Sunday, December 17, 2017

Sind (Pflanzen-)Namen Schall und Rauch? Norbert Holstein ist jetzt bei Real Scientists DE!

Mit großer Vorfreude möchten wir euch Norbert Holstein (@dr_norb) als unseren neuen Kurator vorstellen! Norbert hat in Potsdam und Mainz Biologie mit den Schwerpunkten Ökologie, Genetik und systematische Botanik studiert und sich dabei unter anderem mit Flussauenökologie und der heimischen Flora beschäftigt. Seine Promotion an der LMU München widmete er der Kürbisgewächsgattung Coccinia (und deren Revidierung). Im Anschluss arbeitete er für zwei Jahre an der Digitalisierung und wissenschaftlichen Auswertung des Herbariums an der Botanischen Staatssammlung in München, bevor es ihn 2014 an die Uni Bonn zog, wo er seither als Postdoc am Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen zu finden ist.


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Da ich von Natur aus recht neugierig bin und mich die biologische Vielfalt fasziniert, konnte ich eigentlich nicht anders als in Forschung zu gehen.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Mich hat schon vor dem Studium die Vielfalt der Lebewesen fasziniert und ich habe mich gefragt wie man die ganzen Arten irgendwie benennt und einordnen kann. Während des Studiums habe ich dann mehrere Exkursionen gemacht und festgestellt, dass ich die Pflanzen wiedererkannt habe und dass man bestimmte Arten immer wieder an vergleichbaren Orten findet. Das Systematisieren und benennen der Pflanzen hat mich also schon im Studium interessiert. Für meine Promotion sollte ich hingegen die Evolution von Geschlechtschromosomen in einer Gruppe aus den Kürbisgewächsen untersuchen (sowas ist selten in Pflanzen), also wo diese in der Gattung vorkommen und die alt das “System” ist. Allerdings hat sich schnell rausgestellt, dass die existieren Artkonzepte nicht stimmen und man die Arten nicht ohne weiteres gesichert bestimmen kann. Das musste also zuerst geklärt werden bevor man sinnvoll über die Evolution forschen kann. Von daher ist mir die Bedeutung vernünftiger taxonomischer Arbeit als Grundlage für alle weitere Forschung erst einmal bewusst geworden.



Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Meine Arbeit ist variabel und ich muss mich vielen Aspekten auseinandersetzen. Das 
Grundlegende in der Taxonomie sind die Erstbeschreibungen von wissenschaftlichen Namen, z.B. von Arten. Diese muss ich in eher verstreuter Literatur zusammensuchen und dann schauen auf welchem Material diese Beschreibungen basieren. Dazu brauche ich Wissen über die Sammler des Materials und der Beschreiber sowie über die Geschichte der Herbarsammlungen (wo ist welche Sammlung mal hinverkauft worden usw.) Diese grundlegenden Dinge sind eher museal und bibliothekarisch. Zum Teil darf man sich auch mit Fremdsprachen rumschlagen, wenn die originale Literatur halt mal nicht auf Deutsch oder Englisch ist, sondern auf Altrussisch, Latein usw. Wenn man dann die Definitionen der Namen zusammen hat, fängt der biologische Teil an: Wie variabel sind die Arten? Welche Merkmale sind zur Bestimmung wichtig? Wie sind die Verwandtschaftsverhältnisse? Dazu brauche Daten aus der genetischen Verwandtschaftsanalyse, Morphologie, Verbreitung, Chromosomen, Ökologie usw. Je nachdem was verfügbar, möglich und nötig ist, muss ich diese Dinge zusammentragen oder selbst erarbeiten, um dann eine Synthese zu basteln, die dann in einer Artbeschreibung (entweder neu oder revidiert für bereits beschriebene Arten) mündet.
Aktuell habe ich mich v.a. mit der Suche der Namen, Publikationen und Belege von denen die Arten beschrieben wurden bei den Haselnüssen und deren Verwandten gekümmert. Ich arbeite aber aktuell auch mit australischen Verwandten von Vergissmeinnichten, einer kleinen Gruppe afrikanischer Springkräuter und untersuche die morphologischen Grundlagen der Pflanzen für einen speziellen Typus von Bestäubungsverhalten einiger Bienen.

Foto: Julius Jeiter
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Taxonomie ist die Grundlage für sämtliche organismische Forschung. Wenn man über etwas forschen will, muss man einen eindeutig zuordenbaren Namen dafür haben. Den herauszufinden bzw. zu überprüfen ist Aufgabe der Taxonomie. Wenn man genau schaut, findet man zwischen vielen Bestimmungsliteraturen sehr seltsame und teils widersprüchliche Angaben. Das macht die Bestimmung dann praktisch unmöglich und das dann zu korrigieren ist Aufgabe der Taxonomie: suche nach den Definitionen der Namen, Überprüfung der Art-/Gruppengrenzen und Neueinordnung. Das Ganze schließt diverse Aspekte ein, v.a. auch (wissenschafts-)historische Arbeit, aber auch Dinge wie Bestäubungsbiologie, Nutzpflanzen, Genetik usw. Man stößt dabei auf viele teils irrwitzige und spannende Dinge und Geschichten, die durchaus sehr lehrreich und inspirierend sein können.



Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Wenn es mir die Zeit zulässt, was selten der Fall ist, leite ich auch mal eine Führung im Botanischen Garten Bonn.

Irgendwelche interessanten Hobbys, von denen du uns erzählen möchtest?
Wenn mal Zeit und Nerven übrig bleiben, mache ich gerne eine Radtour, wandere oder wenn das Wetter nicht ganz so einladend ist, dann Filme, Serien oder Musik hören. Ansonsten interessiere ich mich auch sehr für Politik und gesellschaftliche Themen, bin allerdings nicht aktiv. Und falls es sich ergibt unterstütze ich auch meinen Fußballverein im Stadion.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Einen perfekten Tag habe ich nicht im Kopf. Eigentlich sind so meinen Hobbys und Interessen nachgehen sehr schön, aber chillen oder philosophieren mit guten Freunden oder ein Spieleabend sind auch sehr schön.

Bitte begrüßt Norbert ganz herzlich bei Real Scientists DE!

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