thu Nguyen (@anhthu.bsky.social)! Anh-Thu Nguyen wird von vielen aber auch Cathy genannt. Sie hat an der Universität zu Köln Medienkulturwissenschaften und Anglistik studiert und ist seit 2021 in Japan als PhD Studentin unterwegs. Ihr Thema beschäftigt sich mit der Beziehung von Videospielen und Tourismus und ob das Spielen wie eine Reise sein kann. Sie streamt sehr unregelmäßig auf Twitch und schreibt über Games & japanische Popkultur für superlevel.de.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Meine Liebe zu Medien und vor allem zum Internet und Computerspielen war schon immer da. Ein Game Boy wurde mir von meinem Papa quasi in die Wiege gelegt – meine ersten Spiele waren Tetris und Super Mario! Das ging dann so weiter mit meiner eigenen PlayStation 1, ich habe in der Schule irgendwann eine Schülerzeitung gegründet (die wir sogar als Printausgabe rausgebracht haben) und meine allererste Hausarbeit in der Oberstufe schrieb ich über Facebook. Es war schon lange klar, dass das Mantra „irgendwas mit Medien“ bei der Studienauswahl bei mir richtig war. An der Universität zu Köln habe ich dann Medienkulturwissenschaften und Anglistik studiert. Zu meiner Zeit gab es einige Dozierende, die ihren Fokus auf die Game Studies-Forschung gelegt hatten. Mich hat es fasziniert, sich mit Videospielen wissenschaftlich auseinanderzusetzen (und dass das überhaupt möglich ist). Das hat sich bis heute nicht geändert.

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Mein Fokus auf Computerspiele und die Game Studies-Forschung war schon seit meinem Bachelor präsent, und ich würde sogar meinen Dozierenden in Anglistik ein Games-Thema aufzwingen, selbst wenn sie nichts damit am Hut hatten (an dieser Stelle danke ich allen Dozierenden und Professor*innen die Geduld mit ihren Studierenden haben). Jedoch ist die Wahrheit auch, dass ich dank eines großzügigen Stipendienprogramms die Möglichkeit habe in der Forschung tätig zu sein. Das MEXT-Programm der japanischen Regierung erlaubt mir meinen fast 5-jährigen Aufenthalt in Japan. Als ich die Zusage für das Programm erhielt, hatte ich das Gefühl in meiner Arbeit bestärkt worden zu sein und dass auch andere an meiner Forschung interessiert sind. Ich liebe es, Kolleg*innen aus dem gleichen Feld zu treffen – immer eine gute Gelegenheit zu fragen, was so gerade gespielt wird. Ich empfinde die Game Studies-Forschung als ein sehr nahbares Forschungsfeld, gerade weil viele, so wie ich, ihr Hobby zur Forschung gemacht haben.

 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Meine Arbeit beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Videospielen und Tourismus. Neue Technologien ermöglichen neue Reisemöglichkeiten – von Flugzeugen bis zu Computertechnologien. Museen versuchen in etwa den Besuch mit Hilfe von XR-Technologien interaktiver zu gestalten, Virtual-Reality Technologien bauen ganze antike Städte nach. Die Möglichkeiten zwischen Videospielen und Tourismus sind also vielfältig und es gibt derzeit viele verschiedene Ansätze durch und mit Videospielen den Tourismus zu verändern.

In meiner eigenen Forschung schaue ich mir Open-World-Games wie Cyberpunk 2077 und Ghost of Tsushima an. Mein Hauptargument ist, dass das Spielen selbst als eine Form von Reisen verstanden werden kann. Wenn wir uns also von der Idee lösen, dass Tourismus nur an „echten“ Orten passieren kann, was bleibt dann noch vom Reisen und vom Tourismus übrig? Anstatt einer (physisch-realen) ortsorientierten Aktivität, ist es vielleicht eher eine Beziehung, die wir pflegen, wenn wir uns Orte, Dinge, und Menschen anschauen? Das versuche ich mit Hilfe von Videospielen zu beantworten.

 

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?

Sowohl Videospiele als auch Tourismus sind derzeit großen Veränderungen ausgesetzt, nicht zuletzt aufgrund der Pandemie. Videospiele dienten während Lockdowns für viele als Zufluchtsorte um soziale Aktivitäten im digitalen Raum ausleben zu können oder als Möglichkeit (fiktive) Orte zu bereisen. Das Reisen war und ist immer noch ein gängiges Motiv in Kunst und Literatur, aber kein Medium wie das Videospiel bringt das Reisen so nah an Spieler*innen. Gleichzeitig auch weil Videospiele ein Produkt sind, versuchen sie immer eine Erfahrung zu verkaufen – nicht unweit weg von Tourismus und Reiseveranstaltern. Wir sehen also, dass es sich um eine fast symbiotische Beziehung handelt: Videospiele simulieren Aspekte von Tourismus und der Tourismus versucht auch mit Videospieltechnologien attraktiver zu sein.

 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Ich versuche mich so gut wie möglich auf mein Dissertationsthema zu konzentrieren, weswegen ich nebenbei nur als Mentorin an meiner Universität arbeite. Allerdings schreibe ich ab und zu über Themen wie den Vietnamkrieg (in Videospielen) oder über die vietnamesische Diaspora in Deutschland. Ansonsten bin ich auch als Freelancerin für Superlevel.de unterwegs, wie zuletzt mein Artikel über Gachapons in Japan: https://www.superlevel.de/gachapon-gacha-games-genshin-impact/

 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Ich streame gelegentlich auf Twitch unter https://www.twitch.tv/kayde_nuen! Primär versuche ich Spiele zu spielen, zu denen ich gerade aktuell nicht forsche.

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?

Mein idealer Tag fängt frühestens um 10 Uhr an und die einzige Frage, die ich mir stelle, ist: „Was esse ich heute?“ Damit gehe ich dann zum Supermarkt, koche mir was Feines (wenn ich meine Familie vermisse, gibt es oft vietnamesisches Essen) und verbringe den Rest des Tages mit Saubermachen sowie einer guten Serie. Auch wenn Social Media kein Hobby sein sollte, dokumentiere und poste ich gerne meinen banalen Alltag auf Instagram (@kayde_nuen).



Bitte begrüßt Anh-Thu ganz herzlich bei Real Scientists DE!