Mit großer Vorfreude möchten wir euch unsere neue Kuratorin Doris Aschenbrenner (@aschenbrennerin) vorstellen! Doris ist Assistenzprofessorin an der TU Delft. Ihr Forschungsinteresse liegt hauptsächlich darin, nachhaltige Beschäftigung in der "vierten industriellen Revolution" zu schaffen. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit "Mensch-Roboter-Koproduktion" und damit, das Hybridsystem aus Arbeiter ("operator 4.0") und Automations-/Robotersystems im Hinblick auf Arbeiterwohlergehen und Systemleistung zu optimieren.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?Ich hab schon in der Schule bei Jugend Forscht mitgemacht weil ich es total spannend fand neue Dinge herauszufinden und vor allem zu bauen. Wir haben dabei zum Beispiel einen semantischen Chatbot gebaut, einen Verschlüsselungsalgorithmus und über mehrere Jahre unseren ersten selbst gebauten Roboter weiter entwickelt. Ich habe in der Uni auch schon lange am Lehrstuhl gearbeitet, daher war der Wechsel in die Forschung mehr oder weniger logisch (vermutlich hätte ich damals länger darüber nachdenken sollen wo ich promovieren will und worüber genau anstatt einfach irgendwie weiter zu machen). Ich habe an einem außeruniversitären Institut sehr industrienah promoviert, was zwar viele Vorteile hat, für eine reine wissenschaftliche Karriere vielleicht aber nicht die beste Wahl ist. Für mich kam die "große Frage" ehrlich gesagt erst nach der Promotion - in meinem Feld gibt es sehr gute Angebote aus der Industrie, und außerdem hatte ich mit anderen damals zusammen unsere Firma Awesome Technologies gegründet. Ich habe mir die "Bedenkzeit" mit einem Auslandsstipendium des DAAD an der TU Delft überbrückt (früher Fit weltweit, jetzt IFI - sehr empfehlenswert, ich nehme auch immer gern Leute aus diesem Programm). Joa. Und das war dann irgendwie Liebe auf den ersten Blick.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Roboter fand ich schon immer super spannend, das war schon vor dem Studium klar. Was ich während meiner Promotion in Zusammenarbeit mit den beteiligten Firmen P&G und KUKA Industries gemerkt habe, ist dass es nicht nur um die Technologie allein geht - sondern wie die Menschen mit ihr umgehen und wie die Organisation die Innovationen unterstützt. Das führte mich zwar etwas weg von den "Hardcore" Technik Problemen, ist aber ein Thema, welches mich absolut begeistert: Wie soll die Zukunft der Arbeit in der Industrie aussehen wenn wir mit intelligenten Robotern noch enger als vorher zusammenarbeiten? Was brauchen wir dafür, wie können wir das so realisieren, dass der Mensch nicht der Befehlsempfänger des intelligenten Systems ist oder anderweitig ausgebootet wird? Es gibt wenig Leute, die dieses Thema wirklich interdisziplinär angehen, obwohl wir genau diesen Ansatz für eine langfristig wirksame "vierte industrielle Revolution" brauchen.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Mein Team und ich beschäftigen uns damit, wie wir den Arbeiter bzw. die Arbeiterin der Zukunft besser bei seiner oder ihrer Arbeit unterstützen können. Wir nennen das "Operator 4.0" - hier wird ein "Augmentation Layer" zwischen dem immer komplizierter werdenden Produktionssystem und dem arbeitendem Mensch gebaut. Konkret beschäftigen wir uns mit der Realisierung von Automatisierungspotentialen, die jetzt mit neuer Technologie wie zum Beispiel kollaborativen Robotern möglich ist und wie man die Zusammenarbeit zwischen Arbeitenden und Roboter zum Beispiel mit Augmented Reality unterstützen können. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir uns anschauen, ob der Mensch die zukünftigen Aktivitäten des Roboters besser voraussagen kann, wenn er oder sie eine AR-Brille aufgesetzt hat, auf dem die zukünftigen Aktionen angedeutet werden - oder ob ihn oder sie das eher störend von der Arbeit abhält.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Wir sind mitten in diesem Digitalisierungsschub, der an vielen Orten als "vierte industrielle Revolution" bezeichnet wird. Zusätzlich ist natürlich auch allerorts von "künstlicher Intelligenz" die Rede. Oh und da ist auch noch Corona - plötzlich muss so einiges über digitale Kommunikation gehen, was man vorher "face2face" gemacht hat. Kurz gesagt: es passiert gerade technologisch sehr viel und sehr schnell und das beeinflusst substantiell die Art wie wir arbeiten. In die Zukunft projiziert wird es gerade in der industrielle Produktion viel verändern - dort gibt es bereits viele neue technologische Lösungen. Es gibt einige Menschen die postulieren, dass bald alles digitalisiert wird und von autonomen Systemen übernommen wird. Ich unterstütze diese Denkrichtung nicht und glaube dass wir auch in Zukunft auf menschliche Arbeit angewiesen sind. Wenn Technik unser Lebensumfeld verändert müssen wir allerdings uns auch immer anschauen, was das mit dem Betroffenen macht - Veränderungen oder "Revolutionen" passieren eben nicht, weil es Werkzeuge gibt, sondern weil Menschen diese benutzen und ihr Verhalten ändern. Das nennen wir sozio-technisches System. Letztendlich geht es ja um die Frage, wie die Zukunft unserer Arbeit aussehen soll - und anstatt es "passieren zu lassen", müssen wir es gestalten - und zwar bitte so, dass es dem Menschen und nicht nur rein dem Profit nützt.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Die TU Delft hat die oben geschilderten gesellschaftlichen Entwicklungen erkannt und ein "Vision Team Robotics" aufgesetzt, bei dem ich die Arbeitsgruppe "Robots@Work" koordinieren darf. Die TU Delft gibt mir weiterhin die Möglichkeit, dass ich mich in unsere "Fieldlabs" einbringen darf. Wir haben eine Art Forschungsfabrik, die SAM XL heißt und hier koordiniere ich den Bereich AR/VR. Weiterhin gibt es das "Center of Design of Agile Manufacturing" und das "Ultra Personalized Products and Services Fieldlab", in denen ich beidesmal den Bereich "Human-Robot Coproduction" vertreten darf. Über die TU Delft hinaus bin ich natürlich wie jeder Wissenschaftler in den jeweiligen Forschungsverbünden Mitglied, bei mir sind das die IEEE, die ASME und die Gesellschaft für Informatik. In Deutschland sitze ich in einem wissenschaftlichen Beraterkreis im "KI Observatorium" im Arbeitsministerium und ich darf im europäischen Forschungsnetzwerk "EIT Manufacturing" den Bereich "CLC Central", also die Region Deutschland, Niederlande, Belgien, Irland, Dänemark und Polen als "chair" dem so genannten "advisory board" vorsitzen. Oh und ich hab mit anderen kreativen Köpfen unsere tolle Firma "Awesome Technologies" gegründet - ein in Würzburg beheimatetes Technologieunternehmen, welches sich mit computergestützter Zusammenarbeit in der Telemedizin und der industriellen Automatisierung, sowie mit Cobot-Automatisierung beschäftigt.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich bin was Hobbies angeht ein ziemlicher Nerd. Corona-bedingt fallen aktuell Metal-Konzerte und Mittelaltermärkte, sowie Live-Rollenspiel aus, das heißt ich verbringe meine freie Zeit hauptsächlich mit aufwändigen Brettspielen. Die Events des Chaos Computer Clubs sind mittlerweile alle auf reine Online-Veranstaltungen umgezogen, so dass ich mit meinem Würzburger "Nerd2Nerd"-Leuten wieder besser Kontakt halten kann. Eigentlich habe ich noch Singen und Chor als Hobby aber das passt zum Einen aufgrund meiner Arbeitsauslastung aber natürlich auch auch im Kontext Corona gerade nicht mehr rein.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ihr sprecht da einen wunden Punkt an ;) Aktuell würde ich sagen wenn das Wetter gut ist, dann raus und weg vom PC (In den Niederlanden wohne ich direkt am Meer und in Deutschland gehe ich sehr gerne wandern). Ansonsten kann ich gerade ohne Probleme ganze Tage mit Brettspielen verbringen.
Bitte begrüßt Doris ganz herzlich bei Real Scientists DE!
No comments:
Post a Comment