Sunday, August 23, 2020

Mit Knochen puzzeln - Eva Herbst ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere Kuratorin Eva Herbst (@EvaCHerbst) vorstellen zu dürfen! Eva hat an der UC Berkeley Biologie studiert und danach am Royal Veterinary College in London in Paläontologie promoviert. Seit 2019 ist sie Postdoc am Paläontologischen Institut der Universität Zürich. Das sagt Eva zu sich in ihren eigenen Worten:

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? 


Ich hab mich schon immer für Biologie interessiert, aber habe erst gedacht, dass ich Medizin oder Tiermedizin studieren will. Ich habe zur Uni-Zeit in den USA gelebt, und in dem System ist es so, dass man erst Biologie studiert und erst nach dem Bachelors dann das Medizin oder Tiermedizin Studium macht. Ich habe mich fuer das "Integrative Biology" Studium entschieden. Statt nur molekulare und Zell-Biologie beinhaltete dieser Studiengang Kurse wie Anatomie, Palaeontologie und Biomechanik. Als ich im Sommer nicht das Praktikum bei einer Pferdetierarztpraxis bekommen habe, habe ich stattdessen nachgefragt, ob der Safari-Tierpark in der Nähe auch Praktika anbietet. Da habe ich Danny Cusimano kennengelernt, der gerade ein sehr kleines Osteologie-Programm aufgebaut hatte. Den Tierpark gab es schon lange und es waren viele Tiere da, deshalb gab es auch ein paar Skelette von Tieren die gestorben sind (wegen Alter oder manchmal auch Krankeiten). Unter Dannys Leitung habe ich die Skelette gesäubert und die Anatomie gelernt, und am Ende haben wir auch 3 Skelette (eine Giraffe, eine Gazelle, und einen Vogelstrauss) mit Draht wieder zusammengebaut. 
Ich war total von der Anatomie begeistert, vor allem das die gleichen Grundlagen der verschieden Knochen sich so eine grosse Vielfalt von Skelettformen entwickelt hat. 
An der Uni haben mir die Biomechanik und Palaeontologie Kurse am meisten gefallen, vor allem der Osteologiekurs, wo wir kleine Knochenfragmente identifizieren mussten. Ich habe ein bisschen Forschung während des Bachelors gemacht und habe mich entschieden, das ich ein PhD machen wollte, in Biomechanik und Palaeontologie.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort? 
Seit dem Bachelorstudium habe ich mich sehr dafür interessiert, biomechanische Prinzipien und Modelle zu benutzen, um herauszufinden, wie sich Fossilien bewegt haben. Mir gefällt die Kombination von Physik und Anatomie, und es ist schon toll, mit Fossilien zu arbeiten, die hunderte von Millionen Jahre alt sind! Diese Gründe halten mich noch immer in dem Feld.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit! 
Für meine Doktorarbeit habe ich an frühen "Tetrapoden" gearbeitet. "Tetrapode" sind Wirbeltiere mit 4 Beinen, Füßen und Händen, und alle Tiere, die von diesen abstammen. Also sind Menschen, Wale, und Schlangen auch alles "Tetrapoden". Diese frühen Tetrapoden waren die ersten Wirbeltiere, die sich so entwickelt haben, um sich auf dem Land zu bewegen. Wir wissen noch immer nicht, wie diese ersten Landesgangarten aussehen - es wurde schon lange davon ausgegangen, dass die Bewegung vielleicht aenlich wie die Bewegung eines Salamanders war. Für meine Doktorarbeit habe ich getestet, ob mit der Knochenstruktur des fühe Tetrapodnes "Eryops megacephalus" eine Salamander-artige Bewegung möglich war.
Zurzeit arbeite ich an einer anderen Tiergruppe (die "Thalattosaurier", eine Gruppe sehr seltsamer Meeresreptilien aus dem Trias). Ich fokusiere mich jetz auf Schädelstruktur statt Beinanatomie. Aber das Prinzip ist das gleiche - ich erforsche den Zusammenhang von anatomischer Morphologie und dessen Funktion. Dazu baue ich 3D Modelle mit Computertomographie (CT scanning) oder Photogrammetrie von den Fossilien. Bei Photogrammetrie kann man 3D Oberflächenmodelle bauen, in dem man viele Fotos von vielen verschiedenen Winkeln macht. Die Modelle benuzte ich dann für biomechanische Experimente. Für die Doktorarbeit habe ich getestet, wie die Knochen die Gelenk-beweglichkeit eingrenzen. Für mein Postdoc Projekt baue ich jetzt komplette Schädel (in dem ich die vielen verschiedenen Knochen digital zusammensetze) und rekonstruire die Schädelmuskulatur. Die verschiedenen Spezies von Thalattosauriern haben sehr verschiedene Schädelformen, und wir wollen erforschen, wie sich das auf die Muskelkraft und die Kraft des Beißens ausübt. Verschiedenen Formen bedeuten vielleicht verschiedene Ernährungsweisen, aber wir wollen das konkret testen. Ich baue zurzeit ein Modell mit den Muskeln als Krafterzeuger, um zu sehen, wie die Muskelkraft durch verschiedene Formen von Schädeln sich verteilt.

Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren? 

Erstens finde ich, dass Forschung aus Interesse allein wichtig ist! Ich habe auch den Eindruck, dass viele Menschen von Dinosaurien fasziniert sind, aber viel weniger Leute wissen was für andere beindruckenden Tiere vor hunderten von Millionen Jahre auf dieser Erde lebten. Besonders interessant sind auch die fruehen Tetrapoden, weil wir von ihnen abstammen.

Es gibt heutzutage keine lebendigen Tiere, die so wie die "Tetrapode" oder die Thalattosaurier aussehen. Meine biomechanischen Modelle ermöglichen es, zu erforschen, wie diese Tiere sich bewegt haben. Bei der Forschung entwickeln wir oft neue Methoden, und diese Methoden können auch für klinische Forschung angewendet werden. Zum Beispiel verwende ich die gleichen Programme, die benutzt werden, um zu testen, wie orthopaedische Prothesen die Gelenkbewegung beinflussen. Neue Entwickelungen in den Methoden die wir Biologen und Palaeontologen anwenden (zum Beispiel neue Computercodes für bessere Modelle) koennen dann auch für solche klinische Forschung verwendet werden. 
Ich denke auch das wir viel mehr über den Zusammenhang zwischen Form und Funktion lernen können, wenn wir die ganze Vielfalt der Tierwelt erforschen, und nicht nur die Anatomie der Menschen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?

Zurzeit habe ich auch ein Projekt, in dem ich erforsche, wie Osteoarthritis die Knochenstruktur unterhalb des Gelenkes verändert. Wir testen, ob diese Knochenveränderungen vielleicht vor dem Knorpelschaden passiert. Das wäre dann sehr hilfreich, um schon früher die Osteoarthritisdiagnose zu stellen. Zusätzlich koennten die Knochenveränderungen benutzt werden, um die Wirkung von verschiedenen Behandlungen zu testen.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest? 
Ich klettere und bouldere total gerne - so viel wie möglich! Bouldern ist auch ein super Sport um andere Leute kennen zu lernen. Das ist ziemlich wichtig wenn man wegen der Forschung so oft umzieht. Laufen und Skifahren finde ich auch toll, und kochen.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)? 
Draussen klettern oder bouldern oder skifahren! Und dann Abends leckeres essen im Camper-Van kochen und mit Freunden draussen sitzen und reden.

Bitte begrüßt Eva ganz herzlich bei Real Scientists DE!


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