Sunday, March 26, 2017

Für eine bessere Forschung - Anne Scheel ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir freuen uns ganz besonders, euch heute Anne Scheel (@annemscheel) als neue Kuratorin vorstellen zu dürfen! Anne ist Doktorandin an der LMU München im Bereich Psychologie.

In ihrer Arbeit beschäftigt sich Anne nicht nur mit Forschung, sondern auch mit Forschung über Forschung: nachdem sich die Psychologie derzeit in der sogenannten Replikationskrise befindet, will Anne herausfinden, was man dagegen tun kann, um beste wissenschaftliche Standards zu erfüllen und möglichst zuverlässige Resultate zu erzielen.


Hier ist Anne in ihren eigenen Worten:

Ich war ein ganz schlimmes “Und warum?”-Kind und irgendwie bin ich einfach nie aus dieser Phase herausgewachsen. Das erste Berufsziel, an das ich mich erinnern kann, war "Literaturwissenschaftlerin" - mit 8 Jahren. Zu meiner Verteidigung ist zu sagen, dass in unserem Deutschlesebuch ein kleiner Comic-Literaturwissenschaftler auftauchte und uns erklärt hat, dass Rechtschreibung sich verändert und man früher mal “Thier” statt “Tier” geschrieben hat. Aus irgendeinem Grund fand ich das unendlich faszinierend. Danach wollte ich aber relativ lange Astronaut werden. Dann Astronom (als eine gewisse Erkenntnis in Bezug auf die Erfolgschancen einsetzte). Und dann Biophysiker. Und irgendwann war klar, dass das Thema gar nicht so wichtig ist, solange ich nur immer weiter “Warum?” fragen darf. Wobei inzwischen auch “Wie?” und “Häh?” dazugekommen sind.

Ich stecke gerade mitten im Umbruch: Die letzten zweieinhalb Jahre habe ich an der LMU München in der Entwicklungspsychologie gearbeitet und soziales Lernen und Handlungsverständnis von Babies und Kindergartenkindern erforscht. Diesen Bereich verlasse ich jetzt, um mich meinem neuen Promotionsthema zu widmen: Die Verbesserung von Forschungspraktiken und Methoden in der Psychologie. Sehr "meta" also!
Zur Psychologie kam ich so: Nach meiner Biophysik-Phase in der Schule gab es einen längeren Flirt mit Molekularbiologie, nach dem ich schließlich irgendwie durch meine Faszination für das menschliche Gehirn bei der Psychologie gelandet bin.
Als überzeugte Naturwissenschaftlerin stand ich der Psychologie anfangs etwas skeptisch gegenüber. Ist das nicht eine halbe Geisteswissenschaft? Ist das nicht alles “weich”, was die machen? Kann man da überhaupt harte Fakten herausfinden? Keiner dieser Vorbehalte hat das erste Semester überlebt. Ich bin inzwischen der Meinung, dass das Fach in gewisser Weise noch “härter” ist als Biologie: Denn die wenigsten Dinge, die wir Psychologen messen wollen, lassen sich wiegen oder auszählen. Wir müssen deswegen Instrumente entwickeln, um all die unsichtbaren Variablen, die wir untersuchen -- Intelligenz, Gewissenhaftigkeit, Empathie, Überraschung… -- dingfest zu machen. Und das ist verflucht schwer! 

Noch schwerer ist das, wenn die Versuchsperson, die man vor sich hat, keinen Fragebogen ausfüllen und mir nicht sagen kann, was ihr gerade durch den Kopf geht. Babies zum Bespiel haben diese unpraktische Eigenart. Das hat mich gereizt: Wie können wir herausfinden, was Kinder wissen oder verstehen, bevor sie es uns sagen können? Da muss man ganz schön einfallsreich sein. Diese Herausforderung hat mich schließlich zur Entwicklungspsychologie gebracht. 

In meinem Masterstudium an der Uni Glasgow hatten wir ein Seminar, in dem es um die Replikationskrise in der Psychologie ging. Ich hatte davon vorher noch nie etwas gehört: 2011 führten zwei neue Artikel zu der Einsicht, dass unsere bisherigen Standards für die Durchführung und den Bericht von psychologischen Studien zu niedrig waren - so niedrig, dass sie vermutlich zu einer beängstigend hohen Anzahl falsch positiver Befunde geführt hatten. Diesen Verdacht haben seit dem einige groß angelegte Replikationsprojekte bestätigt: Zum Beispiel wurden 2015 die Ergebnisse eines Projekts veröffentlicht, in dem 100 Studien aus dem Jahr 2008 (publiziert in den höchstangesehenen Psychologiefachzeitschriften) repliziert, d.h. von anderen Forschern so genau wie möglich wiederholt wurden. Nur 36 dieser 100 Replikationen kamen zum selben Ergebnis wie die Originalstudie! 
Viele psychologische Befunde, die wir für gesichert gehalten hatten, sind uns in den letzten Jahren geradezu um die Ohren geflogen. Eine beängstigende Zeit auf der einen Seite, aber auch unheimlich aufregend auf der anderen - denn jetzt geht es darum, unsere Methoden zu verbessern und wieder auf den richtigen Weg zu kommen.
Dieses Thema - wie wir unsere Forschung transparenter, reproduzierbarer, nachhaltiger gestalten können; ich fasse es unter dem Begriff "Open Science" zusammen - hat mich seitdem nie mehr losgelassen. Schließlich liegt es all unseren Forschungsbemühungen zugrunde! Trotz großer Fortschritte in den letzten Jahren haben wir noch einen langen Weg vor uns, und ich will in den nächsten Jahren in meiner Promotion untersuchen, wie wir diesen Wandel so effektiv wie möglich gestalten können.



Annes derzeitiges Twitter-Profilbild, nach einer Zeichnung von @realsci_DE Admin @fMRI_guy
Wie ich gerade schon erzählt habe, ist "meine Arbeit" gerade ein bisschen schwierig zu definieren, weil ich mitten im Umbruch stecke - meine längste Erfahrung bezieht sich auf die Entwicklungspsychologie, aber aktuell beschäftige ich mich schon mit meinem neuen Meta-Thema. In meiner bisherigen Arbeit habe ich hauptsächlich das soziale Lernen im Säuglings- und Kleinkindalter untersucht: Wie lernen Kinder von anderen? Den ganzen Tag über beobachten unsere Kinder uns dabei, wie wir alles mögliche tun. Und wir wollen ihnen manche Dinge beibringen und andere nicht unbedingt. Berücksichtigen Kinder das in ihrem Lernverhalten? Lesen sie aus unseren Gesten, Blicken und Äußerungen, welchen Dingen sie Aufmerksamkeit schenken sollten? Wenn ja, warum und was genau ist es, das ihre Aufmerksamkeit lenkt? Oder lernen Kinder eher aus Handlungseffekten? Geht es also eher um das, was nach einer Handlung passiert?
Solche und ähnliche Fragen werden in Laborexperimenten erforscht. Zum Beispiel zeigen wir einem Kind ein unbekanntes Spielzeug, an dem man verschiedene Handgriffe durchführen kann. Dann wird dem Kind eine Handlung vorgemacht, die einen Effekt hat, und eine andere Handlung ohne Effekt. Und dann überlassen wir das Spielzeug dem Kind und beobachten, welche der vorgemachten Handlungen es nachmacht. In habe in den letzten Jahren also sehr vielen Kindern gegenüber gesessen und sehr viel Erfahrung im Spielzeugherstellungsgeschäft sammeln dürfen.
Mein neues Open-Science-Projekt geht in eine ganz andere Richtung - meine Untersuchungssubjekte sind jetzt nicht mehr kleine Menschen in Dinosaurierpullis, sondern andere Wissenschaftler und ihre Studien (es ist natürlich nicht auszuschließen, dass manche davon auch Dinosaurierpullis tragen). Dafür werde ich vor allem auf publizierte Artikel und online bereitgestellte Informationen zugreifen und zum Beispiel untersuchen, ob in den letzten Jahren neu entwickelte Standards tatsächlich dazu führen, dass die Qualität von veröffentlichten Studien steigt. Eine große Herausforderung ist dabei natürlich die Frage, wie man diese "Qualität" misst, ohne mehrere Jahrzehnte in die Zukunft zu springen und zu schauen, ob die publizierten Befunde sich wirklich bewährt haben! Aber es gibt verschiedene Indikatoren, die man sich zunutze machen kann, und auch darüber werde ich in meiner Real-Scientists-Woche twittern.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Für Entwicklungspsychologie: Weil Babys total süß sind, wenn sie nachdenken! Spaß beiseite - Entwicklungspsychologie dreht sich im Kern um sehr existenzielle Fragen: Was macht den Mensch zum Mensch? Welche Fähigkeiten sind angeboren und welche erlernt? Und wenn etwas erlernt ist, WIE wird es gelernt? Diese Forschung kann uns zum einen ein besseres Bild davon geben, wer wir eigentlich sind, aber zum anderen hilft sie auch dabei, Entwicklungsstörungen zu verstehen und zu behandeln (oder gar zu verhindern!), oder herauszufinden, wie wir Kinder am besten fördern können.
Für Open Science: Weil die Öffentlichkeit den allergrößten Teil der durchgeführten Forschung finanziert! Wissenschaft ist für das Volk da. Forschung, die nicht replizierbar ist,  ist Steuergeldverschwendung. Deswegen ist es im Interesse aller, dass wir so effizient wie möglich forschen. Und wie das am besten geht, müssen wir immer wieder überprüfen.

Das Thema "verbesserte Forschungspraktiken" treibt mich schon lange um und ich beteilige mich deshalb im großartigen Open-Science-Komitee der LMU (https://osf.io/mgwk8/). Dort besprechen wir neue Entwicklungen auf diesem Gebiet, um dieses Wissen am ganzen Department verbreiten zu können, und überlegen, wie wir unsere Forschungs- und auch Lehrmethoden effektiv verbessern können. Im November war ich zum ersten Mal aktiv an einem Workshop des OSCs ("C" für das englische "committee") beteiligt (also als Mit-Lehrende), und werde dieses Jahr in verschiedenen Kontexten noch ein paar weitere Open-Science-Workshops abhalten.
Außerdem blogge ich seit Neuestem zusammen mit meinen drei großartigen Kollegen Julia Rohrer (@dingding_peng) - jedem @realscientists_DE-Follower natürlich längst ein Begriff -, Ruben Arslan (@_r_c_a) und Malte Elson (@maltoesermalte) auf http://the100.ci!

Die wichtigsten Themen in meiner Freizeit sind Sport und Musik - ob das jetzt interessant ist, weiß ich nicht  Ich gehe gerne laufen und liebe meine Rennräder über alles, und früher habe ich sehr lange Hockey gespielt. Ab und an kann man mich außerdem beim Auflegen erwischen (ich lege aber nur die Musik anderer Menschen auf, nicht meine eigene).

Wie sieht dein idealer freier Tag aus?
Zuallererst mal: Ausschlafen! Und zwar SEHR lange, weil ich am Abend vorher vermutlich bis in die Puppen auf war. Dann gibts einen richtig schönen Kaffee, eine Joggingrunde im schönsten Frühlingswetter an der Isar, und nachmittags einen spannenden Vortrag an der Uni mit einer lebendigen Diskussion im Anschluss. Zwischendurch schraube ich ein bisschen an ein paar Datensimulationen herum (ja, ich bin ein Nerd!) und abends gehts zum Tanzen auf eine gute (!) Indieparty.

Bitte heißt Anne ganz herzlich bei Real Scientists DE willkommen!

Monday, March 20, 2017

Vom Chemiebaukasten zur Kernresonanzspektroskopie - Volker Göbbels ist jetzt bei Real Scientists DE!


Wir freuen uns saumäßig, unseren neuen Kurator begrüßen zu dürfen: Volker Göbbels (@VolkerGoebbels), von Haus aus promovierter Chemiker, Material Sciences, Theoretische Chemie, Kernresonanzspektroskopie, und tätig als Manager of Software Engineering bei Chegg.com. Studiert hat Volker am Institut für Makromolekulare Chemie an der RWTH Aachen.

Hier ist Volker in seinen eigenen Worten über sich und seine Arbeit:

Seit ich ein Teenager bin, war ich von Chemie fasziniert. Ich bekam Chemiebaukästen geschenkt, habe die Experimentierbücher von Römpp und Raaf durchgearbeitet und ich besaß ein komplettes Kellerlabor in unserem Haus.
Jede Woche fuhr mein Vater mit mir nach Aachen zum Orgelunterricht. Danach folgte meist ein Abstecher ins Laborbedarfsgeschät. Dort kennt man mich heute noch, nach so vielen Jahren, mit Namen ;)
Manche Chemikalien bekam ich bei unserem Dorfapotheker. Der ist heute einer meiner persönlichen Freunde. Ich stand mit 16 im Giftbuch, weil ich 2.5 Gramm Sublimat (Quecksilberchlorid) für die Zubereitung einer Färbelösung benötigte.
Ich bin wahrscheinlich der einzige Teenager gewesen, der bei Fluka, einem Chemikaliengroßhändler, Säuren im Litergebinde eingekauft hat.
Dann war es irgendwie folgerichtig, in Aachen Chemie zu studieren. Bis zur Diplomzeit das übliche "Naßchemiestudium" und in der Diplomarbeit Theoretische Chemie. Weil sich mit der Zeit die Arbeit mit Computern und deren Programmierung zu einem zweiten Hobby ausgeweitet hatten. Zur Promotion habe ich dann noch mal den Lehrstuhl gewechselt, was zu gewissen politischen Verstimmungen innerhalb des Professorenkollegiums geführt hat.
Ich habe eine Vorlesung meines späteren Diplombetreuers über die Theorie der Kernresonanzspektroskopie gehört. Wir waren lediglich zu zweit. Irgendwann hab ich den Professor dann nach einer Vorlesung gefragt, ob ich mit ihm über eine Diplomarbeit reden könnte und er bot mir eine Arbeit zur Kernresonanzspektroskopie an. Das war genau das, was ich machen wollte.
Leider hat mich dann nach der Promotion nichts mehr in der Wissenschaft halten können, weil einfach kein Geld zur Verfügung stand. Und bei einem Chemieunternehmen wollte ich nicht arbeiten. Also habe ich mein zweites Standbein zum Beruf gemacht.
Ich habe im meiner Promotion untersucht, wie man mittels Kernresonanz das Strömen von Flüssigkeiten in porösen Medien untersuchen kann. Eine spezielle Anwendung davon ist die Einstellung des Arbeitsdrucks von Dialysemodulen. Das wurde früher mit radioaktiven Tracern gemacht. Nun kann man das, zumindest theoretisch, mit Kernresonanzspektroskopie machen.

Die meisten Menschen kommen mit Kernresonanzspektroskopie nur in Berührung, wenn sie in einem Tomographen untersucht werden. Daß man damit auch Materialien untersuchen kann, wissen die wenigsten. Man kann feststellen, ob Gesteinsschichten bewegliches Erdöl oder Wasser enthalten, indem man ein Meßgerät in ein Bohrloch fallen läßt. Man kann feststellen, warum ein bestimmter Autoreifentyp immer Brüche an einer bestimmten Stelle bekommt. Oder man kann in der Wirbelsäule die Beweglichkeit von Flüssigkeit in den Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben) abbilden.

Wie viele Chemiker koche ich gern. Und ich backe Brot. Und ich versuche gerade, einen Podcast auf den Weg zu bekommen, in dem es um die Geschichte der Chemie seit der Alchemie geht. Da gibt es sehr skurrile Geschichten.

Mein perfekter Tag? 
Ich schlafe meist relativ lange (ich bin wohl vom Chronotyp 3, den "Eulen"). Dann frühstücke ich ausgiebig und lese. Wenn es ein wirklich perfekter Tag ist, ist es Sommer und ich kann auf der Terrasse sitzen. Vielleicht gehe ich dann abends mit meiner Frau noch etwas Essen. Das war es eigentlich schon. :)


Bitte heißt Volker ganz herzlich bei Real Scientists DE willkommen!

Sunday, March 12, 2017

Für ein besseres Immunsystem - Antje Schulte ist jetzt bei Real Scientists DE!



Wir freuen uns sehr über unsere neue Kuratorin Antje Schulte (@amiasmatics)! Antje ist Biologin und Kooperationsmanagerin bei der Siemens Healthcare GmbH. Sie beschäftigt sich damit, wie wir mit Hilfe von moderner Technologie mehr über unser Immunsystem erfahren können, um Krankheiten verschiedener Art besser zu bekämpfen.

Hier ist Antje in ihren eigenen Worten: 


Ich wollte Wissenschaftlerin werden, seit ich als Kind Raumschiff Enterprise gucken durfte (17:50 auf ZDF). Spock war mein großes Vorbild. Biologie hat mich besonders interessiert, weil ich wissen wollte, wie die lebendige Welt funktioniert.

Ich habe zum Thema "Zentrale Toleranz in der Immunologie" promoviert, weil mich Rätsel immer fasziniert haben und mir dieser Bereich komplex und spannend erschien. War es auch! Ich habe viele verschiedene Methoden kennen gelernt und versucht, das Problem aus allen mir möglichen Blickwinkeln zu sehen.
Über diesen Weg bin ich letztlich bei meinem Arbeitgeber gelandet - ich kannte mich mit bildgebenden Verfahren schon gut aus und habe dann zunächst bei Siemens im Bereich präklinische Bildgebung gearbeitet. Nach ein paar Jahren bin ich ins Kooperationsmanagement gewechselt.
Ich sorge dafür, dass unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung und unsere wissenschaftlichen Partner gemeinsame Themen finden und bearbeiten. Wir führen sowohl eher grundlegende Forschung als auch klinische Erprobungen unserer Produkte an Unis und Krankenhäusern durch. Ich sitze an der Schnittstelle zwischen Forschung und Entwicklung und der Wissenschaft. Dazu gehört, dass ich interne Anträge für Forschungsprojekte schreibe, mir Gruppen anschaue, die an interessanten Projekten arbeiten, und sie zur Zusammenarbeit zu bewegen versuche, und die gesamte Abwicklung des Projekts. Das ist spannend, weil es sehr divers ist und ich ganz nah an der Entwicklung bin.

Also, für meine wissenschaftliche Arbeit sollte sich jeder interessieren, der ein Immunsystem hat. ;-) Das Immunsystem ist unsere scharfe Waffe gegen Infektionskrankheiten und Tumore, und es ist erstaunlich, dass es relativ selten den eigenen Körper angreift. Aber auch das passiert: Autoimmunerkrankungen. Die Hoffnung ist, dass wir irgendwann das Immunsystem gut genug verstehen und es so weit modulieren können, dass wir sowohl Autoimmunerkrankungen behandeln, als auch andere Erkrankungen bekämpfen können.
Meine derzeitige Arbeit beschäftigt sich indirekt mit ähnlichen Themen: Wir stellen nuklearmedizinische Geräte her, mit denen zum Beispiel Tumore, Infektionen, Demenz oder Herzerkrankungen nachgewiesen werden können. Mit unseren Geräten hat fast jeder im Laufe des Lebens mal zu tun.
Mein Arbeitsbereich ist ziemlich weit gefasst, deshalb kann ich gar nicht von zusätzlichen Aufgaben sprechen. Wir sind eine kleine Gruppe und deshalb flexibel, wir können füreinander einspringen.

Ich fotografiere wahnsinnig gern und habe ein Canon MP-E 65/2.8 Lupenobjektiv, mit dem ich sehr gern alles fotografiere, was lebt. Springspinnen haben es mir besonders angetan.

Mein idealer freier Tag? Blaubeeren und Kaffee zum Frühstück, dann eine mehrtägige Wanderung in Norwegen. :-)

Bitte heißt Antje ganz herzlich bei Real Scientists DE willkommen!

Sunday, March 5, 2017

Schlaf und Gesundheit - Lars Dittrich ist jetzt bei Real Scientists DE!


Es freut uns sehr, euch unseren neuen Kurator vorzustellen: Lars Dittrich (@dittrich_lars), Postdoc am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn! Lars hat in Köln Biologie studiert und promovierte über visuelle Kategorisierung in Tauben, im Rahmen der International Graduate School of Neuroscience in Bochum.

Hier ist Lars in seinen eigenen Worten:


Ich wollte mich im Studium möglichst die ganze Zeit mit etwas beschäftigen, das ich spannend finde. Deswegen habe ich das Fach Biologie gewählt. Das habe ich nie bereut. Von da an bin ich immer in die Richtung weitergegangen, wo mich meine Fragen hingetrieben haben. Weil immer neue Fragen dazugekommen sind, wollte ich in der Wissenschaft bleiben. Da darf ich mich nicht nur ausgiebig mit Fragen beschäftigen, die mich interessieren, ich werde auch noch dafür bezahlt. Ist doch geil!


Mäuse müssen genauso schlafen wie Lars


Ich wollte schon früh Neurowissenschaft machen, weil die einfach umwerfend interessant und fesselnd ist. Als Student habe ich versucht, so breit wie möglich über alle Neuro-Themen zu lernen. Gegen Ende meiner Doktorarbeit im Bereich visuelle Wahrnehmung/Kognition bei Vögeln hat mir gedämmert, dass der Postdoc meine letzte Chance ist, meinen Schwerpunkt noch einmal zu ändern, wenn ich dass denn wollte. Also habe ich ein paar Wochen darüber nachgedacht, was das interessanteste der interessanten Themen innerhalb der Neurowissenschaft wäre. Eins, dem ich mit Freude meine Karriere widmen kann. Das Ergebnis war: Schlaf! Megaspannend! In Deutschland gab es leider keine Möglichkeit, Schlaf-Grundlagenforschung zu lernen (es gibt gute Schlaf-Gedächtnisforschung, aber das war nicht die Richtung, die mir vorschwebte). Ich hatte das Glück, ein Schlaflabor in Kalifornien zu finden, das mich entsprechend ausgebildet hat. Noch größeres Glück: meine deutsche Freundin fand eine ebenfalls super Postdoc Stelle im Institut nebenan. Vier oberknüller-Jahre am Puls der Schlafforschung unter kalifornischer Sonne! Weil wir beide irgendwann wieder zurück nach Deutschland wollten, untersuche ich jetzt in einem zweiten Postdoc, welche Funktion Schlaf für die Hirngesundheit hat. Es verdichten sich nämlich Hinweise, dass gesunder Schlaf neurodegenerativen Prozessen entgegenwirkt, wie sie z.B. bei Alzheimer eine Rolle spielen. Dafür habe ich wieder ein super Institut gefunden. Hier bin ich der Schlafexperte (das ist ein lustiges Gefühl) und kann gleichzeitig alles über neurodegenerative Erkrankungen lernen, was es heute zu wissen gibt. 

Eine der abgefahrensten schlafbezogenen Krankheiten ist die tödliche familiäre Schlaflosigkeit (FFI, für fatal familial insomnia). Das ist eine sehr seltene Erbkrankheit. Patienten führen ein ganz normales Leben und wissen oft gar nicht, dass sie das haben. Irgendwann im mittleren Alter, so 40-50, entwickeln sie schlagartig enorme Schlafprobleme. Das geht schnell so weit, dass sie überhaupt gar nicht mehr schlafen können (zumindest in ihrer subjektiven Wahrnehmung - wissenschaftlich ist ja immer alles ein bisschen komplizierter). Entsprechend schnell bauen sie ab. Innerhalb von etwa einem Jahr fallen sie ins Koma und sterben.
Mein Chef ist Molekularbiologie und hat eine Maus gezüchtet, die die gleiche Mutation trägt wie Menschen mit FFI. Ich untersuche jetzt, wie die Mutation das Schlafverhalten der Maus ändert.
FFI ist eine Mutation des Gens für das Prionprotein, das z.B. auch bei Rinderwahnsinn (BSE) eine Rolle spielt. Das Projekt ist deswegen gleichermaßen spannend für Leute, die an neurodegenerative Erkrankungen forschen, wie für Leute, die verstehen wollen, wie Schlaf funktioniert. Perfekt für mich. 


Meine Arbeit ist in erster Linie Grundlagenforschung. Ich will verstehen, wie Sachen funktionieren. Wir alle müssen schlafen. Jeden Tag. Wir alle wissen, wie es sich anfühlt, wenn man nicht ausreichend geschlafen hat. Aber warum ist das so?! Wie funktioniert das?! Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, wie sich irgendjemand NICHT dafür interessieren kann. Aber wem das nicht reicht, dem sei gesagt, dass Schlaf eine sehr wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielt. Vermurkster Schlaf erhöht das Risiko für alle möglichen Krankheiten, einschließlich Krebs und Alzheimer. Jeder Dritte kann nicht so schlafen, wie er das gerne hätte. Unsere Möglichkeiten da zu helfen, sind bescheiden (Schlafmittel sind langfristig nix, Verhaltenstherapien helfen, aber könnten besser sein). Außerdem wüssten aktive Menschen gerne, wie viel Schlaf denn unbedingt sein muss und was genau passiert, wenn man denn weniger kriegt. Vielleicht wüssten sie auch gerne, was man machen kann, um mit weniger Schlaf auszukommen und trotzdem gesund zu bleiben. Um hier mit Rat und Tat (sinnvoll) zur Seite stehen zu können, müssen wir zuerst die Grundlagen verstehen. Ohne Grundlagenwissen keine richtigen Antworten und keine Ansatzpunkte für Therapien oder Medikamente.

Ich bin ehrenamtlich in einer Tierschutzkommission tätig. Da werden beantragte Tierversuche genau unter die Lupe genommen. Wenn Tiere schon für die Wissenschaft geopfert werden müssen, dann bitte mit so wenig Beeinträchtigungen für die Tiere wie möglich, und nur so, dass auch ganz klar ein wissenschaftlicher Nutzen entsteht. Wir prüfen dann z.B., ob die Wissenschaftler auch die Methoden benutzen, die am wenigsten Schmerzen für die Tiere bedeuten, oder ob man die Fragestellung nicht sogar ganz ohne Tiere beantworten könnte. Auch ob vorher durchgerechnet wurde, wie viele Tiere man für diesen Versuch wirklich benötigt. Mehr als nötig werden nicht bewilligt. Weniger als nötig aber auch nicht. Wenn ein Tierversuch statistisch „underpowert“ ist, dann weiß man nachher genauso wenig wie vorher, und die Tiere sind umsonst gestorben. Sowas würden wir dem Antragsteller um die Ohren hauen. In so einer Kommission sitzen Wissenschaftler und Tierschützer gemeinsam. Unser Ergebnis wird als Ratschlag an die zuständige Behörde übermittelt, die dann über den Antrag entscheidet.

Wenn ich Zeit finde, mache ich Wissenschaftskommunikation für interessierte Laien. Ich habe ein paar Erklär-Videos auf Youtube (Kanal: Lars und die Welt) und gerade eine öffentliche Facebookseite angefangen (facebook.com/LarsUndDieWelt).
Außerdem bin ich bei Pro-Test-Deutschland e.V. aktiv. Das ist ein gemeinnütziger Verein, hauptsächlich von jungen Wissenschaftlern. Wir erklären aus unserer Perspektive, warum wir die Tierversuche, die wir machen, für notwendig und ethisch gerechtfertigt halten. Das machen wir über unsere Homepage, soziale Medien und öffentliche Veranstaltungen, z.B. Diskussionsrunden oder Stände in Fußgängerzonen. 
Ich halte mich fit mit Brazilian Jiu-Jitsu. Großartiger Sport!

Wie sieht dein idealer freier Tag aus?
Mit meiner Lebensgefährtin und unserem einjährigen Sohn. Wir gehen z.B. in den Zoo oder einfach spazieren. Ich freue mich schon darauf, dass es bald wärmer wird, weil er jetzt langsam alt genug für den Spielplatz ist.



Bitte heißt Lars ganz herzlich bei Real Scientists DE willkommen!