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Monday, March 14, 2022

Wirtschaftspolitik in Entwicklungsländern - Marie Huber ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Marie Huber (@marie_huber) vorstellen! Marie ist Expertin für Kultur- und Wirtschaftspolitik in Entwicklungsländern. Sie hat in Berlin Geschichte und Soziologie studiert und 2017 ihre Promotion abgeschlossen. 2020 ist ihr erstes Buch erschienen: "Developing Heritage - Developing Countries", in dem Sie am Beispiel von Äthiopien erklärt, wie wichtig Geschichtspolitik und Tourismus in Entwicklungsländern für die Entstehung der UNESCO Weltkulturerbeliste waren. Aktuell leitet sie ein Forschungsprojekt zur Geschichte der Luftfahrt im postkolonialen Afrika. 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Eine nicht versiegende Neugier und das anhaltende Gefühl, dass ich noch nicht genug weiß und noch nicht genug verstehe. Es ist als Mutter für mich ein Beruf, der mir viel Flexibilität und Gestaltungsfreiheit und ein gutes Einkommen bietet und gute Möglichkeiten, Familie und Karriere zu vereinbaren - auch wenn es nicht immer einfach ist, empfinde ich es als vergleichsweise gut.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Als Historikerin kann ich mit immer neuem Blick in die Vergangenheit schauen, um Fragen der Gegenwart zu beantworten. Es gibt meistens keine eindeutigen und einfache Antworten, wohl aber klare Aussagen und Analysen. Mir gefällt, dass ich in der historischen Forschung sehr gut aktuelle Fragen und Probleme auf sehr grundlegende Weise durchdenken kann als Teil des Forschungsdesigns immer auch Begriffe und Vorstellungen, sowie die eigene Position und Begrenzung in Frage stellen muss. Ich wollte außerdem immer einen Beruf, bei dem es Teil der Aufgaben ist, viel von der Welt zu sehen.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Meine Zeit verbringe ich vor allem alleine am Computer oder auf Reisen - zu Archiven, Konferenzen, Treffen mit Kolleg:innen. Ich forsche zu globalen Zusammenhängen, Wirtschafts- und Kulturpolitik, mit einem besonderen Fokus auf afrikanische Länder, also komme ich durch meine Arbeit an viele spannende Orte, da die für mich wichtigen Archive und Bibliotheken überall auf der Welt sind, zB in New York, Addis Ababa und Paris. Wenn ich eine Frage oder ein Thema gefunden habe, dann beschaffe ich mir möglichst viele originale Dokumente und Unterlagen dazu, die Primärquellen, die das Herzstück des historischen Arbeitens sind. In der Regel digitalisiere ich alle Unterlagen und verbringe dann sehr viel Zeit damit, alles durchzulesen und Informationen und Daten aus den Dokumenten aufzuschreiben. Wenn ich genug Material analysiert habe, kann ich neue Erkenntnisse formulieren und in Vorträgen vorstellen und in Aufsätzen und Büchern veröffentlichen. 

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
1. Wir wissen zu wenig über Afrika und unser Bild von afrikanischen Ländern ist sehr einseitig und in vielen Punkten nicht zutreffend.
2. Wirtschaftliche Angelegenheiten sind nicht zu kompliziert, um sie zu verstehen - und jede:r sollte sich mehr damit beschäftigen, sie müssten vielfältiger und besser erklärt werden.
3. Ich habe richtig coole Themen: ich forsche zum Beispiel zu Tourismus, Flugzeugen, Museen und Ruinen, Bleistiftfabriken, "alten weißen Männern" und anderen Experten, Prinzessinnen, Bauern, Archäologen, Managern und vielem mehr. 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich bin schon seit einigen Jahren Mentorin bei mentorme, einem beruflichen Förderprogramm für Frauen. Zusammen mit einem tollen Team haben wir gerade den perspektiven.blog gestartet, in dem es um berufliche Perspektiven und Lebensentwürfe für Geistes- und Sozialwissenschaftler:innen geht. Gelegentlich ist sie auch als Beraterin in Politik und Wirtschaft tätig. 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Meine drei Kinder und mein Haushalt halten mich genug auf Trab, wenn ich Zeit für mich habe, dann sehe ich vor allem fern oder verbringe Zeit mit Freund:innen  

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Vor allem habe ich Zeit und wenig Pläne und bin ganz alleine (so sehr ich meine Familie liebe), außerdem bin ich ausgeschlafen und habe Lust, mir etwas besonderes zu Essen zu kochen und lange ungestört einen Roman zu lesen. Idealerweise würde ich dazu am Strand in der Sonne liegen. 

Bitte begrüßt Marie ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, October 17, 2021

Sprache als Schlüssel zur Geschichte - Maria Zielenbach ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Maria Zielenbach (@dietweeterei) vorstellen! Maria hat Linguistik an der Universität zu Köln studiert und auch einen BA in Islamwissenschaften („Sprachen und Kulturen der islamischen Welt“). Zurzeit promoviert sie an der Vrijen Universiteit Amsterdam zur Geschichte der Nord-Halmahera-Sprachen im ERC Projekt OUTOFPAPUA (Papuans on the move). Thema ihrer Dissertation ist eine Rekonstruktion von Proto-Nord-Halmahera und weiter die Untersuchung eines möglichen Anschluss der Sprachfamilie an Sprachen in Westpapua. Maria ist Schriftführerin des Verein Junge Sprachwissenschaft e.V. Weiterhin ist sie bei der Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. aktiv, moderiert das Diskussionsformat TolkShow und den Podcast Silmaria.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Während meines Studiums habe ich im Institut für Linguistik in Köln gearbeitet und dabei den Wissenschaftsalltag kennengelernt. Obwohl der natürlich seine Tücken hat, war mein Plan A immer in die Forschung zu gehen, einfach, weil ich gerne Dinge herausfinden möchte. Nach meinem Masterabschluss im Frühjahr habe ich dann zu meinem eigenen Erstaunen sehr schnell eine Promotionsstelle gefunden, sodass ich seit September jetzt voll drin bin.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich wusste schon relativ früh, dass ich Linguistik studieren möchte. Ich fand Grammatik einfach toll und jeder Aspekt von Sprache hat mich fasziniert. Das ist immer noch so. Mein Weg zur historischen Linguistik war etwas verwickelt. Im Bachelor in Köln muss man im ersten Semester Kurse zu allgemeiner Sprachwissenschaft, Phonetik und historischer Sprachwissenschaft belegen. Letzteres heißt konkret klassische Indogermanistik. Ich habe mich dann zuerst dafür entschieden, aber im 3. Semester die Sprachtypologie für mich entdeckt und die Indogermanistik erstmal hinter mich gelassen. Da ich im Nebenfach Islamwissenschaften studiert hab, bin ich über Arabisch zur Semitistik gekommen und dabei habe ich festgestellt, dass es nicht die historische Sprachwissenschaft, sondern die indogermanischen Sprachen sind, die mich nicht wirklich interessieren. Darum habe ich angefangen mich mit der Diachronie (der Entwicklung) von anderen Sprachfamilien zu beschäftigen und nebenher weiterhin Kurse zu Typologie und Sprachdokumentation belegt. Daher bin ich ziemlich breit aufgestellt. Meine Stelle in Amsterdam vereint alles, was ich im Studium so gemacht hab: Historische Sprachwissenschaft, Sprachdokumentation, Austronesistik und Typologie. 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich erforsche die Familie der Nord-Halmahera-Sprachen. Halmahera ist eine indonesische Insel vor dem Vogelkopf von Neuguinea, etwas kleiner als Sachsen. Dort leben etwa 500.000 Menschen. Aus linguistischer Perspektive ist die Insel geteilt: im Süden werden austronesische Sprachen gesprochen (weitläufig verwandt mit Indonesisch, Maori usw.), im Norden Sprachen, die keiner größeren Sprachfamilie zugeordnet werden können. Zu der Familie gehören auch Sprachen auf den umliegenden Inseln Ternate, Tidore, Makian und Morotai. Die ersten drei kennt man vielleicht als „Gewürzinseln“. Sie waren lange Zeit der einzige Ort der Welt, an dem Gewürznelken wuchsen. Keine der Sprachen hat mehr als 100.000 Sprecher*innen. Durch die zunehmende Rolle der Kommunikationssprachen Moluccan Malay und der Amtssprache Indonesisch, gelten sie alle als von Sprachtod bedroht. Außerdem sind sie bislang nur wenig erforscht. Thema meiner Dissertation ist eine Rekonstruktion der Ursprache, aus der sich alle Nord-Halmahera-Sprachen entwickelt haben. Außerdem beschäftigt sich unser Projekt mit der Frage, ob die Nord-Halmahera-Sprachen mit Sprachen im Westen von Neuguinea verwandt sind und ob sich darüber Populationsbewegungen erschließen lassen.
Da ich noch ganz am Anfang meiner Promotion bin besteht meine Arbeit aktuell noch hauptsächlich aus der Lektüre der vorhandenen Literatur und dem Abtippen von Wörterbüchern (kein Witz), um Datensätze in die Datenbank unseres Projekts einzupflegen. Mit deren Hilfe kann ich dann hoffentlich bald mit der eigentlichen Forschung (Rekonstruktion) beginnen. Es ist auch vorgesehen, dass ich zur Sprachdokumentation nach Indonesien reise. Durch Corona ist das aber erstmal in den Hintergrund gerückt.
Kurzfassung: Ich starre auf Daten. 

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Eine kleine Inselgruppe in Indonesien ist für die meisten erstmal sehr weit weg und auch meine Forschung hat für viele keinerlei praktische Anwendung. Im Grunde leistet sie aber einen Beitrag zu sehr grundlegenden Frage: wie verändern sich Sprachen und wie sind Populationen auf und um Papua gewandert. Dein Leben wird es also nicht verändern, aber es ist spannend. Und die Sprecher*innen der Sprachen haben genauso ein Recht, etwas über die Geschichte ihrer Sprachen zu wissen, wie wir hier in Europa es über unsere Sprachen tun. 

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
An der Uni habe ich bislang keine, allerdings bin ich seit einem halben Jahr im Vorstand der Jungen Sprachwissenschaft e.V., einem Verein für Linguistikstudierende und -promovierende. 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Historische Linguist*innen haben den Ruf weg, die nerdigsten unter den ohnehin schon nerdigen Linguist*innen zu sein. Ich tu mein Bestes, um diesem Klischee zu entsprechen und bin sehr aktiv in der Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. In diesem Rahmen gebe ich öfters Vorträge, die auch immer was mit Linguistik zu tun haben. Seit einem halben Jahr moderiere ich auch ein Online-Diskussionsformat (die TolkShow) und seit Kurzem habe ich einen Podcast zum Silmarillion: Silmaria (ja, der ist nach mir benannt – nein, ich habe den Namen nicht erfunden). 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Lesend auf einer Couch liegend während jemand für mich kocht (an dieser Stelle möchte ich meine Eltern grüßen)

Bitte begrüßt Maria ganz herzlich bei Real Scientists DE!

Sunday, October 3, 2021

Auf der Suche nach dem digitalen Sinn - Andreas Bischof ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unseren neuen Kurator Andreas Bischof (@analog_a) vorstellen zu dürfen. Mit einem Hintergrund in Soziologie und Kulturwissenschaften untersucht Andreas, wie Mensch, Gesellschaft und Technologie miteinander interagieren. Derzeit leitet er eine BMBF-Nachwuchsforschungsgruppe an der Technischen Universität Chemnitz, die interdisziplinäre Kompetenzen für den digitalen Wandel erforscht. Die Themen seiner Arbeit umfassen partizipative Methoden der Technikentwicklung, Sozial- und Pflegerobotik, sowie die digitalen Bedingungen sozialen Sinns. 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ehrlich gesagt bin ich über Umwege in der Wissenschaft gelandet. Ich wollte ursprünglich Journalist werden und habe für den Bachelor einen Studiengang gesucht, der etwas Inhaltliches voranstellt, auf dass ich dann den Master in Leipzig satteln könnte. "Kulturwissenschaften" klang nett und interessant. In der Einführungsvorlesung "Kultursoziologie" war es dann um mich geschehen: Da konnten Leute erklären, wie das Verhalten Einzelner sich zu gesellschaftlichen Effekten auftürmt, und wie wiederum große gesellschaftliche Veränderungen immer auch auf Alltagshandlungen der Menschen basiert. Das hat mich fasziniert!

Nach dem Studium wollte ich mich weiterhin vertiefen können, und habe eine Promotionsstelle angenommen. Von dort aus geriet ich recht schnell in den "Strudel" des Wissenschaftsbetriebs aus Tagungen, Publikationen, Projekten, undsoweiter.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Auch hier hat natürlich der Zufall eine Rolle gespielt. Ich bin schon immer medien- und technikaffin und habe auch im Studium einige Belegarbeiten zu solchen Themen geschrieben, unter anderem meine Masterarbeit 2012 als empirische Studie zum Facebook-Verhalten von Jugendlichen. Dadurch bin ich zu den Fragestellungen gekommen, die sich am Schnittfeld von Medien, Technik und Gesellschaft bewegen und begann, Kontakt zu anderen Disziplinen aufzunehmen. Schließlich landete ich in einem interdisziplinären Graduiertenkolleg, in dem Sozialwissenschaften und Ifnormatik gemeinsam in Tandems arbeiteten – Und mittlerweile leite ich als Soziologe und Kulturwiussenschaftler selbst eine Arbeitsgruppe an einer Professur für Medieninformatik!

Ich halte es für eine dringende Notwendigkeit, das Reflexions- und Methodenwissen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften in Technikentwicklung und Informatik angewendet werden. Deswegen gehe ich aktiv an die Schnittstellen von Mensch-Computer-Interaktion, Sozialwissenschaften und Design, um die großen Querschnittsprobleme unserer Zeit in neuen Konstellationen zu bearbeiten.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Mein Alltag als Wissenschaftler besteht darin, wissenschaftliche Probleme und Diskurse immer wieder für unterschiedliche Gruppen anschlussfähig zu machen. Warum sollten App-Entwickler etwas über die Lebenswelt alleinlebender Seniorinnen, über deren Hobbies und sozialen Netzwerke wissen? Warum sollten Kultursoziologinnen wissen, wie maschinelle Textinterpretation von YouTube-Kommentaren funktioniert? Ich bin also fortlaufend dabei, die ganz grundlegenden Tugenden wissenschaftlichen Arbeitens in Wort und Text umzusetzen: beschreiben, verstehen, erklären. Dass ich das sowohl für Informatiker:innen können muss, als auch für Kulturwissenschaftler:innen macht die Sache manchmal etwas anstrengend, ist aber eine gute Schule, nicht in abgehobene Gedankenbauwerke abzudriften.

Und dann sind da natürlich noch die Verwaltungsarbeit und das Schreiben und Einreichen von Anträgen, die etwa ein Drittel meiner Arbeitszeit als befristet beschäftigeter Post-Doc beanspruchen.

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Es wird der Eindruck erweckt, wir könnten große ökologische und soziale Fragen vorrangig technisch lösen. Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Jede technische "Lösung" ist schon immer sozial und politisch – Sie antwortet auf ein von Menschen gestelltes Problem. Die Annahmen hinter diesen Problemen und Lösungen – und die Asymettrie zwischen Nutzenden und Entwickelnden – müssen gesellschaftlich verstanden und diskutiert werden, um eine demokratische Meinungsbildung über Digitalisierung zu ermöglichen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich interessiere mich für Podcasting, und versuche das als Mittel der Wissenschaftskommunikation (https://www.tu-chemnitz.de/tu/pressestelle/tucscicast.php) und Lehre (https://home.uni-leipzig.de/podcastethnografie/) einzusetzen. Außerdem gründe ich derzeit mit anderen Forscherinnen ein interdisziplinäres Netzwerk zu Technologien für das Alter(n): https://www.socio-gerontechnology.net/

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Leider komme ich als Elternteil von zwei Kindern und befristet beschäftigter Post-Doc zu wenig interessanten Sachen aus Arbeit und Familie – Was beides an sich ja schon hochinteressant ist Wenn sich Zeit ergibt, versuche ich etwas Sport – Radfahren und Laufen – zu machen.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?

Ausschlafen (ha, zuletzt 2016?), im Bett Kaffee trinken und lesen. Dann rausgehen und Freunde treffen und mindestens die Hälfte vom Tag nicht verplanen, sondern geschehen lassen. 

Sunday, August 15, 2021

Die Welt im Videospiel - Anh-Thu Nguyen ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Anh-Thu Nguyen (@Kayde_Nuen) vorstellen zu dürfen! Anh-Thu, eigentlich aus dem Ruhrpott, schließt derzeit ihr Masterstudium an der Universität zu Köln in Medienkulturwissenschaften und English Studies ab. Seit Beginn ihres Studiums war sie an verschiedenen Game Studies Projekten beteiligt, wie in etwa als wissenschaftliche Hilfskraft am Sammelband “Game | World | Architectonics” (2021 Marc Bonner), oder nahm mit Vorträgen an der Clash of Realities Konferenz 2019 und 2020 teil. Zwischenzeitlich ging es auch für einen Austausch nach Japan an der Sophia University in Tokio und 2020 durfte sie kurz mit einem (virtuellen) Praktikum die Wissenschaftskommunikation im New Yorker Büro der Universität zu Köln kennenlernen. Der Austausch in Japan, sowie die Game Studies haben Anh-Thu nie losgelassen und so wird sie Ende 2021 nach Kyoto ziehen und 2022 als Doktorandin an der Ritsumeikan University weiter an Videospielen in einem globalen Kontext forschen.

 
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 

Die Wissenschaft um und über Videospiele ist noch sehr jung – so jung, dass ich über die Jahre selbst quasi die Entwicklung auf nationaler und internationaler Ebene miterleben durfte. Meine eigene Verbundenheit zum Medium selbst und die Begeisterung dafür, sich auf verschiedensten Weisen mit einem der wichtigsten Medien unserer Zeit auseinanderzusetzen, hat eine große Rolle gespielt, warum ich zukünftig weiterhin in der Disziplin sein möchte. Für mich war es auch dank einiger Dozierenden an meiner Universität, die mir so eine kultur- und medienwissenschaftliche Perspektive auf Videospiele offenbart haben, die tolle und spannende Kurse in meinem Studium angeboten haben. Die Kombination aus einer Disziplin, die sich teilweise auch noch jetzt noch selbst zu definieren versucht, sowie meine eigene Begeisterung für Videospiele gestützt durch mein Studium haben mich nun dazu geführt, dass ich bald in Japan in Kyoto weiter an Videospielen forschen werde.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort? 

Obwohl es primär meine eigene Begeisterung für das Medium ist, sind Videospiele längst Mainstream geworden. Dadurch, dass die Forschung an, über und mit Videospielen noch so jung ist, ist sehr viel was gemacht wird, sehr zugänglich. Für ein Medium, dass für so viele Menschen auf der Welt eine Relevanz hat, ist das sehr wichtig: vor allem (medien)kulturwissenschaftliche Perspektiven sollten zugänglich sein, um so kritische Perspektiven aufzeigen zu können. Warum das wichtig ist, sehen wir in etwa in Deutschland an der mittlerweile eher abgeflachten Diskussion über Gewalt in Videospielen und der ab und an wieder aufflimmenden Diskussion über Videospielsucht. Dennoch ist die Videospielindustrie, auch in Deutschland, einer der größten Industrien weltweit. Ihre Omnipräsenz braucht also kritische Perspektiven, die sich damit auseinandersetzen kann. Mit was für einem Medium haben wir hier zu tun? Wie funktioniert es, wie involviert es Spieler*innen? Was können wir von diesem Medium lernen? Das Spannende ist auch, das meine medienkulturwissenschaftliche Perspektive nur eine von vielen ist. Das Medium lebt von Interdisziplinarität, ob in der Psychologie oder AI-Computing. Für mich ist das alles sehr spannend und man hat viel von anderen Forscher*innen und Disziplinen zu lernen.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit! 

Für mich ist an Videospielen vor allem eins spannend: die Beziehung vom Medium zum Tourismus. Große Videospielentwickler wie EA, Ubisoft oder CD Projekt Red versprechen vor allem großartige Erlebnisse und Abenteuer in ihren Spielen. Oft werden digitale Städte und Landschaften zu virtuellen Reiseorten und mit der derzeitigen Videospieltechnologie immer detaillierter. Die Beziehung zwischen solchen Orten, wie in etwa die Nachstellungen des antiken Griechenlands in einer der Assassin’s Creed Spiele ist in etwa für einige Forscher*innen in Deutschland und international von Interesse gewesen.

Hier kommen wir dann konkret zu meiner Forschung. Ich interessiere mich vor allem für diese Beziehung zwischen Videospielen und Tourimus im Kontext von Japan. Das Land ist ebenfalls geprägt von der Videospielindustrie und das schon mindestens seit den 80er Jahren. Wer die Olympischen Spiele mitverfolgt hat, wird vielleicht gemerkt haben, dass das Land sich vor allem durch ihre popkulturellen Erfolge präsentiert hat – in der Eröffnungszeremonie liefen in etwa Lieder von bekannten japanischen Videospielen, während die Athleten der jeweiligen Länder in das Stadion liefen. Hier zeichnet sich eine Beobachtung ab: das Land nutzt mittlerweile sehr bewusst ihr popkulturelles Image um sich selbst so bewerben und wirkt sich auf zwei Ebenen aus: Videospiele selbst, unabhängig davon ob sie aus Japan kommen oder nicht, sind fasziniert von japanischen Ästhetiken (Samurai, die Edo-Zeit, japanische Architektur und so weiter) und bringen diese in das Medium für einen gewissen virtuellen Tourismus. Gleichzeitig ist es der eigentliche Tourismus selbst der im Land so beworben wird. Damit möchte ich mich näher in meinem Doktorandenstudium in Kyoto beschäftigen.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren? 

Videospiele sind überall und für jeden. Und dennoch stehen sie in einem sehr ambivalenten Verhältnis, wie in etwa zu der Frage, wieviel Energie die Technik braucht, um sie überhaupt zu spielen. Oder dass sie Produkte einer Industrie sind, die primär Profit schlagen möchte und immer neue Strategien sucht, um Gewinne zu erzielen. Vor allem in den letzten Jahren häufen sich Meldungen über die sexistischen Arbeitsbedingungen bei Spieleentwicklern, sowie dutzende unbezahlte Überstunden, die direkte psychische Konsequenzen für Miterarbeiter*innen haben. Als eine Industrie, die vor allem Produkte schafft, die einzigartige Erlebnisse versprechen, steckt sie in vielen Widersprüchlichkeiten. Es geht also schon viel mehr als um das Medium selbst, sondern direkte, kulturelle und soziale Konsequenzen, die mit dem Medium kommen.


Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?

Es sollte keine Überraschung sein, dass ich selbst viele Videospiele spiele. Manchmal streame ich meine Abenteuer auf Twitch! Wer da mal vorbeischauen möchte, kann es gerne auf twitch.tv/kayde_nuen tun.


Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?

Lange Gespräche auf Discord mit meinem Partner in Australien, Streams auf Twitch schauen, und wenn ich bei meinen Eltern bin, mich von meiner Mama mit vietnamesischen Essen verwöhnen lassen.


Bitte begrüßt Anh-Thu ganz herzlich auf Real Scientists DE!