Friday, June 7, 2019

Komparatistik - Solvejg Nitzke ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch Solvejg Nitzke (@NitzkeSolvejg) als unsere neue Kuratorin vorstellen zu dürfen! Dr. Solvejg Nitzke studierte Germanistik und Komparatistik (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft) in Bochum, Växjö (Schweden) und Charlottesville (USA). Sie ist seit Nov 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin (Open Topic Postdoc Position) an der TU Dresden. Zuvor war sie Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Zeit des Klimas“ an der Universität Wien. 2015 promovierte sie mit einer Arbeit über die Produktion von Wissen und Katastrophe an der Ruhr-Universität Bochum. Ihr aktuelles Forschungsprojekt „Prekäre Natur. Schauplätze ökologischen Erzählens“ untersucht die Reflexion und Produktion von Umwelt in populären Diskursen zwischen 1840 und 1915.

Academia: https://dresden.academia.edu/SolvejgNitzke
Uni-Seite: https://tu-dresden.de/gsw/slk/germanistik/mwndl/die-professur/beschaeftigte/dr-solvejg-nitzke

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Manchmal habe ich das Gefühl, ich wollte da schon immer hin. Es war jedenfalls kein Zufall, aber definitiv Glück. Das Glück bestand darin, dass schon in meinem Studium an der Ruhr-Uni Bochum ein tolles Klima herrschte und ich beinahe sofort tolle Kommiliton*innen gefunden habe. Mit denen war dann ein beinahe altmodisches Leben in der Blase möglich v.a. als es dann ins heilige Hilfskraftbüro der Komparatistik (Allgemeine u. Vergleichende Literaturwissenschaft ging). Das war eine Blase, weil wir uns jeden Tag (den ganzen Tag und abends auch noch) mit ‚unseren‘ Texten beschäftigen konnten und wollten und über Literatur, Filme, Trash, Horror, Theorie, Texte schreiben, lesen, setzen…geredet haben, als gäbe es nichts Wichtigeres. Egal welche Idee wir da vorbrachten, so lange sie begründet und recherchiert war, wurde sie in Bochum (auch in der Germanistik) von den Lehrenden unterstützt. Verloren für die Außenwelt war ich dann, als ich durch den Tipp von Uwe Lindemann auf das Tunguska-Ereignis gekommen bin und beschlossen habe, meine Diss. darüber zu schreiben (sein Kommentar irgendwann: „Das machst Du jetzt im Ernst!??“, aber er unterstützt mich bis heute). Auch wenn das Landen in der Wissenschaft manchmal härter war, als ich das aus meiner Bochumer Blase erwartet hätte, zu solchen Dingen forschen zu können, wird mich noch eine Weile bei der Stange halten.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich habe damals angefangen Komparatistik zu studieren, weil ich dachte, das käme einem „Studium Generale“ von allen Fächern am nächsten. Das sehe ich immer noch so. Es gibt so viele Forschungsrichtungen, wie es Texte gibt und man ist nicht mal an Dinge gebunden, die es „wirklich“ gibt. Darin steckt unheimlich viel Freiheit: Anhand des Tunguska-Ereignisses und der Mythen und Verschwörungstheorien, die sich darum ranken (einfach googeln, der Wikipedia-Artikel ist super), habe ich dann angefangen, zu untersuchen, wie Wissen eigentlich zu Stande kommt und was passiert, wenn die gewohnten Wege der Wissensbildung scheitern. Die Katastrophen und Weltuntergangszenarien, die mit diesem „Rätsel“ zusammenhängen haben mich dann Stück für Stück der „prekären Natur“, meinem aktuellen Thema, näher gebracht.

Dass es sich bei meiner Arbeit oft nicht im engsten Sinne um Literaturwissenschaft und/oder Germanistik handelt hat mich nie gestört, im Gegenteil. Ich glaube nicht an Literatur als Phänomen im luftleeren Raum. Was ich viel spannender finde, ist, wie Erzählungen dazu beitragen, die (Um-)Welten zu produzieren, in denen wir leben. Was mich also im Schwellenraum zwischen Geistes- und Naturwissenschaft hält – z.B. Katastrophen, Klima, Science Fiction, Dorf, Pflanzen, Erzählte Ökologie... – ist nicht nur die Aktualität der Themen, sondern die Frage nach der Rolle des Erzählens in einem ganz breiten Sinne.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Gerade arbeite ich im Rahmen einer sogenannten „Open Topic Postdoc Postition“ daran, mein Projekt zur „Prekären Natur“ auch langfristig auf feste Füße zu stellen. Die Stelle hat also keine vorgefassten Aufgaben, sondern soll ein Sprungbrett sein, um ein eigenes Projekt zu entwickeln und (wer hätte es geahnt) Drittmittel dazu einzuwerben. Den Antrag habe ich vor kurzem eingereicht und darin geht es um die Frage, wie Ökologie zwischen 1840 und 1915 zu dem einflussreichen Denk- und Erzählmodell wird, dass sie heute ist. Dafür schaue ich mir Dorfgeschichten, kulturkritische Texte und populärwissenschaftliche Abhandlungen daraufhin an, inwiefern sie bestimmte Erzähltechniken und Narrative nutzen, um (proto-)ökologisches Wissen nutzbar zu machen und zu popularisieren. In der Wartezeit bis das Projekt bewilligt wird (Optimismus!) kann ich wieder schamlos in anderen, verwandten Feldern wildern und aktuellere Texte dazu nehmen. Z.B. arbeite ich gerade viel im Rahmen der Literary and Cultural Plant Studies (https://plants.sites.arizona.edu/). Das ist v.a. deswegen toll, weil ich noch nie so viel und so produktiv in Kollaboration gearbeitet habe (manchmal wird es bei uns im Fach etwas einsam am Schreibtisch). Mein Spezialgebiet hier sind Bäume – dazu unterrichte ich gerade mit meiner Dresdner Kollegin Elisabeth Heyne ein Seminar und mit zwei Bochumer Kolleginnen (Simone Sauer-Kretschmer und Stephanie Heimgartner) arbeite ich an einem Sammelband. Ansonsten geht es um Idyllen, Heimat und Aussteiger, aber davon erzähle ich dann auf Twitter mehr.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wenn wir nicht verstehen, wie Wissen zu Stande kommt, welchen Status die Texte haben, die wir lesen und die Geschichten die wir hören und auf so unterschiedliche Weise rezipieren, laufen wir Gefahr unwillentlich und unwissentlich manipuliert zu werden. Nicht etwa, weil irgendwer verschwörerisch im Geheimen Pläne schmiedet, um uns zu kontrollieren, sondern – und das ist mir wichtig – weil wir dann außer Acht lassen, dass sich „Wirklichkeit“ nicht auf simple Gegenüberstellungen reduzieren lässt. Meine Arbeit ist eine, die Erzählungen „de-naturalisiert“, d.h. ich arbeite mit daran, Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit (z.B. in Bezug auf ‚Heimat‘) in Zweifel zu ziehen. Diese Arbeit ist deswegen für die meisten von uns interessant, weil sie das Potenzial hat (Entscheidungs-)Freiräume zu schaffen. Freiräume, die erlauben, sich zu positionieren, aber eben auch an der Wirklichkeit mitzuarbeiten und sie kreativ zu gestalten, anstatt sie nur hinzunehmen (oder eben darüber zu streiten, was sie überhaupt ist). Abgesehen davon, sitze ich einfach an ziemlich abgefahrenen Themen…

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Leider nicht so viele, wie ich gern hätte und ich kann sie kaum trennen, von dem, was ich sonst so tue. Aber es gibt ein paar: erstens habe ich eine Familie hier in Dresden. Meine kleine Tochter ist die beste Fragenstellerin überhaupt und hat mich hoffentlich gut trainiert, um von meiner Forschung zu erzählen. Ich moderiere außerdem immer mal wieder literarische Veranstaltungen im Hygiene-Museum und in der Stadtbibliothek und hab neulich zum ersten Mal als Trainerin gearbeitet. (Letzteres trägt hoffentlich dazu bei, dass ich mich mehr engagieren kann, was die Stellung von Postdocs m/w/d in den Wissenschaften angeht…)

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Hm. Ich singe und sticke und male und fahre gern Fahrrad und ich koche total gern – zählt das?

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Wiese, Fluss, Buch und Schattenplatz unter einem Baum – wahlweise nehme ich auch das Meer und einen Sonnenschirm (Buch ist Pflicht). Fahrradfahren oder Rumlaufen mit dem Kind ist auch ziemlich super. Ansonsten bin ich auch immer für ausgedehnte Museumsbesuche mit Buchhandlungs- und Cafézeit zu haben…

Bitte begrüßt Solvejg ganz herzlich bei Real Scientists DE!

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