Sunday, February 25, 2024

Die Schattenseiten von Virtual Reality? - Michael Wiesing ist zurück bei Real Scientists DE!


Diese Woche begrüßen wir unseren Kurator Michael Wiesing (@vrneuroscience.bsky.social) zurück auf dem Kanal! Michael ist gelernter KFZ Mechaniker und studiertezwischen 2009 und 2015 Biologie und Experimentelle Neurowissenschaften an der Universität Köln. Von 2015 bis 2019 war er als Doktorand am Forschungszentrum Jülich am Institut für kognitive Neurowissenschaften tätig, wo er sich damit beschäftigt hat, wie Virtual Reality Brillen als Instrument in den kognitiven Neurowissenschaften eingesetzt werden könnenZwischen 2020 und 2023 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Wahrnehmungspsychologie der Uni Düsseldorf und hat mithilfe von Virtual Reality das Zusammenspiel und die Interaktionen zwischen motorischen Prozessen und visueller Wahrnehmung erforscht. Seit 2023 arbeitet er als Postdoc am Event Lab an der Universität Barcelona und erforscht ethische Probleme, die sich aus moderner Virtual und Augmented Reality ergeben können.




 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Dass ich eines Tages in der Wissenschaft landen werdehätte ich mir lange Zeit selbst in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Nach meinem Realschulabschluss habe ich damals eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker angefangenIm Laufe der Ausbildung wurde mir aber immer deutlicherdass das nicht der richtige Beruf für mich istStattdessen habe ich mich damals schon lieber mit Computern beschäftigt und fand auch wissenschaftliche Themen immer spannender als Autos. Nach meiner Ausbildung habe ich mein Abitur im zweiten Bildungsweg nachgeholtWährend dieser Zeit fand ich immer mehr Interesse an psychologischen und neurowissenschaftlichen Themenweshalb ich mit dem Gedanken gespielt habeetwas in die Richtung zu studieren. Bevor ich mit dem Studium begonnen habewollte ich noch einen Einblick in den Forschungsalltag bekommen und habe ein Praktikum am Institut für kognitive Neurowissenschaften(INM-3) im Forschungszentrum Jülich absolviertIm Rahmendes Praktikums war ich in eine Studie über Synästhesie mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRTinvolviert. Ich fand sowohl das Thema als auch den ganzen ProzessExperimente zu entwickelnsehr spannend. Die Erlebnisse in der Zeit haben mir die letzte Gewissheit gegebenmich für eine wissenschaftliche Laufbahn im Bereich der kognitiven Neurowissenschaft zu entscheiden.

 

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Bei der Wahl des Themas für meine Dissertation wurde mir viel Freiraum gelassen, und ich hatte die Möglichkeitmein Thema selbst zu wählen. Zu dieser Zeit hatte ich auch zum ersten Mal das Oculus Rift Development Kit 2 bei einem Freund ausprobiert und war sofort von den Möglichkeiten zur Untersuchung kognitiver Prozesse, die diese Technologie bietetfasziniertSchließlich entschied ich mich dazu, Virtual Reality (VR) als Werkzeug zur Erforschung kognitiver Prozesse zum Thema meiner Dissertation zu machen. Bis heute bin ich von den Forschungsmöglichkeiten, die VR bietetbegeistert. In jüngster Zeit hat sich mein Forschungsschwerpunkt jedoch verschoben. Statt VR primär als Forschungsinstrument zu betrachtenkonzentriere ich mich nun verstärkt auf die Chancen und insbesondere die Risiken, die diese Technologie im Alltagaußerhalb des Labors, mit sich bringt.

 

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!

Anfang letzten Jahres habe ich meine Koffer gepackt und mich auf den Weg nach Barcelona im Herzen Kataloniens in Spanien gemacht, wo ich derzeit als Postdoc am "EventLab" der Universitat de Barcelona arbeite. Das Labor wurde 2008 gegründet und erforschtwie wir virtuelle Welten erleben und welche Auswirkungen virtuelle Welten auch außerhalb der VR auf unser Erleben haben. Mein Forschungsthema dreht sich um potenzielle ethische Probleme, die sich aus der Virtual Reality Technologie ergeben können. Ein Blick in die Literatur zeigt eine wachsende Anzahl von Studien, die aufzeigenwie Virtual Reality positiv genutzt werden kannunter anderem um Belästigung von Frauen zu verringern oder implizite rassistische Vorurteile gegenüber schwarzen Personen zu reduzieren

Bereits 2015 wurde Virtual Reality als eine "Empathy Machine" bezeichnet. Aber trifft das wirklich zuSicherlich kann Virtual Reality eingesetzt werden, um die Welt ein Stück weit besser zu machenaber es gilt auch die möglichen negativen Auswirkungen zu betrachten. Es gibt eine zunehmende Anzahl von Artikeln, die diese und andere Risiken, die von der Technologie ausgehen könnendiskutieren. Neben der Gefahrdass VR genutzt werden könnte, um Vorurteile zu verstärkenwird unter anderem diskutiertob VR zu posttraumatischen Belastungsstörungenführen kann oder ob mit fortschreitender Technologie die Grenze zwischen Realität und virtueller Welt weiter verschwimmtObwohl potenzielle Gefahren von VR breitdiskutiert werdenbasieren diese Diskussionen weitgehendauf Spekulationenobgleich sie meist auf guten Gründenfußen. Um ethische Probleme, die sich mit der Technologie ergebenzu verstehen und ethische Abwägungen über den richtigen Umgang mit Virtual Reality zu treffendürfen diesenicht allein auf Spekulationen basierenVielmehr sollte dies immer auf der Grundlage von empirischer Evidenz geschehenGenau hier setzt mein Forschungsprojekt an: Es geht darumpotenziell unethische oder gefährliche Aspekte zu erforschenunter anderem die Frage, ob wir Gefahr laufen, in Zukunft Realität und virtuelle Realität zu verwechselnEbenso, wenn VR genutzt werden kann, um rassistische Vorurteile zureduzierenkönnte es dann nicht auch genutzt werden, um diese zu verstärken? Meine Forschung zielt darauf ab, die Schattenseiten von VR zu beleuchten und im Labor, innerhalb eines ethischen und sicheren Rahmens, die Gefahren und unethischen Seiten der Technologie zu erforschen.

 

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deineForschung/Arbeit interessieren?

Virtual Reality wird in Zukunft eine immer größere Rolle in unserem Leben spielenBislang ist aber noch nicht wirklich verstandenwelche Auswirkungen die Technologie auf uns haben wird. In meiner Forschung geht es gezielt um potenzielle Gefahren und unethische Einsatzgebiete von Virtueller RealitätWelchen Wert hätte meine Forschungwenn ich diese nicht mit der Öffentlichkeit kommuniziere?

 

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du unserzählen möchtest?

Durch meine Arbeit habe ich gemerktdass ich sehr viel Freude am 3D-Rendering finde. So kommt es regelmäßig vordass ich meine Freizeit nutze, um an den Umgebungen für meine Experimente zu feilen. Ob die Details, an denen ich dabei arbeiteeinen experimentellen Vorteil bringen, sei zunächst dahingestellt – Spaß macht es auf jeden Fall! Ansonsten steht mein 3D-Drucker auch selten still.

 

 

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auchnur Menschen)?

Zuerst ausschlafen und ein wenig in den Tag hineinlebenSpäter zieht es mich gerne mit Inlinern durch Barcelonas Altstadt zum Strand, oft begleitet von einem Buch. Anschließend treffe ich mich mit Freunden und abends gehtes dann ab auf die Couch, um Serien oder Filme zu schauen – vorzugsweise mit ausreichend Junkfood.

Bitte begrüßt Michael ganz herzlich bei Real Scientists DE!